Sloughis im Tessin: Betrachtungen von Suleika Schuru-esch-Schams
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Über dieses E-Book
Gisela Meyer-Franck
Gisela Meyer-Franck, 40 Jahre lang Produzentin und Autorin von Wirtschaftsfilmen im Ruhrgebiet, lebt seit 1957 mit afghanischen und arabischen Windhunden.
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Buchvorschau
Sloughis im Tessin - Gisela Meyer-Franck
erfüllt.
Kaum konnte ich auf eigenen Pfoten stehen, brach mein Talent sich Bahn. Unermüdlich habe ich geübt, und nun stehe ich vor der ersten grossen Aufgabe meines Lebens:
Ich werde das Tessin umgraben.
Wie so oft im Leben muss Gutes und Schlimmes zusammenwirken, um die Pfade des Schicksals so ineinander zu verweben, dass eine kleine Sloughia schliesslich auf einer Wiese hoch über dem Lago Maggiore landet.
Mit dem Schlimmen begann es. An dem Tag, an dem ich meine Menschen zum ersten Mal traf, war ich garnicht gut drauf. Einer meiner vier wilden Brüder hatte mich so eklig rumgezerrt, dass mir alle Rippen weh taten. Auf meiner rechten Seite hatte der Lümmel ein Stückchen Fell weggeschrappt, sodass ich überhaupt nicht neu aussah – was mit sieben Wochen von einem gemeinhin erwartet wird. Kein Wunder, dass ich ziemlich trübe dreinschaute, als Gottvater mit seinem silbernen Bart in unserem Kinderhaus erschien. Kritisch durchforstete er unsere elfköpfige Schar und schon hatte er mich und eine Schwester – just jene, die mir immer die Zitzen von Mama Lugala wegschnappte – herausgefischt.
Wie kleine Frösche mit hängenden Beinen und weissen Bäuchen trug er uns davon. Eine wahrhaft entwürdigende Haltung, was Gottvater, der die kleinen Sloughis macht, doch eigentlich wissen sollte. Mit dem Silberbart allein ist es nicht getan, ein wenig Zartgefühl wäre auch am Platze.
Meine Zukünftigen erwarteten uns auf der Wiese unter Gottvaters Terrassenhaus. Die, die mein Frauchen werden sollte, war ziemlich reserviert. Mühelos konnte ich ihre Gedanken lesen, und die waren keineswegs schmeichelhaft.
Die ist ja schon angetitscht! Können wir keine andere kriegen?
Mir war ganz elend zu Mute. Wenn das schon so losgeht, bloss wegen der Macke in meiner Seite!
Achtung, jetzt schien sie sich zu besinnen.
Vielleicht nehme ich ihn doch, diesen Kümmerling, dachte sie. Wer weiss, was ihm im Leben noch so bevorsteht. Bei mir ist er wenigstens gut aufgehoben.
So gut es ging, gab ich mich als Jammerbündel, was eigentlich nicht meine Art ist. Von Haus aus bin ich eher fröhlich und kann einen Puff vertragen. Wäre das nicht von Anfang an so gewesen, dann wäre ich wahrscheinlich garnicht zustande gekommen.
Meine Mama, die schwarze Lugala, hatte nämlich nur für zehn Kinder die passende Ausrüstung eingepackt, der Rest waren eher Ersatzteile. Nur noch ein ganz kleines Schwänzchen ist übrig, hatte sie bekümmert gesagt, als ich endlich dran war. Es ist leider etwas kurz geraten für einen Sloughi…
Macht nichts, her damit, habe ich geschrien und das nicht nur beim Schwänzchen. Nur so bin ich schliesslich zu einer kompletten Ausrüstung gelangt. Den Schwanz kaschiere ich mit Wedeln und die leicht krumme Vorderpfote, nun ja, die kann man graziös anheben, was einem noch Entzückensschreie einbringt.
Mein Ovid meint übrigens, dass ich mir das alles nur einbilde. Die meisten Sloughis hätten Schwänze wie ich und nur ganz wenige so einen prächtigen wie Josephin. Und was die Pfote angehe, das Krumme habe sich längst ausgewachsen, und ausserdem gäbe es in einem alten Zuchtbuch ein Foto, das sei ein Klon von mir. Wer dort abgebildet werde, der müsse doch schön gewesen sein.
Na ja, mit der Zeit steigen die Ansprüche. Aber vielleicht hat er ja doch recht. Bei der letzten Sloughi-Ausstellung hat sich ein hinreissender junger Mann in mich verliebt und mich probehalber durch den Ring geführt. An seiner Seite bin ich geschwebt wie eine Gazelle. Er hat gesagt, ich sei sein Typ und er wolle mich ausstellen. Leider geht das nicht, denn er hat selber eine, und die müsste dann ja zuhause bleiben. Wenn ich mich recht erinnere, dann ist später noch zu grossen Ehren gekommen. Gegen die hätte ich sowieso keine Schnitte gekriegt.
Wie dem auch sei, zum Ausgleich hat Mama Lugala mir eine ordentliche Portion Lebensfreude mitgegeben. Wenigstens davon hatte sie genug gebunkert, alle meine Geschwister sind mit einem strahlenden Temperament gesegnet. Schwanz kurz oder lang, im grossen und ganzen bin ich zufrieden mit mir und auf meinen Namen, da bin ich sogar richtig stolz. Welche Sloughia kann schon von sich behaupten, sie hätte bereits einen Namen gehabt, bevor sie überhaupt gezeugt wurde? Welche von beiden soll Suleika sein? hatte mein Herrenmensch gefragt, nachdem Gottvater ihm meine Schwester in den Arm gedrückt hatte. Natürlich die hier, sagte mein Frauchen und inspizierte meinen schwarzen Stirnfleck, der wie ein Krönchen aussah. Die du hast, ist Josephin.
Zufällig waren wir ein S-Wurf, deshalb konnte Gottvater meinen echten Namen eintragen. Als
SULEIKA SCHURU-ESCH-SCHAMS
stehe ich im Zuchtbuch, und das heisst, ich bin adelig. Meine Schwester Josephin ist nicht so fein raus. Da sie nicht gut Sosephin heissen konnte, musste sie für den Adel einen anderen Namen, nämlich Sadaqa, bekommen. Sadaqa heisst Almosen. Aber sie ist alles andere als ein Almosen. Manchmal ist sie der Zorn Gottes. An mir drückt sich das Vornehme auch äusserlich aus. Ich bin