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Die Natur und ihr Recht: Sie ist klug, sensibel, erfinderisch und genügt sich selbst
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Die Natur und ihr Recht: Sie ist klug, sensibel, erfinderisch und genügt sich selbst
eBook317 Seiten3 Stunden

Die Natur und ihr Recht: Sie ist klug, sensibel, erfinderisch und genügt sich selbst

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Über dieses E-Book

In der Natur, zu Lande und zu Wasser, existieren Geschöpfe, die uns Menschen in vielerlei Hinsicht das Wasser reichen können. Im Gegensatz zum Menschen wandeln sie das Klima nicht, verursachen in der Folge weder Tsunamis noch Dürreperioden. Keines dieser Mitgeschöpfe behauptet, die Erde oder auch nur einen Teil davon zu besitzen. Der bedingungslose Besitzanspruch, wie ihn moderne Gesellschaften kennen und durchsetzen, führt zum Ungleichgewicht – ja zur ökologischen Ungerechtigkeit.
Ein Plädoyer für einen gerechten Umgang mit der Natur.
 
SpracheDeutsch
HerausgeberecoWing
Erscheinungsdatum20. Sept. 2018
ISBN9783711052360
Die Natur und ihr Recht: Sie ist klug, sensibel, erfinderisch und genügt sich selbst

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    Buchvorschau

    Die Natur und ihr Recht - David R. Boyd

    erweisen.

    EINLEITUNG

    Drei schädliche Vorstellungen und eine mögliche Lösung

    »Sie schreien und verlangen nach Menschenrechten, sagten sie, für alle, und die indigenen Völker sagten: Was ist mit den Rechten der natürlichen Welt? Wo ist der Platz des Büffels oder des Adlers? Wer repräsentiert sie auf diesem Forum? Wer spricht für das Wasser der Erde? Wer spricht für die Bäume und den Wald? Wer spricht für die Fische für die Wale, für die Biber, für unsere Kinder?«

    Chief Oren Lyons Jr., spiritueller Anführer des Onondaga-Stammes der Haudenosaunee (Irokesen)

    Die Menschen heutzutage haben eine äußerst schwierige Beziehung zu anderen Tieren und Arten sowie zu dem Ökosystem, von dem alles Leben der Erde abhängt. Wir tun so, als liebten wir Tiere, fügen ihnen aber regelmäßig Schmerz und Leiden zu. Der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen zufolge töten Menschen jedes Jahr mehr als 100 Milliarden Tiere – Fische, Hühner, Enten, Schweine, Hasen, Truthähne, Gänse, Schafe, Ziegen, Rinder, Hunde, Wale, Wölfe, Elefanten, Löwen, Delfine und viele mehr. Wissenschaftler sind sich einig, dass menschliches Handeln zum sechsten Massensterben der 4,5-Milliarden-jährigen Geschichte unseres Planeten führt. Jedes Jahr sterben Arten aus, und Tausende weitere bringen wir auf den besten Weg dorthin. Menschen schädigen und zerstören ganze Ökosysteme wie Urwälder, Prärien, Korallenriffe und Feuchtgebiete. Uralte, komplexe und lebensnotwendige Systeme unseres Planeten – die Klima-, Wasser- und Stickstoffkreisläufe – werden durch unsere Handlungen gestört.

    Der Homo sapiens entwickelte sich vor weniger als 200 000 Jahren in Afrika. Dank ihrer Fruchtbarkeit, Anpassungsfähigkeit und Geschicklichkeit im Umgang mit Werkzeugen kolonisierten unsere Vorfahren vor 12 000 Jahren die ganze Welt, auf den Kontinenten, die wir heute Europa, Asien, Australien, Nord- und Südamerika nennen. In den letzten zwei Jahrhunderten sind unsere Bevölkerungszahlen explosionsartig gestiegen und von einer Milliarde im Jahr 1800 auf heutige 7,5 Milliarden angewachsen. Obwohl die Geburtenzahlen weltweit sinken, geht die UN davon aus, dass längere Lebenserwartungen und verbesserte Gesundheitsversorgung unsere Zahl bis zum Jahr 2050 auf 10 Milliarden Menschen anwachsen lassen werden.

