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Der Kirschbaum
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eBook417 Seiten6 Stunden

Der Kirschbaum

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Über dieses E-Book

Dieses Buch hat keine fortlaufende Handlung, es ist mehr eine Art Lesebuch. Es kann vorwärts und rückwärts, von rechts nach links, von unten nach oben, diagonal oder auch gar nicht gelesen werden.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum5. Aug. 2015
ISBN9783735746856
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    Buchvorschau

    Der Kirschbaum - Johannes v. Lehmann

    Zusätze.

    Präludium e-moll

    Klingen sie nicht wie eine Mahnung, diese Töne, wie ein Warnungsruf, wie ein Menemenetekel Ufarsin? Aufsteigend und absteigend! Manchmal zu zweit, dann wieder zu dritt und sogar zu viert - meistens in einem Ohr, selten in beiden Ohren. Was gibt es da zu fragen? Eine Labilität des Gehirns, hervorgerufen von einer Gehirnerschütterung! Ein Sturz im Winter bei Schneeglätte! Der Schnee noch so dünn, daß man niemanden wegen Nichtstreuens verklagen kann! Wer warnt? - - - Über die Felder wandert meiner Mutter verlorenes Kind. - So viele Liedertexte und alle vergessen!

    Der Nervenarzt sprach etwas von geigenden Schweinchen: Und die hören Sie. - Welch ein Unsinn! Oder doch nicht? Hin und her Schwanken zwischen Zweifel und Gewissheit! Wer kann das ausgebrütet haben? -

    So weite Straßen bin ich gegangen, um den Tönen zu entfliehen; so lange bei glühender Hitze, die Leute sprachen von Saharahitze, und bin ich zu weit gegangen, musste wieder zurück. Hoffnung auf Wadenkrämpfe sind circumstances. Aber übertreiben will ich nicht. Es mag alles so sein oder mag auch nicht so sein. Kein Schwein kennt sich da aus!

    Der Tiger Nurejew ist im März gestorben; den konnte ich nicht mehr sehn, und das Aquarium war wegen Hochwasserschäden geschlossen. So ein Pech habe ich immer wieder. In Schwerin war es das Schloss, das ich nicht fotografieren konnte, weil es renoviert wurde. Das muss man mannhaft ertragen! Daß ich nicht lache! Ein gottverfluchtes Verdammtsein ist es, nicht mehr und nicht weniger! - In Nöten und Gefahren such' ich das Leben, nicht das Glück, so tönte es einst. - Mit dieser Einstellung wirst du es später schwer haben. - Leute wie du nehmen sich am besten das Leben. - Wenn ich noch so einem begegne wie dir, nehme ich mir das Leben. - Du wirst auch im Alter immer aussehen wie ein Student. - Ich halte es für wahrscheinlich, daß Sie an einem Altersautismus leiden werden. - In spätestens zehn Jahren hängen Sie am Tropf. - Immer diese prophetischen Sätze, diese Unwägbarkeiten hineingesprochen ins Blaue! - Es kann keine schlimmeren Elemente für eine Gemeinschaft geben als Sie! - So ein Quatschkopf, dieser Internatslehrer Rotzio, fast ein Kretin, der obwohl Deutscher, immer fragte: Wem seins ist das? -

    Warum muss ich immer zwischen seelisch Halbverkrüppelten, zwischen Narren herumlaufen, warum mit zwei alten Hexen im selben Haus wohnen? Diese blöde Kuh! Sie haben sich auf mich fixiert! das schrie sie mir wütend ins Gesicht, weil ich es wagte, mich über ihre Lärm- und Geruchsbelästigungen zu beschweren. Es gibt der Zusammenhänge sehr viele. Alles Möglichkeiten! Lauter Ahnungen, keine Gewissheit! -

    Das Gewitter heute schlug mir meine Jalousie herunter. Es fing an zwei Minuten, nachdem ich zu Hause ankam. Das war mal ein Glück; die ersten Tropfen hatte ich noch mitbekommen. - Warum kommt es nie vor, daß sich ein hübsches Mädchen neben mich setzt? Warum heute wieder so eine Dickliche, Pickelige, die ich gar nicht ansehen mochte? Eine Hübsche stand von ferne und setzte sich auch nicht, als der Platz mir gegenüber frei wurde. -

    Einschlafen: Die Bilder schmeißen mich immer heraus und dann liege ich stundenlang wach. In meiner Kindheit tat es ein gefährlich knurrender Wolf, jetzt sind es meistens lächerlich kleine Hündchen, die aber doch ein furchteinflößendes Bellen an sich haben; und schwupps! bin ich wieder wach. - Es ist alles so seltsam kleinkariert; ich möchte grunzen.

    Übrigens grunze ich tatsächlich manchmal, wenn ich nach mehreren schwachen Atemzügen einen starken Atemzug tun muss. Das sind Launen der Natur oder wie der Arzt mich belehren zu müssen glaubte: Wir müssen alle einmal sterben. - Wie wahr! Wie weise! Er hatte es wohl schon am eigenen Leibe gespürt. Unglaublich dick geworden, gab er jetzt seine Praxis auf.

