West Papua
Von Werner Götz
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Über dieses E-Book
Noch weniger bekannt sind die Lebensweise und Riten der Kuruwai, die abgelegen in einem der größten, zusammenhängenden Dschungelgebiete der Welt leben. Manche Clans harren sogar noch der Entdeckung. Weiße nennen die Kuruwai Laleo - Dämonen. Sehen sie doch ähnlich aus, wie ihre Toten, blass und hellhäutig.
Auch ihre Baumhäuser in denen sie leben, bis zu 40 m hoch und einfach spektakulär. Wegen der Abgeschiedenheit besuchen sie nur wenige Menschen. Ja, manche Papuas können noch erzählen, wie das Fleisch von Menschen schmeckt. Rituellen Kannibalismus, den gibt es auch noch heute. Aber keinen, der das Leben von Reisenden gefährdet.
Nie und nirgends muss man sich gefährdet fühlen, auch wenn die Tour einen fordert. Sie ist eigentlich für jeden zu machen, der offen gegenüber fremden Kulturen ist. Entsprechend tolerant muss man sein, zudem nicht empfindlich und mit einfachen Verhältnissen zurecht kommen können. Auch einigermaßen körperliche Fitness schadet nicht.
Bequemer ist es aber allemal, die Tour anhand des mit vielen Fakten und farbigen Bildern gespickten Tagebuches nachzuvollziehen, sie hautnah mit zu erleben.
156 Seiten und 98 Abbildungen
Werner Götz
Der Autor Werner Götz, Jahrgang 1960, bereist seit Jahren entlegene Ecken und die schönsten Plätze unserer Erde. Reisen, Fotografieren und Filmen ist sein Hobby, neben seinem Beruf als Journalist und Chefredakteur einiger Fachzeitschriften. Seine Filme erscheinen auf DVD und BluRay und laufen schon mal im Kino.
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Buchvorschau
West Papua - Werner Götz
Sentani-See und Jayapura
Es ist Mittwoch gegen acht Uhr. Nach über 33 Stunden ist es geschafft, wir sind in West Papua. Der Flughafen der Stadt Sentani liegt direkt am gleichnamigen See. 40km östlich befindet sich die Provinzhauptstadt Jayapura. Der Flughafen wurde im 2. Weltkrieg von den Japanern gebaut. Nachdem die Amerikaner sie 1944 vertrieben hatten, wurde auf dem kleinen Berg Ifar nahe des Sees das Hauptquartier der amerikanischen Armee unter General Douglas MacArthur errichtet. Deswegen befindet sich hier inmitten einer Kaserne ein Denkmal zu Ehren des Oberbefehlshabers der alliierten Truppen im Südwestpazifik. Zeugnisse dieser unruhigen Zeit sind noch heute rund um den See zu sehen. Die Amerikaner bauten das Flugfeld aus und nach dem Krieg kamen die Niederländer zurück. West Papua war ehemals niederländische Kolonie. 1962 fiel dieser Teil Neuguineas in einem umstrittenen Verfahren an den indonesischen Staat.
Der Expeditionsleiter kam 1979 erstmals nach Jayapura. Zu dieser Zeit gab es nur wenige Häuser um das Flugfeld herum, alles andere war sehr ländlich, sehr einfach. Es gab auch kaum ein Fahrzeug um von hier aus zu der Hauptstadt zu kommen. Was fuhr waren zum Beispiel noch holländische Busse. Selbst heute finden sich Haltestationen an der Straße mit holländischen Namen. Erst in den letzten Jahren, bedingt auch durch die Autonomie der Provinz West Papua seit 2000, boomt diese Region regelrecht. Eine Ursache ist die Immigrationspolitik, die vom (indonesischen) Staat gefördert wurde. Sprich, Leute von dicht besiedelten Inseln wie Bali, Sulawesi und Java kamen hier her. Ihnen wurden eigene Gebiete zugewiesen, das sieht man sehr schön beim Anflug. Dazu haben die Menschen große Karrees gerodet und Siedlungen für die Immigranten gebaut. In der Folge entwickelten sich hier Geschäftszentren für das ganze Land. Inzwischen leben in dieser Region sogar mehr Immigranten als Ureinwohner. Zahlreiche Läden verkaufen etwa Baumaterialen, die hunderte Kilometer hoch an der Küste zum Einsatz kommen. Alles was zum Bau notwendig ist, wird in Sentani umgesetzt. Auch deswegen ist der Ort am Flughafen ein unglaublich wichtiger Platz. Zumal in West Papua alles mit dem Flugzeug transportiert werden muss, zum Beispiel nach Wamena, Timika oder Dekai. Sei es Diesel, Benzin, Asphalt, Autos und Lastwagen, einfach alles was die Natur nicht selber hergibt. Zudem befinden sich in Sentani die Administration und Behörden, die Händler, die Kaufleute und Kunden.
