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Fürchte das Böse: Thriller
Fürchte das Böse: Thriller
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eBook406 Seiten4 Stunden

Fürchte das Böse: Thriller

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Über dieses E-Book

Aus der Dunkelheit erhebt sich ein Mörder

Holly Wakefield war gerade neun Jahre alt, als ihre Eltern von dem berüchtigten Serienkiller The Animal ermordet wurden. Aus diesem Grund hat sie sich für eine Karriere als Kriminalpsychologin entschieden und macht Jagd auf die gefährlichsten Psychopathen. Ihre Welt wird auf den Kopf gestellt, als sie an grausamen Tatorten Botschaften von der Person entdeckt, die sie am meisten fürchtet. Die Welt glaubt, The Animal sei tot, doch Holly ist sich sicher: er lebt – und er will, dass sie es weiß. DI Bishop ist der einzige, der Hollys Instinkt mehr vertraut als der Vernunft. Als weitere Morde das Land erschüttern, beginnen die beiden zu ermitteln. Doch der Killer hat ein noch perfideres Spiel für Holly auf Lager, als sie je für möglich gehalten hätte. Und dieses Mal wird er es zu Ende bringen …

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum27. Juni 2023
ISBN9783749905393
Fürchte das Böse: Thriller
Autor

Mark Griffin

Mark Griffin wurde 1968 in Hampshire geboren und begann seine Autorenkarriere mit drei Goldmedaillen beim Hampshire Writing Festival, bevor er 1996 nach Los Angeles zog. Dort arbeitete er als Film- und Theaterschauspieler sowie Drehbuchautor für Warner Brothers, 20th Fox und Universal. Fünfzehn Jahre später kehrte er nach England zurück und schrieb weiterhin Drehbücher und Theaterstücke. »Dark Call. Du wirst mich nicht finden« ist sein furioses Thrillerdebüt.

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    Buchvorschau

    Fürchte das Böse - Mark Griffin

    Zum Buch:

    »Die Definition von böse ist ›zutiefst unmoralisch und niederträchtig‹ oder auch ›das Gegenteil beziehungsweise die Abwesenheit des Guten‹. Letzteres ist vielleicht eine etwas mittelalterliche Interpretation, denn wenn wir an das Böse denken, schwebt uns dabei normalerweise kein abstrakter moralischer Wert vor, richtig? Wir denken eher an Individuen, an einzelne Subjekte. Wir möchten dem Bösen Substanz geben – etwas, das wir sehen, fühlen oder anfassen können. Dunkle Geister und Hexen in der Nacht. Der Buhmann. Das Monster unter dem Bett, das nur darauf wartet, dass das Licht ausgeht, damit es hervorkriechen und uns zu Tode erschrecken kann.« Eine kurze Pause, während sie zur Mitte des Podiums ging. »Das ist das stilisierte Böse aus Comics, Filmen und unserer Vorstellungskraft. Aber welche Gestalt hat das reale Böse im einundzwanzigsten Jahrhundert?«

    Zum Autor:

    Mark Griffin wurde 1968 in Hampshire geboren und begann seine Autorenkarriere mit drei Goldmedaillen beim Hampshire Writing Festival, bevor er 1996 nach Los Angeles zog. Dort arbeitete er als Film- und Theaterschauspieler sowie Drehbuchautor für Warner Brothers, 20th Fox und Universal. Fünfzehn Jahre später kehrte er nach England zurück. »Silent Death. Du entkommst mir nicht« ist der dritte Teil der Serie um die forensische Psychiaterin Holly Wakefield.

    Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel

    When Evil Wakes bei Piatkus, London

    © by Mark Griffin

    Deutsche Erstausgabe

    © 2023 für die deutschsprachige Ausgabe

    by HarperCollins in der

    Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

    Covergestaltung von Hafen Werbeagentur gsk GmbH, Hamburg

    Coverabbildung von Gregory Adams / GettyImages

    E-Book-Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN E-Book 9783749905393

    www.harpercollins.de

    Widmung

    In Erinnerung an meinen Vater,

    ich weiß, dass er tief im Herzen

    sehr stolz auf mich war.

    Und für meine Mutter,

    die darauf bestanden hat, dass ich immer

    ein Buch dabeihabe, damit ich nie allein bin.

    Danke für alles, Mum.

    Dir gelingt es immer zu lächeln,

    und wenn du lächelst, lächeln wir alle.

    Eins

    Es war August und schien zu früh für Regen, und doch trommelte er auf Constable Samuel Jeffersons Autodach und spritzte kofferraumhoch von der Straße empor.

