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Unser Leben mit Permakultur: Ein Haus, 6.500 Quadratmeter Land in der Normandie, den Kopf voller Träume
Unser Leben mit Permakultur: Ein Haus, 6.500 Quadratmeter Land in der Normandie, den Kopf voller Träume
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eBook431 Seiten5 Stunden

Unser Leben mit Permakultur: Ein Haus, 6.500 Quadratmeter Land in der Normandie, den Kopf voller Träume

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Über dieses E-Book

Als Perrine und Charles Hervé-Gruyer vor knapp 15 Jahren ihre Ferme du Bec Hellouin aufbauten, ahnten sie noch nicht, was dies in ihrem Leben und dem Leben so vieler anderer bewirken würde. Heute kennt ihren Namen jede*r, der*die sich mit der Permakultur beschäftigt. Weil sie auf ihrem Gemüsehof innerhalb kürzester Zeit ein Vorzeigemodell für die Landwirtschaft der Zukunft geschaffen haben. In ihrem Buch erzählen die beiden Autor*innen genau davon: von der Permakultur – und ihrem Werdegang. Sie berichten, wie sie auf die Prinzipien der Permakultur gestoßen sind, wofür die Permakultur steht und welches enorme Potential in ihr steckt.

Wie sich mit Permakultur Ernährungssouveränität schaffen lässt
Denn: Schnell stellte sich heraus, dass die beiden Autor*innen mit ihrem Vorhaben, einen Hof zu bewirtschaften und sich mit Obst und Gemüse selbst versorgen zu können, weit über das eigentliche Ziel hinaus ernten konnten. Ihre permakulturellen Anbaumethoden lieferten ihnen auf kleinster Fläche eine derart üppige Ernte, dass sie drei Familien damit versorgen konnten. Heute ist die Ferme Vorbild von 80 % aller neugegründeter Gemüsebauernhöfe in Frankreich und lockt Besucher*innen und Forscher*innen aus aller Welt an. Nicht zuletzt, weil es sich bei ihrer Mikrofarm um ein landwirtschaftliches Modell der Zukunft handelt, das aufzeigt, wie durch regenerative Bewirtschaftungsmethoden Ernährungskrisen abgewendet, Arbeitsplätze geschaffen und die Biodiversität geboostet werden können – und das Ganze ohne Einsatz fossiler Energien.

Sonne auf der Haut, den Kopf voller Visionen: Inspiration pur
Neben all diesem Know-how rund um die Permakultur, Gestaltungsvarianten und Umsetzhilfen geben Perrine und Charles auch tiefe Einblicke in ihr Leben und lassen dich teilhaben an ihrer Reise bis hin zur Farm in der Normandie. Sie erzählen von ihren Visionen und zeigen, wie sinnstiftend sich ihr Leben auf der Ferme anfühlt. Darüber hinaus liefern sie jede Menge Inspiration dafür, selbst anzupacken und aktiv zu werden, gleich wie den Mut, den eigenen Weg zu finden – mit Permakultur.

•Der Permakultur-Klassiker, endlich auf Deutsch: Perrine und Charles Hervé-Gruyer sind internationale Vorbilder und Pionier*innen auf dem Gebiet der Permakultur. Mit diesem Buch liefern sie Inspiration für alle, die die Nase von konventioneller Landwirtschaft und Ausbeutung voll haben und in eine Zukunft voller Gemüse- und Artenvielfalt starten wollen.
•Ein Modell für die Landwirtschaft der Zukunft: Auf ihrer Mikrofarm in der Normandie zeigen die Autor*innen, wie zukunftsfähige Landwirtschaft aussieht und gelebt wird. Wie auf kleinster Fläche Riesenerträge möglich sind. Und wie die Menschheit durch regenerative Bewirtschaftungsmethoden komplett ernährt werden könnte.
•Informativ, gefühlvoll, stark: Du willst alles über Permakultur erfahren? Perfekt! Außerdem erzählen die beiden von ihrem Leben und ihren (postfossilen) Visionen für die Zukunft: voller Ernährungssouveränität, kleinstrukturierter Landwirtschaft und Vernetzung auf allen Ebenen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum5. Juni 2023
ISBN9783706629270
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    Buchvorschau

    Unser Leben mit Permakultur - Charles Hervé-Gruyer

    1.

    Pupolis Boot

    Mithilfe der Permakultur gestalten wir unsere menschlichen Unternehmungen als Ökosysteme – inspiriert von der Beobachtung der Natur und der Art und Weise, wie indigene Völker die Erde bewohnen.

    Die merkantilen Industriegesellschaften verfügen über eine Instrumentalität, über materielle Reserven, eine physische Gesundheit, eine soziale Organisation und über ein wissenschaftliches und technisches Know-how, was, zusammengenommen, ihnen erlaubt, die Welt zu beherrschen. Wo aber wohnt das Glück eines jeden Tages?

    Ihr Bewusstsein vom Schicksal? Ihre Gemeinschaft mit den Toten? Nirgendwo. Vergeblich sucht ihre Seele eine Zuflucht.

