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Ein geradliniges Leben?: Eine Lebensgeschichte
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eBook362 Seiten2 Stunden

Ein geradliniges Leben?: Eine Lebensgeschichte

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Über dieses E-Book

Verlief sein Lebensweg geradlinig oder hatte er Ecken und Kanten? Wenn er im Krieg zwei schlimme Ereignisse überlebte, später zweimal in der Klinik von der Schippe
gesprungen und vor der Mauer glücklich in der Bundesrepublik gelandet ist, war das doch ein recht kurvenreicher Verlauf. Und auch das Berufsleben verlief nicht immer geradlinig.

Von der behüteten Kindheit über die Kriegs- und Nachkriegszeit, dem Beginn einer nicht geplanten Lehre, Studium mit vorgegebener Fachrichtung, „Republikflucht“, Neuanfang bei Carl Zeiss in Oberkochen bis zum Unruhestand wird kein Blatt vor den Mund genommen.

Für manchen Leser vielleicht mit etwas zu vielen technischen Details, eröffnet das Buch aber etliche, nur den Insidern bekannte Einblicke in den Werdegang des Autors. Angereichert mit zahllosen humorvollen Storys, einschließlich eines Einblicks in den weltweiten Bund Schlaraffia, wird ein ganzes Leben von 1932 bis 2015 entschlüsselt.

Zitat des Autors: „Mit dem Schreiben eines Buches kann man einer geistigen Blockade entgegenwirken, denn was man nicht gebraucht, verkümmert. Fazit also: Ich schreibe das Buch vor allem für mich selbst!“

256 Seiten mit 271 Abbildungen
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum31. Aug. 2015
ISBN9783735707871
Ein geradliniges Leben?: Eine Lebensgeschichte
Autor

Hans Joachim Neumann

Hans Joachim Neumann wurde in der Oberlausitz, im Oktober 1932 geboren. Seine Kindheit verbrachte er in Zittau. Dort erlebte er auch den Zusammenbruch des tausendjährigen Reiches. Nach einer vorzeitig abgeschlossenen Lehre als Rundfunkmechaniker erhielt er ein Stipendium für das Elektronikstudium an der Ingenieurschule Mittweida. Nach einer schweren Erkrankung, die er nur mit Glück überlebte, begann er als Ingenieur seine Berufslaufbahn bei Zeiss in Jena. Nach zwei Jahren entschloss er sich in die Bundesrepublik zu übersiedeln. Oberkochen mit seinem neuen Arbeitgeber Carl Zeiss, wurde seine neue Heimat. Er war beruflich sehr erfolgreich und wurde alsbald Laborleiter und zuletzt Leiter der Abteilung Marketing Service und Öffentlichkeitsarbeit. In der Sparte Koordinatenmesstechnik wurde er durch Vorträge und Veröffentlichungen international bekannt. Mit 59 Jahren wurde er in den Vorruhestand verabschiedet, war aber noch weitere zehn Jahre für die Firma als Beauftragter für die Normung zuständig. In seinem Unruhestand ist er mit 82 noch auf dem Gebiet des Grafik Design tätig.

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    Buchvorschau

    Ein geradliniges Leben? - Hans Joachim Neumann

    Für Vera

    Ein herzlicher Dank gilt an dieser Stelle meinem Bruder Horst, der viele interessante Hinweise gab und mir half, mein leicht verschüttetes Gedächtnis wieder aufzufrischen.

    Ein weiterer Dank gilt Dr. Ing. habil. Ralf Christoph, Inhaber der Firma Werth Messtechnik in Gießen, für die von ihm geförderte jahrelange, hoch interessante Zusammenarbeit beim gemeinsamen Schreiben von drei Fachbüchern sowie anderen Tätigkeiten für die Firma, die mir den Ruhestand mit Leben erfüllten.

