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ANNO 1694: Amüsantes und Wissenswertes aus dem späten Mittelalter
ANNO 1694: Amüsantes und Wissenswertes aus dem späten Mittelalter
ANNO 1694: Amüsantes und Wissenswertes aus dem späten Mittelalter
eBook441 Seiten5 Stunden

ANNO 1694: Amüsantes und Wissenswertes aus dem späten Mittelalter

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Über dieses E-Book

Gottfried Voigts "Physikalischer Zeitvertreiber" von 1694 für den Leser von heute bearbeitet, erläutert und mit Abbildungen versehen. Eine lehrreiche und amüsante Lektüre zu einfachen physikalischen Vorgängen, auch zur Anatomie und Psychologie, über allerlei Wunder und Kuriositäten bis zu grundlegenden theologischen und philosophischen Fragen.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum26. Juni 2014
ISBN9783735728289
ANNO 1694: Amüsantes und Wissenswertes aus dem späten Mittelalter

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    Buchvorschau

    ANNO 1694 - Books on Demand

    INHALT

    Ein notwendiges Vorwort

    212 Fragen und Antworten von Gottfried Voigt

    Das ptolemäische Weltbild

    Das kopernikanische Weltbild

    Die Zeit vor der Neuzeit

    Begriffe erklärt

    Verzeichnis der 212 Fragen

    Einführung

    Geehrter Leser,

    fangen Sie mit dem Lesen doch ausnahmsweise mal ganz am Anfang an, also hier.

    Das Buch, daß Sie in den Händen halten, ist wirklich etwas Besonderes. Der Text erschien 1694 und war in der damals üblichen Frakturschrift „Schwabacher" gedruckt. Die Revolution im Buchdruck hatte schon stattgefunden, seit gut 200 Jahren konnten Bücher mit beweglichen Metall-Lettern schnell und verhältnismäßig preiswert hergestellt werden. Die Buchproduktion wuchs rapide, im 17. Jahrhundert wurden in Europa nahezu eine Million Bücher gedruckt: theologische, philosophische und naturwissenschaftliche Werke, aber zunehmend auch Bücher zur (belehrenden) Unterhaltung. Und das Buch hier war eines davon.

    Eine Reproduktion der Originalseiten wäre mit großem Aufwand vielleicht möglich gewesen, aber dann hätte man die Lektüre dem heutigen Leser kaum zumuten können. Die Frakturschrift ist inzwischen aus der Mode gekommen, nur wenige können sie noch fließend lesen. Hinzu kommt, daß das Buch in dem Deutsch vom Ende des 17. Jahrhunderts abgefaßt und nicht gerade sorgfältig gesetzt und gedruckt wurde. Es war wohl für eine möglichst große Verbreitung gedacht. Doch seit ich vor mehr als dreißig Jahren mit dem Inhalt des Buches von Gottfried Voigt bekannt wurde, ist mir immer wieder mal der Gedanke gekommen, es für den heutigen Leser ein wenig „aufzubreiten" sozusagen. Das habe ich nun getan, und Sie halten das Ergebnis in der Hand.

    Eine Originalseite 1 : 1.

    Worin meine „Aufbereitung" besteht, will ich kurz erläutern. Am auffälligsten ist sicher der Computer-Satz in einer heute üblichen Schrift. Aber ich habe auch die Rechtschreibung und Zeichensetzung den heutigen Regeln vorsichtig angeglichen. Man muß sich vorstellen, daß es im 17. Jahrhundert noch keinerlei verbindliche Regeln für die Schreibung gab, und so findet man denn auch bei Voigt drei und mehr Schreibvarianten für ein Wort. Man kann zu dem Eindruck kommen, daß er schrieb, wie er sprach. An der eigentümlichen Orthografie habe ich aber möglichst wenig geändert, sie macht ja auch den Reiz der Texte aus: Thür, erzehlen, auff ein ­mahl, seyne Schue, Lufft, lincks, Kreuts, Aertzte. Punkt, Komma, Doppelpunkt und Semikolon folgen bei Voigt keinen erkennbaren Regeln, da habe ich ein wenig eingegriffen, um die Lesbarkeit zu verbessern. Ein paar wesentliche sachliche Erläuterungen habe ich in einen Anhang gegeben.