    Mit Ärzten habe ich immer Pech. Ich kann meine Beschwerden auch nicht angemessen darstellen. Jammern will ich nicht, kann es auch nicht gut; infolgedessen nehmen sie mich nicht ernst und speisen mich mit Pauschaldiagnosen ab. Sie schreiben das Rezept aus, bevor sie mich untersucht haben. Jedenfalls nenne ich es keine Untersuchung, wenn ein Doktor seinen Zeigefinger hebt, mich einmal nach rechts, einmal nach links schauen lässt und dann seine Diagnose fertig hat. Aber das Wartezimmer ist voll; also hat er keine Zeit für den einzelnen Patienten

    Eine widerliche Blage sind sie alle. Ich für mein Teil bedanke mich. Da fehlt die Grütze im Kopp! Ich kann das alles nicht verstehn. Mir wär' es ja viel lieber, wennach, ich weiß nicht was! -

    Im Hellabrunner Zoo gibt es einen Flamingoeingang; aber man darf auch hinein, wenn man kein Flamingo ist. Als Flamingo mit Rentnerausweis spart man rund vier Mark.

    Nun also ist Tiger Nurejev im März gestorben. Sein Blick war vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, daß er darum bat, eingeschläfert zu werden. Wenn die Tiger Apfelsinen fräßen anstatt kleine Zicklein, wären sie die Krönung der Schöpfung. Oder will das jemand bestreiten? Den nenne ich einen eingebildeten, blankrasierten Halbaffen. Mein schütteres Haar! Meine ausgebleichte Braue! Wenn die Zähne ausfallen, schwindet das Gedächtnis. Kunsstoffgebisse helfen dem nicht auf.

    Deshalb geht der Mond auch jeden Tag etwas später unter. Das macht der Frühjahrsreigen, dessen Rhythmen sich verzögern. Die Samthandschuhe muss man dann ausziehen. Wenn die Kinder anfangen zu plärren, muss man ihnen den Mund mit Sahnebonbons stopfen.

    Sonst geht der Mond gar nicht mehr auf.

    Gestern sollen Hagelkörner so groß wie Hühnereier gefallen sein. Das Ei war zum Vergleich in der Zeitung mit abgebildet. Ich sag's ja, wir kriegen jetzt das Klima von Labrador. Man will mir nicht glauben. Man glaubt ja auch nicht, daß in Europa die Eiszeit herrschte, als der Atlantikrücken noch über Wasser lag und den Golfstrom von Europens Küsten fernhielt. Niemand kontrolliert diese Bewegungen. Alles verändert sich, wie es will. Kein Respekt mehr, kein Anstand und keine Sitte! Das bebt und bricht ein und bricht aus, überflutet und lässt abfließen, sodaß man auf den höchsten Bergen der Türkei Ammonshörner und Mu- schelschnecken findet. Man findet aber auch zerbrochene Wasserleitungen und Reste von Aprikosengärten. Wenn es nur nicht dort auch Wölfe noch geben würde, wäre ich schon längst dorthin gezogen.

    Aber das Knurren und ihr grimmiges Zähnefletschen versetzt mich in Angst. Sie sind oft zweibeinig, diese Wölfe. Da möchte ich fliehen in Mutters Schoß, die aber schon längst begraben liegt unter einem roh zugehauenen Felsstein, der wenig über sie besagt. Dies nur zur Erinnerung! Sonst weiß man gar nicht, was und wie und treibt die Sachen, wie man die Sachen eben so treibt. Das sollten wir gescheiter machen!

    Am Himmel hängen heut' überall Wolken. Die Bläue hat man weggenommen. Ist auch besser so; denn auf den Autobahnen platzten schon von der Hitze dieBetonplatten. Der Roggen steht trotz des Hagels gut; der Weizen im Vergleich mickrig, unterentwickelt, zurückgeblieben. Die Rosen überstanden den Hagel auch gut; aber die Köpfe aller Pfingstrosen liegen zerfleddert am Boden. -

    Ich trage selbst bei der größten Hitze immer eine Jacke und gehe nie im bloßen Hemd; denn wo soll ich sonst mein Portemonnaie, meine Brille, mein Handy, mein Gebiss, meine Schlagringe und meine Knockoutpistole unterbringen. Man lebt ja nur einmal und zwar gefährlich.

    Die Nachmittage schleichen dahin wie kranke Tiger. Die Ruhmsucht bekommt zu viel zu fressen. Das war's eigentlich nicht, was ich sagen wollte, aber nun steht es einmal da, und deshalb lasse ich es auch so. Vorsichtshalber schließe ich mein nach Westen gehendes Fenster; denn es sieht wieder nach Gewitter aus. So viele Blätter wurden gestern abgeschlagen, Blätter und Äste. In der Wegwartstraße war der große, über die Straße ragende Ast einer Blutbuche niedergebrochen. Tragödien größten Stils spielen sich ab ohne Anfang und Ende. Nur mit schmerzverzerrtem Gesicht und fest zusammen gepressten Fäusten lässt sich so etwas überstehen. Das kann der Luftzug: Ganze Bäume ausreißen, Dachschindeln herabwerfen, Jalousien auf den Boden schleudern. Weh dem, der dann keine Heimat hat oder einen Schutzhelm. Schutzhelme immer sicherer als Schutzengel! Sag was, Ente! Warum stehst du da bewegungslos auf der Straße herum? Wenn nun ein Auto käme und dich mitnähme, nach wem wolltest du dann um Hilfe schrein?

