Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Aufbruch ins Weltall
Aufbruch ins Weltall
Aufbruch ins Weltall
eBook273 Seiten3 Stunden

Aufbruch ins Weltall

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Der Autor wurde 1935 in der mitteldeutschen Kleinstadt Pegau geboren. Heute lebt er in St. Tönis am Niederrhein. Ausbildung: Handelsschule, Studium der Betriebswirtschaft. Tätigkeiten: In der Datenverarbeitung großer Industrieunternehmen, von 1991 bis 2005 selbständig als EDV-Berater und Dozent. Erst dann begann er zu schreiben. Dieser Zukunftsroman ist sein erster unter seinem bürgerlichen Namen.

Im Jahre 2136 startet ein deutsches Raumschiff mit 735 Menschen an Bord ins Weltall. Das Ziel ist ein bereits im 21. Jahrhundert von Astronomen entdeckter bewohnbarer Planet, 15 Lichtjahre von der Erde entfernt. Eine Gruppe intelligenter Wissenschaftler, Ingenieure, Techniker und Handwerker haben das mächtige Raumschiff in 49jähriger Arbeit entwickelt. Neue Techniken, außergewöhnliche Erfindungen und andere glückliche Einflüsse machen diesen Raumflug unter erträglichen Lebensbedingungen über lange Zeit und riesige Weiten möglich.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum24. Feb. 2015
ISBN9783738676082
Aufbruch ins Weltall

Ähnlich wie Aufbruch ins Weltall

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Aufbruch ins Weltall

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Aufbruch ins Weltall - Kurt Helmut Körsten

    Nachwort

    1

    Nebelschwaden schleichen gemächlich über eine ebene, offene Fläche einer trostlos wirkenden Landschaft dahin. Absolute Stille herrscht. Kein Vogelschrei oder sonstige Geräusche des Lebens sind zu hören. Und nichts bewegt sich weit und breit. Die Luft ist sehr kalt, nur einige Plusgrade Celsius über dem Gefrierpunkt.

    Doch was ist das? Auf einmal kommt eine laut stöhnende, wild aussehende menschliche Gestalt eiligen Schrittes aus einem kleinen, tot wirkenden Waldstück am Rande des Geländes heraus. Der Ort des Geschehens liegt nahe der einstigen Stadt Goslar am Nordrand des Harzes.

    Es ist ein Mann. Er trägt keine Kopfbedeckung und sieht zum Fürchten aus. Sein Haar ist sehr lang und zerzaust, und ebenso sein borstiger Bart. Eine Art langer Mantel aus verschiedenartigen Fellen, der schmutzig und abgenutzt wirkt, umhüllt seinen Körper. Seine Füße sind mit etwas Dunklem umwickelt, was vermutlich auch aus Fell oder Lumpen besteht. In seiner rechten Hand trägt er eine etwa armlange, rostige Eisenstange.

    Nach der Zeitrechnung des seit dem Jahr 1582 geltenden Gregorianischen Kalenders ist es das Jahr 2136, doch die wenigsten Menschen interessiert das noch. Das Dasein von Menschen, Tieren und Pflanzen auf der Erde ist herb und beklagenswert geworden.

    Aus der Richtung, woher der Mann kam, ist jetzt Getrampel, knackendes Holz und Geschrei von sehr lauten, wilden Stimmen zu hören. Der Mann sieht sich ängstlich um, lauscht nur kurz und rennt dann schnell weiter über die vor ihm liegende Fläche offenen Geländes. Er fällt vor Erschöpfung hin, steht wankend wieder auf und stolpert weiter in Richtung einer kleinen Anhöhe, die mit großen Steinbrocken und wild ineinander verschachtelten, toten Bäumen und Ästen übersäht ist. Wo er gerade rennt, sind am Erdboden nur einzelne, welke Grashalme, Disteln, Moose, Flechten und ähnlich karges Gewächs zu sehen. Der Flüchtende sieht nach oben zu der grauen, geschlossenen und tief hängenden Wolkenmasse.

    Er murmelt vor sich hin: „Hoffentlich kommt bald die Nacht, sonst ist es um mich geschehen."