    Der Motor lief, und Jefferson hatte die Scheibenwischer eingeschaltet, um das Haus besser sehen zu können. Im Wohnzimmer brannte Licht, die Vorhänge waren zugezogen. In den übrigen Häusern regte sich nichts, nur hin und wieder flatterte eine Taube von Baum zu Baum.

    Weil es nicht danach aussah, als würde der Regen beizeiten nachlassen, zog er sich seinen Anorak über, stieg aus und lief los, den Gartenpfad entlang, vorbei an dem hölzernen Zu verkaufen-Schild, das im Rasen steckte. Er versuchte, das Notizbuch unter seinem Arm so gut wie möglich zu schützen, doch als er die Haustür erreichte, war er tropfnass. Jefferson war circa sechzig Jahre alt, sein Gesicht kantig und sein Körperbau sehnig. Auf seinen Handrücken zeichneten sich deutlich sichtbar die Venen ab, und jedes Mal, wenn er schluckte, sah man die Bewegung seiner Kiefermuskeln. Er hatte kurzes silbergraues Haar, das im Licht der Veranda schimmerte.

    Er klopfte und drückte auf die Klingel, ehe er seine Uniform zurechtzog und das Notizbuch an seiner Hose abwischte. Er hörte Schritte auf Holzdielen und gleich darauf eine Stimme.

    »Einen Moment.«

    Eine Kette rasselte, dann wurde die Haustür geöffnet.

    Der Mann, der ihm gegenüberstand, war dreiundfünfzig Jahre alt, eins neunundsiebzig groß mit seitlich gescheitelten Haaren und einer runden Brille. Er trug einen engen weißen Wollpullover, unter dem sich seine schlanken Arme und der flache Bauch abzeichneten.

    »John Newsome?«, fragte PC Jefferson.

    »Ja. Wie kann ich Ihnen helfen?«

    »Eigentlich wollte ich mit Ihrer Frau sprechen, Sir. Mrs. Sandra Newsome. Ich komme von der Metropolitan Police.« Er hielt seinen Dienstausweis in die Höhe.

    Der Mann nickte. Auf einmal wirkte er verunsichert und zog sich ein Stück aus dem Türrahmen zurück, ehe er wieder vortrat.

    »Darf ich fragen, worum es geht?«

    »Ich müsste wirklich mit Mrs. Newsome sprechen. Aber Sie dürfen gerne während des Gesprächs anwesend sein.«

    »Aha. Na, dann kommen Sie herein.«

    Er betrat das Haus und schloss die Tür.

    »Kann ich Ihnen die Jacke abnehmen?«

    »Danke.« PC Jefferson schälte sich aus seinem Anorak, den Mr. Newsome auf den Garderobenständer hängte. Auf der linken Seite des Flurs führte eine Treppe in den ersten Stock, die Küche lag geradeaus, und die verglaste Doppeltür zu ihrer Rechten gab den Blick ins Wohnzimmer frei, in das John ihn nun führte.

    »Liebling?«, sagte er.

    Bei ihrem Eintreten erhob Sandra Newsome sich vom Sofa. Sie trug eine weiße Bluse zu einem blauen Rock und darüber eine blaue Strickjacke. Mit blassen Händen strich sie sich das Haar aus dem Gesicht.

    »Hallo«, sagte sie leise.

    »Liebling, der Herr von der Polizei – entschuldigen Sie, wie war noch gleich Ihr Name?«

    »Jefferson. Constable Jefferson.«

    »Richtig. Constable Jefferson muss mit dir über etwas sprechen.«

    »Genau. Es tut mir leid, dass ich Sie an einem Sonntagabend störe. Es dauert auch nicht lange.« Er warf einen Blick in seine Notizen. »Mrs. Newsome, Sie arbeiten für die Immobilienfirma Domum and Casa als Maklerin?«

    »Ja. Sind Sie an einem Objekt interessiert?«

    »Nein, das nicht.« Er erwiderte ihr Lächeln. »Ich weiß nicht recht, wie ich es sagen soll, also komme ich am besten gleich zum Punkt. Bedauerlicherweise muss ich Ihnen mitteilen, dass in einem der Häuser Ihres Portfolios eine Leiche gefunden wurde.«

    Sie blinzelte und schaute erst zu ihrem Ehemann, dann zum Constable.

    »Eine Leiche?«, flüsterte sie.

