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Station meines Lebens: "Ein Zeitfenster, das jedem bleibt"
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Station meines Lebens: "Ein Zeitfenster, das jedem bleibt"
eBook329 Seiten4 Stunden

Station meines Lebens: "Ein Zeitfenster, das jedem bleibt"

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Über dieses E-Book

Eine ganz persönliche Meinung!
Wie oft habe ich bedauert, dass ich so wenig über
meine Eltern weiß, bzw. über meinen Vater überhaupt
nichts! Damit es meinen Kindern nicht genauso geht,
habe ich meine Lebensgeschichte aufgeschrieben.
Viele interessante Gedanken und Erinnerungen haben
mich zu dieser Entstehungsphase geführt. Diese
Erfahrungen haben mich auf die Idee gebracht, eine
Autobiografie über mich zu schreiben, wobei ich im
Rückblick noch einmal das Leben im Zeitfenster an
mir vorbei fahren lasse, um es als geschriebenes,
kleines Werk in den Händen zu halten. Die Gedanken
an meine Kindheit und meines Lebens reihen sich
manches Mal wie kleine Filmepisoden aneinander.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum28. Jan. 2015
ISBN9783734746093
Station meines Lebens: "Ein Zeitfenster, das jedem bleibt"

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    Buchvorschau

    Station meines Lebens - Bernd Koch

    Inhaltsverzeichnis

    Titelseite

    28. August 1988 - Die Flugkatastrophe von Ramstein

    Titel

    Frühjahr 1988 - Algenpest und Robbensterben

    Impressum

    BERND KOCH

    STATION MEINES

    LEBENS

    „Ein Zeitfenster, das jedem bleibt"

    Autobiographie

    © B. Koch (Autor) 2012 Dinslaken

    Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

    Vorwort

    Als Erstes möchte ich mich bei dem Buchverlag BOD.

    (Books on Demand) bedanken, der mir dieses Buch kostengünstig ermöglicht hat.

    Die Internetseite „www.Bild.de" war mir eine große Hilfe um dieses Buch mit zeitgeschichtlichen Nachrichten und Informationen zu füllen. Aber auch Bilder aus dem Wirtschaftswunder Museum und dem Bundesarchiv. Somit habe ich an verschiedenen Stellen Nachrichten und Ereignisse eingefügt, damit man sich noch einmal besser in die Zeit zurückversetzen kann.

    Des Weiteren besteht ein Teil des Inhaltes aus Beispielen, kleinen Anekdoten, Erlebnissen und Erkenntnissen, aber auch Kritiken und Gefühle waren nicht zu verbergen.

    (Gro Harlem Brundtland, Ministerpräsidentin von Norwegen

    A. D.)

    Ein kluger Mensch meinte, es sei leichter, ein Buch zu schreiben als es nicht zu schreiben. Ich muss gestehen, mir fällt beides schwer, leider. Es würde mich unbefriedigt lassen, wesentliche Gedanken aus Erkenntnissen und Erfahrungen, die mir und Anderen nützlich sein können, nicht weitergegeben zu haben. Ein amerikanischer Schriftsteller fragte: Wenn du nicht bereit bist, für deine Mitwelt etwas zu tun, warum hast du dann gelebt?" Ich denke, dass dies eine berechtigte Frage „für einen nachdenklichen und verantwortungsbewussten Menschen ist. Und somit fing ich an zu schreiben, ob diese Autobiografie nun nützlich für den Einzelnen ist, oder nicht, sollte jeder Leser für sich selber entscheiden.

    Ein Großteil der Namen wurde zwecks Datenschutzes verändert.

    Des Weiteren habe ich nach meiner typischen Ruhrgebiets Mundart geschrieben … um das Buch nicht zu verfremden, denn es spiegelt ja mich bzw. Teile meines Lebens wieder.

    Eine ganz persönliche Meinung!

    Wie oft habe ich bedauert, dass ich so wenig über meine Eltern weiß, beziehungsweise über meinen Vater überhaupt nichts! Damit es meinen Kindern nicht genauso geht, habe ich meine Lebensgeschichte aufgeschrieben. Viele interessante Gedanken und Erinnerungen haben mich zu dieser Entstehungsphase geführt. Diese Erfahrungen haben mich auf die Idee gebracht, eine Autobiografie über mich zu schreiben, wobei ich im Rückblick noch einmal das Leben im Zeitfenster an mir vorbei fahren lasse, um es als geschriebenes kleines Werk in den Händen zu halten.