    Mit seinen achtundzwanzig Jahren hat er bisher nur wenige Male in seinem Leben den blauen Himmel oder die Sterne gesehen, meistens nur in gelegentlichen, kurzen Wolkenlücken, und das auch nur in seinen jungen Lebensjahren.

    Plötzlich schreckt er zusammen. Der Erdboden unter seinen Füßen und in weitem Umkreis, soweit er sehen kann, erzittert auffallend. Ein leichtes Knistern ist zu hören. Etwas kribbelt an seinen Beinen. Doch er rennt weiter zur Anhöhe hin. Es ist pure Angst, welche ihn antreibt, größer als jene vor dem Zittern des Erdbodens unter ihm. Denn kurz vorher war er dem Tode sehr nahe.

    Fünf Gestalten, ähnlich wild aussehend wie der Flüchtende, erreichen jetzt auch die ebene, offene Fläche. Sie sehen ihn rennen, und einer von ihnen zeigt mit wütendem Gesichtsausdruck zu dem Flüchtenden hin.

    Ein anderer, wohl der Anführer, kreischt mit lauter, heiserer Stimme: „Los, schneller! Gleich haben wir den Hund. Es wird Zeit, dass unsere Sippe was zu essen hat." Die Verfolger sind die Jäger einer Sippe von Menschenfressern.

    Doch ganz kurz vor dem Erreichen der Anhöhe ist der Flüchtende wie von Geisterhand vom Erdboden verschwunden. Die Verfolger bleiben abrupt stehen. Sie spüren auch das Zittern der Erde und sehen sich gegenseitig ängstlich an.

    Der Anführer sagt, in diesem Moment jedoch nur leise: „Der Kerl ist mit dem Bösen im Bunde. Hauen wir besser ab und versuchen es anderswo!" Und sie laufen eilends zurück in das tote Waldstück, woher sie kamen.

    Der Verfolgte aber fällt ins Bodenlose abwärts, das glaubt er wenigstens. Es ist dunkel, graust ihn, und bald wird es ihm schwindelig. Sein vermeintlicher Fall dauert lang, und er schließt insgeheim mit seinem Leben ab. Viele Stationen seines bisherigen Lebens durchrasen blitzschnell seine Gedanken. Doch dann wird sein Fall auf geheimnisvolle Weise abgebremst, und er kommt auf seine Füße zu stehen. Schnell schließt er seine Augen, geblendet von sehr hellem, leicht bläulichem Licht. Instinktiv fühlt er, dass er jetzt immer noch in Gefahr ist. Aber wie und wo, kann er nicht begreifen. Erschreckend für ihn ist auch das helle Licht, denn außer Holzfeuern hat er noch nie so helles Licht gesehen, wohl gehört, dass es früher mal elektrischen Strom gegeben habe, mit dem Lampen zum Leuchten gebracht worden sein sollen, elektrische Maschinen und andere erstaunliche Dinge angetrieben wurden. Als sich seine Augen langsam an die Helligkeit gewöhnt haben, stellt er fest, dass er sich in einem kreisrunden Raum befindet. Er schätzt ihn auf einen Durchmesser von ungefähr fünf Meter. Die runde Wand glänzt metallisch und ist um die drei Meter hoch. Das helle Licht kommt kreisförmig vom oberen Rand des Raumes. Innerhalb des Lichtkreises ist es dunkel. Und er ahnt, dass er aus diesem Dunkel heraus hier ankam.

    Drei Gestalten in etwa seiner Größe treten aus einer an der Wand befindlichen Tür und umstellen ihn. Sie jagen ihm großen Schrecken ein. Zuerst sehen sie ihn nur starr und schweigend an, denn sie sind über sein Aussehen verdutzt, zeigen das mit ihren Blicken. Sie selbst tragen einheitliche Uniformen. Die Jacken sind hoch geschlossen, am Hals ist ein niedriger Stehkragen. Die Hosenbeine reichen nur bis über die Knie und liegen eng an den Oberschenkeln. Die Unterschenkel sind mit grauen Strümpfen bedeckt und die Füße mit schwarzen Schuhen. Diese Schuhe bestehen aus einem künstlichen Material, das nur wie Leder aussieht. Die gesamte Bekleidung hebt die Eleganz menschlicher Körper hervor. Die Grundfarbe der Uniformen ist helles blau. Auf ihnen sind silbern schimmernde Taschen, an der linken Brustseite Namen und Dienstbezeichnungen goldfarbig aufgebracht. Das Material der Uniformen ist leicht glänzend, für den Ankömmling von einer noch nie gesehenen Art an Kleidung, doch auch sehr sauber, ordentlich und funktionell wirkend.