    »Ich fürchte, ja.«

    »Im Sinne von – Sie meinen keine tote Katze oder einen toten Hund, nicht wahr? Sie reden von einer …«

    »Ja. Einer menschlichen Leiche.«

    »O mein Gott«, rief sie schrill und fasste sich unwillkürlich an den Hals, wo sie nervös an ihrer orangeroten Korallenkette nestelte. »Das kann ich gar nicht glauben. Völlig unmöglich. Um welches Objekt handelt es sich denn?«

    »Es liegt hier in der Gegend, die genaue Adresse darf ich Ihnen leider nicht …«

    »Ist es das in der Thurston Avenue? Am Bennington Place?«

    »Es handelt sich um eine laufende Ermittlung, deshalb bin ich nicht befugt, Ihnen zu …«

    »War es Selbstmord?«

    »Ich fürchte, es deutet alles darauf hin, dass das Opfer durch Fremdeinwirkung zu Tode gekommen ist.«

    Betretenes Schweigen.

    »Verdammt«, sagte John schließlich. »Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet.«

    »Es war eins Ihrer leer stehenden Objekte, deshalb ist es höchstwahrscheinlich kein Klient oder sonst jemand, den Sie kennen. Ich kann Ihnen immerhin so viel sagen, dass die Leiche vor drei Stunden entdeckt wurde, nachdem ein Nachbar die Polizei verständigt hatte, weil die Haustür nicht verschlossen war.«

    »Die Haustür? O Gott. Ich meine … ich habe Schlüssel für alle meine Häuser.«

    »Das ist es ja gerade. Es gab keine Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen, wir gehen also davon aus, dass auch der Täter einen Schlüssel gehabt haben muss.«

    »Das kann gar nicht sein – die Schlüssel zu den Objekten werden immer in einem Schließfach auf dem jeweiligen Grundstück aufbewahrt.«

    »Vielleicht kannte der Täter die Kombination?«

    »Ich wüsste nicht, woher. Ich suche die Codes persönlich aus.«

    »Und es kommt nie vor, dass Sie jemand anderem einen Schlüssel geben oder Nachschlüssel anfertigen lassen?«

    »Nein, nie.« Bei dem bloßen Gedanken blähten sich Mrs. Newsomes Nasenflügel, und sie strich sich den Rock glatt.

    »Vielleicht setzt du dich besser wieder hin, Liebling?«, sagte John. »Ich koche uns Kaffee. Möchten Sie auch gerne einen, Constable Jefferson?«

    »Das wäre sehr freundlich, danke. Nur Milch, kein Zucker.«

    John nickte eifrig und verschwand in Richtung Küche.

    Constable Jefferson ließ sich auf der äußersten Kante eines Sessels nieder. Er blätterte eine Seite in seinem Notizbuch um und betrachtete Mrs. Newsome. Diese hatte die Lippen so fest aufeinandergepresst, dass sie fast weiß waren. Dann sagte sie unvermittelt:

    »Moment mal – haben Sie mit Jason gesprochen?«

    »Jason?«

    »Jason Oppenheim, er ist der Inhaber von Domum and Casa. Ich sollte ihn anrufen.«

    »Ja, das haben wir bereits getan. So sind wir an Ihre Adresse gekommen.«

    »Natürlich. Entschuldigen Sie, ich habe nicht nachgedacht. Wie ist – ich meine – ein Mord in unserer Nachbarschaft. Und Sie können mir wirklich nicht sagen, welches Haus es ist?«

    »Das wird bestimmt alles morgen in der Zeitung stehen«, sagte Constable Jefferson. Eine kurze nachdenkliche Pause folgte. »Sind Sie morgen Vormittag hier?«

    »Ja.«

    »Vielleicht könnte ich oder einer meiner Kollegen bei Ihnen vorbeikommen und mit Ihnen zum Haus fahren, damit Sie in Anwesenheit des Ermittlungsleiters eine Aussage zu Protokoll geben.«

    »Ermittlungsleiter?«

    »Genau. In diesem Fall wäre das DI William Bishop von der Abteilung für Kapitalverbrechen bei der Metropolitan Police. Er ist sehr kompetent.« Wieder ein kurzer Blick in die Aufzeichnungen. »Möglicherweise bringt er auch eine junge Frau mit. Holly Wakefield, eine forensische Psychologin.«

    »Eine was?«

    »Sie hilft bei der Fahndung nach Mördern, die …« Er zögerte. »… besonders gewalttätig sind.«

    »O mein Gott, ist es so schlimm?«

    »Wie gesagt, das kann ich wirklich nicht …«

    »Ich muss professionelle Reinigungskräfte bestellen. Ich habe zweiundzwanzig Objekte in meinem Portfolio, aber Bedford Terrace kann es nicht sein, da war ich erst vor einer Stunde.«

    »Nein, Bedford Terrace ist es nicht«, bestätigte Constable Jefferson.