    Zu beantworten ist nun noch die eigentlich wichtigste Frage: Was ist denn an dem Inhalt so Besonderes dran? Das ist nicht so ganz einfach zu erklären, vor allem deshalb, weil etwas für den einen interessant ist, während es einem anderen belanglos erscheint. Also werde ich einfach sagen, was ich an Voigts Buch finde. Da ist erst einmal der Fakt, daß es aus dem 17. Jahrhundert stammt, es atmet Geschichte, selbst in diesem modernen Druck. Und das 17. Jahrhundert war nicht irgendein beliebiges, in ihm vollzog sich der Übergang zur Neuzeit. Die Ideen der Aufklärung griffen immer mehr um sich, neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse stellten immer häufiger die alten Glaubens-Dogmen in Frage. Das wird selbst bei Voigt deut ­lich, der doch nur ein Buch zur Unterhaltung im Sinn hatte. Der Galileische Konflikt, die Lust am Forschen und das Vertrauen auf die Überzeugungskraft naturwissenschaftlicher Fakten kollidieren mit dem Anspruch der alles beherrschenden Kirche, verbindlich zu bestimmen, was sein darf und was nicht, dieser Konflikt wird auch bei dem gläubigen, studierten Theologen Voigt hier und da sichtbar. Zwar rutscht ihm hier und da eine Wendung heraus wie „die weise Natur lässet nicht zu, daß …, doch wenn er eine Erscheinung oder einen Vorgang nicht erklären kann, „dann war es der Allmächtige und Allwissende. Das mag einigen ironisch klingen, war von Voigt aber durchaus erst gemeint. Man kann an mehreren Stellen erkennen, daß Voigt der Konflikt naturwissenschaftliche Fakten kontra religiöse Dogmen bewußt ist. In der letzten Konsequenz zieht er sich doch immer noch auf „das Wort Gottes in der Heiligen Schrift zurück, im äußersten Fall stellt der „die Natur und Gott nebeneinander als letzte Instanz.

    Voigt hat für sein Buch 300 Fragen formuliert, von denen er annahm, daß sie einen größeren Leserkreis interessieren würden. Allein durch diese Fragen erhält man einen ganz guten Eindruck von den geistigen Interessen seiner in Aussicht genommenen Leser. Das Spektrum reicht von einfachen physikalischen Vorgängen aus dem Alltag (Warum wackeln die Spinnwebe beym warmen Ofen?) bis zu grundlegenden theologischen und philosophischen Fragen (Welches ist unter den beyden das erste gewesen, Licht oder Finsterniß, Tag oder Nacht? Veraltet die Welt?).

    Bei den Themen zeigt sich ein großes Interesse für den menschlichen Körper und seine Funktionen. Das ist sicherlich im Zusammenhang mit der zunehmenden Zahl von Obduktionen (auch öffentlichen!) zu sehen, die einen deutlichen Wissenszuwachs in der Anatomie brachten.¹ Krankeiten, Geburt und Tod spielen auch im 17. Jahrhundert eine große Rolle.

    Mehrere Fragen betreffen auch die Verhaltenspsychologie, z.B. Warum werden die Weiber so bald zornig? Was ist die Ursache, daß die Betrübten seufftzen, weinen und die Hände ringen?

    Einen verhältnismäßig großen Raum nehmen Themen aus der Physik und Chemie ein, schließlich hat Voigt sein Buch „Physikalischer Zeitvertreiber genannt: Woher kommen die Wasserblasen? Warum knastert das grüne Holtz, wenn man es an das Feuer legt? Voigts Antworten sind da manchmal ziemlich kurios, „wir sind heute natürlich viel schlauer. Aber prüfe sich jeder doch einmal, ob er die vorkommenden physikalischen Fragen zutreffend und plausibel beantworten kann. Ich könnte es nicht.

    Mit dem Zeitalter der geografischen Entdeckungen (von Christoph Kolumbus, 1492 bis Willem Barents, 1597) waren zahlreiche neue Kenntnisse über die Erde und andere Völker nach Europa gelangt, realistische und phantasievoll ausgeschmückte, auch irrige Berichte waren gedruckt worden. Auch das findet man bei Voigt.

    Einen erstaunlich großen Anteil haben die Fragen zur Tierwelt: Warum lassen die Vögel keinen Urin von sich? Sind die Maulwürfe blind? Und man erfährt, daß es über das Leben der Zugvögel fast nur Vermutungen gab.

    Schließlich hat Voigt auch Fragen zu „Wundern" und Kuriositäten aufgenommen. In dieser Hinsicht unterschieden sich die Menschen damals offenbar nicht von den heutigen, und Autoren und Verlage haben diese menschlichen Instinkte ökonomisch ausgenutzt. Das Abnorme, Gruselige, Wunderliche und Wunderbare ist immer gefragt: Ist es wahr, daß in Schottland die Gänse auf den Bäumen wachsen? Was bedeutet es, wenn Blut regnet, und was hat es für Ursachen? Warum sind die Hencker so grausam?