    „Sprichst du deutsch, Eindringling?" fragt einer der drei, auf dessen linker Brustseite Gerd Hartlein und Sicherheitsdienst stehen, mit lauter Stimme.

    „Ja, erwidert der Gefragte mit gesenktem Kopf und ängstlicher, zittriger Stimme, „wo bin ich hier? Werdet ihr mich töten?

    „Das geht dich jetzt nichts an! Leg sofort die Stange, welche du in der Hand hast, auf den Boden, sonst müssen wir Gewalt anwenden!" bekommt er als Antwort.

    Der nun unerwartet Gefangene hatte seine Eisenstange, die für ihn eine Waffe bedeutet, auch beim tiefen Fall nicht losgelassen. Jetzt legt er sie schnell nieder.

    „Woher kommst du?" hört er erneut von Gerd.

    „Meine Sippe lebt seit kurzer Zeit auf einem Lagerplatz unweit von hier, sagt er sehr leise, „wir sind eine zusammenlebende Gruppe von Menschen mit gleichen Interessen, Sorgen und Nöten. Ich war auf der Suche nach Essbarem, also nach Pflanzen oder Tieren, als ich fünf Fremden begegnete, die mich gefangennahmen und danach fesseln wollten. Da die Fremden sehr schmächtig und ausgehungert auf mich wirkten und ich ziemlich kräftig bin, konnte ich mich wieder losreißen, meine Waffe ergreifen und fliehen. Sie sprachen auch deutsch, so wie wir in unserer Sippe.

    „Was für eine Sippe, was meinst du damit und bedeutet das? fragt Gerd, „und wie viele gehören dazu? Erzähl uns alles darüber! Und wieso konntest du in unseren Sicherheitsbereich eindringen? Doch sag uns zuerst deinen Namen!

    Ein zweiter Mann des Sicherheitsdienstes unterbricht: „Gerd, der Magnetschirm war für wenige Minuten heruntergestuft, weil die Antigravitationswerfer noch einmal überprüft wurden."

    „Welche Schlamperei! So etwas darf nicht vorkommen, sagt Gerd, „es bringt unseren Abflug, wenn nicht gar unsere gesamte Zeitplanung in Gefahr.

    Der Gefangene zuckt zusammen … Abflug, denkt er. Welcher Abflug? Doch er antwortet: „Mein Name ist Michael Grether. Die Sippe, zu der ich gehöre, besteht zurzeit aus einundzwanzig Mitgliedern, zwei davon sind kleine Kinder. Ich habe keine Verwandten mehr, bin also allein unter den anderen. Wir waren früher eine größere Sippe, so um die hundert. Seit ich denken kann, sind wir ständig unterwegs, früher auch mit meinen Eltern. Wir bauen uns immer Erdhöhlen oder leben in natürlichen Höhlen, und oft können wir uns auch in Resten ehemaliger, verfallener Siedlungen einrichten. Von meinen Eltern weiß ich, dass wir ursprünglich aus einer Stadt mit dem Namen Kassel stammen. Vor einigen Jahren waren wir noch eine Art Bauern und bewirtschafteten hier und da einen kleinen Bereich. Aber die Erträge waren meistens gering, denn es wuchs nicht alles so wie früher, es fehlte stets an ausreichend Sonnenlicht und Wärme. Zunehmend sind wir deshalb wieder Jäger und Sammler geworden. Andererseits sind wir immer mehr auf der Flucht vor anderen Sippen, die uns berauben oder umbringen wollen. Wir begegnen immer häufiger anderen Menschen, deren fremde Sprache wir nicht verstehen, so ist das Auseinandersetzen mit ihnen fast unmöglich. Meine Verfolger scheinen Menschenfresser zu sein. Solchen sind wir schon öfter begegnet, und wir haben dadurch etliche Mitglieder verloren, auch im Kampf mit ihnen. Einige der Sippe haben in den letzten Jahren ihr Leben selbst beendet, sie kamen mit den jetzigen Lebensumständen nicht mehr klar."