    Sie sah ihn mit verschwörerischer Miene an.

    »Ist es Mellington Mews?«

    »Ich kann und darf nicht …« Er holte tief Luft und kniff die Augen zusammen. Als er sie wieder öffnete, sagte er:

    »Ich könnte dafür wirklich Ärger bekommen.«

    »Ich werde es keiner Menschenseele erzählen, versprochen.«

    »Eins Ihrer Häuser ist Bishops Drive 107, ist das korrekt?«

    »Ja, aber das ist …« Sie stutzte. »Das ist doch hier. Ich wohne im Bishops Drive 107.«

    Constable Jefferson konsultierte abermals seine Notizen.

    »Hier steht: Leichenfund Bishops Drive 107

    Urplötzlich, so als hätte man den Korken aus einer Sektflasche gezogen, lachte Mrs. Newsome auf.

    »Na bitte, das kann dann ja nur ein Fehler sein!«, rief sie. »Ganz eindeutig!« Mit der Andeutung eines Schmunzelns setzte sie hinzu: »Am Bishops Crescent gibt es ein Haus, das zum Verkauf steht. Meinen Sie vielleicht das?«

    »Bishops Crescent?«

    »Ja, es liegt zwei Straßen weiter. So muss es sein. Aber das ist gar keins von meinen Objekten. John! John, komm schnell!« Sie konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen.

    »Was ist denn?«, fragte John, als er mit drei Tassen Kaffee und einem Teller Schokoladenkekse auf einem Tablett hereinkam.

    »Sie haben die falsche Adresse. Es geht um das Haus am Bishops Crescent, nicht um dieses hier!«

    »Nicht um dieses hier? Warum dieses hier?«

    »Das ist mir wirklich sehr unangenehm«, sagte Constable Jefferson und stand auf. »Bishops Drive ist Ihre Privatadresse – ich muss es mir auf dem Revier falsch aufgeschrieben haben. Wie dumm von mir. Ich muss die Zentrale anfunken und Bescheid geben, dass ich etwas durcheinandergebracht habe, dann schicken sie einen anderen Kollegen zum richtigen Haus. Es tut mir sehr leid, dass ich Sie damit belästigt habe. Ich hole meine Jacke.« Er machte Anstalten zu gehen.

    »Nein, nein«, sagte Sandra. »Jetzt sind Sie schon mal hier, trinken Sie wenigstens noch Ihren Kaffee.«

    »Ja, unbedingt. Außerdem regnet es noch«, fügte ihr Mann hinzu, ehe sein Blick zum Couchtisch wanderte, auf dem ein Stapel Magazine neben einer Vase mit Rosen lag. Offenbar überlegte er, ob er das Tablett abstellen konnte oder vorher einen Platz freiräumen musste.

    »Das ist sehr freundlich. Warten Sie, ich helfe Ihnen.« Constable Jefferson griff nach dem Tablett, bekam es jedoch nicht richtig zu fassen, sodass die Tassen umfielen und Kaffee durch die Gegend spritzte.

    »Verflucht noch eins!«, entfuhr es John.

    Sandra war aufgesprungen und räumte hastig die Zeitschriften weg.

    »Hol Küchenpapier«, wies ihr Ehemann sie an.

    Der Constable sah Mrs. Newsome nach, als diese in die Küche eilte.

    »Es tut mir so leid.«

    »Schon gut.« John ließ sich auf die Knie nieder und versuchte, die Kaffeepfütze mit den Ärmeln seines weißen Pullovers an der Ausbreitung zu hindern.

    »Er ist überall …«

    »Kann ich Ihnen irgendwie helfen? Soll ich …«

    »Nein, bemühen Sie sich nicht. Lassen Sie mich einfach machen.«

    Constable Jefferson nickte und ging neben John auf die Knie.

    »Ich verspreche, ich werde Ihre Tochter oben nicht anrühren«, wisperte er kaum hörbar.