    Hast du deine Küken verlassen? Oder gut versteckt? Oder hast du keine? Hat dich keiner achtmal, achtmal, achtmal? Oder bläst du nur im Blasorchester und singst im Posaunenchor? Das schlägt dem Fass die Krone mitten ins Gesicht. Aber schlag nur zu! Ich lache darüber und sing' mir ein Lied, ein Lied, das vom Herzen kommt und zu Herzen geht. Ja, so singe ich. Und dir, mein Schatz, soll es schlaflose Nächte bereiten, soll in Wahnvorstellungen enden. Du sollst erst hören und dann auch sehen, wenn dir das Brett vorm Kopf genommen wird. Das Brabbeln im rechten Ohr verstehst du noch nicht, weil es zu schnell geht und wie aus einem anderen Zimmer kommt. Aber warte nur, warte nur ein Weilchen, warte nur balde!

    Das Nasobem kam nicht wieder zurück. Es stampfte nur einen Vormittag lang neben mir her. Dann begleiteten mich nur sinnlose Worte:

    Holledau, Trullala, Vicamsha, Allaha, Mordechai, Allesklar und Absalom. Nichts ist klar! alles sinnlose Worte! Sinnsuche zwecklos!

    Ich möchte nicht die Meinung erwecken, daß mein Blut geronnen oder mein Gehirn erweicht ist. Es ist hart wie eh und je, eine Dura Mater. Zu hart! Viel zu hart, wie eben ein Brett sein kann. Die Füße hätte ich mir waschen sollen! Na, beim nächsten Mal! Allerdings muss ich zweiundsiebzig Stunden vergehen lassen. In diesen zweiundsiebzig Stunden darf ich keinen Kuchen essen, keinen Brombeertee trinken, keinen Film anschauen, besonders keinen, in dem irgendwelche Schweinigeleien vorkommen. Auch Musikhören würde sich ungünstig auswirken. Wenn das alles vorüber ist, dannja, dann

    Heute schweigt der Himmel. Der Kirschbaum rührt sich nicht. Seine Äste hängen tief, und dunkelgrün sind seine Blätter. Die Kirschen sind noch alle gelb. Trotzdem herrscht eine Gewitterstimmung. Wahrscheinlich kommt es in der Nacht. Wahrscheinlich, wahrscheinlich.

    Putzige Flammen entschießen dem Loch in meiner Hirnrinde. Wie geschickt sie winken! Und völlig geräuschlos! Ein Indianer könnte kein besseres Feuer machen. Dabei will ich doch Rauchzeichen abgeben. Darin besteht ja die Grundidee dieser ganzen Schreiberei. Wie kann ich mein Inneres besser verdeutlichen als durch solche Spontansätze mit Ausrufungszeichen! Es bedarf nur eines geschickten Interpreten. Den habe ich leider nicht bei der Hand.

    Die Zukunft wird ihn bringen. Die Zukunft wird alles bringen. Deshalb heißt sie ja Zukunft. Es kommt auf mich zu, was mir zukommt. Man darf sich nur nicht zu schnell entscheiden; aber wegwerfen darf man auch nichts.

    Ich komme noch auf den Hund, der den Mond anbellt. Angeblich sollen Hunde so etwas tun. Dabei beobachtet habe ich noch keinen. In meiner Straße wohnt eine Hundebesitzerin mit einem reichlich aggressiven, kleinen Köter, der sofort losbellt, wenn jemand sein Frauchen anspricht, und wenn sie dann zu ihm sagt: Nicht bellen! - dann bellt er erst recht; denn er versteht nur das Wort Bellen, das Wort Nicht versteht er nicht. Bis ich der Frau das klar gemacht hatte, war die Sonne untergegangen, und wir trennten uns, um unsere Betten aufzusuchen. Die Wölfe heulen den Mond an; das scheint eine Tatsache zu sein, zu der mir allerdings jede Erklärung fehlt. Vielleicht leiden sie nur an Magenverstimmung und meinen der Mond müsse etwas dagegen tun, weil sonst niemand da ist, der irgendwie in die Augen fällt. Sub spezie aeternitatis sage ich das und wärme damit Lauwarmes noch einmal auf.