    JEAN ZIEGLER11

    Jede Zivilisation ist eine Allianz mit dem Universum. Das Universum ist niemals ein unveränderliches und vorgegebenes Ganzes; es ist das, was der Mensch durch dieses Bündnis aus ihm macht.

    ROBERT JAULIN12

    Antecume Pata ist ein kleines Dorf der ethnischen Gruppe der Wayana und liegt auf einer Insel im Litany-Fluss, der die Grenze zwischen Französisch-Guayana und Suriname bildet. Der Fluss ist an dieser Stelle breit und wird von Stromschnellen durchzogen. Die tosenden Fluten stürzen schäumend über schwarze Felsen. An den Ufern erstreckt sich der Amazonas-Regenwald soweit das Auge reicht. Die einzige existierende Lichtung wurde von den amerikanischen Ureinwohner*innen für den Bau ihrer Hütten freigemacht.

    Antecume Pata ist ein Ort, der in meinem Leben eine große Bedeutung hat. Ich bin viele Male dorthin zurückgekehrt und habe die Kinder der Indigenen dort bis ins Erwachsenenalter aufwachsen sehen. Mit jeder Reise wuchs die Freundschaft mit den Wayana, Leuten, die für mich auf den ersten Blick schüchtern und zurückhaltend wirkten, aber so liebenswert und humorvoll sind, wenn es einem gelingt, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.

    Affenbruder

    Pupoli war einer meiner Gefährten. Sein Vater Yoïwet und ich standen uns sehr nahe – Yoïwet hatte mir sogar einen Spitznamen gegeben, den er auch auf sich selbst anwandte. Wir nannten uns gegenseitig yepe baboune („Affenbruder"!). Der Austausch von Spitznamen ist für die Wayana ein wichtiges Zeichen der Freundschaft – zehn Jahre lang war ich mehrmals in den tiefsten Urwald Französisch-Guayanas gereist, bis eine solche Verbundenheit entstehen konnte.

    Als wäre es gestern gewesen, erinnere ich mich an ein scheinbar unspektakuläres Abenteuer, das mich geprägt hat. Pupoli, der damals noch ein zarter Junge von etwa zehn Jahren war, hatte mich zu einem Angelausflug in seinem Kanu eingeladen. Wir waren losgegangen, beide mit dem Kalimbe bekleidet, einem einfachen Streifen aus leuchtend rotem Stoff, der zwischen den Beinen durchgezogen wurde. Pupolis Boot war aus einem einzigen Stück Baumstamm geschnitzt, ungefähr so groß wie ein Spielzeug, sehr instabil, und der Rumpf lag dicht über dem Wasser. Ich hatte das Gefühl, dass ich nur meinen Ellenbogen ein wenig ausfahren müsste, um es zum Kentern zu bringen. Pupoli fühlte sich glücklicherweise sicherer als ich und spielte energisch mit dem Paddel, sein kleiner Bogen war am Boden des Kanus, ebenso seine Angel und ein paar Würmer als Köder.

    Die jungen Wayana erleben die freieste Kindheit, die man sich vorstellen kann. Sie lernen mit Werkzeugen, die denen der erwachsenen Indigenen in jeder Hinsicht gleichen, außer dass sie auf ihre Größe zugeschnitten sind. Ihre Geschicklichkeit in der Natur ist verblüffend.

    Wir fuhren den Litany-Fluss hinauf und durchquerten den Amazonas-Regenwald, der wie ein prächtiger Garten Eden aussah. Wir näherten uns einem beeindruckenden Wasserfall, der über die gesamte Breite des Flusses verlief. Trotz der starken Strömung bewegte sich der Junge ohne erkennbare Anstrengung flussaufwärts. Ich fragte mich, wie weit uns der tollkühne Pupoli wohl bringen würde. Der Junge hielt nur wenige Meter vor dem Wasserfall an. Dort legte er sein Paddel auf den Boden des Kanus, wickelte seine Angel aus und begann zu fischen. Das alles sah so einfach aus – wie ein Kinderspiel! Aber durch welches Wunder hatte sich der kleine Wayana mühelos über den mächtigen Strom hinwegsetzen können?

    Ich beobachtete fasziniert. Pupoli war einfach den Fluss hinaufgefahren, hielt sein Kanu in der von den Stromschnellen erzeugten Gegenströmung und glitt geschickt von einem Felsen zum anderen. Das fragile Boot drehte sich nun an einer Stelle, an der das Wasser Strudel bildete, genau an der vielleicht einzigen Stelle im gesamten Fluss, an der sich ein kleines Kehrwasser gegen die Flussrichtung befand. Wären wir nur ein paar Meter abgedriftet, wären wir von den tosenden Fluten mitgerissen worden, gegen die anzukämpfen zwecklos gewesen wäre.