    Ein Mensch hat nur ein Leben aber eine Geschichte! Wobei

    An welchem Punkt eines Lebens man auch steht, die Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit ist immer ein lohnendes Unterfangen. Erinnerungen an längst vergessen Geglaubtes tauchen auf, verborgene Zusammenhänge treten ans Licht, Menschen und Situationen werden neu bewertet. Am Ende steht ein gewandeltes und tieferes Verständnis der eigenen Geschichte.

    Auch meine Kinder und Enkel werden von meinen Lebenserfahrungen vielleicht profitieren. Geben Sie ihnen die Möglichkeit, sich auf den Weg zu machen zu den eigenen Wurzeln. Wer die Vergangenheit kennt, versteht die Gegenwart besser.

    „Am Anfang habe ich überwiegend viele Erinnerungen durch Erzählungen gut ergänzen können."

    Dez. 2014 – II b. Ausgabe

    N a, was soll ich schon sagen, der Krieg war verloren, meine Mutter lebte mit mir wiederum bei ihrer Mutter. Für mich gab es damals nichts Weltbewegendes, zumindest habe ich es nicht direkt wahrgenommen. Die Gedanken an meine Kindheit und an mein Leben reihen sich manches Mal wie kleine Filmepisoden aneinander. Oft weiß ich nicht mehr genau, wie alt ich in einer bestimmten Szene dieses „Films" war. Eine dieser sehr frühen Sequenzen ist z. B., dass gespielt wurde mit alten Bauklötzen, bunten Glasperlen, und wer Glück hatte, besaß ein oder zwei kleine Metallautos und einen Kreisel, der Musik beim Drehen machte, oder ein paar Steine, die vielleicht eine besondere Form hatten. Ein richtiges Spielzeug gab es nicht für mich, einen ausgefransten Teddybär hatte ich wohl. Meine Erinnerung geht gut zurück bis zum vierten bis fünften Lebensjahr, beziehungsweise ich kann mich an viele Bruchstücke erinnern und das, was mir fehlt, durch Erzählungen ergänzen. Diese ersten fünf Jahre verbrachte ich mein Leben in einer kleinen Wohnung in Berlin Lichterfelde. Es war eine 4-Zimmer-Eckwohnung im Erdgeschoss, genauer gesagt, Hochparterre, neben einer Eckkneipe in der Ferdinand Straße 15.

    Sie war sehr beengt, wie ich mich erinnere und erfahren habe. Da nicht nur meine Mutter und meine Oma dort wohnten, sondern auch die drei Schwestern meiner Mutter, wobei meine Mutter die Älteste war. Die beiden jüngeren Schwestern Ulla und Thea waren zu der Zeit schon verheiratet und lebten mit ihren Männern auch dort. Helga die Jüngste war gerade mal zehn Jahre alt, als ich geboren wurde und Thea hatte schon eine Tochter. Dagmar war nur vier Monate jünger als ich. Sie ist am 01.09.50 geboren und hatte sogar schon eine Cousine. Die beiden älteren Schwestern hatten, wie schon erwähnt, je ein Zimmer in dieser Wohnung. Heute würde man sagen eine Kommune oder Wohngemeinschaft. Aber das Zepter hatte unsere Oma in der Hand und nichts passierte oder geschah in der Wohnung gegen ihren Willen, egal ob Geld oder sonstige Belange, sie führte, das Regiment mit energischer Hand, bei einer Größe von 1,58 m.

    So! Jetzt noch einmal von ganz vorne. Also nach einer neun Monate verheimlichten Schwangerschaft, fast genau fünf Jahre (07.05.1945) nach Kriegsende bin ich am 10.05.1950 geboren. Meine Mutter hatte die Schwangerschaft bis zum Schluss gut verbergen können, wie auch immer, sie hatte es geschafft. Eines Tages sagte sie, es war genau der Tag vor meiner Geburt, zu ihrer Mutter: „Ich habe Magenkrämpfe und ich glaube, das kommt von dem vielen rohen Rhabarber, den ich am Nachmittag gegessen habe. Es war spät abends und so wurde sie ins Krankenhaus gebracht. Ja, dann geschah es, während andere schliefen, erblickte ich also das Licht der Welt … und was für eine Welt … na ja darüber lässt es sich heute streiten.

    Brandenburger Tor Kriegsende 1945

    Berlin 23.03.1950 / Bundesarchiv

    Randgebiete von Berlin waren am Rande nur noch stark zerstört und die Straßen wurden nur noch teilweise von einigen Ruinen und gesammelten Ziegelsteinhaufen gesäumt, die die meisten Frauen nach Kriegsende genannt Trümmerfrauen" aufgehäuft haben, um sie wieder, neu zu verbauen.