    In den Richtlinien der geometrischen Figuren bin ich ja ein wahrer Meister. Da können Ziegel vom Dach fallen, so viele wollen - das schadet meinem Gehirn nicht. Zwischen zwei fallenden Ziegeln pirsche ich mich geschickt hindurch, wie Münchhausen zwischen zwei Regentropfen, sodaß er nicht nass wurde. Aber diesem Lügenmeister gleiche ich ja gar nicht. Ich bin die Wahrheit in Person. Nur die Wahrheit! Nicht auch der Weg, das Licht und das Leben; das wäre zuviel behauptet. Schließlich bin ich kein Angeber, sondern ein höchst bescheidenes Menschenkind, das jede Unordnung hasst und jede Kalamität flieht. (Das ist transitiver Gebrauch wie bei Beethovens Mich fliehen alle Freuden, woraus ein Kind, welches diese Noten kaufen sollte, das durcheinanderbrachte und verlangte Mich freuen alle Fliegen).

    Ich hasse diese Spompanadeln, Firlefanzereien und Fissematenten. Der ist nicht recht gescheit, der von mir glaubt, sie mächten¹ mir Spaß! Das Gegenteil ist wahr. Von allem ist immer das Gegenteil wahr. Der Gegensatz hat immer recht. Das könnte ich als Wahlspruch über mein Eingangstürchen setzen lassen. Aber ich hasse auch Wahlsprüche. Sind immer nur Halbwahrheiten, bzw. werden nur halbherzig beherzigt. Sollen doch die Kulissenschieber des Untergrundtheaters mit dem unkontrollierten Gekrixl und Gekraxl fertigwerden! Was ficht's mich an, wenn sie dabei baden gehen?

    Verrate ich nun ein bittersüßes Geheimis, wenn ich bekenne, daß es in meiner Waschküche von Diktyosomen, Vakuolen, Mitochondrien, Chloroplasten, Ribosomen und Grana-Thylakoiden nur so wimmelt und noch von vielen anderen Tierchen, für die man noch keinen Namen fand? Nein, das sind für die Mikrobiologen alte Kamellen. Aber ich finde dieses Durcheinander schrecklich, zunächst wahrhaft erstaunlich. Denn wer hätte gedacht, was da unter dem Elektronenmikroskop alles zum Vorschein kommt! Erstaunlich, was besteht, erstaunlicher, daß es entdeckt wird!

    Allerdings, finde ich, könnten die Vorgänge ruhigetwas weniger kompliziert ausfallen, dann wäre der Mensch vielleicht ein besserer. -

    Ich komme mir komisch vor ohne Kopf, kann aber nicht einmal darüber lachen. Kopflos kann man nicht lachen. Man fühlt sich ganz wie eine Mumie im Innern einer Pyramide. Es gibt keinen Raum; der Raum ist mit dem Kopf entschwunden. Wo mag er bloß hin gekommen sein? Hoffentlich ist die Situation nichtirreversibel! Man möchte doch seinen Kopf wieder zurück haben und wenn es in ihm noch so sehr summt.

    Die Mitochondrien drücken, und die Vakuolen zerren. Sonderbarerweise! Denn sie sollten doch eigentlich leer sein, und wie kann eine Leere zerren? Das sind die Intelligenz überschreitende Verhaltensweisen! Aber nichts ist so mächtig wie die Nichtintelligenz.

    Ich kann bloß darüber verzweifeln, auch wenn ich kopflos bin. Denn das Herz ist es, das verzweifelt, vielleicht auch das Zwerchfell oder das Sonnengeflecht. Keinen Zweifel kennt das Urogenitalsystem; das empfindet man als angenehm. Ob so oder so - es bleibt sich gleichgültig.

    Das Gefüge kann zerschmettert werden - und damit ist alles aus. Ich weiß mir nicht anders zu helfen als Pflaumenkerne zu zerbeißen und die Blausäure zu sammeln, bis sie ausreicht für einen langen Schlaf. Vor Mittag werde ich nie mehr aufstehen, und nach Mittag werde ich mich gleich wieder hinlegen. Mein hervorstechendster Charakterzug ist Müdigkeit.Müdigkeit, daß sich Gott erbarm! Früher gab es Erregungsstürme und Angsthochfluten, damit ist es endgültig vorbei. In der Tat bleibt nichts mehr zu tunübrig. Es geschah, wie es kommen musste. Aber das ist Quatsch; denn alles geschieht so, wie es kommen muss. Auch die Klingeltöne in meinen Ohren.

    Ich werde verreisen - aber wohin? Es zieht mich nach Berlin, es zieht mich nach Teneriffa, es zieht mich auch an die Algarve. Aber vielleicht bleibe ich doch besser in Franken. Zum Beispiel Ansbach kenne ich noch nicht. Die Schwester des Alten Fritz soll dortimmer noch wohnen. Sie färbt sich fast täglich die Haare, soweit sie ihr nicht ausfielen. Zähne hat sie keine mehr; deshalb kann sie sich auch an nichts mehr erinnern. Worüber könnte man mit ihr reden?

    Oder verzichte ich lieber auf einen Besuch in ihrem Schloss?