    „Ja, du hast Recht. Wir haben alles beobachtet, es waren in der Tat Menschenfresser, die dich verfolgten. Wir beobachten ihr Treiben in unserer Nähe schon längere Zeit. Sie drangen schon öfter in unseren Sicherheitsbereich ein und wurden von uns abgeschreckt, bestätigt Gerd, „und es ist auch nicht die einzige Saubande mit solchen schmählichen Absichten. Hast du einen Beruf oder sonst etwas Nützliches gelernt?

    Der Gefangene wagt nicht danach zu fragen, was mit „beobachten gemeint ist, antwortet jetzt aber sehr ruhig: „Ich habe von meinem Vater das Schmiedehandwerk gelernt. Da wir aber viel herumzogen, selten ausgeübt. Als meine Eltern gestorben waren, hatte ich dafür noch seltener Gelegenheit, und schließlich wurde mir mein Werkzeug gestohlen. Mein Vater war ein Meister in diesem Beruf und hatte früher mal eine Werkstatt. Alles, was für einen Schmied noch möglich ist, besteht in der Bearbeitung von Alteisen, doch das ist fast nicht mehr zu finden. Und Metallherstellung in Fabriken, die es früher gegeben haben soll, wie mein Vater mir erzählte, gibt es nicht mehr. Es sind ja nun auch viel zu wenige Menschen da, für die es etwas zu tun gibt. Ich habe von meinem Vater auch das Feuermachen gelernt. Es ist nicht einfach und nur mit bestimmtem, sehr trockenem Holz möglich. In unserer Sippe mache ich immer Holzfeuer, damit wir uns daran wärmen oder Fleisch rösten können. Doch meistens essen wir rohes Zeug. Das Überleben wird immer schwieriger, an Sesshaftigkeit ist kaum mehr zu denken. Doch ich muss noch einmal fragen, wo ich hier bin. Denn nicht mehr in Freiheit … bei euch … wohl tief in der Erde zu sein, kommt mir unheimlich vor. Und warum habt ihr mich gefangen genommen? Was habe ich euch getan, und was habt ihr mit mir vor?

    „Auf alle Fragen darf ich im Augenblick keine Antwort geben, sagt Gerd, „vielleicht später! Im Grunde wollten wir dich nur retten, was uns drei hier vom Sicherheitsdienst Probleme mit unseren Vorgesetzten bringen kann.

    Gerd wendet sich an seinen Kameraden Herbert Schulten: „Es wird Zeit, dass der Gestank hier aufhört und die Lumpen beseitigt werden. Außerdem scheint er Läuse oder anderes Ungeziefer zu haben, er kratzt sich doch dauernd am ganzen Körper und vor allem auf dem Kopf. Ab mit dem Mann, weg mit den stinkenden Sachen, ihn waschen und einkleiden!"

    Herbert geht auf eine Wand des Raumes zu. Keine Tür ist zu sehen, nur schwache, andersfarbige Linien und Zeichen sind an der Wand. Er legt seine rechte Hand an eine bestimmte Stelle, und mit einem leisen Summton öffnet sich eine Tür.

    „Komm, sagt Herbert zum Gefangenen, „folge mir! Über einen sehr langen Flur erreichen beide eine Stelle, wo Herbert wieder auf die gleiche Weise eine Tür öffnet. Sie betreten einen Baderaum. Der Gefangene sieht sich erschreckt und verwundert um. Derweil öffnet Herbert an der Wand durch Berühren eine Klappe, auf welcher „Abfälle" steht.

    „Ganz ausziehen und alle Sachen in die Klappe fallen lassen!" hört der Gefangene und tut es nach einigem Zögern. Er steht nun nackt da, sein Körper ist sehr schmutzig, und an manchen Stellen sind leichte Verletzungen zu sehen.