    Alle diese Fragen beantwortet Voigt immer unter Berufung auf die großen Gelehrten seiner Zeit und der Antike. Er zieht durchaus auch widersprüchliche Meinungen an und schlägt sich dann auf die eine oder andere Seite. Dadurch ist sein Text mit vielen lateinischen Termini und Zitaten durchsetzt. Bei mehreren Beispielen habe ich nachgeforscht und festgestellt, daß seine Quellenangaben durchaus seriös und zutreffend sind. Voigt schrieb in Deutsch, damit gehörte sein Buch zu den Vorreitern unter den Publikationen in deutscher Sprache, denn bis in die 1680er Jahre wurde nahezu alles in Latein gedruckt.² Die große Ausnahme soll natürlich erwähnt werden, nämlich die Bibel in Martin Luthers Neuhochdeutsch von 1534.

    Die Sprache Voigts ist das frühe Neuhochdeutsch, und das allein ist schon ein Vergnügen. Jetzt ist nicht die Rechtschreibung gemeint, sondern der Wortschatz und die Grammatik. Hier kann einem gleich Martin Luthers Wendung „dem Volk aufs Maul schauen" einfallen.³ Es ist eine kräftige, uns manchmal drastisch und grob erscheinende Sprache, sie ist dabei immer sehr anschaulich. Man sollte beim Lesen daran denken, daß viele Wörter von 1694 bis heute einen erheblichen Bedeutungswandel erlebt haben. Um einige Beispiele zu nennen: Zu Voigts Zeiten ist Weib der neutrale Ausdruck für Frau, während Frau höchsten für eine höherstehende Dame verwendet wird. Biest ist noch ein neutrales Wort für wildes Tier im Gegensatz zu Haustier. Das Maul, fressen und saufen werden für Tier und Mensch gebraucht. Oder: … das ist nur ohngefehr [= zufällig] geschehen. Etliche von Voigt verwendete

    Wörter und Wendungen sind so anschaulich, daß man ihr Verschwinden nur bedauern kann. Auf ein paar Beispiele kann ich nicht verzichten:

    das materialische Verbündnis der beiden Halbkugeln;

    das übertrifft fast alle Glaubigkeit;

    er steht in dem Gedancken, daß …;

    ich halte dafür, daß das so und so ist;

    Ein Zettelchen sollte sich wol nicht uneben dazu schicken.

    Aber dieses kömmt mir nicht gläublich für.

    man kan es desto sicherlicher gläuben. (Man verwendete also für Adjektiv und Adverb unterschiedliche Formen, wie heute noch im Englischen.)

    Sehr häufig verwendet er das Wort subtil, und zwar in der Bedeutung klein, fein(gliedrig). Ein inzwischen völlig ausgestorbenes Wort ist massen (= maßen) für denn oder weil, z.B. in ..., massen des Nachts der Leib nicht beweget wird. Es gibt noch viel mehr Beispiele, die Sie selbst entdecken können.

    Wie oben schon einmal erwähnt, verwendet Voigt recht oft lateinische Zitate oder auch einzelne Wörter, die er dann meistens gleich selbst übersetzt, sodaß man zu dem Schluß gelangen kann, er möchte damit nur seine Gelehrsamkeit deutlich machen. Einige Beispiele: ...je weiter der Magen extendirt und ausgethenet wird; … sie werden zugleich obtundirt und verhindert; … sie sind grob, und nicht subtil elaborirt [fein ausgearbeitet/ausgebildet]; … was extraordinares und sonderliches. Wörter, die im Original in griechischer und hebräischer Schrift standen, waren meistens nicht zu entziffern; die Stellen sind kenntlich gemacht.

    Voigts Zeitvertreiber enthält keine Abbildungen, obwohl sich das bei vielen Themen eine Illustration doch sehr anbietet. Und der Text ist in unterschiedlich großen Let­tern nicht gerade sorgfältig gesetzt. Beides spricht dafür, daß eine möglichst billige Herstellung angestrebt wurde, daß man auf zahlreiche Käufer aus war.