    Kurz nach Kriegsende

    Bundesarchiv_Bild_183-08424-

    Berlin, Alexanderplatz, Baustelle, Straßenbahn, S-Bahnhof

    Ich denke mal, dass einige Steinhaufen auch meine Mutter angehäuft hat, aber im Großen und Ganzen konnte man schon wieder gut leben. In Berlin Mitte gab es schon wieder regen Verkehr und auch die meisten Ruinen waren schon wieder beseitigt, auf den Straßen ging das Leben weiter und das normale Leben hat Einzug erhalten. Aber vor allem gab es auch wieder reichlich zu essen für den, der genug Geld hatte oder etwas zum Tauschen, aber das war meistens alles mehr als knapp. Das Besondere an Berlin war aber auch, dass diese Stadt nach Kriegsende in vier Bezirke (Sektoren) aufgeteilt wurde. In den amerikanischen, den englischen, den russischen und den französischen Sektor. Aus dem russischen Sektor entstand später die ehemalige DDR.

    Vor dem Brandenburger Tor (Ost Seite) blühten die ersten Frühlingsblumen. Die Straßen waren aufgeräumt und sauber und es wurden schon wieder viele Reklameschilder ausgehangen.

    ( http://www.wirtschaftswundermuseum.de/werbung-bilder-1950.html )

    Um noch einen besseren zeitgeschichtlichen Überblick zu bekommen und einen besseren Zeitsprung machen zu können, habe ich einige Nachrichten aus der Wochenschau von 1950 zusammengestellt und mit eingefügt.

    (1.3) Verschiedenes aus dem Jahr 1950:

    Der Bremer Automobilbauer Borgward stellte seinen Kleinwagen Lloyd 300 vor. Der Wagen geht als Leukoplast- Bomber in der Geschichte ein.

    Elly Heuss-Knapp, die Frau des Bundespräsidenten, gründet in Bonn das Müttergenesungswerk.

    Die Franzosen lehnen die Einführung von Coca-Cola ab. Sie fürchten um die Existenz ihrer Weinbauer.

    Ein Zirkuselefant stürzt aus der Wuppertaler Schwebebahn. Der Dickhäuter übersteht den Sturz unverletzt.

    1.3 Persönlichkeiten, die 1950 geboren wurden:

    Agnetha Fälskog, 05.04. schwedische Sängerin, ehemals ABA

    Flavio Briatore, 12.04.Chef des italienischen Benetton- Formel 1 -Teams

    Stevie Wonder, 13.05.amerikanischer Sänger, „Happy Birthday"

    Thomas Gottschalk, 18.05.deutscher Entertainer und Showmaster, „Wetten Das"

    Iris Berben, 12.08.deutsche Schauspielerin, „Rosa Rotht"

    Bill Murray, 21.09amerikanischer Schauspieler, „Ghostbusters"

    1.3 Politik / Sport:

    Die Wasserstoffbombe der Amerikaner ist die neue Superwaffe der USA.

    In Ostberlin wird das Ministerium für Staatssicherheit, im Volksmund Stasi genannt, gegründet.

    Die ganze Mannschaft des SG Dresden flieht aus der DDR in den Westen. Unter ihnen ist der spätere Bundestrainer Helmut Schön.

    Uruguay schlägt im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft vor 200 000 Zuschauern im Maracana- Stadion Brasilien mit 2:1

    „© 2004 Intregreeting O. Schott GmbH"

    Was bis heute aber noch eine Ruine ist und somit ein Wahrzeichen in Berlin, ist die Gedächtniskirche, auch genannt „ Hohler Zahn ". So bekommen oft Dinge einen anderen Namen, aber nicht nur Gegenstände oder Gebäude, sondern auch ich.

    Gedächtniskirche um 1953

    Auf jeden Fall hatte ich in der Familie den Spitznamen damals weg, schau mal da kommt der „Rhabarber". Somit war das Jahr 1950 für mich auch etwas Besonderes. Ich bekam sogar meinen eigenen ersten fahrbaren Untersatz, er war zwar gebraucht, aber immerhin jetzt meiner.

    Mein Kinderwagen 1950 (sehr ähnlich)

    Heute kann ich sagen, es hätte mich nicht gewundert, wenn meine Mutter mich während des Steine Klopfens gebärt, hätte.