    Um die Bedürfnisse und Wünsche einer so stark wachsenden Bevölkerung zu erfüllen, ist die Weltwirtschaft ebenso explosionsartig gewachsen. Vor einem Jahrhundert lag das weltweite BIP bei ungefähr einer Trillion Dollar; heute beträgt es mehr als 100 Trillionen Dollar. Dieses Wirtschaftswachstum hat viel mit einer immer stärkeren Vereinnahmung von Land, Wäldern, Wildtieren und anderen »natürlichen Ressourcen« zu tun.

    Unser Einfluss auf die Umwelt hat sich im Zuge des Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums exponentiell verstärkt. Der ökologische Fußabdruck der gesamten Weltbevölkerung beträgt 1,6 Erden, wir verwenden also natürliche Güter und Leistungen 1,6 Mal schneller, als sie sich erneuern. Das ist zu großen Teilen das Ergebnis eines starken Konsumverhaltens in reichen Nationen. Geologen, gemeinhin nicht zu Übertreibungen neigend, haben unser geologisches Zeitalter Anthropozän getauft, der Stärke des menschlichen Einflusses auf die Erde wegen.

    Unser anhaltender Gebrauch und Missbrauch anderer Tiere, Arten und der Natur beruht auf drei tief verwurzelten und verwandten Vorstellungen. Die erste ist der Anthropozentrismus – der weitverbreitete Glaube, dass wir anders und überlegener sind als der Rest der natürlichen Welt. Dank dieses Überlegenheitskomplexes betrachten wir Menschen uns als Höhepunkt der Evolution. Die zweite Vorstellung ist, dass alles in der Natur, belebt wie unbelebt, uns gehört und wir es so benutzen können, wie es uns beliebt. Die dritte Vorstellung ist, dass wir grenzenloses Wirtschaftswachstum als Hauptziel moderner Gesellschaften verfolgen können und sollten. Anthropozentrismus und »Eigentumsrechte« bilden die Grundlage der heutigen industriellen Gesellschaft und liegen allen Bereichen von Gesetzgebung und Wirtschaft bis hin zu Bildung und Religion zugrunde. Wirtschaftswachstum ist das Hauptziel von Regierungen und Unternehmen, und es gewinnt immer wieder gegenüber Umweltbedenken.

    Diese Vorstellungen haben eine lange Tradition. Der griechische Philosoph Aristoteles war der Meinung, Tiere hätten keine Seelen und keine Vernunft und würden deshalb, als mindere Kreaturen, vom Menschen völlig rechtens zu seinen Zwecken benutzt. In seiner Schrift Politik schrieb er: »Pflanzen existieren zum Wohl der Tiere und wilde Tiere zum Wohl des Menschen – Haustiere zu seinem Nutzen und seiner Nahrung, wilde Tiere zur Nahrung und anderen Hilfsmitteln des Lebens wie Kleidung und verschiedene Werkzeuge. Da die Natur nichts Zweckloses oder Unnützes hervorbringt, so ist es unleugbar wahr, dass sie alle Tiere um des Menschen willen hervorbrachte.« Aristoteles entwarf gemeinsam mit Plato das Konzept einer Hierarchie des Seins, die Tiere und Pflanzen enthielt. Später bauten christliche Philosophen darauf auf und entwickelten die große Stufenleiter der Natur, auf der Menschen ganz oben in unmittelbarer Nähe von Gott und den Engeln Platz fanden. Nichtmenschliche Tiere waren darunter zu finden, während Schlangen, Insekten und bewegungsunfähige Wesen noch niedrigere Plätze einnahmen. Die Leiter legte eine strikte Hierarchie aller Lebewesen fest.

    Genesis, die christliche Schöpfungsgeschichte, besagt, dass Gott Menschen als sein Ebenbild schuf und uns »Herrschaft über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze Erde und alle kriechenden Tiere, die auf der Erde kriechen« übertrug. Menschen bekamen klare Anweisungen: »Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan.« Nicht alle Christen betrachteten den Rest der Welt als dem Menschen untertan. Der Heilige Franziskus von Assisi trat für die Gleichbehandlung aller Lebewesen ein und nannte die Sonne, die Erde, das Wasser und den Wind seine Brüder und Schwestern. Der Heilige Franziskus war jedoch ein Sonderfall.