    Eine wesentliche von mir vorgenommene inhaltliche Änderung muß noch erwähnt werden. Das Voigtsche Original besteht aus drei Mal 100 Fragen und Antworten auf 827 Seiten mit einem sehr detaillierten Register am Ende. In diesem Buch fin­den Sie nur 212 davon. Ausführlich darzulegen, welche Fragen weggelassen wurden, ist vielleicht nicht nötig, es handelte sich fast immer um Fragen dieser Art: Gibt es auch Vogel-Nester, die man essen kann? Warum schwimmt ein todter Mensch oder ander Thier auf dem Wasser, da es doch, wie es noch lebendig gewesen, unter gesuncken? Warum hacken die Raben den Toden zuerst die Augen aus? Eine Beschränkung war auch aus ökonomischen Gründen notwendig.

    Inzwischen ist bei Ihnen vielleicht schon die Frage aufgekommen, wer denn dieser Gottfried Voigt eigentlich war. Von ihm ist kaum etwas bekannt, so kann ich alles, was zu erfahren war, hier anführen.⁴ W. Gottfried Voigt wurde im April 1644 in Delitzsch geboren und starb am 15. November 1691 (nach anderen Quellen 1682) wahrscheinlich in Hamburg. Ab 1663 studierte er an der Universität Wittenberg und erwarb dort den Grad eines Magisters in Theologie. Zu den Wittenberger Pro­fessoren, nicht nur der Theologie, scheint er lange Zeit Kontakt gehabt zu haben. An den Universitäten in Wittenberg und Rostock war er auch Präses bei Diputationen, das war die mündliche Verteidigung einer Dissertation, manchmal auch eine Podiumsdiskussion von Gelehrten. Danach war er als Rektor in Güstrow tätig. 1675 ernannte die Universität Gießen ihn zum Lizenziaten in Theolgie, d.h. er hatte dann die Lehrbefugnis. 1681/82 war er Rektor des renommierten Johanneums in Hamburg (gegründet 1529). Anfangs war das Johanneum eine Gelehrtenschule, später widmete es sich in einem zweiten Zweig, der Bürgerschule, auch der Ausbildung von Söhnen der Kaufleute und Handwerker. Voigt soll mehrere wissenschaftliche Streitschriften (Disputationen) zum Kriminalrecht und zu Hexenprozessen verfaßt haben. Sicher ist, daß ein Gottfried Christian Voigt (1740–1781), möglicherweise ein Nachfahre unseres Autors, mehrere Schriften zur Hexenverfolgung verfaßt hat. Dort schätzte er die Zahl der Opfer der Hexenverfolgung auf 9 Millionen und kritisierte Voltaire wegen dessen Schätzung von „mehreren Hunderttausend".

    Gottfried Voigts „Physikalischer Zeitvertreiber aus dem Jahre 1694 ist verständlicherweise nicht allgemein bekannt, obwohl er für jedermann zugänglich ist, und zwar in einer Reproduktion der Originalseiten im Minibuch-Format (6,5 x 10 cm). Die Idee für diese Edition hatte 1986 der Lektor des Verlages Technik, Berlin, Erich Brendel. Er war auf dieses Buch an der Betriebsschule der Funkdirektion (Funkschule) Königs Wusterhausen gestoßen, als er dort Mitte der 1950er Jahre als Deutschlehrer tätig war. Der erste Direktor der Funkschule, Drachsel, soll das Buch 1953/54 in die Bibliothek der Schule eingereiht haben. Es ist anzunehmen, daß er es irgendwo antiquarisch erworben hatte. Auch als Lehrer an der Funkschule habe ich das Original nie zu Gesicht bekommen, es soll im Bücherschrank des Direktors gestanden haben. Wohl aber kenne ich die beiden Bändchen des Technik-Mini-Reprints, enthaltend jeweils 100 Fragen und Antworten, im Schuber. Die wurden nämlich verdienten Mitarbeitern der Funkschule zum Geschenk gemacht, zunächst das erste, dann als Steigerung das zweite. Daß die Büchlein jemals im Buchhandel vertrieben wurden, ist zu bezweifeln. Heute nun, über zwanzig Jahre nach der Auflösung der Funkschule, findet man das erste Bändchen in mehreren Angeboten bei Amazon, zum Preis von 1,50 bis 20 Euro. Vielleicht war es den Besitzern einfach nur zu beschwerlich, die alten Schwabacher Lettern in so kleiner Form zu lesen, ja manchmal zu entziffern. Einen solchen Text so stark verkleinert (wahrscheinlich 25% des Originals) zu publizieren ist wenig sinnvoll, eine derart kleine Schrift sollte nicht zusätzliche Schwierigkeiten beim Lesen schaffen. Wer weiß, welche Gründe damals für diese Form gesprochen haben. Das Original gilt als „verschollen, das heißt, es steht bei einem ehemaligen Angehörigen der Funkschule im privaten Bücherschrank. Auch das war für mich ein Grund, dieses Buch herauszugeben.