    Und wie die Fische anbissen! Nach kurzer Zeit zog Pupoli einen Piranha mit roten Augen und einem wilden Kiefer aus dem Wasser. Mit einem Machetenhieb spaltete er ihm den Schädel, bevor er ihn auf den Boden des Kanus warf, damit der Fisch sich nicht an unseren Zehen verbeißen konnte.

    Ich war überwältigt vor Bewunderung über die Leichtigkeit und offensichtliche Mühelosigkeit, mit der das Kind den scheinbar unbezwingbaren Fluss ausgetrickst hatte. Es bedurfte einer umfassenden Kenntnis seiner Umgebung, um eine solche Eleganz zu erreichen. Während ich fischte, dachte ich über die Lektion nach, die Pupoli mir unbewusst gerade erteilt hatte. Eine Strömung bewirkt immer eine Gegenströmung. Und je stärker die Strömung ist, desto stärker ist auch die Gegenströmung. Wenn es einem Kind gelang, sich in der günstigen Strömung zu positionieren, erreichte es sein Ziel, obwohl das Kräfteverhältnis zwischen dem Fluss und seinen kleinen Armen völlig ungleich war.

    Ich spürte eine riesige Freude in mir aufsteigen. Bisher hatte ich unsere Welt wie diesen großen Fluss wahrgenommen: schrecklich gewaltig. Und ich hatte mich oft so gefühlt, als würde ich gegen meinen Willen von der Strömung mitgerissen, unfähig, mich dagegen zu wehren. Das moderne Leben zieht uns ungefragt mit sich, und niemand weiß wirklich, wohin es geht. Doch auch in dieser so mächtigen Welt gibt es Gegenströmungen: Wenn ich lernen würde, sie zu erkennen, müsste ich mich nicht mehr abmühen und in einem aussichtslosen Kampf verausgaben. Indem ich mich an meinem richtigen Platz positioniere, bin ich in der Lage, meinen Weg nach meinem Herzen und meinen Träumen zu gestalten.

    Permakultur: Von der Natur inspiriert

    Das Markenzeichen des modernen Westens ist eine Übertechnisierung, ein Streben nach materiellem „Fortschritt". Trotz unbestreitbarer Errungenschaften in unzähligen Bereichen führt diese Form der Entwicklung, wie sie bis heute stattfindet, zu einer schnellen und massiven Zerstörung der Biosphäre. Wir machen die Natur immer künstlicher und ersetzen Leben durch Technologie.

    Das ist der Mainstream, die Hauptströmung, mächtig, rasend schnell, furchteinflößend.

    Aber es gibt auch die Gegenströmungen, überall: kleine, lebendige Wasseradern, die Hoffnung bringen. Rund um den Globus setzen sich Millionen von Menschen guten Willens mit aller Kraft ein, Lebensweisen in Einklang mit den Bedürfnissen der Menschen und des Planeten zu finden.

    Die Permakultur ist eine dieser Gegenströmungen. Sie stellt das Leben in den Mittelpunkt und regt an, sich in die Schule der Natur zu begeben und sich von ihr befruchten zu lassen. Vor 3,8 Milliarden Jahren hat sich Leben auf dem Planeten Erde angesiedelt und dabei günstige Bedingungen für die Entstehung immer komplexerer Lebensformen geschaffen. Dies geschah ganz ohne menschliches Zutun.

    Permakultur ist ein bio-inspirierter Ansatz: In diesem Sinne ist sie genau das Gegenteil des zeitgenössischen Mainstreams, der die Biosphäre schwächt. Sie stellt ein neues Paradigma für diejenigen dar, die sich um die Heilung der Erde bemühen. Sie zielt auf die Schaffung menschlicher Einrichtungen ab, die weitestgehend wie natürliche Ökosysteme funktionieren. Permakultur ermöglicht es jedem Menschen, eine Lebensweise für sich zu erfinden, die zu ihm passt und im Einklang mit dem Planeten steht.

    Sie entstand in den 1970er-Jahren in Australien und wurde von Bill Mollison und David Holmgren entwickelt, die stark durch die Beobachtung der Aborigines inspiriert wurden. „Einen Baum zu verletzen, bedeutete, einen Bruder zu verletzen; diese Ansicht spiegelt eine kluge naturschützerische Haltung wider. Kann man einen Bruder töten und trotzdem leben?", fragte Mollison13.

    Permakultur beruht auf einer Ethik, die zwar einfach zu formulieren, aber anspruchsvoll in ihrer praktischen Umsetzung ist:

    —  achtsamer Umgang mit der Erde;

    —  achtsamer Umgang mit den Menschen;

    —  gerechte Verteilung der Ressourcen.

    Dieses Buch will nicht die Permakultur in ihrer Gesamtheit beschreiben. Um Permakultur systematisch zu erfassen, bieten sich die in der Bibliografie genannten Werke an.