    Während des 17. und 18. Jahrhunderts verstärkten einige der einflussreichsten Denker das anthropozentrische Weltbild noch, und Tiere hatten in der menschlichen Gesellschaft immer schlechtere Karten. Nichtmenschlichen Tieren wurde das Vermögen, zu sprechen, zu denken oder gar zu fühlen, abgesprochen. Der französische Philosoph René Descartes vertrat vehement die Meinung, Tiere seien »lediglich Maschinen«, und schrieb: »[Dass Tiere nicht sprechen,] liegt nicht daran, dass den Tieren Organe dazu fehlten … Dies zeigt nicht bloß, dass Tiere weniger Verstand haben als Menschen, sondern vielmehr, dass sie gar keinen haben.« Descartes schlussfolgert: »Der Mensch steht allein.« Ähnlich schreibt der deutsche Philosoph Immanuel Kant: »Tiere haben kein Bewusstsein und dienen lediglich einem Zweck, insofern sie dem Menschen nützlich und wertvoll erscheinen.«

    Eine gegenläufige und progressivere Haltung gegenüber Tieren nahm der britische Philosoph Jeremy Bentham im 19. Jahrhundert ein. Er stellte fest, dass die moralische Frage danach, wie wir Tiere behandeln sollten, »nicht [sei]: ›Können sie denken?‹ oder: ›Können sie sprechen?‹, sondern: ›Können sie leiden?‹« Seiner Meinung nach konnten manche Tiere tatsächlich Schmerz verspüren und hätten deshalb ein Recht darauf, nicht verletzt zu werden. Benthams Ideen setzten sich zu seinen Lebzeiten nicht durch, hatten aber schließlich Einfluss auf Peter Singer, den Autor des Bestsellers Animal Liberation. Die Befreiung der Tiere von 1975, welcher die moderne Tierschutzbewegung ins Leben rief.

    Anthropozentrische Vorstellungen sind auch heute noch in Mode. In seinem 2004 erschienenen Buch Putting Humans First: Why We Are Nature’s Favorite (»Menschen an erster Stelle: Warum wir die Lieblinge der Natur sind«) schrieb der liberalistische Philosoph Tibor R. Machan: »Menschen sind wichtiger, sogar besser als andere Tiere, und wir verdienen es, aus der Ausbeutung von Tieren Nutzen zu ziehen.« Weil Menschen die wichtigste Spezies sind, so Machan, »ist es richtig, die Natur auszubeuten, um unser Leben und Glück zu fördern.«

    Die Vorstellung menschlicher Überlegenheit findet sogar in bedeutenden internationalen Umweltbestimmungen Ausdruck. Aus dem ersten Erdgipfel, der 1972 in Schweden abgehalten wurde, ging die Erklärung der Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen hervor, auch Stockholm-Erklärung genannt. Sie besagte: »Von allen Dingen in der Welt sind Menschen das Wertvollste«. In der Erklärung der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio im Jahre 1992 heißt es: » Die Menschen stehen im Mittelpunkt der Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung«.

    Die Vorstellung, dass Menschen anders als andere Tiere und ihnen überlegen sind, durchdringt die Rechtsordnungen der westlichen Welt und sorgt für Entscheidungen, die oft realitätsfremd sind. Zum Beispiel wird Ihnen jeder Biologe bestätigen, dass Menschen Tiere sind. Das Gesetz jedoch widerspricht dem. Das Black’s Law Dictionary, das im Jahre 2017 gebräuchlichste Rechtswörterbuch in den Vereinigten Staaten und Kanada, definiert das »Tier« als »jedes belebte Wesen, das sich selbsttätig bewegen kann. In der Gesetzessprache beinhaltet der Begriff alle Lebewesen außer dem Menschen« (eigene Hervorhebung). Andere rechtliche Definitionen des Begriffes »Tier« sind noch absurder. Das Tierschutzgesetz der USA geht von einer Definition des Tierbegriffes aus, die explizit keine Ratten, Mäuse, Reptilien, Amphibien, Fische und Nutztiere beinhaltet. Warum? Um zu gewährleisten, dass der minimale Schutz, den das Gesetz bietet, nicht auf Tiere zutrifft, die in der Landwirtschaft, der Forschung und in Fischereien gebraucht werden.