    Auch hier noch eine sehr frühe Filmsequenz, die mich wieder in die Küche meiner Kindheit versetzt. Ich muss ca. vier Jahre alt gewesen sein. In der Mitte der Küche stand ein grober Holztisch, auf dessen Oberfläche ich jede Rille und jede Nut kannte, so wie ich heute die einzelnen Falten in meinem Gesicht kenne. Ich vermute jedoch, dass der Zahn der Zeit an meinem Gesicht erfolgreicher nagte. Da stand nun dieser besagte Tisch. Auf der einen Seite der große Spülstein mit den selbst angemalten Fliesen, einfach schwarze Striche auf der Wand.

    Die Fliesen waren angebracht neben dem Kohleherd

    und einer kleinen Truhe, besser gesagt einer Holzkiste mit Deckel, in der Brennholz gelagert wurde. Daneben ein alter, massiver Küchenschrank, mit dem gesammelten Alltagsgeschirr und gegenüber war ein kleines Sofa, ziemlich dunkel gehalten mit zwei Kissen aneinander. An der Wand hing die Wärmflasche sowie Omas Kaffeesieb.

    Meine Cousine wohnte auch bei uns, denn ihre Mutter und meine waren tagsüber immer arbeiten. Soviel ich aus Erzählungen weiß, ging meine Mutter immer Nähen. Aber nun zurück zur Küche, an den Ort, wo sich das Leben am meisten abspielte und der durch das lange Ofenrohr im Winter am wärmsten war.

    Alles war dazu angetan, Gemütlichkeit auszustrahlen. Der Duft des Essens war allgegenwärtig. Die Kochkunst unserer Oma (mit 50 Jahren fit und sehr beweglich aber sehr klein, nur 1,58 m) trug dazu bei, aus wenig auch ein einfaches Mahl zu einem freudig erwarteten Ereignis werden zu lassen. Wenn sich da nur nicht dieses „Ding" mitten über dem Tisch von der Decke herunter geschlängelt hätte! Heut würde ich meinen, man gewöhnt sich an alles aber daran nicht.

    Mit einer Reißzwecke war an der Decke des Zimmers ein spiralförmiger gelber Papierstreifen befestigt. Er war mit Fliegenleim bestrichen und sollte der sommerlichen Fliegenplage Einhalt gebieten. Dieser Aufgabe wurde er nicht gerecht! Das Brummen der „Mucken, so nannte man die Fliegen bei uns, war allgegenwärtig. Sie setzten sich beim Essen auf meine Hand, liefen auf ihr hin und her, kitzelten und waren weitaus lästiger, als ihre Größe es vermuten ließ. Wenn man sie dann endlich mit einer unwillkürlichen Handbewegung verscheucht hatte, setzte schon die nächste zum Landeanflug an. Über ihre Aufgabe als Krankheitsüberträger wussten wir nichts. Auch Großaufnahmen einer essenden Fliege, die einen unappetitlichen Brei auf die Nahrung erbricht, um diese zu zersetzen, waren uns zum Glück bis da noch unbekannt. Für meine Cousine Dagmar und mich waren sie einfach nur unangenehme Zeitgenossen. Mindestens einige Dutzend der „Mucken fanden den Weg von unserer Suppe oder unseren Händen hin zum Fliegenpapier, wo sie dann, ihrer Freiheit beraubt, unter abnehmendem Gebrumme und Gestrampel verendeten. Da hing nun dieser Fliegenfänger, bestückt mit den vertrockneten Fliegenmumien. Bei geöffnetem Fenster schwang er gemächlich hin und her. Wir saßen vor unseren Tellern, schauten uns an und ich konnte heute, warum auch immer, den Streifen nicht aus den Augen lassen. Die panische Angst, dass sich, von mir unbemerkt, eine der Mumien von der Klebefläche lösen, in meiner Suppe landen und von mir verzehrt werden würde, war eine Qual. Nichts erfüllte mich mit größerem Ekel als diese Vorstellung.