    Permakultur und biologische Landwirtschaft

    Auf diesen Seiten geht es um unsere Sicht auf die Permakultur und um unsere Erfahrungen als Landwirt*innen. In der Berufspraxis haben wir festgestellt, dass die Konzepte der Permakultur in der Welt des ökologischen Landbaus noch wenig bekannt sind und kaum Anwendung finden. Praktische Umsetzungen sind selten, was ein Paradoxon ist, da sich die Permakultur seit ihren Ursprüngen in erster Linie mit der Produktion von Nahrungsmitteln befasst. Diese Fokussierung auf die Nahrungsmittelproduktion führt manchmal zu einem Missverständnis, besonders im französischsprachigen Raum: Permakultur wird auf eine Supermethode des natürlichen Gärtnerns reduziert. Doch sie ist keine Ansammlung von landwirtschaftlichen Techniken. Ihr Potenzial geht weit darüber hinaus, denn dieses Konzept kann alle unsere menschlichen Errungenschaften bereichern.

    Wir werden oft nach dem Unterschied zwischen Permakultur, biologischem Landbau und Agrarökologie gefragt. Um keine Verwirrung aufkommen zu lassen, folgt hier eine Erklärung in kurzen Worten:

    —  Der Biolandbau (oder biologische Landwirtschaft bzw. ökologischer Landbau) ist ein Zweig der Landwirtschaft, der auf den Einsatz synthetischer Substanzen (chemische Düngemittel, Unkrautvernichtungsmittel und Pestizide) verzichtet und anspruchsvolle Standards für den Schutz von Pflanzen, Tieren und Agrosystemen propagiert. Er wird durch einen offiziellen Kriterienkatalog geregelt und unterliegt Kontrollen und einer Zulassung.

    —  Die Agrarökologie verfolgt einen Ansatz in der Landwirtschaft, der ökologische und soziale Überlegungen einbezieht, um den Nahrungsbedarf der menschlichen Gemeinschaften unter Wahrung der Bedürfnisse von Landwirt*innen und der Natur zu decken. Ihre Definition ist unschärfer als die des biologischen Landbaus und sie unterliegt keiner spezifischen Gesetzgebung. Die Agrarökologie schließt den Einsatz synthetischer Mittel nicht kategorisch aus.

    —  Das Ziel der Permakultur ist weiter gefasst als das der biologischen Landwirtschaft und der Agrarökologie, da es, wie wir gesehen haben, über den landwirtschaftlichen Bereich hinausgeht. Um eine wirklich umweltfreundliche Unternehmung (Bauernhof, Betrieb, Stadt ...) zu konzipieren, kann die Permakultur also alle bewährten Praktiken der biologischen Landwirtschaft und der Agrarökologie integrieren und sie mit „grünen Ansätzen" aus anderen Disziplinen (erneuerbare Energien, ökologisches Bauen ...) kombinieren. Es gibt keinen Gegensatz zwischen biologischer Landwirtschaft, Agrarökologie und Permakultur, ganz im Gegenteil, lediglich einen Unterschied in der Ausprägung.

    Die Permakultur stützt sich auf eine intensive Beobachtung der Funktionsweise natürlicher Ökosysteme. Landwirt*innen, die eine möglichst natürliche Landwirtschaft anstreben, werden große Freude daran haben, die Konzepte der Permakultur auf ihre Arbeit anzuwenden. Unserer Erfahrung nach kann die Permakultur weiter gehen als ältere Ansätze, von denen sie im Übrigen alle positiven Errungenschaften übernimmt.

    Die Entwicklung einer bio-inspirierten Landwirtschaft kann dazu beitragen, die Menschheit nachhaltig zu ernähren. Die Ernährungsherausforderung ist groß: 842 Millionen Menschen hungern heute [Stand 2011, Anm. d. Übersetzerin]14 – oder anders gesagt: jeder achte Mensch. Alle elf Jahre wächst die Weltbevölkerung um eine weitere Milliarde Menschen an. In einem Bericht der Vereinten Nationen heißt es: „Die weltweite Nahrungsmittelproduktion müsste bis 2050 im Vergleich zum heutigen Niveau um 70–100 % steigen, um den Nahrungsmittelbedarf einer wachsenden Bevölkerung decken zu können."15 Seit den 1960er-Jahren ist jedoch ein Drittel des weltweiten Ackerlandes durch Erosion verloren gegangen, was durch den Ausbau der industriellen Landwirtschaft und die künstliche Bodennutzung noch verstärkt wurde.16 So geht jedes Jahr eine Fläche in der Größe Italiens verloren!17

    Die Herausforderung im Bereich der Ernährung geht also über die Grenzen der landwirtschaftlichen Welt hinaus und betrifft jeden von uns. Die Permakultur kann einen großen Beitrag bei den laufenden Überlegungen über die Schaffung produktiver, autonomer und resilienter Agrarsysteme leisten. Als Ökosysteme konzipiert, können kleine Gärten eine ungeahnte Produktivität entfalten. Die Familie Dervaes in Kalifornien erwirtschaftet mit einem 360 Quadratmeter großen Garten einen Jahresumsatz von 20.000 US-Dollar (ca. 14.500 Euro). Auf diese Weise haben der Vater, sein Sohn und seine beiden Töchter ein Einkommen, und gleichzeitig wird die örtliche Gemeinschaft ernährt.18 Es gibt zahlreiche Beispiele für solche Erfolge.