    Besitz

    Die Vorstellung, dass die Natur lediglich eine Sammlung von Dingen ist, die dem Menschen zur Verfügung stehen, ist eine der universellsten und akzeptiertesten der menschlichen Gesellschaft. Vor Hunderten Jahren schrieb der einflussreiche Rechtsgelehrte William Blackstone, Autor der maßgeblichen Commentaries on the Laws of England (»Kommentare zum Recht Englands«): »[D]aher sind die Erde und alle Sachen auf ihr das allgemeine Eigentum der ganzen Menschheit mit Ausschließung anderer Wesen durch unmittelbare Gabe des Schöpfers.«

    Wenn man einmal darüber nachdenkt, ist es doch erstaunlich, dass es Millionen Arten auf der Erde gibt und eine hyperintelligente Primatenart – der Homo sapiens – einen rechtlichen Besitzanspruch auf jeden einzelnen der 148 Millionen Quadratkilometer Land des Planeten entwickelt hat. Es gibt praktisch kein terra nullius, kein Niemandsland mehr, wie die berühmten Entdecker das Land nannten, was von ihrer Art nicht bevölkert war. Heutzutage ist Land entweder in Privat- oder Staatsbesitz. Privat oder öffentlich, alles gehört dem Menschen.

    Zu den wenigen Orten, von denen die Menschheit nicht Besitz ergriffen hat, gehören zwei Orte, die jeweils weit abgelegen und für den Menschen äußerst ungastlich sind. Einer ist ein karger, unbewohnter Teil der Antarktis namens Marie-Byrd-Land. Ein internationales Abkommen bewahrt ihn vor einem zukünftigen menschlichen Besitzanspruch. Ein anderer Teil der Welt, an dem Menschen bis vor Kurzem kein Besitzinteresse hatten, ist Bir Tawil, eine 2 072 Quadratmeter große Fläche von Bergen, Sand und Stein in der Wüste zwischen Ägypten und dem Sudan. Ein langjähriger Grenzkonflikt zwischen den beiden afrikanischen Ländern endete damit, dass beide Ansprüche auf eine produktive Fläche namens Hala’ib geltend machten und ihre Ansprüche auf Bir Tawil aufgaben. Im Jahr 2014 reiste der Amerikaner Jeremiah Heaton nach Bir Tawil und meldete dort seine Besitzrechte an. Er hatte seiner Tochter Emily versprochen, sie zu einer echten Prinzessin zu machen, und wollte sein Wort halten. Er erfand eine Flagge für das Gebiet, nannte es Königreich von Nordsudan und hisste sie dort an Emilys siebtem Geburtstag. Als selbst erklärter König hielt er sein Versprechen. Er behauptet sogar, in Kopenhagen eine europäische Botschaft eröffnet zu haben. Was er nicht wusste, war, dass der britische Journalist Jack Shenker vier Jahre zuvor die gleiche Reise unternommen, eine Flagge gehisst und Herrschaft und Besitzrechte über Bir Tawil erklärt hatte.

    Auch die Weltmeere – der offene Ozean jenseits der jeweiligen staatlichen Hoheitsgebiete – entgehen den allumfassenden Besitzansprüchen der Menschheit nicht. Obwohl sie niemandes »Besitz« sind, werden sie als Spielwiese menschlicher Ausbeutung angesehen, als gemeinsame Ressource, die riesige Schleppnetze leer fischen und in denen abtrünnige Nationen noch immer unter dem Deckmantel der Wissenschaft Walfang betreiben. Tiefseeförderung, einst undenkbar, wird gegenwärtig zur Realität.