    Als textliche Grundlage dienten mir die beiden oben genannten Mini-Bücher sowie die (miserable!) Digitalisierung des Neuvermehrten Zeitvertreibers von 1694, wie er in der Bayerischen Staatsbibliothek, Signatur Phys.g.497, vorhanden ist: http://reader.digitalesammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10132104_00005.html

    Zu den Abbildungen.

    Wo es irgend ging, habe ich Bilder von Zeitgenossen Voigts gewählt: Albrecht Dürer (1471–1528), Hans Baldung Grien (1484–1545), Daniel Chodowiecki (1726–1801). Alle Abbildungen stammen aus allgemein zugänglichen Quellen. Ohne Zweifel wären an vielen Stellen farbige Bilder schöner gewesen, aber das verbot sich aus Kostengründen.

    Wolfgang Buddrus

    Altefähr auf Rügen, im Juni 2014


    1 Als Beleg für das öffentliche Interesse mag man das Gemälde „Die Anatomie-Lektion des Dr. Tulp" von Rembrandt (1606-1669) sehen.

    2 Die erste Wochenzeitung in Deutsch wurde 1643, die erste Tageszeitung 1650 in Leipzig gedruckt, und zwar unter dem Namen „Einkommende Zeitungen. Unter Zeitung verstand man seinerzeit das, was wir heute Nachricht nennen, es waren also die „Neuesten Nachrichten.

    3 Das war ursprünglich Martin Luthers Prinzip bei der Übersetzung der Bibel ins Deutsche, damit diese dem Volk verständlich wird.

    ⁴ http://www.historicum.net/ und andere.

    Erste Frage

    Was haben unsere ersten Eltern, Adam und Eva, für eine Farbe gehabt? Sind sie schwarz gewesen, wo kommen dann die weißen Leute her? Sind sie aber weiß gewesen, wo kommen dann die Mohren her?

    Antwort.

    Sie sind weder schwarz noch weiß gewesen, sondern röhtlich. Ehe aber solches klärlich kannn dargethan und erwiesen werden, ist es von Nöthen zu melden, an welchem Orte sie erschaffen. Denn man hat aus der Erfahrung, daß die Farbe am Menschen und unvernünftigen Thieren nicht an allen Orten einerlei sey, sondern sich verändere nach der Beschaffenheit des Ortes. Diejenigen, so in den kalten Nord-Ländern wohnen, sind weiß, wo nicht alle, doch meisten Theils, welche aber in den warmen Ländern gegen Mittag wohnen, sind mehrentheils röhtlich, und hernach werden sie schwärzlich. Was nun den Ort unserer ersten Eltern betrifft, an welchen sie geschaffen und gewohnet, so lesn wir davon also im ersten Buch Moses p.173 Kap. 2, V. 8: Und Gott der Herr pflanzte einen Garten in Eden, gegen den Morgen, und setzte den Menschen drein, den Er gemacht hatte. Hier wird gesagt, daß Gott den Menschen, den er erschaffen, in den Garten gesetzet, ob er ihn nun gleich nicht darinnen erschaffen, so ist es doch gläublich, daß er nicht weit davon erschaffen. Der Garten aber ist gelegen in Eden gegen dem Morgen, und wie die Gelehrten dafür halten in dem Lande Sinear bei Babylon. Denn an demselben Orte sollen sich die vier Flüsse befinden, Pison, Gihon, Hidekel und Phrat, die in dem Garten gewesen, und werden heut zu Tage genennet Ganges, Nilus, Tigris und Euphrates. Wann nun dem also, wie ihm dann nicht anders, daß Adam und Eva im Morgenlande und also an einem warmen Ort erschaffen, so werden sie ja auch die farbe an sich gehabt haben, die denen Einwohnern desselben Orts gemein ist, nämlich die rohte.

    Hernach haben unsere ersten Eltern, außer allem Zweifel, eine gute Natur köstliches Temperament gehabt, dieweil sie so lange gelebet. Zum langen Leben aber ist kein Temperament dienlicher als das Sanguineum, wenn nur die Sanguinei sich hüten vor allzu grossem Trincken, dazu sie pflegen geneigt zu seyn. Darum ist zu vermuten, daß unsere ersten Eltern wegen ihres langen Lebens auch sind Sanguinei gewesen und daher etwas rötlich. Denn diese Farbe haben die Sanguinei, vornehmlich, wenn sie an warmen Örtern leben. Letztlich bedeutet auch das Wort Adam in Grund-Sprache etwas, das da rot ist, daher heißt Adamä rote Erde, von welcher Adam erschaffen. Warum hätte nun Gott unsern Alt-Vater Adam oder Rot genennet, wenn er nicht so gewesen?