    Mit weit aufgerissenen Augen fuhr John zu ihm herum. »Was haben Sie gesagt?«

    Unter dem Hemd trug Constable Jefferson am rechten Unterarm eine Metallmanschette, aus der auf eine Bewegung seines Handgelenks hin ein langes, dünnes Messer hervorschnellte, mit dem er John in den Hals stach wie ein Matador dem Stier. Danach zog sich die federgelagerte Klinge mit einem metallischen Klicken wieder zurück, und der Constable legte den toten Mr. Newsome sanft am Boden ab, gerade als Mrs. Newsome mit einer Rolle Küchenpapier zurückkam.

    »Das ist wirklich ein merkwürdiger Abend …«

    »John hatte einen Unfall«, sagte der Constable.

    »Was ist denn passiert?«

    »Er ist einfach zusammengebrochen.«

    Sie starrte auf das Blut, das aus dem Hals ihres Mannes rann, konnte sich jedoch keinen Reim darauf machen. Im nächsten Moment hatte Jefferson sie am Hals gepackt und herumgedreht. Ein weiteres Mal schoss das Messer unter seinem Ärmel hervor, und er rammte es Mrs. Newsome mit brutaler Kraft in den Rücken. Die dünne Klinge verfehlte Mrs. Newsomes Wirbelsäule, durchbohrte ihr Herz, ging zwischen den Rippen hindurch und riss beim Austreten ein Loch in ihre Bluse.

    Constable Jefferson ließ sie zu Boden fallen. Sein Blick ruhte noch einen Moment lang auf seinem Werk, dann ließ er die Messerklinge zurückschnappen und streifte sich sehr bedächtig ein Paar transparente Latexhandschuhe über.

    Sein harter Mund verzog sich zu einem Lächeln, ehe er einen Finger in die Mischung aus Kaffee und Blut tauchte und damit eine Botschaft an die Wand schrieb.

    Zwei

    »Was ist das Böse?«

    Holly Wakefield saß auf der Kante des Pults vorne im großen Hörsaal des Londoner King’s College. Mehr als fünfzig Studentinnen und Studenten blickten ihr aus den ansteigenden Sitzreihen entgegen. Ein Student hob die Hand.

    »Ja, Ben?«

    »Etwas, das in uns allen angelegt ist?«

    »In uns allen? Wirklich?«

    Gelächter schwappte durchs Auditorium.

    »Vielleicht nicht in uns allen«, meinte sie schmunzelnd, »aber definitiv in manchen. Sie haben das Wort ›angelegt‹ verwendet. Das würde ja darauf hindeuten, dass das Böse als dauerhafter Bestandteil der menschlichen Persönlichkeit existiert – was ein durchaus interessanter Gedanke ist. Oder kann das Böse erschaffen, kann es geformt werden?«

    Sie drehte sich um und notierte Stichpunkte am Whiteboard, während sie weitersprach.

    »Die Definition von böse ist ›zutiefst unmoralisch und niederträchtig‹ oder auch ›das Gegenteil beziehungsweise die Abwesenheit des Guten‹. Letzteres ist vielleicht eine etwas mittelalterliche Interpretation, denn wenn wir an das Böse denken, schwebt uns dabei normalerweise kein abstrakter moralischer Wert vor, richtig? Wir denken eher an Individuen, an einzelne Subjekte. Wir möchten dem Bösen Substanz geben – etwas, das wir sehen, fühlen oder anfassen können. Dunkle Geister und Hexen in der Nacht. Der Buhmann. Das Monster unter dem Bett, das nur darauf wartet, dass das Licht ausgeht, damit es hervorkriechen und uns zu Tode erschrecken kann.« Eine kurze Pause, während sie zur Mitte des Podiums ging. »Das ist das stilisierte Böse aus Comics, Filmen und unserer Vorstellungskraft. Aber welche Gestalt hat das reale Böse im einundzwanzigsten Jahrhundert?«

    »Multinationale Unternehmen, die uns verarschen und unsere Pensionen veruntreuen.«

    »Danke, Matthew, ja. Das führt mich zu einem weiteren interessanten Punkt. Wie viele Ihrer Eltern sind in Unternehmen im Management tätig?«

    Etwas mehr als zehn Hände gingen in die Luft.