    Inhalt

    Vorwort

    Kindheit

    Spielerisch zur Technik

    Verwandtschaftsverhältnisse

    Zeit des Krieges und sein Ende

    Einmarsch der roten Armee

    Wieder zu Hause

    Friedenszeit

    Kampf gegen den Hunger

    Leben in Zittau

    Berufsausbildung

    Studium

    Carl Zeiss Jena

    „Republikflucht" und Neubeginn

    Carl Zeiss Oberkochen

    Elektronik für Astronomische Geräte

    Ein neuer Berufsabschnitt

    Elektronik adé

    Die Problemphase

    Der Vorruhestand

    Erste Jahre Ostalb

    Ein neuer Lebensabschnitt

    Wir bauen ein Haus

    Das Leben ist schön

    Reisen bildet

    Unsere kleine Welt

    Reparatur der Sinne

    Bei den Schlaraffen

    Ein Interview

    Bücherverzeichnis

    Vorwort

    Als ich einmal an einem lauen Sommerabend bei einem Glas Rotwein auf meinen Lieblingsplatz unter unserer Pergola saß, fasste ich den Entschluss, den Lauf meines Lebens zu dokumentieren. Nach und nach vertraute ich meine Erinnerungen einem Diktiergerät an. Mein Berufsleben stand über einen langen Zeitraum im Mittelpunkt. Deshalb möge man mir verzeihen, dass mein Bericht in Teilen deutlich techniklastig ausgefallen ist. Viele Politiker schreiben ja auch sehr viel über ihre politischen Erlebnisse, was ja durchaus als selbstverständlich empfunden wird.

    Das Umsetzen des gesprochenen Textes am Computer in die Schriftform war anfangs recht mühsam. Hinzu kam, dass zwischen gesprochenem und geschriebenem Text ein deutlicher Unterschied besteht. Später half mir eine Spracherkennungs-Software, die meine gesprochenen Sätze direkt in einen geschriebenen Text verwandelte. Natürlich geschah dies nicht ganz ohne Fehler. Deshalb kam ich wieder auf die gute alte Methode zurück und tippte die Texte ein.

    Im Laufe der Zeit bemerkte ich, dass das Schreiben in mir viele Erinnerungen weckte, die schon verloren gegangen schienen. Falls sie lückenhaft waren, halfen Gespräche mit Bruder, Arbeitskollegen und Freunden, sie wieder aufzufrischen.

    War mein Lebensweg geradlinig verlaufen, oder hatte er Ecken und Biegungen? Es kommt wohl auf die Betrachtung an, ob man ihn noch als geradlinig begreift oder nicht. Ich finde, wenn ich im Krieg bei zwei Ereignissen überlebt, später zweimal in der Klinik von der Schippe gesprungen und vor der Mauer glücklich in der Bundesrepublik gelandet bin, so war das doch ein recht kurvenreicher Verlauf. Der Leser möge sich selbst ein Urteil bilden.

    Im Buch finden sich viele Bilder, denn wie bemerkt man so treffend: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte". Es gibt aber kein Bilderverzeichnis, denn so entfällt das lästige Blättern an das Buchende. Jedoch dort, wo der eindeutige Bildinhalt nicht aus dem Buchtext hervorgeht, finden sich direkt unter den Bildern Unterschriften.

    Viele der erwähnten Personen aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis verstarben inzwischen. Das Schreiben führte mich zu einem intensiven Gedenken. So soll das Buch auch als ein bescheidener Nachruf verstanden werden.

    Aber als Hauptgrund für das Schreiben empfinde ich, dass ich mir selbst eine Aufgabe stelle, denn ich bin sicher, dass man sich auch im höheren Alter Ziele setzen sollte. So kann man einer geistigen Blockade entgegenwirken, denn was man nicht gebraucht, verkümmert. Fazit also: Ich schreibe das Buch vor allem für mich selbst!

    Kindheit

    Als Kind der Oberlausitz kam ich im Oktober 1932 in Neugersdorf bei einer Hausgeburt zur Welt. Neugersdorf war, anders als der Name aussagt, kein Dorf, sondern seit 1924 eine Stadt und hatte 1932 etwa 11.000 Einwohner. Neugersdorf liegt zwischen Löbau und Zittau direkt an der Grenze zu Tschechien. Es ist heute mit Ebersbach vereinigt. Damals war hier ein Zentrum der Textilindustrie. Vor allem Spinnereien und Webereien waren in Neugersdorf und in der gesamten Umgebung zu Hause. Mein Vater war Webmeister in einer Weberei und wir lebten in einem bescheidenen Wohlstand.