    Auf unserer Ferme du Bec Hellouin wird die Energie hauptsächlich von der Sonne gewonnen und so wenig wie möglich aus fossilen Brennstoffen. Wir experimentieren mit verschiedenen Verfahren, die zum Teil auf alte Zivilisationen zurückgehen, zum Teil aber auch sehr innovativ sind. Dabei erreichen wir mit einfachen und natürlichen Praktiken, die sich als gut für Mensch und Umwelt erweisen, Produktionsniveaus, die für Fachleute kaum vorstellbar sind. Naturforscher*innen zufolge nimmt die Artenvielfalt in unseren Gärten zu, es findet eine regelrechte Erneuerung des Biotops statt. Wir kommen also zu dem Schluss, dass man als Landwirt*in aktiv an der Heilung der Biosphäre mitwirken kann.

    Innere Landschaften, äußere Landschaften

    Mit unserer Landwirtschaft beschreiten wir alternative Wege, denn die Wurzeln unseres Hofes liegen in dem Wunsch, uns so eng wie möglich in den großen Strom des Lebens einzufügen, ein Wunsch, der durch Begegnungen mit Gemeinschaften genährt wird, die ganz andere Wege gehen als unser moderner Westen. Das Zusammentreffen mit indigenen Völkern befruchtet unsere Vorstellungskraft. Diese Völker sind nicht rückständig: Sie haben genauso viele Tausend Jahre Evolution hinter sich wie wir. Sie haben einfach andere Entscheidungen getroffen. Bei uns zählt Besitz, sie streben nach Harmonie. Wir denken kurzfristig, ihr Tun ist langfristig ausgerichtet. Wir nehmen uns als von der Natur getrennt wahr, sie sehen sich als Teil der riesigen Gemeinschaft der Lebewesen. Die Indigenen haben den Menschen von heute viel zu sagen, denn sie können etwas, was wir vergessen haben: in gutem Einvernehmen mit der Natur leben. Diese Gemeinschaften erinnern uns daran, dass die Art und Weise, wie wir die Landschaften, die wir bewohnen und gestalten, unsere inneren Landschaften widerspiegelt. Welche Vorstellung haben wir von Glück? Ein Native American sagte einmal: „Der weiße Mann wünscht sich, wenn er stirbt, seinen Kindern Geld zu hinterlassen. Der Indigene hingegen möchte ihnen Bäume schenken." Wenn wir uns von ihrer Weisheit inspirieren lassen, bedeutet das jedoch nicht, dass wir uns von unserer Kultur und insbesondere von den enormen wissenschaftlichen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte abkapseln. Unser Wissen im Bereich der Biologie verdoppelt sich alle fünf Jahre!19 So wie wir auf der Ferme du Bec Hellouin Landwirtschaft verstehen, versuchen wir Wissenschaft und Bewusstsein, Intuition und Gründlichkeit miteinander zu verbinden. Wir sind davon überzeugt, dass die Landwirtschaft wieder zu einer Kunst werden kann – ein Korpus an wissenschaftlichen und fachlichen Kenntnissen, das durch Intuition und menschliche Kreativität befruchtet wird.

    Mit anderen Worten: Es geht darum, das Beste aus beiden Welten zu übernehmen, das Beste aus Tradition und Modernität. Als wir unseren Bauernhof aufbauten, stellten wir fest, wie herrlich es sein kann, originelle Lösungen aus verschiedenen Kulturen und Epochen miteinander zu verknüpfen.

    ________

    11  Jean Ziegler, Der Sieg der Besiegten. Unterdrückung und kultureller Widerstand. Peter Hammer Verlag, 1989, S. 11.

    12  Robert Jaulin, La Paix blanche. Introduction à l’ethnocide, Éditions du Seuil, 1970, S. 19 [ins Dt. übertragen von der Übersetzerin].

    13  Zitiert nach Agnès Sinaï, in: „L’héritage aborigène aux sources de la permaculture", LaRevueDurable, Nr. 50, Okt./Nov./Dez. 2013, S. 19. [ins Dt. übertragen von der Übersetzerin].

    14  Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), https://www.fao.org/hunger/en/.

    15  Department of Economic and Social Affairs, Study on the World’s Economic and Social Situation. General Overview, UN, 2011, S. 7.

    16  „Laut Prof. Pimentel wurden zwischen 1956 und 1996 1,5 Milliarden Hektar Ackerland aufgrund von Erosion aufgegeben. Das entspricht einem Drittel der Ackerflächen der Erde, berichtet Dominique Guillet in seinem Artikel „Planète Terre, planète Désert? (dt. wtl.: „Planet Erde, Planet Wüste?"), www.liberterre.fr, 3. Mai 2007.