    »Bei schätzungsweise einem von fünf CEOs lässt sich eine Psychopathie diagnostizieren. Das sind zwanzig Prozent aller CEOs auf der Welt – derselbe Anteil wie der von Psychopathen unter den Insassen von Justizvollzugsanstalten. Rein statistisch gesprochen, haben also zwei von Ihnen einen psychopathischen Elternteil – ich werde nicht fragen, wer, und ich rate Ihnen, das Thema heute beim Abendessen lieber nicht anzuschneiden. Lassen Sie mich auch Folgendes klarstellen: Nicht alle Psychopathen morden, genau wie nicht alle Soziopathen morden. Aber immerhin zwanzig Prozent der Menschen, die in diesem Land die Fäden in der Hand halten, weisen die klassischen Symptome einer derartigen Störung auf. Dazu zählen beispielsweise … Sie müssen sich nicht melden, rufen Sie Ihre Antworten einfach rein«, sagte Holly, während sie die Kappe von einem Marker zog.

    »Empathielosigkeit«, sagte Ben.

    »Ja, die Unfähigkeit, sich in seine Mitmenschen einzufühlen.« Sie schrieb den Stichpunkt ans Whiteboard.

    »Krankhaftes Lügen«, rief jemand aus der ersten Reihe.

    »Richtig«, sagte sie und notierte auch dies.

    »Falschheit.«

    »Ja.«

    »Sie sind eingebildet … arrogant.«

    »Richtig – wir bezeichnen das gerne als erheblich übersteigertes Selbstwertgefühl.«

    »Manipulativ.«

    »Sie drehen ja heute richtig auf.«

    »Keine richtigen Emotionen.«

    »Ja – nur oberflächlich ausgeprägte Gefühle, falls überhaupt.«

    Ihr Stift schwebte über dem Whiteboard, während sie auf das nächste Stichwort wartete.

    »Nur zu«, sagte sie.

    »Ein Mangel an Schuldbewusstsein.«

    Die Stimme ließ sie aufhorchen. Sie klang rau, nach Sandpapier, Zigaretten und Whisky. Mit einem neugierigen Lächeln drehte sie sich um.

    Detective Inspector Bishop.

    Sie waren zum Mittagessen verabredet, aber er war eine ganze Stunde zu früh dran. Er ging im Mittelgang des Auditoriums ein paar Stufen hinunter und schlüpfte in die letzte Sitzreihe, ehe er ihr mit einer Handbewegung bedeutete, fortzufahren.

    »Richtig«, sagte sie. »Ein Mangel an Schuldbewusstsein. Vielen Dank, Detective Inspector Bishop.«

    Einige der Studierenden wandten kurz den Kopf, um den Neuankömmling zu beäugen, während sie seine Antwort zu den Stichpunkten am Whiteboard hinzufügte und sich dann wieder an die Vorlesungsteilnehmer richtete.

    »Ob sie nun andere Menschen um ihre Rente betrügen oder jemandem zwanzigmal ein Messer in die Brust rammen, die Faustregel des Psychopathen lautet: Es juckt mich nicht.« Sie steckte die Kappe auf den Stift. »Wie ich sagte, nur sehr wenige CEOs bringen tatsächlich jemanden um, konzentrieren wir uns also auf diejenigen, die es tun, und kommen wir noch mal auf meine Eingangsfrage zurück: Was ist das Böse? Oder vielmehr: Wie sieht das Böse aus – das Böse in der Seele eines Menschen? Woran erkennt man einen Psychopathen?« Sie deutete auf eine junge Frau mit dunklen Haaren in der dritten Reihe. »Clara, wenn Sie einen Massenmörder sehen würden, der die Straße entlangläuft, würden Sie ihn auf den ersten Blick erkennen?«

    »Wahrscheinlich nicht.«

    »Simon – was ist mit einem Serienvergewaltiger in einer Bar?«

    »Nein.«

    »Erica – ein Mehrfachmörder, der Ihnen anbietet, Ihre Einkaufstüten zu tragen, wenn Sie zu Hause aus dem Fahrstuhl kommen?«

    »Ich hoffe natürlich, dass ich was merken würde, aber …«

    »… vermutlich eher nicht«, beendete Holly ihren Satz. »Die simple Antwort auf die Frage ›Wie erkenne ich einen Psychopathen?‹ lautet: gar nicht. Weil Psychopathen ab einem gewissen Ausprägungsgrad extrem gut darin sind, sich an ihre Umgebung anzupassen und in der Menge unterzutauchen. Wir dürfen niemals vergessen, dass das Böse intelligent ist. Es ist schlau und oft unsichtbar. Wir erkennen es erst, wenn es zu spät ist.«

    Es läutete zum Ende der Vorlesung, und die Studierenden erhoben sich von ihren Plätzen.