    Es möchte aber einer sagen und fragen:

    2.

    Woher kommt es denn, daß die Mohren schwarz sind und nicht rot?

    Darauf antworte ich, daß die schwarze Farbe der Mohren nicht allezeit von Natur sey, sondern offte von gewissen Salben herrühre. Denn wenn sie geboren werden, sind sie rot, wie die holländischen Schiffahrer bezeugen, von den Guinesern, in Afrika, wo es viel schwarze Mohren gibt, deren Kinder nicht den Eltern gleich schwarz sind, sondern rot oder gelb, als die Brasilier. Hernach beschmieren sie ihren Leib mit Talg, Seifen, Palmenöl, Schmalz und anderen der-gleichen Dingen und legen sich an die Sonne, welche sie dann balde verbrennt und schwarz machet. Darauf denn gar leicht geschehen kannn, daß wenn sie groß werden und zur Ehe schreiten, sie auch solche schwarzen Kinder zeugen. Denn wie die Eltern so sind auch gemeiniglich die Kinder, und was die Imagination bey dem Dinge tun kannn, ist leicht abzunehmen.

    3.

    Warum sind aber die Hände der Mohren inwendig nicht schwarz wie der ander Leib?

    Es kannn teils darum sein, weil ihre Vorfahren, von welchen sie gezeuget, nicht so schwarzee Hände gehabt, teils weil die Haut in der Hand die Schwärz nicht so annimmt wie der andere Leib, teils weil die Sonne selbige nicht so sehr anbrennen kannn, teils auch weil sie in der Arbeit die Schwärze von der Hand wieder abrei­ben.

    4.

    Was sollte aber die Mohren darzu b ewogen haben, daß sie ihre Leiber durch die schwarze Farbe so verunzieret?

    Das kannn man nicht eigentlich wissen. Vielleicht haben sie es getan um sonderlicher Zierde willen. Denn obwohl uns die schwarze Farbe an des Menschen Leibe garstig erscheinet, so kömmt sie doch so nicht den Mohren für. Welches keine wundern darf, dieweil die Schönheit und garstige Gestalt nur in unser opinion und Meinung bestehet. Denn sage mir einer, warum die weiße Farbe feiner stehe als die schwarze? Wahrlich er wird keine andere Ursache können fürbringen als weil es die Menschen ihnen also einbilden. Was aber die Einbildung bei der Menschen Schönheit tue, ist aus der öfteren Veränderung der Kleider zu ersehen, welche bald fein, bald garstig und altfränkisch stehen, nachdem es die Mode und Gewohnheit mit sich bringet. Und weil die meisten und vornehmsten Leute unter uns einen Gefallen an schwarzen Kleider haben, was ist denn groß zu verwundern, daß die Mohren ihre Beliebungen an der schwarzen Haut tragen? Ja sie tun noch viel andere Sachen, welche uns viel garstiger fürkommen als dieses. Denn die in Guinea wohnhaftig, halten es für eine groß Zierde, wenn sie lange Nägel haben, daher lassen sie sie auch so lang wachsen als ein Glied am Finger. Eben dieselben zerritzen und zerkratzen ihre Angesichter und Arme und streichen sie mit allerhand Farben an. Hugo Linschot in seiner Reisebeschreibung p.55 Kap. 41 saget, daß sie die weißen Leute für Mißgeburten, Gespenst und Teufel achten, undin den Gedanken stehen, als sey die schwarze Farbe die edelste und beste unter allen. Darum ist es keines Weges zu verwundern, daß sie auch ihre Haut mit dergleichen Farbe anfärben und besudeln.

    5.

    Oben ward gesagt, daß diejenigen, so in kalten Ländern wohneten, weißer wären als die, welche an warmen Örtern sich aufhalten. Was ist die Ursache dieses?

