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Mein Herz, Mein Kompass: Eine Geschichte über Mut, Hingabe und Vertrauen
Mein Herz, Mein Kompass: Eine Geschichte über Mut, Hingabe und Vertrauen
Mein Herz, Mein Kompass: Eine Geschichte über Mut, Hingabe und Vertrauen
eBook271 Seiten3 Stunden

Mein Herz, Mein Kompass: Eine Geschichte über Mut, Hingabe und Vertrauen

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Über dieses E-Book

Vom Mut, den Blick nach innen zu wenden "Denise glaubt die Erfüllung im Außen gefunden zu haben, von der sie geträumt hat. Dennoch toben in ihr stets innere Kämpfe: Gefühle, Sorgen und Ängste, die insbesondere mit ihrer chronischen Krankheit, Mukoviszidose, in Zusammenhang zu stehen scheinen, übermannen sie immer wieder. Um sich dem zu stellen, trifft sie eine folgenreiche Entscheidung: Sie wird allein nach Kolumbien reisen, um zehn Tage bei einem Vipassana-Retreat in Stille meditierend den Blick nach innen zu wenden. Obwohl sie nicht weiß, was sie erwartet, folgt sie ihrem Herzen und nimmt somit die bisher größte Herausforderung ihres Lebens an. Was sich ihr dabei zeigt, stößt einen Prozess der Heilung an und schafft neue Klarheit für ihren weiteren Weg, um gehegte Träume in die Realität umzusetzen… Eine persönliche und berührende Geschichte, in der Denise von ihren Erfahrungen und Erkenntnissen über Leben und Tod, Angst und Mut erzählt und wie man die Balance zwischen äußerer Erfüllung und innerer Zufriedenheit erlangen kann. Zwischen zum Träumen einladenden Beschreibungen findet der Leser auch eine besondere Tiefe, die zum Nachdenken anregt. Lasse dich mitnehmen auf die spannendste Reise, die wir unternehmen können - die Reise nach Innen." "Unser Herz - es ist nichts anderes als unser Kompass. Es führt uns immer dorthin, wo wir hingehören, es bringt uns immer auf den richtigen Pfad. Unserem Herzen zu folgen bedeutet, unsere Bestimmung zu leben." - Denise Yahrling, "Mein Herz, Mein Kompass"
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum7. Dez. 2020
ISBN9783347183476
Mein Herz, Mein Kompass: Eine Geschichte über Mut, Hingabe und Vertrauen
Autor

Denise Yahrling

Denise, 1991 in Bernkastel-Kues geboren, ist leidenschaftliche Weltenbummlerin, Indie-Autorin, Content Creator und Teilzeitnomadin. Anfang 2016 startete sie ihren Blog, Travelous Mind, um über das Leben und Reisen mit chronischer Er­krankung, sowie andere Herzensthemen zu schreiben. Heute nutzt sie vor allem ihre Bücher als kreativen Outlet und teilt so ihre Geschichte und Gedanken zu Themen wie Persönlichkeitsentwicklung, Selbstreflexion und Achtsamkeit mit. Denise lebt seit ihrer Geburt mit der chronischen Stoffwech­selerkrankung Mukoviszidose, die sie dennoch nicht von einem erfüllten Leben und der eigenen Selbstverwirklichung abhält.

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    Buchvorschau

    Mein Herz, Mein Kompass - Denise Yahrling

    TEIL I

    STILLE

    4. Januar 2018

    „Das kann doch nicht wahr sein…, murmelte ich leise vor mich hin. Ich spulte zurück und hörte mir die gerade gehörte Passage ein zweites Mal an, während ich meine bisherigen Zweifel, diese Reise angetreten zu haben, langsam verblassen sah. Nachdem ich aus einem leichten Dämmerschlaf wieder aufgewacht war, hatte ich mit dem Gedanken gespielt, einen Film anzuschauen. Ich zappte durch die Filme, die „VivaColombia, die Fluggesellschaft, mit der ich flog, zur Auswahl bot und schaltete zunächst einen Film an, der sich „How to be Single nannte. Ein grauenhafter Titel. Außerdem stellte sich heraus, dass der Film nur auf Französisch verfügbar war, was mir etwas seltsam erschien, da die Fluggesellschaft kolumbianisch war. Ich wählte einen anderen Film mit Jack Nicholson, den ich schon kannte und auf Spanisch ansehen wollte, um etwas an meinen Spanischkenntnissen zu feilen, doch auch dieser ließ sich nur auf Französisch abspielen. Nachdem ich feststellte, dass außerdem die Buchse zum Einstecken der Kopfhörer in der Armlehne neben mir defekt zu sein schien, gab ich es letztendlich auf und kramte meinen iPod aus dem Fach vor mir. „Ich habe doch genügend gute Podcasts, die ich mir anhören kann, dachte ich mir. Außerdem würde ich dabei möglicherweise weniger verblöden als beim Schauen eines eher sinnfreien Filmes.

    Ich wählte eine Podcastfolge von Oprah Winfrey aus der „Super Soul Sunday-Serie, die ich ganz gern hörte. Ihr Interviewgast war Elizabeth Gilbert, eine meiner liebsten Autorinnen und eine für mich sehr inspirierende Persönlichkeit. Ihr Roman „Eat, Pray, Love hatte damals in erheblichem Maße dazu beigetragen, dass ich zu meinen ersten Reisen allein aufgebrochen war und begonnen hatte, die Schönheit dieser Welt für mich zu entdecken. Das zweite Buch, das ich von ihr gelesen hatte, „Big Magic hatte mir beim Schreiben meines eigenen Buches geholfen. Sie sprachen im Interview zunächst über die sogenannte „Heldenreise, eine Reise, auf die sich jeder machen kann, wenn er dem Ruf seines Herzens folgt. Der Aufruf nämlich, herauszufinden, wer und wozu wir hier sind und was unsere Bestimmung - unser „Warum" - ist.