    Zusätzlich zum Anspruch auf alles Land sind Menschen außerdem der Ansicht, alle Tiere zu besitzen, die auf der Erde leben: Tiere werden als Besitz betrachtet, als Dinge, Objekte, die gesetzlich nicht mehr wert sind als Schuhe, Tische oder Dekoartikel. Das gilt sowohl für Haustiere als auch für wilde Arten. Aus rechtlicher Sicht beinhaltet der Besitz eines Tieres das Recht, es zu haben, zu benutzen, es abzugeben, zu entsorgen und andere davon abzuhalten, es an sich zu nehmen. Wildtiere, auch wenn sie sich auf privatem Land aufhalten, gehören dem Staat oder der Regionalverwaltung. Zum Beispiel gilt unter dem Umweltschutzgesetz von New York, dass »alle Fische, Wild, Wildtiere, Krustentiere und geschützte Insektenarten dem Staat New York« gehören. In Oregon ist die Gesetzgebung noch direkter: »Wildtiere gehören dem Staat«. Gerichte haben solche Besitzansprüche wiederholt bekräftigt. Bei der Verurteilung eines Mannes wegen illegalen Jagens legte das Gericht dar, dass Wilderer »keinerlei Respekt haben vor dem alleinigen Eigentumsrecht des Staates Mississippi über solche gottgegebenen Wildtiere, die der Menschheit zum Verzehr und/oder Vergnügen überlassen sind«. Tiere, die verkauft werden, werden laut dem US-amerikanischen Handelsgesetzbuch als »Güter« angesehen, genau wie beispielsweise Fernseher, Lastwagen oder Spielwaren.

    In Kanada ist die Gesetzgebung die gleiche. Wildtiere und Fisch gehören der Regierung, bis sie rechtmäßig gefangen oder getötet werden und so in Privatbesitz übergehen. Kapitel 2 des Wildlife Act von British Columbia trägt den Titel »Eigentumsrechte bei Wildtieren« und besagt: »Besitz allen Tierlebens in British Columbia obliegt der Regierung … Eine Person, die legal Wildtiere tötet und sich allen Regelungen und Bestimmungen dieses Gesetzes fügt, gelangt in Besitz dieser Wildtiere.« Manitobas Fischereigesetz besagt: »Die Besitzrechte über allen wilden Fisch, einschließlich illegal gefangenen Fisches, liegen bei der Krone, und niemand kann Besitz oder Besitzrechte gültig machen, die nicht mit diesem Gesetz übereinstimmen.« Der oberste Gerichtshof Kanadas hat bestätigt, dass »zu den Ansprüchen der Fischerei die Tiere des Meeres gehören«. Egal wo Tiere wild leben, sie gehören den Menschen.

    Wenn man einmal darüber nachdenkt, ist unsere Arroganz atemberaubend. Wir haben die Vielfalt allen Lebens auf der Erde in zwei Kategorien eingeteilt – Menschen und Dinge. Wir und sie. Wir sind die einzige Art, die über Land, Wasser, Tierwelten und Ökosysteme des Planeten verfügen kann. Uralte Wälder, Regenwälder, Nebelwälder, Flüsse, Seen, Erde – all diese Wunder der Natur werden als natürliche Ressourcen, und damit als Besitztümer der Menschheit, betrachtet. Aus ökologischer Sicht ist es eine unwiderlegbare Tatsache, dass wir uns diesen Planeten mit Millionen anderer Arten teilen, aber rechtlich gesehen ist es falsch. Wenn wir die einzige Spezies sind, die Rechte hat, dann sind wir die einzige, die wirklich zählt.

    Während Besitzrechte im westlichen Rechtswesen tief verankert sind, wird das Konzept der Verantwortung für Besitz weitestgehend vernachlässigt. In einer Drittelsekunde liefert Google 31 700 000 Treffer für die Suchanfrage »property rights« (Eigentumsrechte), aber nur 19 000 für »property responsibilities« (Eigentumsverantwortung). Genauso findet Google den Begriff »human rights« (Menschenrechte) 154 000 000 Mal, gegenüber lediglich 41 000 Treffern für »human responsibilities« (Menschenpflichten).