    Herbert berührt jetzt mit einer Fingerspitze einen roten Punkt an der Wand, und daraufhin rauscht eine Dusche von einer bestimmten Stelle an der Decke los. So etwas hat der Gefangene noch nie gesehen. Von einem Bad oder einer Dusche weiß er nur aus Erzählungen seiner Eltern und Großeltern. Auf einen Wink von Herbert stellt er sich unter die Dusche und wundert sich über das wohlig warme Wasser, das auf ihn trifft. Solange er denken kann, hat er sich nur an Tümpeln, Bächen, Seen oder Flüssen kalt waschen können, und das auch nur ganz selten. Herbert berührt mit einer Fingerspitze eine gelbe Markierung an der Wand, welche die Form eines Mundes hat, und aktiviert damit einen Fernsprecher, den es in allen Räumen gibt. Daraufhin leuchten Schaltflächen innerhalb des Mundzeichens mit den Zahlen 0 bis 9 auf. Herbert tippt eine dreistellige Zahl ein.

    Eine Frauenstimme ist zu hören: „Hier Abteilung Allgemeiner Dienst. Was ist zu tun?"

    „Hier Gerd Hartlein … Sicherheitsdienst … bitte einen Dienstmann mit Waschzeug in Bad sieben schicken."

    Der Gefangene schüttelt mit dem Kopf und wundert sich, dass Herbert mit der Wand spricht. Wenig später erscheint ein Uniformierter mit Badezubehör. Dieser zeigt dem Gefangenen den Umgang mit Seife und schrubbt seinen Rücken mit einer weichen Bürste ab. Der Gefangene fühlt sich sehr wohl und hilft bei seiner Reinigung emsig mit. Nachdem er sich abgetrocknet hat, werden seine Verletzungen untersucht und versorgt. Der Dienstmann bestäubt anschließend alle behaarten Stellen des Gefangenen mit einem puderartigen Mittel gegen Ungeziefer. Danach schneidet er dem Gefangenen das Kopfhaar auf wenige Millimeter Länge und entfernt den ganzen Bart. In einem Nebenraum erhält der Gefangene passende Sachen: eine Uniform, Unterwäsche, Strümpfe und ein Paar Schuhe. Beim Ankleiden wird ihm alles freundlichst erklärt und geholfen. An seiner linken Brustseite wird ein provisorisches Schild angeheftet, darauf schreibt Herbert den Namen und darunter ein großes, rotes „G, was für „Gefangener steht. Der Dienstmann geht wieder, und Herbert bringt den Gefangenen über den Flur zu einem anderen Raum, in dem sich ein Tisch mit vier Stühlen befindet. Auch diese Möbel erwecken den Anschein, als wären sie aus glänzendem Metall. Die Sitze der Stühle sind mit samtartigem Stoff bezogen. Als der Gefangene diese Dinge sieht, befühlt er sie mit seinen Händen, lächelt, berührt und betrachtet sie immer wieder. Es erscheint ihm alles wie ein Wunder, diese Genauigkeit und Schönheit der Gegenstände. Und auch hier strahlt wie in allen Räumen, die der Gefangene bisher sah, das leicht bläuliche Licht von der gesamten Decke herab.

    Herbert veranlasst noch, dass ein anderer Dienstmann dem Gefangenen zu trinken und zu essen bringt. Er fordert ihn auf, sich satt zu essen. Schließlich eröffnet er ihm, dass er in Kürze durch den Leiter des Sicherheitsdienstes verhört würde. Auf seine ängstlichen Fragen antwortet er nicht. Dann zeigt er ihm in einer Ecke des Raumes ein Zeichen an der Wand, das er mit einem Finger berühren soll, wenn er seine Notdurft verrichten müsste. Er erklärt ihm die Funktion der Einrichtung und sagt, dass er auf diese Weise selbst den kleinen Raum öffnen und benutzen soll. Danach verlässt Herbert den Raum.