    Heute würde ein Kind sofort seinem Unmut Ausdruck verleihen, und verständnisvolle Eltern würden für prompte Abhilfe sorgen. Unsere Oma war ihren Möglichkeiten entsprechend auch fürsorglich, sicherlich liebte sie uns auch, aber auf eine mir unerklärliche Weise war es für uns Kinder sicherer, jetzt nicht die Aufmerksamkeit unsere Oma, während sie kochte und am Ofen stand, auf uns zu lenken. Ich habe ihr Bild heute noch genau vor mir. Eine sehr kleine dunkelhaarige Frau, schon mit etwas grauen Strähnen im Haar, mit strengem und ernstem Blick, dessen Augen im Moment keinen Humor zeigten, aber dessen ganzes Wesen Gerechtigkeit versprach. Eine Frau, die sich für uns hätte vierteilen lassen, der jedoch eine Auseinandersetzung mit Lappalien widerwärtig war. Und was waren unsere kindlichen Probleme? Lappalien! So hielt ich im Stillen, die Augen nach oben gerichtet, auf den Moment lauernd, in dem meine Ängste wahr werden würden. Es verging viel Zeit, die ich nicht in Tagen, Wochen oder Monaten messen kann, bis meine Oma mich ansprach und fragte, warum ich denn ständig an die Decke starren würde. In mir kämpfte sich die lange im Stillen verborgene Abscheu nach oben, blieb als Kloß in meinem Halse stecken und mit weinerlicher Stimme schilderte ich mein Leiden.

    Was dann passierte, hat sich auf ewig in mein Gedächtnis eingebrannt. Wir hatten gerade angefangen zu essen, als der gelbe Streifen immer mehr vom Wind bewegt wurde. Unsere Oma sprang auf, wobei sie den Stuhl nach hinten schob, was ein erschreckendes Getöse zur Folge hatte. Starr vor Schreck wartete ich auf meinen kleinen persönlichen Weltuntergang. Sie streifte die Hausschuhe ab, stieg auf den Stuhl, von diesem auf den Tisch und bahnte sich auf wollenen Socken den Weg über Schüsseln und Teller bis zur Tischmitte. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, nahm sie das Küchenmesser, das sie schon in der Hand hatte als sie aufsprang, löste damit die Reißzwecke, nahm mit zwei spitzen Fingern das Objekt meiner Angst und versenkte es, nachdem sie den Abstieg elegant bewältigt hatte, schmiss sie den streifen in den Mülleimer. Begleitet von anhaltender Stille setzte sie sich wieder zu uns an den Tisch, brach ein Stück Brot vom Laib, tunkte es in die Suppe, und kurz bevor das Brot den Weg zwischen die mahlenden Zähne fand, war laut und deutlich folgender Satz zu hören: „Wo ihr Kinder recht habt, da habt´s recht! Wir grinsten und freuten uns. Das war unsere Oma, sie war immer für eine spontane Sache gut. Sie nahm beispielsweise Decken, schlug sie über den Küchentisch aus und baute mit uns eine Hütte oder eine Bude, wie wir immer zu sagen pflegten: „Komm, lass uns eine Bude bauen So spielte sie auch mit, krabbelte mit unter den Tisch und spielte mit meiner Cousine und mir Räuber und Gendarm oder Ähnliches.

    Aber nicht nur meine Cousine war nachmittags mit in der Wohnung, auch noch die jüngste Tochter meiner Oma war da und es gab oft Streit, heute würde man sagen Zicken-Alarm. Keiner wusste, wieso oder warum, aber einen Grund brauchte man nicht, damals wie heute. Ich muss so ca. gute vier Jahre alt gewesen sein, als mal wieder richtiger Zicken – Alarm anstand. Dadurch konnte ich also mit vier Jahren schon am eigenen Körper feststellen, dass Knochen sehr zerbrechlich sein können. Denn damals wie heute gibt es irgendwann Streit, und so war es dann auch Mitte Februar 1955 Zwischen mir, meiner Cousine und Helga, der jüngsten Tochter, kam es wieder mal zum Streit. Ich kann nur sagen, Mädchen können gut schupsen, da ist etwas Wahres dran, oder ich bin schlecht gelaufen. Auf jeden Fall musste ich feststellen, einer schupste mich, ich rutschte aus und brach mir das linke Bein. Ich war gerade mal vier Jahre und neun Monate alt und mein erster Gips war nun fällig, aber genau das war es, genau das was keiner gerne will und schon gar nicht als Kind, oder? Einen Gips. So schnell, wie es passierte, heilte es auch wieder. Bei Kindern geht das immer sehr schnell, habe ich mir sagen lassen.

    Mit knapp 3 Jahren das erste Foto von meiner Cousine und mir, auf dem Sofa in der guten Stube.