    Indigene Weltbilder

    Zu den weitverbreiteten Annahmen von menschlicher Überlegenheit, Besitzansprüchen und Vorrangstellung des Wirtschaftswachstums gibt es auch Ausnahmen. Eine gegenteilige Perspektive, die besagt, dass nicht menschliche Wesen Rechte haben und Menschen dementsprechende Verantwortung tragen, ist in verschiedenen Kulturen der Welt tief verankert. Vor mehr als 1 000 Jahren schrieb ein gelehrter Sufi ein Buch mit dem Titel The Animal’s Lawsuit Against Humanity, in dem die gesamte Tierwelt – Haus- wie Nutztiere, von Bienen und Maultieren bis zu Fröschen und Löwen – darstellt, dass die Menschen systematisch gegen ihre Rechte verstoßen haben. Anhänger des Jainismus, Hinduismus und Buddhismus befürworten auf unterschiedlich starke Art und Weise die Doktrin des ahimsa, die Achtung vor allem Leben und die Nichtverletzung alles Lebendigen verlangt.

    Indigene Völker auf der ganzen Welt haben komplexe Auffassungen menschlicher Verantwortung gegenüber der Natur. Trotz der jahrhundertelangen kolonialen Denkweise des westlichen Kulturkreises sehen viele von ihnen den Menschen noch immer als abhängig vom Rest der Natur an, statt ihn als unabhängig und überlegen zu betrachten. Ein zentrales Element der Rechtssysteme vieler indigener Kulturen bilden eine Reihe von wechselseitigen Rechten und Verpflichtungen sowohl zwischen Menschen und anderen Arten als auch zwischen Menschen und unbelebten Naturelementen. Luther Standing Bear beschrieb den Glauben seines Volkes, der Lakota, folgendermaßen: »Die Tiere hatten Rechte – das Recht auf den Schutz der Menschen, das Recht zu leben, sich fortzupflanzen, das Recht auf Freiheit und das Recht auf menschliche Dankesschuld –, und als Anerkennung dieser Rechte nahmen die Lakota Tiere nie gefangen und verschonten alles Leben, das sie nicht für Nahrung oder Kleidung benötigten.« In einem Essay mit dem Titel »The Rights of Animal Nations to Survive« schrieb der Haudenosaunee-Gelehrte John Mohawk: »Die indianischen Kulturen erkennen die Legitimität der Tiere an, ehren ihre Gegenwart, betrachten sie als ›Volk‹ in dem Sinn, dass sie ein Recht auf Teilhabe an dieser Erde und das Recht auf Fortbestehen haben. Tiere haben das Recht, wie Tiere zu leben. Wenn man all dies als Wahrheit betrachtet, dann haben Menschen kein Recht dazu, den Lebensraum von Tieren zu zerstören oder sie bis zum Aussterben zu jagen oder zu fischen.« Dr. Gregory Cajete von der University of New Mexiko, ein Tewa-Indianer, schrieb: »Für die Ureinwohner hatten Tiere stets Rechte, und in ihrem Recht, zu leben und sich fortzupflanzen, waren sie den Menschen gleichgestellt.«

    Die Anwältin und Künstlerin Terri-Lynn Williams-Davidson, vom Volk der Haida, schrieb: »In der Weltanschauung der Haida wird die Zeder als ›die Schwester jeder Frau‹ bezeichnet. Sie ermöglicht unser Leben. Diese uralte Schwester liegt der Kultur der Haida zugrunde. Sie beeinflusst jede Facette des Lebens, von der Wiege zur Bahre und schließlich zum Gedenk-Potlatch und der Errichtung eines Totempfahles, der das Leben und den Beitrag des Verstorbenen zur Gemeinschaft zelebriert.« Zweifellos trägt die Vorstellung der Zeder als Schwester und nicht als Ressource dazu bei, dass Menschen eine ganz andere Vorstellung vom Wald und seinem Nutzen haben.

    Im »Erdenbund«, einer freiwilligen Verfassung, die Williams-Davidson entwarf, kommt die Verantwortung der Natur gegenüber noch vor den Rechten. Zu diesen Pflichten gehört es anzuerkennen, dass wir alle Teil einer untereinander verbundenen Welt sind, sowie die Erde mit all ihren Arten und Kulturen zu erhalten und zu erneuern, unsere Nutzung der Erde so zu gestalten, dass ihre natürlichen Kreisläufe und Beziehungen nicht gestört und ihre Belastbarkeitsgrenzen nicht überschritten werden, und spätere Generationen zu respektieren. Erst wenn diese Pflichten erfüllt sind, haben auch Menschen das Recht darauf, in einer gesunden Umwelt zu leben und aus der Erde und anderen Arten Nutzen zu ziehen.