    Sehr wohl fühlte ich mich in Uffenheim, welches in der Nähe liegt. Haha, die Wirtin des Grünen Baum hielt eine Gipsplastik für eine echte Keramik aus dem 16. Jahrhundert, weil ein Dummkopf von Kunstprofessor ihr das einredete. Ich schreibe alles hin so, wie es mir einfällt, ganz gleich wie albern es ist und ob es einen Sinn ergibt. Das hat den Vorteil, man kannjederzeit aufhören und muss nicht ein Ende für eine Geschichte konzipieren. Jetzt zum Beispiel will ich aufhören und höre deshalb auf. –

    ¹ Dieser Konjunktiv ist meine eigen Erfindung, auf die ich stolz bin

    Präludium A-Dur

    Und nun fange ich wieder von Neuem an. Ich erzähle von der Schlagsahne, die es in Dänemark gab zu eingemachten Birnen. Daran erinnere ich mich gerne. An alles andere erinnere ich mich ungerne. Da war zuviel Stacheldraht an den Zäunen.

    Meine unliebste Erinnerung ist die an Romeo und Julia auf dem Dorfe von Gottfried Keller. Komisch, daß ich es nicht fertigbrachte, zum Deutschlehrer zu sagen, wahrheitsgemäß: Ich fing an zu lesen und als ich merkte, daß daraus nichts weiter als eine Liebesgeschichte werden würde, hörte ich auf; denn ich lese grundsätzlich keine Liebesgeschichten. - Aber das traute ich mich nicht, sondern versuchte, die Geschichte zu erzählen, obwohl ich sie gar nicht gelesen hatte. Das wurde natürlich nur eine Herumstotterei, die nicht nur den Lehrer, sondern auch die Klassenkameraden empörte. Der Arnold Heidsieck, diese kleine verhutzelte Rosine, wagte es, mir zu sagen: Du bist eine Schande für die ganze Klasse! - Deshalb erinnere ich mich ungern an diese Geschichte. Weshalb dann aber schreibe ich sie jetzt auf? Etwa ein Reqiem für Arnold? - Das ist auch so ein miserabler Zug von mir: Die ewige Inkonsequenz! Das Nichthaltenkönnen, was man sich selber versprochen hat. Außerdem rätsele ich immer noch über den Grund. Warum fiel es mir so schwer, zuzugeben, daß ich die Geschichte nicht gelesen hatte. Ich liebe sie auch heute noch nicht besonders; sie ist mir zu sentimental. Alle andern Geschichten aus Die Leute von Seldwyla gefallen mir besser; am besten die von den missbrauchten Liebesbriefen. Die ist fast schonmodern. Fast schon Literatur des 20. Jahrhunderts - jedenfalls in einigen Abschnitten; fast schon Thomas Mann'sche Ironie! Das lasse ich so stehen und gehen, wenn auch andere sich noch so sehr darüber aufregen.

    Also Schwamm über die ganze Geschichte! Wegdamit!

    Es gibt überhaupt wenig, an das ich mich gerne erinnere. Als es im Krieg dazu kam, daß wir Flüchtlinge ein U-Boot plündern durften, nahm sich meine Mutter, abgesehen von einigen blauweißkarierten Bettbezügen, das Bordbuch eines U-Bootleutnants mit, da es noch viele leere Seiten enthielt, die sie später für Kochrezepte verwendete. Mich interessierten sehr die Sprüche und Zeichnungen dieses U-Bootleutnants - wahrscheinlich war er ja tot. Auf einer Seite stand: Schafft euch Erinnerungen, sie machen euch im Herzen stark! Ob das ein Zitat oder von ihm selber war, weiß ich nicht. Ein anderer Spruch hieß: Und will dir etwas nicht gelingen, denk nur an Götz von Berlichingen! Dazu war ein Ritter in voller Rüstung gemalt, den ich auswendig nachzumalen lernte und meinem Vater zum Geburtstag schenkte. -

    An Karabasch erinnere ich mich gerne. Das war ein Hund. An einen grünlich blauen Maihimmel erinnere ich mich gerne, unter dem ich mit einem geliebten Mädchen ging - aber nur bis zu einem gewissen, albernen und peinlichen Moment.

    An peinlichen Momenten ist mein Leben reich. Die werde ich natürlich jetzt nicht alle aufzählen. Keine Angst! Eingeweideenthüllungen sind zu vermeiden!

    Das Dunkelblau steht dir gut; aber das Feuerrot stünde dir besser. Feuerrot? Nein, Blutrot, Ziegelrot und Tomatenrot, das sind Paralleluniversen!

    Da gerade rein zufällig von Paralleluniversen geredet wurde, fühle ich mich genötigt, anzumerken, daß die Existenz von solchen, und zwar sogar von unendlich vielen, von den Wissenschaftlern mit wissenschaftlichem Ernst und beweiskräftigen Gründen diskutiert wird. Schopenhauer sah bereits in der Musik so etwas wie ein Paralleluniversum: Musik ist die ganze Welt noch einmal in Tönen, schrieb er in den Parerga et Paralipomena (vielleicht auch woanders). Was Mozart betrifft, so weiß man, daß ihm die Musik im Schlafe kam wie aus einer anderen Welt. Ich selber musiziere nur dann gut, wenn ich diese Welt und mich selber völlig vergesse. Wem das nicht interessantgenug vorkommt, der streiche es durch! -

    Meine musikalische Begabung zieht überhaupt wunderliche Konsequenzen nach sich, z.B. kann ich deshalb weder das Gebimmel und Gebammel von Kirchenglocken noch das Gekreisch von Elektrogitarren ertragen. Die Fußzehen fangen an mir dabei zu schmerzen, und das zog sich hinauf bis zu den Zähnen, als ich noch welche hatte. Die E-Gitarren kann ich ja vermeiden; aber dem Glockengebimmel und -gebammel bin ich hilflos ausgeliefert, wenn ich nicht alle meine Fenster schließe, was aber bei der augenblicklichen Saharahitze schwer fällt.