    17  Laut UNO geht jedes Jahr eine Fläche in der Größe Italiens verloren, La France agricole, 22. Oktober 2010. www.lafranceagricole.fr.

    18  Diese 20.000 US-Dollar sind im Vergleich zum mittleren Haushaltseinkommen in den USA zu sehen, das bei etwa 50.000 US-Dollar (36.000 Euro) pro Jahr liegt. Der Verkauf der Erzeugnisse aus dem eigenen Garten kann also ein sehr wichtiger Zusatzverdienst sein. Quelle: census.gov (offizielle US-Statistikagentur).

    19  Janine M. Benyus, Biomimicry: Innovation Inspired by Nature, Quill, 1998.

    2.

    Rund um den Globus

    Der Gründung der Ferme du Bec Hellouin gingen 20 Jahre Reisen rund um den Globus voraus, in denen wir von der Natur und den Menschen lernten.

    Die Erde als Poet oder als Mörder bewohnen?

    PAUL VIRILIO20

    Wenn wir wegen der Heuschrecken Gras abbrennen, vernichten wir nicht gleich alles. Wir schütteln die Eicheln und Kiefernzapfen von den Bäumen. Doch die Weißen pflügen den Boden auf, reißen die Bäume um und töten alles ... Wie kann der Geist der Erde den weißen Mann lieben? Wo immer der weiße Mann die Erde berührt hat, ist sie wund.

    EINE WINTU-FRAU21

    Ich habe 30 Jahre gebraucht, um Bauer zu werden. Als Teenager half ich bei einer normannischen Bauernfamilie mit und glaubte, meine Berufung gefunden zu haben: die Erde bewirtschaften, draußen leben, frei, im Regen und in der Sonne. Aber man hatte mir damals erklärt, dass es mir als Pariser Stadtkind schwerfallen würde, Bauer zu werden ... und mein Entdeckerdrang tat sein Übriges: Seefahrer war eine schöne Alternative. Mit 21 Jahren stach ich in See, um zu versuchen, diese riesige Welt zu verstehen und meinen Platz darin zu finden. Ich hatte ein Schulsegelschiff, die Fleur de Lampaul, mit dem wir alle Ozeane der Welt befuhren. 22 Die Besatzung an Bord waren Jugendliche und Wissenschaftler*innen.

    In den ersten Jahren erforschten wir Meeressäugetiere; dabei kam es zu magischen Momenten und unwahrscheinlichen Begegnungen, wenn wir auf Wale, Orcas und Delfine in ihrem Element trafen. Wenn ein Finnwal oder ein Pottwal, der so groß wie ein Autobus war, sich uns kleinen Schwimmer*innen näherte und sich auf die Seite drehte, um uns mit seinem gleichmütigen Blick zu beäugen, schien es mir, als würde ich eine unsichtbare Grenze überschreiten und ein Stück der Freundschaft zwischen Mensch und Tier wiederfinden, die im irdischen Paradies geherrscht haben muss. Diese Symbiose war genau das, wonach ich gesucht hatte. Aber man kann nicht sein ganzes Leben unter Wasser verbringen!

    Nach einigen Jahren wurde mir klar, dass Menschen nicht weniger interessant sind als Meeressäuger. Somit begaben wir uns auf die Reise zu indigenen Völkern. 15 Jahre lang besuchten wir amerikanische Ureinwohner*innen, Stämme in Afrika, Aborigines in Australien, Papua in Vanuatu, um nur einige zu nennen. Wir teilten ihr Leben so hautnah wie möglich, und begaben uns demütig bei ihnen in die Lehre. In ihrer Gesellschaft, bekleidet mit einer Djellaba in der Sahara, einem Kalimbe im Amazonasgebiet, einem Pareo auf den Marquesas-Inseln oder auch nur einer Penishülle in Papua-Neuguinea (ein umweltfreundliches Kleidungsstück par excellence, dessen einziger Nachteil darin besteht, dass es ein wenig juckt), erfuhren wir aus erster Hand, wie diese Völker in so unterschiedlichen Umgebungen wie Korallen- und Vulkaninseln, Urwäldern, Wüsten und Mangroven leben. Auf welche Schwierigkeiten stoßen sie? Auf welche Lösungen sind sie gekommen?

    Meine Lehrmeister der Natur

    Wir erhielten von ihnen unvergessliche Lektionen in Menschlichkeit und Weisheit. Ich hatte großartige barfüßige Lehrmeister: König Sylva aus dem Tabanca; Bane Ijun auf dem Westafrikanischen Bijagos-Archipel; Mimi Siku, ein Wayana-Jäger aus Französisch-Guayana; Häuptling Pedro Hakin von den Kuna auf den San-Blas-Inseln vor Panama und etliche mehr. Ihre Lehren haben sich für immer tief in mein Herz eingeprägt.