    Die Ursache ist diese, weil an den warmen Örtern des Menschen Leib durch die Hitze mehr eröffnet wird, daher sich das Geblüt, welches von Natur rot, unter die Haut setzet und durch dieselbe scheinet. Hingegen aber wird an kalten Örtern unsere Haut mehr und mehr verschlossen und verhärtet und daher dem Blut gewehret, daß es sich nicht so ergießen und an die äußerlichen Gliedmaßen kommen kannn. Denn du mußt wissen, daß die Haut des Menschen an und für sich weißlich sey. Wenn sie aber entweder braun oder gelb oder rot scheinet, so rühret das her von der Materie, die darunter verborgen. Daher sind Sanguinei rot, die Cholerici gelbicht, die Phlegmatiei bleich, Melancholici schwarz oder braun.

    6.

    Woher wiltu beweisen, daß die Haut des Menschen weißlich sey?

    Erstlich sieht man es an ihr, wenn sie abgezogen ist, da scheinet sie weißlich. Hernach sehen wir es auch an den verbluteten Cörpern, welche bleich, dieweil das Blut, welches die Haut sonst rötlich oder lebendig macht, sich verlieret und kein anders wieder an dessen Stelle kömmt. Wir sehen es auch an den trunkenen und zornigen Leuten, welche rot werden, wenn sich das Geblüte erhitzet, ob sie gleich sonst bleich aussehen.

    7.

    Warum haben die Männer das Knäuflein am Halse und nicht die Weiber?

    Die Weiber sagen, Eva hätte im Paradies das beste vom Apfel gegessen, ihrem Mann Adam aber das übrige und schlimmeste gegeben, nämlich den Gröbs. Weil aber dieser so hart gewesen, hätte ihn Adem nicht können hinunter schlucken, sondern er wäre in der Kehle stecken blieben. Und daher müßten noch heut zu Tage alle Männer den Gröbs am Halse tragen. Aber das ist lauter Weibergeschwätz. Denn dieses Knäuflein am Halse ist von Gott dem Menschen angeschaffen und wird noch heute zu tage von der Natur nebst andern Gliedmaßen im Mutterleibe formiret bei allen Menschen, sowohl Manns- als Weibes-Personen. Man kanns aber nicht bei allen sehen, sondern bei denen am meisten, die gar ein trockenes Temperament haben, als die Männer. Weil aber die Weiber gar feuch-ter Natur sind, so kannn man dasselbe Knäuflein oder Adams-Apfel bei ihnen nicht merken, wiewohl sie es in der That auch haben.

    8.

    Ists wahr, daß die Weiber eine Ribbe mehr als die Männer haben?

    So sagt man ins gemein, Gott hätte Adam ein Ribbe genommen und Evan daraus gebauet, und daher hätten die Männder weniger Rieben als die Weiber. Aber es ist nichts dran. Die Männer haben so wol zwölf rieben an jeglicher Seiten als die Weiber, wie es augenscheinlich die Erfahrung in der Anatomi oder Zertheilung der Menschen bezeuget. Was aber dieselb Ribbe anlnget, davon Eva erschaffen, so sind davon unterschiedliche Meinungen unter den Gelehrten. Etliche sagen, daß dadurch nicht eine rechte Ribbe, sondern nur das Fleisch an den Ribben verstanden werde, und daraus wäre Eva gemacht. Aber der Text ist ganz und gar darwieder. Denn es stehet ausdrücklich, Genesis 2, V. 22, Gott der Herr bauet ein Weib aus der Ribbe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm. Das ist doch Bein von meinen Beinen und Fleisch von meinem Fleische. Cajetanus legt es ganz improprié aus und verstehet weder eine rechte Ribbe noch wahrhaftiges Fleisch, sondern er sagt, daß die Gesellschaft und Verbündnis zwischen Mann und Weib dadurch angedeutet werde. Aber man soll in Auslegung der Heiligen Schrift nicht von dem eigentlichen Verstande und Buchstaben abweichen, es erfordere es denn die höchste Not, dergleichen hier nicht ist. Darum tun diejenigen am besten, die allhier bei dem bloßen Buchstaben verbleiben und lehren, daß Eva aus einer rechten Riebe geschaffen, und zwar daß Gott von jeder Seite eine oder ein Gehenk genommen habe, wie Kimci libr. Radic. nit uneben dafür hält. Ob aber dieselbe Riebe Adams sey notwendig oder überlei gewesen, ist etwas schwerer zu ergründen. Denn es möchte einer einwenden und sagen: Wenn die Riebe, die dem Adam genommen, notwendig gewesen, so ist ja Adam hernach unvollkommen worden, indem ihm das gemangelt, was doch den Menschen nötig. Ist sie aber nicht notwendig, sondern übrig gewesen, so folget daraus, daß Adam zuvor ehe denn Eva erschaffen, ein monstrum gewesen, indem er ein Glied nämlich eine Riebe, zuviel gehabt. Aber dieser Einwurf kannn damit gehoben werden, wenn man sagt, daß diese Riebe sey notwendig gewesen zur Erschöpfung Evas, aber nicht zur Vollkommenheit des menschlichen Cörpers.