    »Christliche Theologen sind der Ansicht, dass das natürliche Böse eine Folge der Erbsünde ist«, rief Holly ihnen nach. »Ich möchte zweitausend Wörter zu dem Thema bis nächsten Montag!«

    Die Schritte verklangen, und sie suchte Bishops Blick, als dieser Kurs auf sie nahm. Er war groß, sein Haar dunkel, durchzogen von Grau. Heute trug er einen anthrazitfarbenen Anzug mit weißem Hemd und schwarzer Krawatte. Er sah gut aus.

    »Schön, dich mal in deiner natürlichen Umgebung zu erleben«, sagte er mit einem Lächeln. »Das sind also alles zukünftige Psychologen?«

    »Einige werden Psychologen, andere Anwälte«, entgegnete sie, während sie ihre Bücher verstaute. »Hatten wir uns nicht für ein Uhr verabredet?«

    »Das stimmt, ich entschuldige mich.«

    »Ich habe noch eine Lehrveranstaltung. Magst du mitkommen und zuhören?«

    »Kannst du sie ausfallen lassen?«

    Sie erstarrte. In seinen dunkelblauen Augen lag etwas Dringliches.

    »Im Ernst?«, fragte sie.

    Er nickte.

    »Du musst sie absagen, Holly.«

    Drei

    Sie ließen das Zentrum von London hinter sich und fuhren auf der Fernstraße in Richtung Osten.

    Eine halbe Stunde später erreichten sie Hertfordshire, eine ländliche Gegend voller Getreidefelder und Hecken. Die Luft war schwül und stickig, die Nachmittagssonne verbarg sich hinter einer dichten grauen Wolkendecke.

    »Es ist ein Doppelmord, ein Mann und eine Frau«, sagte Bishop. »Die Opfer heißen John und Sandra Newsome. Er war Informatiker, handelte mit Kryptowährung, sie Immobilienmaklerin. Beide wurden jeweils mit einem einzigen Messerstich getötet, er in den Hals, sie von hinten zwischen die Rippen ins Herz.«

    »Wer ist der zuständige Gerichtsmediziner?«

    »Angela Swan.«

    Holly nickte. Sie hatte bereits bei ihren letzten drei Fällen mit Angela zusammengearbeitet.

    »Sie macht heute Abend noch die Autopsie«, fuhr Bishop fort. »Dann haben wir morgen früh den Befund. Ihrer Ansicht nach hat der Mörder eine relativ dünne Klinge benutzt. Ein Stilett oder Ähnliches.«

    »Ungewöhnlich. Aber ein Stilett ist leicht zu verbergen und sehr effizient. Wo wurden sie getötet?«

    »Im Wohnzimmer im Erdgeschoss ihres Hauses. Keine Einbruchsspuren – offenbar haben sie den Mörder ins Haus gelassen.«

    Holly nickte, als hätte sie nichts anderes erwartet.

    »Zeugen?«

    »Keine. Es ist eine ruhige Straße in einer gut situierten Wohngegend, und gestern Abend hat es heftig geregnet, deshalb gab es niemanden, der zur fraglichen Zeit mit dem Hund draußen war oder ein Auto gehört hat, und die nächste Überwachungskamera ist drei Meilen weit weg.«

    »Hast du den Tatort gesehen?«

    »Ich war vor zwei Stunden dort und habe schon einen vorläufigen Bericht geschrieben.« Er hielt inne. »Danach bin ich direkt zu dir gefahren.«

    Holly sah ihn einen Moment lang schweigend an. »Wieso?«

    Er sagte nichts, sondern blinzelte lediglich mehrmals hintereinander.

    »Bishop?«

    »Dieser Tatort ist anders als die der letzten Monate. Er ist …«

    »Was?«

    »Ehrlich gesagt weiß ich das selbst nicht so genau. Und ich weiß auch nicht, was das Ganze zu bedeuten hat.«

    Holly überlegte einige Minuten, dann fiel bei ihr der Groschen.

    »O mein Gott. Du denkst, er war es, stimmt’s?«, fragte sie. »Die Bestie.«

    Er hielt den Blick auf die Straße gerichtet.

    »Meine Güte, Bishop – die Bestie? Sebastian Carstairs? Der Mann, der meine Eltern ermordet hat, als ich neun war?«

    »Und noch sechzehn weitere Menschen«, sagte er tonlos. »Der Mann, der eine lebenslange Haftstrafe in Broadmoor absaß. Der Mann, der angeblich tot ist.«

    Holly war wie vor den Kopf geschlagen.