    Da wir wegzogen, als ich erst vier Jahre alt war, kann ich mich nur oberflächlich an die Zeit davor erinnern.

    Besonders gern denke ich aber an den Garten hinter dem kleinen Haus für zwei Familien, in dem wir wohnten. Dort hatte ich viel Platz zum Spielen und ich vergaß manchmal, dass man unterbrechen sollte und war dann überrascht, wenn es warm an den Beinchen wurde.

    Einmal war ein ungeheurer Aufruhr im Ort und wir rannten auf die Straße. Nicht weit von uns brannte eine Weberei lichterloh und der Rauch hüllte die ganze Stadt ein. War das ein Erlebnis! Eine andere Erinnerung habe ich an das „Gierschdurfer Schiss´n", dem weit über die Region bekannten jährlich stattfindenden Jacobimarkt. Da war schwer was los und die Eltern waren finanziell gefordert. Der Markt ist heute noch der größte in der gesamten Region. Er ist sozusagen eine Miniaturausgabe des Münchner Oktoberfests.

    Da mein Vater sich beruflich verändern wollte und in Zittau bei der Firma PC Neumann eine Anstellung als Webmeister fand, zogen wir 1936 nach Zittau. Zittau hatte damals etwa 39.000 Einwohner. Noch heute bin ich vom Marktplatz mit seinem italienischen Flair beeindruckt. Das Rathaus wurde 1845 vom Zittauer Architekten Carl August Schramm, einem Schüler von Karl Friedrich Schinkel, erbaut.

    In der Schliebenstraße fanden wir in einem relativ neuen Mehrfamilienhaus eine Wohnung. Als der Krieg gegen Polen begann, wurde mein Vater, der damals schon 45 Jahre alt war, eingezogen und nach Polen beordert. Glücklicherweise entließ man ihn aber nach einem Jahr unversehrt wieder, nachdem er ja schon am ersten Weltkrieg teilnehmen musste.

    1939, im August, bekam ich ein Brüderchen, da war für Unterhaltung gesorgt. Als das Brüderchen zu sprechen anfing, versuchten wir, ihm seinen Namen „Horst Neumann beizubringen. Auf Abfrage verkündete er danach stolz: „Horle Munna.

    Wir verstanden uns vom Anfang an recht gut, zumal mein Bruder, als er älter wurde, oft respektvoll zu mir aufblickte. Leider konnten wir uns später nur noch selten begegnen, denn ich hatte, wie ich noch berichten werde, „rübergemacht".

    1938 kam ich zur Schule. Es war die Pestalozzischule in unserer Straße und das sogar auf unserer Straßenseite. Mein Schulweg war im heutigen Sinne also sicher. Damals wie heute wurde der Schuleintritt als wichtiger Lebensabschnitt gebührend gefeiert und mit einer Zuckertüte versüßt. Später sollte ich erfahren, wie die Nationalsozialisten die Jugendlichen bereits in jungen Jahren unter ihre Fittiche nahmen.

    Spielerisch zur Technik

    Mein Vater führte mich, als ich acht Jahre alt war, spielerisch in die Welt der Technik ein. Jedes Jahr wurden zu Weihnachten die elektrische Eisenbahn sowie der Märklinbaukasten erweitert. Die elektrische Märklineisenbahn Spur 0 nahm dann eine solche Größe an, dass wir ein ganzes Zimmer ausräumten. Ich lag oft auf dem Fußboden und beobachtete wie der beleuchtete D-Zug in die Bahnhofshalle einfuhr, die mein Vater selbst gebaut hatte. Überhaupt war mein Vater ein sehr begabter Bastler, er baute zum Beispiel einen Heißluftmotor und viele Teile als Ergänzung zum Märklinbaukasten, wie ein Differenzialgetriebe für den Antrieb der Hinterräder von Autos und auch ein Lenkgetriebe für die Vorderräder. Später bauten wir ein Kettenflieger-Karussell mit schräg stehender Achse. Der Antrieb erfolgte mit dem Heißluftmotor. Dazwischen war ein selbst gebautes, stufenlos regelbares Getriebe geschaltet. Es bestand aus zwei gegenüberliegenden kegelförmigen Walzen, über die ein Riemen lief, der mit einem Schieber verschoben werden konnte. Somit war das Übersetzungsverhältnis in einem weiten Bereich regelbar und der Kettenflieger konnte ganz langsam seine Fahrt beginnen.