    9.

    Ist aber ein Unterschied zwischen den Männer- und Weiber-Rieben, auch andern Gebeinen, also daß man dieselbe erkennen kannn?

    Ja, es ist ein Unterscheid, denn die Männer Rieben sind härter, der Weiber ihre aber etwas weicher. Hernach sind der Männer Beine Mehrenteils größer und länger als der Weiber. Wiewohl die Natur hierin auch ofte ändert.

    10.

    Warum sind die Männer gemeiniglich größer als die Weiber?

    Sanguerdius in Exercit. Phys. hält dafür, daß dies herkomme von der Hitze, welche bei den Männern großer und mit der Feuchtigkeit und Dürre besser vermischet als bei den Weibern. Denn durch die Hitze werden die Speisen verdauet, die Nahrung und das Wachsen befördert, die Schweißlöcher eröffnet und erweitert, die erweiterten mit anderer zuvor bereiteten Materie angefüllet, welche hernach in die Substanz des Leibes verwandelt wird, daher denn des Körpers Zunehmen entstehet. Weil nun die Männer pflegen wärmer und daher auch stärker zu sein als die Weiber, so wird das Werk der Verdauung und Zunehmung in ihnen besser vollbracht als bei den Weibern. Jedoch muß die Hitze auch nicht gar zu groß und scharf sein. Denn wenn dieses geschieht, so vertrocknet der Leib und insonderheit das Gebein, also daß es nicht weiter kannn ausgedehnet werden. Und alsdenn höret ein Mensche auf in die Länge zu wachsen. Daher sind die Cholerici ins gemein kurzer Statur. Es kannn aber die Hitze für sich allein solches nicht ausrichten, sondern es werden auch zugleich erfordert die Qvalitates passivæ, wie sie von den Naturkündigern genennnet werden, nämlich die Feuchtigkeit und Dürre, welche wohl und genau von der Natur müssen zubereitet und ausgearbeitet werden, also daß die Feuchtigkeit ganz zähe wird. Dann wenn sie gar zu wässerig, so wird sie dissolviert oder zerlöset und viel eher zerstreuet als sie in die Substanz des Leibes kannn ver ­wandelt werden. Aber es möchte vielleicht einer einwenden und sagen: Wenn die Männer wegen der Hitze größer serden als die Weiber, so folget daraus, daß sie auch eher wachsen und mannbar werden. Welches wider die Erfahrung ist, als welche bezeugt, daß die Weiber bald in die Höhe wachsen und noch eher als die Männer. Daher entsteht eine neue Frage:

    11.

    Warum wachsen die Weiber eher in die Höhe und werden eher mannbar als die Männer?

    Das geschieht wegen der groößeren Feuchtigkeit. Denn bei den Weibern finden sich in ihren zarten Jahren viel und mancherlei Dünste, die gar leicht können ver­mehret und ausgedehnet werden. Bei den Mannsbildern ist hingegen desto größere Hitze, deswegen sie auch langsamer, aber länger wachsen, dieweil die Hitze desto länger wäret und das Zunehmen des Körpers befördert. Eben diese sehen wir auch an den Bäumen und Kräutern, welche wenn sie allzu feuchte und kalter Natur sind als zum Exempel die Kirsch-Bäume usf. wachsen sie bald, aber sie werden nicht so groß wie die, so warmer und trockener Natur, als die Eichen usf. welche langsam und lange wachsen und sehr groß werden.

    12.

    Warum haben die Weiber keinen Bart?

    Die Natur hat die Männer geschaffen zur Gravität und ernsthaftigkeit, die Weiber aber zur Liebligkeit. Damit nun die Männer desto gravitätischer und ansehnlicher werden, hat ihnen die Natur Bärte vergönnet, denen Weibern aber dieselben versaget, dieweil sonst ihre Anmut und Liebligkeit dadurch verhindert würde. Dies wußte wohl der kluge Diogenes, welcher, als er auf eine Zeit von einem gefraget ward, warum er einen Bart trüge, hater geantworter: Der Bart erinnert mich, daß ich ein Mann sey. Desgleichen sagte Hieronymus Rhetus, weiland zu Basel Professor, welcher einen langen Bart hatte: Der Bart lehret mich, daß ich keine Frau, sondern

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