    Der nächtliche Sturm hat traurig viele Kirschen heruntergeschlagen. Niemandem gefällt dieses elende Wetter. Alle schimpfen darauf außer der Bundesbahn. Dafür schimpfen die Bundesbahnbenutzer und prügeln sich, weil der eine die Fenster auf haben will, der andere aber zu; denn er verträgt aus irgendwelchen undurchschaubaren Gründen den Luftzug nicht. Mir kann das ja alles gestohlen bleiben. Ich sitze auf meinen Hüten und rühre mich nicht vom Fleck. Ich esse gern Joghurttörtchen. Die enthalten nur wenig Zucker. Auf Schaumomelettes, die zwei bis drei Esslöffel Zucker für ihr Gelingen fordern, muss ich leider seit einigen Jahren verzichten. Worauf man im Alter alles verzichten muss, das lässt ein Jugendlicher sich gar nicht träumen. Soll man nun aber der Jugend zurufen: Lernt beizeiten das Verzichten! oder: Genießt so viel ihr könnt, denn später geht es nicht mehr!? -

    Eine mildverschwommene Horizontlinie begrenzt meinen Blick. Gelbe Kornfelder polstern die Augen. Die Feldwege werden von riesigen Erntemaschinen befahren. Sie verursachen Staub und Gestank. Früher war das Ernten ein schönerer Vorgang. Im Sommer erfreut sich das weite Land, der Sommerwind weht durch die Ähren. Dieses schwedische Volkslied sangen wir früher. Mein Gott, wie lange ist das her! Der Sommerwind weht durch die Ähren. Das ist Sprache. Das ist Lyrik. Das kann ich nicht.

    Erinnere ich mich eigentlich gerne an die Jugendstreiche, die ich zusammen mit anderen vollbrachte? (Ich alleine beging nur unfreiwillige Streiche). Nein, nicht besonders. Aber gerne erinnere ich mich an eine Wanderung durch die Hardanger Vidda zu Zweit. Mein damaliger Gefährte konnte übrigens einen ungewöhnlichen Geburtsort angeben: Surabaya auf Java. Mich überraschte dabei seine Behauptung, daß die Stadt über zwei Millionen Einwohner hätte. Wie kann es auf einer einsamen Insel so große Städte geben? Aberjedenfalls sah ich damals auf diesem norwegischen Fjell zum ersten und einzigen Male im Leben einenlebendigen Elch, und zwar aus nur ungefähr fünfzig Metern Entfernung. Das ist doch der Erinnerung wert. Ach, es gab auf dieser Reise vieles, wovon ich erzählen könnte. Doch ich tat es ja bereits in einem andern Buch und wiederholen möchte ich mich nicht. Man muss eben alles lesen, was ich schrieb; das muss ich verlangen genau wie Schopenhauer.

    Die Erdbeerpflücker sind in diesem Jahr spät dran. Wenn ich sehe, wie der Kirschbaum vor meinem Fenster vom Sturm geplündert, zersaust und zerfleddert wurde, verstehe ich, warum die Natur mit der Samenbildung so verschwenderisch verfährt. Wieviel Samen (auch vom menschlichen) geht doch verloren! -

    Ich bin ja gespannt, ob es wirklich soweit kommt, wie man es auf der Londoner Konferenz vorschlug, nämlich daß es nur noch künstliche Befruchtung geben soll von ausgewählten Samenspendern, deren Samen in Tiefkühltruhen gehortet wird. Dieses Verfahren halten einige Koryphäen der Wissenschaft im Interesse des Fortbestandes der Menschheit für dringend notwendig. Sie genieren sich nur, es laut zu sagen; denn dann müsste der Papst ein neues Konzil einberufen, und vielleicht würde man sie auf diesem verbrennen wie weiland den Huss in Konstanz, in einem Sommer, in dem es ohnehin schon sehr heiß war, wie Professor Galetti bemerkte. Dieser Galetti war es auch, derbehauptete, von Coburg nach Gotha sei es genau so weit wie von Gotha nach Coburg, was total falsch ist, weil es nach Coburg bergauf geht. –

    Die Kirschen bekommen einen roten Schimmer, sogar die, welche am Boden liegen.