    Das Leben in ihrer Mitte war eine tägliche Lektion in angewandter Ökologie. Ich erinnere mich, dass ich mit Kalina-Kindern durch den Amazonas-Regenwald wanderte. Wenn sie eine essbare Pflanze mit der Machete pflückten, pflanzten sie ganz selbstverständlich einen Ableger davon entlang des Weges wieder ein. Ethnolog*innen haben herausgefunden, dass die letzten nomadischen Stämme im Amazonasgebiet nicht zufällig reisten, sondern von Generation zu Generation bestimmten Routen folgten, um von einer Wasserstelle zur nächsten zu gelangen. Durch die Neupflanzung von Kernen und Stecklingen der Nutzpflanzen entlang ihrer unauffälligen Pfade haben sie eine Art essbaren Korridor angelegt. Damit sind immer reichlich Ressourcen vorhandenen, was ihr Leben erheblich erleichtert, und sie haben jede Menge Freizeit, die sie gemeinsam verbringen können. Gibt es einen sanfteren Weg, um in Harmonie mit der Erde zu leben?23

    In schöner Erinnerung habe ich unseren Aufenthalt auf Bali. Wir teilten den Alltag einer Bauernfamilie aus der niedrigsten Schicht, der Shudra-Kaste. Gadeh, Komong und ihre Kinder lebten in einem kleinen Haus ohne Wasser und Strom inmitten von Reisterrassen an den Hängen des Vulkans in einer atemberaubend schönen Landschaft. Gadeh und Komong waren Landarbeiter und Landarbeiterin. Sie hatten ihr Reisfeld verkaufen müssen, um die Einäscherung der Großmutter zu bezahlen, und arbeiteten für einen Hungerlohn als Taglöhner*innen für die wohlhabenderen Bäuer*innen in der Umgebung. Wir schliefen auf dem Boden und verrichteten unsere Notdurft im Bewässerungskanal. Dennoch waren sie wahre Lebenskünstler*innen! Täglich musizierten und tanzten die Kinder. Am Ende des Tages gingen alle Familien hinunter zum Flüsschen, das sich durch das Tal schlängelte, um darin zu baden. Inmitten des schönsten Badezimmers der Welt seiften sich die Frauen auf der einen Seite und die Männer auf der anderen Seite nackt ein. Dann zogen wir uns saubere Kleider an, und anschließend sprach Komong das Gebet, für das sich die ganze Familie vor einer Steinstatue versammelte. Eine frische Frangipaniblüte im Ohr, das rabenschwarze Haar mit einem bunten Turban bedeckt – die Gesichter waren heiter und strahlend. Das Abendessen, das vollständig aus den von der umgebenden Natur angebotenen Produkten zubereitet wurde, war ein kulinarischer Hochgenuss und voller Raffinesse.

    Entscheidend war auch die Auseinandersetzung mit den Theorien der großen Ökopioniere. Die Lektüre ihrer Werke während der langen Überfahrten wurde durch Begegnungen mit einigen von ihnen bereichert, die sich bereit erklärt hatten, die Schirmherrschaft über unsere Expeditionen zu übernehmen: René Dumont, der rebellische Agrarwissenschaftler; Théodore Monod, der humanistische Saharakenner; Hubert Reeves, dessen Werke uns den Kosmos mit neuen Augen betrachten ließen. Huberts Vortrag über die Sterne, die er der an Deck unter dem Sternenhimmel liegenden Mannschaft hielt, war hochwissenschaftlich und gleichzeitig voller Poesie.

    Ein Wassertropfen auf einer Orange

    Als Kinder glauben wir, dass der Planet riesig ist. Als Erwachsene behalten viele von uns diesen Glauben bei, der kulturell bis vor Kurzem noch durch die Schwierigkeit zu reisen verstärkt wurde. Doch seit den 1960er-Jahren haben Fotos der Erde aus dem Weltraum einen Wendepunkt in der kollektiven Wahrnehmung unseres Planeten markiert: Das ist also die Erde, dieser winzige blaue Garten inmitten all der Sterne. Wie fragil sie von oben aussieht! Wie Hubert Reeves24 erklärt, ist das Vorhandensein entwickelter Lebensformen auf diesem Planeten ein reines Wunder, oder vielmehr eine über Milliarden von Jahren ununterbrochene Folge von Wundern, so gering waren die Chancen, dass sich das anfängliche Chaos zu dem unglaublich komplexen Gefüge entwickelt.

    Als ich sie auf unserem schweren und langsamen Segelboot aus Holz umrundete, wurde mir physisch bewusst, wie winzig die Erde ist. Als wir drei Jahre, nachdem wir sie verlassen hatten, am Horizont die Küste der Île d’Yeu, unserem Heimathafen, auftauchen sahen, konnte ich kaum glauben, dass die Reise bereits zu Ende war. Da verstand ich von innen heraus, warum unsere Handlungen solche Auswirkungen haben, warum die Biosphäre nach einigen Jahrzehnten ungezügelten industriellen „Fortschritts so schnell kollabiert. „Thou canst not stir a flower without troubling of a star.25