    Aber lange sollte ich in Berlin nicht mehr verweilen, das beschloss meine Mutter damals. Denn sie hatte für sich schon im September 1952 beschlossen, Berlin zu verlassen und nach Westdeutschland NRW ins Ruhrgebiet zu fahren, um dort zu arbeiten. Dort hatte sie Rudi B. kennengelernt, einen Mann aus Breslau, der im Ruhrgebiet im Bergbau tätig war. Sie heiratete ihn dann auch im Februar 1953.

    Meinen leiblichen Vater und seinen Namen habe ich nicht kennengelernt. Er soll Ende 1951 an seinen Kriegsverletzungen verstorben sein. Wie gerne hätte ich ein differenzierteres Bild von meinem Vater gehabt. Sein früher Tod verhinderte dies und so musste ich mit den Ungewissheiten, wie mag er aussehen, wer war er, und mit den kargen Erzählungen leben, die ich bis dahin erhalten habe. Auch später habe ich weder Bilder noch seinen Namen erhalten. Dieses Thema war zuhause ein großes Tabuthema und wurde totgeschwiegen. Sogar am Totenbett meiner Mutter, viele, viele Jahre später, hat sie mir den Namen nicht verraten. Weder Bekannte, noch derzeit lebende Verwandte wissen auch nur einen Hauch davon. Den Namen hat meine Mutter mit ins Grab genommen, als sie verstarb. Sodass ich bis heute in Ungewissheit lebe, wer er war.

    Ich zweifle heute sogar an, dass er nach dem Krieg gestorben ist, aber als Kind glaubt man viel, vor allem, wenn es die eigene Mutter erzählt. Da meine Mutter also zu der Zeit, als ich geboren wurde nicht verheiratet war, habe ich auch ihren Mädchennamen bekommen: Koch. Mir wurde als Kind immer erzählt ich sei ein Kind von Rudi B., aber das sie noch nicht verheiratet waren, somit habe ich den Mädchenname meine Mutter bekommen. Das glaubt man ja auch erst mal als Kind. Später dann habe ich nicht mehr nachgefragt und eines Tages dann war es erst recht zu spät.

    Nun wieder zurück zum Geschehen. Wie schon erwähnt, irgendwann musste ich ja wieder zu meiner Mutter. Eines Tages war es so weit, sie holte mich nach, besser gesagt, sie ließ mich nachkommen, ins Ruhrgebiet, genauer gesagt nach Wehofen, dort arbeitete ihr Ehemann, mit dem sie verheiratet war. Dieser hatte im Bergbau eine Anstellung und verdiente gutes Geld. Das musste er auch, denn am 01.01.1954 bekam ich einen Bruder, genauer gesagt einen Stiefbruder und somit war der Kronprinz, wie man so schön sagt, geboren.

    (Erster Bürger der Stadt Duisburg 1954) . Von dem Ich aber erst erfuhr, als ich nachreiste, denn so richtig habe ich es damals nicht verstanden. Aber in der Geschichte gab es noch einen weiteren wichtigen Termin. 1954-Deutschland wurde Weltmeister.

    Es war eine unerwartete Sensation. Das ganze Land war außer sich, ich bekam zur damaligen Zeit davon überhaupt noch nichts mit. Kindergarten war für mich zu der Zeit ein absolutes Fremdwort.

    Mein erstes Sommerlager 1955

    Auf jeden Fall sollte das nicht meine einzige Reise werden. Denn im Juni bis Juli 1955 war ich in der Kinderverschickung, wie man früher sagte, 14 Tage zur Erholung und das war gut so. Denn was im Herbst noch alles auf mich zu brauste, da kam mir die Erholung vorher nur recht, aber davon wusste ich zu dieser Zeit noch nichts.

    Denn eines Tage hieß es auch für mich zum zweiten Mal in diesem Jahr „Koffer packen". Ich war schon aufgeregt, denn meine Tante, die jüngste Schwester meiner Mutter, Helga war damals gerade mal 14 ½ Jahre , sollte mit mir, als ich fünf Jahre und sechs Monate alt war, nach Duisburg bzw. Wehofen fahren. Die Fahrt ging also morgens mit einem Transitbus los. Zwischen Berlin Funkturm–Duisburg Hbf.

    (Berlin ab 6:15 Duisburg an 18:56) Reisebus um 1953 - 1958

    Die Fahrt schien nicht enden zu wollen, mit Zwischenstopp in Marienbor zur Passkontrolle. Das war natürlich nicht so ein Reisebus, wie wir ihn heute kennen, sondern schon etwas einfacher, aber für die damalige Zeit schon komfortabel.

    zum Vergleich: Linienbus Berlin; um 1953

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