    Dem kleinen Korsen am Ende der Straße erzählte ich, daß der Meister einer Autoreparaturwerkstatt, wenn es hagelt, sofort seine Frau anruft, daß sie das Auto aus der Garage auf die Straße fahren soll. Darüber hat er herzlich gelacht. Man kann dabei viel verdienen, wenn die Versicherung gut zahlt und nicht nachprüft, ob man den Wagen wirklich reparieren lässt. Zweimal gelang es mir, von der Versicherung eine schöne Hagelschadenerstattung herauszuschlagen. Beim dritten Mal spielten sie nicht mehr mit. –

    Einen Mitverschworenen treffe ich auf der Viehweide, wo er den Kuhdung einsammelt, um ihn nach Afrika zu schicken, weil die dort ihre Kochfeuer damitbetreiben. Wenn es solange unterwegs ist, wie es mein Vollkornbrot einmal war, das ich mir von Deutschland in die Türkei schicken ließ, dann Gutenacht ohne Abendessen. Jenes Brot war vier Wochen lang unterwegs und kam grün verschimmelt bei mir an. Wahrscheinlich wurde das Päckchen vom jugoslawischen, bulgarischen und türkischen Zoll gewissenhaft überprüft, und wer weiß, für was sie diese dunkle, grobe Masse hielten, da diese Länder nur helles Fladenbrot kennen. -

    Manche Männer haben doch wahrhaft göttliche Angewohnheiten. Im gleichen Stockwerk mit mir wohnte eine Frau mit dem unvergesslichen Namen Schnitzelbaumer, und diese klagte mir ihren Kummer, weil ihr Liebhaber sich im Bett betrank und danach jedesmal ohne aufzustehen in die leere Flasche pinkelte. Die beiden waren ein wundersames Pärchen. So etwas Verhutzeltes wie diese Frau habe ich nie wieder gesehen und wunderte mich, daß sie überhaupt einen Liebhaber hatte. Aber nicht von der besten Sorte! Sein Äußeres erweckte kaum Vertrauen, und deshalb gab es auch keinen Arbeitgeber, der ihn einstellte. Er war ein Querkopf, ein Querulant und ein sogenannter Langzeitarbeitsloser. Als bei mir eingebrochen und meine Ringe gestohlen wurden, hatte ich ihn im Verdacht. Aber dann wurden die Pfandscheine für die Ringe bei einem Landstreicher in Hamburg gefunden. Da hatte ich ihm also unrecht getan. - Geschichten über Säufertypen höre ich immer wieder gerne; wahrscheinlich deshalb, weil ich dann auch wie der Pharisäer in der Bibel zu mir sagen kann: Herr, ich danke Dir, daß ich nicht bin wie jene. Am besten gefiel mir die von dem Besoffenen, der sich in einem Müllcontainer schlafen legte und am Morgen von der Müllabfuhr in die Müllpresse gekippt wurde. Die Ärzte wunderten sich hinterher, daß ein Mensch anderthalb Dutzend Knochenbrüche auf einmal überleben kann. Nicht schlecht fand ich auch die Geschichte von der Ehefrau, die ihren besoffen heimkehrenden Ehemann nicht in die Wohnung ließ. Der arme Kerl musste im Fahrstuhl übernachten. Aber er muss sich darin ganz wie zu Hause gefühlt haben; denn alle Spielarten von Auswürfen, die dem Menschen zur Verfügung stehen, hinterließ er. Das mache ich nicht sauber! sagte die Ehefrau. Aber der Mann kam tagelang nicht wieder, und so lange konnte der Fahrstuhl nicht benutzt werden. Auch gut gefällt mir die Geschichte von einem, der glaubte, sechs Richtige im Lotto zu haben, sich daraufhin noch am Sonntag prachtvoll betrank, dann im Überschwang der Gewinnerfreude ein Dutzend Schaufenster einschlug und am Montag feststellte, daß er vergessen hatte, den Lottoschein abzugeben. Dann hörte ich kürzlich noch von einer Ente, die mit ihren fünf Küken mitten auf der Autobahn spazierte. Man stellte bei ihr 0,8 Promille fest. -

    Morgen kann das alles wieder anders sein. Wer will behaupten, das vorhersagen zu können? Es kann sich sowohl um Schnittlauch als auch um Petersilie handeln. Man darf nur nicht das Einweichen dabei vergessen, und anbrennen lassen darf man auch nichts. Sonst wird der Nachmittag ganz finster. Wie verbranntes Schmalz stinkt, weiß ich zwar nicht aus eigener Erfahrung; aber man sagt mir, es stinke scheußlich. Oberhemden dürfen auf keinen Fall so stinken. Das wäre ja geradezu gesetzwidrig. Deshalb rate ich jedem, der mir begegnet, immer wieder, sich mindestens zweimal täglich die Achselhöhlen mit Eau de Cologne auszuspülen. Nur den nenne ich gewissenhaft. Wie peinlich, wenn man das Vergessen dieser Handlung einem Priester beichten muss. Dürfte er da überhaupt die Absolution erteilen? Ich glaube nicht. Schwarze Füße dagegen kann man leichter vergeben.