    Im Jahr 2003 ergänzte der Stammesrat der Navajo den Stammeskodex, um gewisse »grundlegende Gesetzmäßigkeiten« anzuerkennen, unter anderem die Rechte der Natur. Titel 1 des Kodex bekundet, dass »alle Schöpfung, von Mutter Erde und Vater Himmel bis hin zu den Tieren, die im Wasser leben und die fliegen, und Pflanzen, ihre eigenen Gesetze hat und Rechte und Freiheiten auf Leben.«

    Im Jahr 2015 fügten die Ho-Chunk, ein indigenes Volk in Wisconsin, der Charta der Grundrechte ihrer Verfassung eine Klausel hinzu, die die Rechte der Natur anerkennt. Sie waren das erste indigene Volk der USA, das diesen Schritt unternahm. Die neue Klausel bekundet: »Ökosysteme und Naturgemeinschaften auf dem Territorium der Ho-Chunk verfügen über ein inhärentes, elementares und unabdingbares Recht darauf, zu leben und zu gedeihen.« Die Gewinnung fossiler Brennstoffe wird als Missachtung von Naturrechten angesehen. Juliee de la Terre von der Viterbo University, die die Ho-Chunk bei der Verfassungsänderung unterstützte, erklärte im öffentlichen Rundfunk von Wisconsin, dass die Änderung »die Natur schützen [soll], indem es ihr durch einen menschlichen Vermittler in Form eines Anwalts eine Stimme verleiht, der im Sinne von Eichen und Wasserläufen und allem anderen sprechen kann«. Stammesmitglied Jon Greendeer sagte: »Die Rechte der Natur überführen unsere Ansichten von einer indigenen Perspektive zu einer modernen Gesetzgebung.«

    Rechte

    Rechte haben einen langen und komplizierten Hintergrund. Moralische Rechte sind Ansprüche, die sich aus ethischem Verhalten herleiten lassen. Sie werden nicht zwangsläufig von Regierungen anerkannt. Zum Beispiel sind die meisten Menschen der Ansicht, dass Schwarze in Südafrika moralische Rechte hatten, aber legal wurden diese nicht anerkannt und vom Regime der Apartheid systematisch missachtet. Juristische Rechte hingegen sind im Gesetz verankert und müssen so durch gesellschaftliche Institutionen vollstreckt werden. Der Menschenrechtsexperte Alan Dershowitz, emeritierter Professor der Harvard Law School, vertritt die These, dass Rechte sich aus Unrechten ableiten lassen, Verstößen gegen das, was wir als ethisches Verhalten betrachten. So waren beispielsweise die Gräuel des Zweiten Weltkriegs der Anstoß für die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.

    Neue Unrechte können und werden auftreten, denn unsere Vorstellungen von ethischem Verhalten verändern sich stetig. Es gab eine Zeit, in der Sklaverei und der Besitz von Menschen vom Großteil der Bevölkerung nicht als falsch angesehen wurde. Aber ausgehend von einer kleinen Gruppe von Menschen entstand eine Bewegung, die Sklaverei als brutales und barbarisches Verhalten anprangerte. Verteidiger des Status quo behaupteten, dass Sklaven keine Menschen seien und deshalb auch keiner moralischen Rücksichtnahme bedürften. Als der Druck auf sie wuchs, versprachen die Verteidiger der Sklaverei, die Bedingungen ihrer Sklaven zu verbessern. Den Sklavereigegnern war das nicht genug. Nach und nach begann die Mehrheit der Menschen, Sklaverei als etwas Furchtbares anzusehen. Heutzutage ist das Recht, nicht versklavt zu werden, ein grundlegendes Menschenrecht. Rechte haben symbolische und politische Kraft, wie man an den historischen Beispielen der Bürgerrechte, Frauenrechte, indigener Rechte und der Rechte für Homosexuelle sehen kann. Sie sind kein Wundermittel, mit dessen Hilfe man Probleme sofort lösen kann, aber sie sind ein bewährtes Hilfsmittel, um Fortschritte darin zu erzielen, wie

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