    Nun, da der Gefangene allein ist, kommt ihm erst richtig und mit aller Wucht zu Bewusstsein, dass er nun eingesperrt ist, auf alles Kommende geduldig warten und hoffen muss. Und aufgrund seines rätselhaften Eintritts in diesen geheimnisvollen, ihm immer unheimlicher werdenden unterirdischen Bereich, ist ihm ganz klar - eine Flucht von hier ist aussichtslos.

    2

    Der Gefangene bekommt nach langem Warten Besuch von zwei Männern mit zusätzlichen Abzeichen auf den Uniformen. Jeder trägt einen zehnzackigen, silbernen Stern vor der Dienstbezeichnung. Zuerst stellen sie sich mit ihren Namen und ihrem Rang vor.

    Der eine sagt: „Günter Achtsamer … Leiter des Sicherheitsdienstes, und der andere, „Wilhelm Vieting … Leiter der Technik.

    Günter beginnt: „Wir sind hier, um dich zu verhören, der Gefangene runzelt die Stirn und wagt die beiden nicht anzusehen, „du brauchst dich nicht daran stoßen, dass wir dich duzen. In unserer Gemeinschaft ist es ganz in Ordnung so und gleichzeitig ein Beweis von gegenseitigem Vertrauen. Jeder bei uns ist wichtig! Standesdünkel, wie er früher unter den Menschen üblich war und zum Teil wohl noch ist, gibt es bei uns nicht. Du sollst auch uns mit unseren Vornamen ansprechen. Wir sind nicht deine Feinde! Unser jetziges Verhalten zu dir ist nur zu unserer Sicherheit vonnöten. Du bist nun einmal hier, und wir glauben, dass es zu deinem und unserem Nutzen ist. Wenn du auf unsere Vorschläge, welche wir dir gleich machen werden, eingehst, wirst du Verständnis dafür haben. Also … Michael, und als dieser erleichtert aufatmet und verhalten grinst, „erzähle uns bitte zuerst einmal ausführlich über das Leben da draußen. Wir wissen viel darüber, doch nicht genug. Wir glauben, du hast berechtigte Fragen über uns und den Ort, wo du jetzt bist. Doch habe Vertrauen und Geduld! Du bekommst alles erklärt. Was du Gerd Hartlein berichtet hast, brauchst du nicht zu wiederholen."

    Michael zögert eine Weile und sagt dann: „Danke, mir fällt ein Stein vom Herzen. Und nun zu eurer Frage über die Zustände draußen, wie ihr es nennt. Als mir eben das Wort ‚draußen’ über die Lippen ging, hatte ich ein seltsames Gefühl, so wie ich es noch nie empfand. Ich kann nicht erklären warum, aber ich vertraue euch. Ergänzend zu dem bereits berichteten, kann ich sagen: In den herumirrenden Sippen herrscht große Furcht, besonders vor großen, gewaltigen Wirbelstürmen, lang anhaltenden Regenfällen, riesigen Überschwemmungen, ständigem Hunger, Krankheiten und anderem mehr. Wer sehr leidend wird, ist meistens verloren. Heiler, die früher einmal Ärzte genannt wurden, gibt es kaum, und bis auf das Wissen über heilende Pflanzen, haben auch sie wenige Möglichkeiten zu helfen. In unserer Sippe ist so ein Heiler. Ich war als Kind einmal sehr krank, hatte sehr hohes Fieber, konnte fast nicht mehr atmen, und unser Heiler rettete mich mit einem ekelhaft schmeckenden Brei aus Kräutern, den ich mehrere Male wieder erbrach. Je jünger die Menschen jetzt sind, desto weniger Wissen haben sie, selbst nicht über alltägliche Dinge, denn es gibt ja keine Schulen mehr. Gerade die Jüngeren glauben wieder vermehrt an Hexen, böse Geister und anderen solchen Unsinn. Ihre Eltern haben wegen den harten Lebensbedingungen weniger bis gar keine Zeit, ihr noch vorhandenes Wissen an ihre Kinder weiterzugeben. Als satt kann sich kein Mensch mehr bezeichnen … das ist wohl nun für immer vorbei. Die Menschen werden nicht mehr so alt wie früher

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1