    Die Biosphäre ist außerordentlich dünn: Die Stärke des von Lebewesen besiedelten Teils unseres Planeten reicht von wenigen Zentimetern bis zu einigen Metern unter unseren Füßen26 und bis zu einigen Kilometern über unseren Köpfen, da Insekten und Samen von starken Winden in große Höhen getragen werden – manche Bakterien sind sogar so ausgestattet, dass sie dort lange verweilen, sich vermehren und ganz nebenbei als Kondensationskerne für Regentropfen dienen und so wieder nach unten gelangen können. Dennoch nehmen wir die Biosphäre als viel größer wahr, als sie tatsächlich ist. Das liegt daran, dass wir von der Geburt bis zum Tod in diese dünne Schicht des Lebens eingebettet sind. Wir sollten uns die extreme Besonderheit des Lebens vor Augen führen und uns bewusst sein, dass es etwas Rares ist. Wissenschaftler*innen lehren uns, dass die Biosphäre, im Verhältnis, mit einem hauchdünnen Film verglichen werden kann, der sich bildet, wenn ein einziger Wassertropfen auf der Oberfläche einer Orange verteilt wird.

    Im Laufe der Jahre habe ich mich total in diese kleine Welt verliebt: Uns wird die Ehre zuteil, den einzigen bekannten lebenden Planeten inmitten der kosmischen Wüste zu bewohnen. Diesen Planeten zu bebauen, ist ein großes Privileg und eine nicht minder große Verantwortung.

    Dem Planeten geht die Luft aus

    In den Jahren des Reisens kamen wir oft an dieselben Orte und stellten die rapide Verschlechterung der Ökosysteme fest. Wüstenbildung, Zerstörung von Urwäldern und Mangroven, Verschwinden von Korallenriffen, Anstieg der Ozeane, ungebremstes Wachstum der Megastädte: Wir wurden Zeug*innen, wie die Biosphäre langsam erstickt.

    Als leidenschaftlicher Taucher habe ich gern Korallen gefilmt. Doch während der Weltumsegelung suchten wir vergeblich nach intakten Riffen, selbst rund um abgelegene Inseln im Pazifik und im Indischen Ozean, auf den Marquesas, Tuamotu und den Malediven. Fast überall fallen die Riffe der Erwärmung der Ozeane zum Opfer. Ich habe die üppigen Korallenmassive, die ich bei meinen ersten Seereisen kennengelernt hatte, nie wiedergefunden. Wenn meine Kinder eines Tages die gleiche Reise machen, bleiben ihnen nur kümmerliche Überreste der vergangenen Pracht.

    Auf den Malediven richtete der Präsident folgenden Appell an uns: Lasst uns alle unsere Kräfte bündeln, um die globale Erwärmung zu stoppen. Die Atolle des Archipels spüren bereits die dramatischen Auswirkungen des steigenden Meeresspiegels. Diese Trauminseln mit einer durchschnittlichen Höhe von 90 Zentimetern über dem Meeresspiegel drohen zu verschwinden, zumindest aber unbewohnbar zu werden. Im Fehendoo-Atoll machten sich die Fischer, die neben uns angelten, bereits Gedanken darüber, in welches Land sie auswandern sollten!

    Der Mensch ist in nur einem Jahrhundert zu einem Faktor geworden, der die Entwicklung des Planeten ebenso stark prägt wie geologische Faktoren, sodass einige Denker*innen27 das Zeitalter, in dem wir leben, als „Anthropozän" bezeichnen.

    Diese wiederholten Erfahrungen und Erkenntnisse waren nicht gerade dazu angetan, unsere Stimmung zu heben. Sieht man sich den Zustand der Welt an, gibt es Grund zum Pessimismus. Die Kriege des 20. Jahrhunderts haben mehr Menschenleben gefordert als alle vorherigen Kriege zusammen; zu Beginn des 21. Jahrhunderts hungern mehr Menschen als im Mittelalter ... Ich erlebte diese Reisen mit zunehmender Bedrückung.

    Doch eines Tages traf ein Satz aus dem Testament von Abbé Pierre bei mir einen Nerv; am Ende seines Lebens riet dieser große Geistliche, mit dem Jammern aufzuhören: „Unsere alte Welt liegt zwar im Sterben, aber eine neue Welt ist im Entstehen."28 Diese wenigen Worte haben meine Wahrnehmung radikal verändert. Daraufhin habe ich mich dafür entschieden, meine ganze Energie in den Aufbau der kommenden Welt zu stecken. Seitdem fühle ich mich viel leichter und fröhlicher! Deshalb liegt der Schwerpunkt dieses Buches bewusst auf konkreten Vorschlägen und nicht auf Verurteilungen.

    Streben nach Eintracht

    In den zwei Jahrzehnten auf See haben wir den Alltag mit unzähligen Familien und Gemeinschaften geteilt. Die Indigenen gewährten uns Einlass in ihre Hütten, Katen und Zelte, ohne uns jemals abzuweisen. Am liebsten hätte ich mein ganzes Leben lang in solcher Eintracht verbracht. Es ging mir durch den Kopf,

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