    Später bauten wir noch eine „Spinne". Der gegenläufige Antrieb war noch komplizierter, denn die Gondeln bewegten sich während der Drehung auf und nieder. Durch diese Spielereien kam ich später von der Technik nicht mehr los und entwickelte auch einen besonderen Blick für Konstruktionen und ihre Schwachstellen.

    In der Schule ging es gut voran. Ab dem 10ten Lebensjahr erfolgte eine Begabtenauswahl und ich kam in die so genannte Hauptschule. Dort lernten wir schon Englisch und hatten viele Stunden Mathematik. Zu dieser Schule musste ich auf einem sehr langen Schulweg durch die ganze Stadt laufen. Neben der Parkschule in unserer Nähe, in der ich auch ein Jahr zubrachte, hatte meine Großmutter (die Mutter von Mutti) ein kleines Schreibwarengeschäft, in dem sie auch Speiseeis zubereitete. Dazu diente ein Holzlöffel in einem sich drehenden Zylinder, der außen von Eisbrocken unter Zusatz von Salz gekühlt wurde. Das war eine rechte Schinderei, die der Vater oft übernahm. Eines Tages stand vom hinteren Anbau des kleinen Hauses nur noch eine ausgebrannte Ruine. Der Großvater hatte Feuer gelegt und so sein Leben beendet.

    In der Hauptschule waren wir mit unserem Lehrer, Herrn Winkler, eine relativ große Klasse, die nur aus Jungen bestand. Man erzog uns im Sinne des Nationalsozialismus und wir wurden sehr streng rangenommen. Auf Schritt und Tritt stießen wir auf Hitlerparolen, die wir aber wenig beachteten.

    31 Schüler in der Hauptschulklasse, im Hintergrund eine Hitlerparole

    Verwandtschaftsverhältnisse

    Die Mutti hatte drei Schwestern (Lotte, Lene und Hilde) und einen Bruder Gerhard. Tante Hilde, die jüngste Schwester, besuchten wir mehrmals im Jahr, denn sie hatte zwei Töchter, mit denen wir und den herumlaufenden Hühnern und Gänsen am Bach gut spielen konnten. Hildes Mann Ernst, war ein strammer Nationalsozialist und Ortsgruppenleiter. Er betrieb in Niederoderwitz in der Nähe von Zittau am Ort die einzige Drogerie.

    Es gab immer heiße Diskussionen mit meinem Vater, der das NS-Regime hasste. Mein Onkel Gerhard musste leider im Krieg sein Leben lassen. Sein Sohn Dieter genoss eine gute musikalische Ausbildung und war lange Zeit Generalmusikdirektor in Chemnitz. Mit seiner gesangsfreudigen Schwester Ruth haben wir einen guten Kontakt. Vati hatte einen älteren Bruder Edwin, zwei Schwestern Frieda und Linda und einen Halbbruder Kurt. Von ihm wird noch die Rede sein.

    Onkel Edwin war ein begabter Erfinder im Textilmaschinenbau. Auch in meinem Vater steckte Erfindergeist. Aus alten Unterlagen geht hervor, dass er zusammen mit einem Bekannten 1942 ein Patent für einen Vertikalwebstuhl anmeldete. Offenbar hatte er zuvor an der Entwicklung mitgearbeitet. Aber es war wohl so, dass die Erfindung infolge der Kriegszeit sowie der nicht wirklich vorteilhaften Technik im Sande verlief. Später erfand er den „Neumannkasten". In ihm lagerten die Schussspulen, die dann nicht mehr von Hand zugeführt werden mussten. So konnten die Webstühle effektiver arbeiten.