    Carstairs war drei Monate zuvor für tot erklärt worden, es hieß, er sei einem Krebsleiden erlegen. Holly war bei seiner Einäscherung dabei gewesen und hatte geglaubt, dass nun endlich das Kapitel ihres Lebens, das an jenem Tag begonnen hatte, an dem sie von der Schule nach Hause gekommen war und die Bestie neben den Leichen ihrer Eltern hatte stehen sehen, ein für alle Mal abgeschlossen war. Doch im Rahmen seiner letzten Bewährungsprüfung hatte Carstairs persönliche Briefe an sämtliche Hinterbliebenen seiner Opfer geschrieben, und Holly hatte in ihrem eine geheime Botschaft entdeckt, die darauf schließen ließ, dass er in Wirklichkeit noch lebte. Mehr noch: In dem Brief hatte er sie Jessica genannt – ihr bürgerlicher Name, ehe man sie ins Zeugenschutzprogramm aufnahm und sie eine neue Identität erhielt. Sie hatte die Behörden verständigt, doch dort war man der Meinung gewesen, dass es sich bloß um einen grausamen Scherz handle. Offiziell war die Bestie tot und begraben. Doch tief im Herzen fürchtete Holly das Schlimmste.

    »Falls er tatsächlich noch am Leben sein sollte …«

    »Immer langsam«, sagte Bishop. »Momentan gibt es noch keine Beweise.«

    »Nein, natürlich nicht, aber … wir können den Tatort und den Mord analysieren. Ein Stilett, sagtest du?«

    »Möglicherweise.«

    »Die Bestie hat während seiner Morde ganz unterschiedliche Tatwaffen benutzt: Küchenmesser, Hammer, Säure, Stricke. Aber ein Stilett – könnte sein, dass er sich anpasst.«

    »In welcher Hinsicht?«

    »Mittlerweile ist er an die sechzig. Er ist nicht mehr so stark wie früher.«

    Sie holte tief Luft. Bishop hatte recht, sie durfte keine voreiligen Schlüsse ziehen. Sie hatte noch nicht einmal den Tatort gesehen. »Es könnte auch bloß eine falsche Fährte sein«, sagte sie.

    »Mr. und Mrs. Newsome hatten drei Töchter. Die zwei ältesten sind Zwillinge und haben ganz in der Nähe bei Freunden übernachtet. Die jüngste lag oben in ihrem Bett und schlief. Sie ist sechs Jahre alt.«

    »Er hat sie nicht getötet?«

    »Nein, aber er war in ihrem Zimmer. Wir haben blutige Fußabdrücke auf ihrer Türschwelle gefunden, Schuhgröße 47.«

    »Das ist seine Größe. Und wir wissen, dass die Bestie keine Kinder tötet, das ist ein psychologischer Tick von ihm. Aber prinzipiell könnte es auch jemand anders gewesen sein. Warum bist du heute zu mir gekommen?«

    Beinahe entschuldigend drehte er sich zu ihr um.

    »Weil du sehen musst, was an der Wand geschrieben steht.«

    Vier

    Sechs Einsatzfahrzeuge der Polizei blockierten die von Bäumen gesäumte Straße. Reporter sowie neugierige Nachbarn wurden durch Flatterband auf Abstand gehalten.

    Bishop parkte fünfzig Meter vom Haus entfernt, den Rest der Strecke legten sie zu Fuß zurück. Er zeigte einem der Officer vor Ort seinen Dienstausweis, während Holly sich umsah: eine Wohngegend im grünen Gürtel Londons voller schicker Einfamilienhäuser mit gekiesten Einfahrten und hohen, dichten Hecken, die die einzelnen Grundstücke voneinander trennten. Als sie den schmalen, baumbestandenen Fußweg sah, der neben einem der Häuser entlang zu einem dichten Wald führte, blieb sie stehen.

    »Jenseits der Bäume sind offene Felder«, sagte Bishop. »Etwa vierzig Hektar, mit dem Auto nicht passierbar. Der nächstgelegene Bahnhof ist sieben Meilen entfernt, und Busse halten hier auch nicht, insofern können wir wohl davon ausgehen, dass er mit dem eigenen Pkw gekommen ist. Falls er Spuren hinterlassen hat, wurden diese leider vom Regen letzte Nacht weggewaschen.«

    Das Haus war verhältnismäßig neu, zweigeschossig mit einem Anbau und wunderschönem Vorgarten.

    »Was sagen die Nachbarn?«

    »Die sind verständlicherweise beunruhigt, auch wenn sie noch gar nicht

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