    Vom Schlafen kriegt er Ohrensausen. Ist das nicht lächerlich? Ohrensausen in einem Ohr, welches fast völlig taub ist. Was soll man dazu sagen? Die Natur ist ziemlich übel eingerichtet und ein wirrer Dschungel. Ich werde mich gelegentlich beschweren, wenn ich einem der Verantwortlichen begegne. Mir ist es ganz gleich, ob er an der Regierungsspitze steht oder eher den unteren Rängen zuzuzählen ist. Solche schleimigen Chraktere sollte man über den Stuhllegen und mit dem Riemen abziehen. Ist das deutlich genug? Oder muss ich noch deutlicher werden? Und Er sah, daß alles gut war. Daß ich nicht lache! Darüber muss man ja weinen, und das am hellen Mittag, nicht verborgen im stillen Kämmerlein, sondern öffentlich auf der Straße - und das tagelang. Man dürfte gar nicht mehr aufhören zu weinen, und wenn es noch so sehr weihnachtet.

    Schniedelwurz: umgangssprachlich für Penis steht im Duden. Ich werde euch schon helfen, ihr Umgangssprachlichen! Von Dankbarkeit keine Spur! Es wäre zum Verrücktwerden, wenn man keine Warnrufe vernommen hätte. Vor Anfängen wird gewarnt. Vor allem vor aller Laster Anfang! Wer könnte so eine Lippe riskieren, wenn er nicht rechtzeitig gewarnt worden wäre? Das könnte schlimm ausgehen; da könnten die Hosen zerreißen, die Jacke zerfetzen, das Auge auslaufen, die Trichinen aus dem Mund herauskriechen oder andere Würmer, die Plattwürmer zum Beispiel, welche übrigens sehr nützliche Tierchen sind. Man kann sie zerschneiden, und dann hat man zwei. Wie oft man das und in welchen Zeitabständen wiederholen darf, weiß ich allerdings nicht. Ich könnte momentan auch nicht sagen, wie spät es ist. Aber für die Plattwürmer ist es jetzt Zeit, Mittag zu essen. Danach dürfen sie dann schuhplatteln, soviel sie wollen. Leider hinterlassen die Plattwürmer keine Fußspuren, auch keine Schleimspuren wie die Schnecken. Sie sind schwer zu verfolgen, wenn sie erst einmal ausgerissen sind. Man muss also aufpassen und die Behälter gut verschließen, in denen man sie für den nächsten Gebrauch aufbewahren will. Gottseidank braucht man kein Mikroskop, um sie zu sehen; sie sind immerhin bis zu zwei Zentimetern lang. Diese zwei Zentimeter können im Gefahrenmoment ausschlaggebend sein. Es gibt verschiedene Arten von Plattwürmern. Eine heißt Lumparzi vagabundus, eine andere Pankrazius rotundus, eine dritte Anastasia strudella, eine vierte Stella cruella. Die letzte ist am gefährlichsten. Ihre Grausamkeit kennt keine Grenzen. Aber man identifiziert sie leicht an ihren Warzen. –

    Das Schreckgespenst der Pyramiden ist noch nicht gebannt. Es werden immer noch sagenhafte Löcher in die Steinblöcke gerissen, und jede Pyramide verschiebt sich pro Tag um elf Zentimeter. Die Gründe dafür lassen sich durch logisches Denken nicht finden. Selbst wenn fünf Mann zusammen logisch denken, wird das Rätsel nicht gelöst. Die Sphinx lobt die Irrationalität natürlich sehr. Denn sie ist auf ihrem Heuhaufen gewachsen. Ich sage absichtlich nicht 'Misthaufen'; denn das könnte zu Irrtümern führen. Man muss ja alles im Rahmen des internationalen Handels und Tourismus' sehen. Die Fellachen dürfen nur zugucken und staunen. Für sie ist die Bühne nicht frei.

    Das Spiel hat seine abenteuerlichen Seiten. Man kann nicht einfach hinweggehen und alles stehn und liegen lassen. Man muss schon ein wenig achtgeben, daß kein Geheimnis zu kurz kommt. Zwischen elf und zwölf Uhr nachts geht der erste Ruck durch die Pyramiden, und dann fangen sie an, sich ostwärts in Bewegung zu setzen. Man hat ausgerechnet, inanderthalb Jahren erreichen sie den Nil und schwimmen in Richtung seiner Mündung davon. Dann kann keine Dahabijeh, kein Sandal und kein Noquer sie überholen. In Alexandria stülpen sie sich übereinander und setzen den alten Leuchtturm zusammen, welchen zu zerstören eine Gottlosigkeit sondergleichen war. Das erboste sowohl alle verstorbenen Pharaonen als auch die Götter Amun, Re, Harachte, Horus und Hathor sehr. Sie drehten sich nicht bloß einfach im Grabe um, sondern sie bewegten ihre Gräber und ziehen mit ihnen fort wie die Schnecke mit ihrem Haus. Der Tourismus wird darunter leiden. Der Seekrieg von Lepanto ist auch noch nicht zuende, obwohl die Schiffe alle untergegangen sind. Aber Wind und Wellen treiben auch hier die Schiffwracks davon. Alles will fort, woandershin!

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