    Tante Frieda lebte mit ihrem Mann Paul in Zossen bei Berlin. Tante Linda und Onkel Otto mit Tochter Lisa und Schwiegersohn Max wurden nach Kriegsende aus Tillendorf bei Bunzlau in Schlesien vertrieben und fanden Zuflucht bei Tante Frieda. Max war wie ein guter Freund zu mir. Bei einem Besuch in Zossen hat er mich als Zwölfjährigen sogar in seinem DKW fahren lassen. Der Versuch endete erfolgreich. Leider wurde Max Mitte der 80er Jahre auf dem Marktplatz von Zossen als Radfahrer von einem russischen Soldaten mit einem Lastkraftwagen angefahren. Nach einem Krankenhausaufenthalt ist er an einer Lungenentzündung verstorben.

    Heidi, die Tochter von Max und Lisa war meine Lieblingscousine. Sie war sehr hübsch und sprach ein gepflegtes Berlinerisch. Als wir noch Kinder waren, sagte sie immer: „Du doofer", zu mir. Später habe ich ihr das verziehen und wir trafen uns während und nach der Mauer ein paar Mal in Berlin. Ich hatte dort geschäftlich beim DIN-Normungsinstitut an Sitzungen teilgenommen.

    Natürlich entsprangen der Verwandtschaft noch andere Cousinen und Cousins. Hier alle zu erwähnen, würde den Rahmen sprengen. Auch konnte ein enger Kontakt nicht immer aufrecht erhalten werden, da sie in ganz Deutschland verstreut ansässig wurden, wie zum Beispiel in Erftstadt, Wolfsburg, Hameln, Zossen und Wernigerode.

    Zeit des Krieges und sein Ende

    Vom Krieg spürten mein Bruder und ich verhältnismäßig wenig. Die Versorgung mit Lebensmitteln funktionierte bis zum Kriegsende noch recht gut. Mein Vater verfolgte regelmäßig die Kriegsnachrichten vom Londoner Rundfunk und wir durften davon niemandem erzählen. Ich habe noch heute die Trommelschläge der fünften Symphonie von Beethoven im Ohr. Anders klangen dagegen die Sondermeldungen der deutschen Wehrmacht, die mit „Les Préludes" von Franz List eingeleitet wurden. Sie gaukelten uns regelmäßig Siege und natürlich auch den Endsieg vor. Ich sollte später auch daran beteiligt werden und man zog mich deshalb zum Jungvolk ein. Wir trugen kurze schwarze Hosen, ein braunes Hemd, ein schwarzes Halstuch, eine Mütze sowie ein Koppel mit Schloss und Schulterriemen. Manche waren stolze Uniformträger. Bei mir hielt sich das sehr in Grenzen und ich hasste die regelmäßig stattfindenden Appelle mit heroischen Ansprachen der schwarz gekleideten Scharführer.

    Zu Beginn des Jahres 1945 wurde die Lage immer angespannter, viele deutsche Städte waren zerbombt und die Front rückte immer näher. Am 13. Februar hörten wir nachts ein fernes Grollen und bemerkten einen den ganzen Himmel bedeckenden Feuerschein. Am nächsten Tag erfuhren wir von den furchtbaren Bombenangriffen auf Dresden. Trotz der Entfernung von ca. 85 Kilometern Luftlinie waren sie uns gegenwärtig. Die Stadt Zittau blieb, außer einigen kleineren Bombenabwürfen, bisher weitgehend verschont.

    Anfang Mai hielten wir Jungs uns draußen vor dem Haus auf und sahen hinter dem Haus eine Staffel sehr tief fliegender Flugzeuge auf uns zukommen. Sensationsgierig wie wir waren, rannten wir sofort ins Haus, stiegen die drei Stockwerke hoch und schauten aus dem obersten Fenster auf den Platz vor uns. Da waren dann auch schon drei Flugzeuge über uns und wir konnten gut sehen, wie sie ihre Bomben ausklinkten. Sie trafen die erste Häuserzeile, die etwa 250 m vor unserem Haus entfernt lag. Wie Papiertüten zerplatzten die dort stehenden Häuser und die steinernen Trümmer fielen auf die Straße. Da hatten wir mächtiges Glück gehabt, dass die Sprengbomben unser stattliches Haus nicht trafen, auf

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