Nur eine Zahl: Die Passagierkapazität von und nach Jakarta beträgt heute 1200 Personen täglich. Unser Flugzeug war voll. Sentani ist die Eintrittspforte für die gesamte Provinz West Papua per Luft, per Schiff spielt Jayapura die wichtigste Rolle. Über diese zwei Knotenpunkte wird immerhin eine ganze Provinz versorgt, rund 20 Prozent größer als Deutschland.
Von dem Stamm der Sentani leben in der Umgebung des Sees noch etwa geschätzt 30.000 Menschen. Sie ernähren sich von den Fischen des Sees, Tieren, Früchten und Gemüse. Bekannt sind die Sentani durch ihre Schnitzarbeiten, den Männerhäusern, reich dekorierten Booten und Rindenmalereien. Sie haben eine eigene Kultur, die sogenannte North-West-Culture und sprechen eine eigene Sprache. Spezielle Hausstile wie spitze, runde Männerhäuser prägen ihr Dasein. Die Sentani besitzen auch eine eigene Musikrichtung basierend auf Trommeln und Gesängen. Zu hören sind sie zum Beispiel auf dem Sentani-Festival.
Viel bedeuten ihnen die Ahnen, sie werden richtig verehrt. So finden sich zahlreiche geschnitzte Ahnenfiguren. Das gibt es bei anderen Stämmen nicht in diesem Ausmaß, ist eher eine Spezialität der North-West-Culture. Erst ganz im Süden bei den Asmat findet sich vergleichbares.
In der Region um den rund 94 Quadratkilometer großen und 80km langen See fallen jährlich etwa 2000mm Niederschlag. Zum Vergleich: In Deutschland sind es um die 800mm. Bei einer wissenschaftlichen Untersuchung 1993 wurden im See 33 Fischarten entdeckt, davon 18 endemische wie der Lachsrote Regenbogenfisch. Auch Sägerochen kamen bis in die 1970er-Jahre vor. Heute noch sind sie ein gern abgebildetes Motiv in der traditionellen Kunst der Sentani.
An den Ufern fand 2012 zum fünften Mal das mehrtägige Sentani-Fest statt. Der Sinn des Festes ist, unterschiedliche Volksgruppen zusammen zu bringen, auf dass Sie sich besser kennenlernen und verstehen. Durch die frühere Immobilität kannten sich die Stämme untereinander kaum. Derartige Volksfeste fördert die Provinzregierung, da werden ganze Gruppen und Clans per Flugzeug oder Schiff kostenlos hierher gebracht. Auch dienen die Feste zur allgemeinen Bereicherung ihrer Kultur. Die Menschen sind stolz auf ihre Errungenschaften, das kann man recht schnell selber feststellen.
Eigentlich erinnert das Sentani-Fest stark an ein Volksfest. Zu dem was wir später in Wamena erleben, und natürlich auf dem Weg zu den Kuruwai, liegen Welten. Dennoch zeigt die Veranstaltung etwas von der Kultur der hier lebenden Menschen, alte Traditionen spielen wenigstens in den Vorführungen noch eine Rolle. Außerdem hilft es den hier lebenden Menschen sich eine Einkommensquelle zu erschließen. Viele Waren und Speisen sind auch bei uns in Europa zu finden, aber auch Ungewöhnliches: Bethel-Nüsse zum Kauen etwa und geröstete Sagomaden. Wirtschaftlich profitieren davon fast ausschließlich die immigrierten Indonesier, Papuas sind, außer bei den Vorführungen, eher in der Minderheit.
Dargeboten werden papuanische Tänze mit reichlich geschmückten Einheimischen. Traditioneller Gesang und Trommeln begleiten durch den ganzen Tag. Die Langboote erinnern stark an die pazifischen Wurzeln der Northwest-Tribes, der Küstenbewohner. Die Wettbewerbe und Kriegsspiele zeigen ihre kriegerische Vergangenheit hautnah auf. Die existiert bei manchen Stämmen und Clans in unzugänglichen Regionen des Landesinneren noch bis heute.
Im Umfeld des Festes bieten sich natürlich zahlreiche Möglichkeiten, den Sentani-See und dessen Umgebung intensiver zu erkunden. So sind längere wie kürzere Fahrten auf dem See zu einzelnen Clans und Inseln oder Überresten aus dem zweiten Weltkrieg möglich.
Tagebuch: Sentani Fest (Tag 3)
Ehrlich gesagt, mich erinnerte das Sentani-Fest an ein Volksfest. Ich bin kein Fan von solchen Veranstaltungen. Und das nach der intensiven Vorbereitung mit undurchdringlichem Regenwald, Schlangen und Steinzeitmenschen im Kopf. Und hier: Buden, Luftballonverkäufer, Süßigkeiten, lautes Spielzeug, ein Frisuren-Wettbewerb und eine Schönheitswahl. Ab und zu sah man traditionell gekleidete Sentani. Eventuell waren wir am Vormittag aber einfach zu früh dran. Eine Programmvorschau hatte ich nicht entdeckt, schien es aber zu geben. Nur Englisch half hier nicht weiter, man sollte Indonesisch können. Leider hielt sich unser Expeditionsleiter mit Informationen immer etwas zurück, das aber kannten wir schon von unserer Tour durch die Mongolei zwei Jahre zuvor, die er auch leitete. Also keine Überraschung. Man musste ihn halt ansprechen. Auf dem Fest war sowieso jeder von uns acht Expeditionsteilnehmern für sich oder in kleinen, wechselnden Gruppen unterwegs.
An einigen Stellen sah man jetzt vermehrt geschmückte Männer, Frauen, Kinder, alles echte Papua. Nach einem Frisuren-Wettbewerb ging es los, mit traditionellen Tänzen. Mehrere der Sentani-Stämme zeigen ihr Können, und der Sprecher schwieg Gott sei Dank auch nach etwa zehn Minuten mit seinen lautstarken, die Musik übertönenden Erklärungen. So konnte man die Trommeln und den Gesang richtig wahrnehmen. Das waren jetzt wirklich noch alte Tänze. Westliche Touristen sah man in der Menge der Besucher nur vereinzelt. Fast eine Stunde Rohaufnahmen und viel Bildmaterial ergaben die Tänze. Was fehlte, Bootsschauen, traditionelle Kämpfe, ... aber morgen war ja auch noch ein Tag.
Wir jedenfalls fuhren um die Mittagszeit mit einem Boot auf den See hinaus, auf einer kleinen Insel konnte man Malereien auf Baumrinde bestaunen und auch erwerben. Diese gibt es nur hier, ist eine alte Tradition einiger Sentani-Clans.
Nach einem einfachen indonesischen Essen mit Reis und Huhn in einem idyllisch am Ufer gelegenen Restaurant fuhren wir noch auf den Berg Ifar zum Denkmal zu Ehren Generals McArthur´s. Weitere Monumente aus dem zweiten Weltkrieg finden sich an einigen Stellen am Ufer rund um den See und im Dorf Genyem. Hier am See lag