    Mein „Warum hatte ich im Vorjahr für mich entdeckt, nachdem ich meiner inneren Stimme immer mehr gelauscht hatte. Seitdem hatte sich mein Leben maßgeblich verändert. Insbesondere die Erkenntnis, weshalb ich hier auf der Erde war oder zumindest die Ahnung dessen, gab mir immer wieder ein tiefes Gefühl von Vertrauen in das Leben und dass ich stets das Richtige tat, wenn ich nur meinem Herzen und meiner Intuition folgte. Zu dieser Erkenntnis war ich während des Schreibens meines ersten Buches „Das Leben passiert für dich: Mit Mukoviszidose und Rucksack um die Welt gelangt, nachdem ich meine ganze bisherige Lebensgeschichte niedergeschrieben hatte. Die Verknüpfungen, die ach so logischen Konsequenzen und Folgen einer jeden Begegnung, eines jeden Schicksalsschlages, eines jeden Momentes - all das hatte ich plötzlich schwarz auf weiß vor mir gesehen. Und ich kam nicht umhin zu realisieren, wie perfekt alles zusammen passte. Wie ein Puzzle, das sich im Laufe des Lebens nach und nach fügte, insofern man sich auf die Suche nach den einzelnen Puzzleteilen machte. Auch war mir letztendlich klargeworden, dass die Krankheit, die ich von Geburt an hatte und die mir über Jahre viele Sorgen, viel Traurigkeit und Missmut bereitet hatte, mich zu dem Menschen gemacht hatte, der ich war. Dass ich ohne sie nie so erfüllt gelebt hätte und meinen Träumen nachgegangen wäre wie ohne sie. Dass insbesondere sie ihren Sinn in meinem Leben hatte.

    Den Buchdruck hatte ich dann mithilfe einer Crowdfunding Kampagne finanzieren können und die Erfahrung war eine einmalige gewesen. Mich erreichten immer häufiger Nachrichten und Emails von Menschen, die mein Buch gelesen hatten und deren Leben durch meine Erzählungen auf irgendeine Weise verändert worden war und es erfüllte mich jedes Mal mit Dankbarkeit und Liebe, wenn ich dieses bestärkende Feedback bekam.

    Oprah fragte Liz im Interview dann, was ihre bisher größte Herausforderung im Leben gewesen sei und ihre Antwort haute mich zugleich innerlich um und jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Es war ihr innerer Kampf, der Kampf gegen sich selbst, das Sitzen mit sich selbst und mit ihren eigenen Gedanken, Gefühlen, Ängsten und Sorgen, mit der Trauer und mit der Scham. Sie beschrieb genau diesen Konflikt, den ich schon lange in mir spürte, der in mir tobte und wütete, auch wenn ich glaubte, im Außen all die Erfüllung gefunden zu haben, von der ich geträumt hatte, sie zu finden. Auch, wenn ich mich immer in ausgeprägterem Maße selbst verwirklichte, meinen Träumen folgte und meinen ganz eigenen Weg im Leben ging, spürte ich diesen Kampf in mir laut und deutlich.

    Sie berichtete dann von ihrem viermonatigen Meditationsretreat in einem Ashram in Indien, wovon sie eine Woche in absolutem Schweigen verbracht hatte. Dort lernte sie, mit all diesen Gefühlen einfach nur zu sein und liebevoll mit sich umzugehen. Ich selbst befand mich gerade im Flugzeug gen Kolumbien, genauer gesagt nach Medellín, um dort, unter anderem, an einem zehntägigen Schweigeretreat teilzunehmen. Insgesamt sechs Wochen würde ich durch Kolumbien reisen, ein Land und auch ein Kontinent, das ich zum ersten Mal besuchte. Auch wenn ich schon so einige Reisen hinter mir hatte, ebenfalls allein und samt Rucksack ganz auf eigene Faust, fühlte sich das hier wie eine ganz andere Hausnummer an.

    Schon lange interessierte ich mich für dieses faszinierende Land und nach Südamerika zu reisen, war ein großer Traum von mir. Schon bei meinen letzten beiden großen Reisen, wovon eine in den Süden Europas ging und die andere nach Marokko, hatte ich anfänglich Südamerika angepeilt, doch ich hatte mich dann letztendlich doch noch nicht bereit gefühlt, auch wenn ich mir die Route schon weitestgehend zurechtgelegt hatte. Im Nachhinein war ich froh darum, dass ich mir dieses Erlebnis aufgespart und meine ersten Reiseerfahrungen in bekannteren Gefilden gesammelt hatte. Daher war die Aufregung groß, als ich dann tatsächlich die Flüge buchte und somit fest plante, direkt zu Beginn des neuen Jahres 2018 nach Kolumbien zu fliegen.

    Diese Reise per se hatte tatsächlich einen recht speziellen Ursprung. Was ich nämlich, von der Destination mal ganz abgesehen, schon lange tun wollte, war, an einem sogenannten Vipassana-Retreat teilzunehmen. Ich hatte schon einige Erzählungen von Menschen aus meinem Umfeld gehört und jedes Mal hatten sie ein Kribbeln bei mir in der Magengrube ausgelöst. Als ich dann, eher zufällig, nach Vipassana-Kursen in Lateinamerika Ausschau hielt, war einer der wenigen, noch verfügbaren Kurstermine genau dort, wo ich sowieso mal hinwollte: Kolumbien.

    Was Vipassana ist?

    Damit du dir ein besseres Bild davon machen kannst, wie diese Erfahrung für mich gewesen ist (und prinzipiell, wie wenig Ahnung ich hatte, was da auf mich zukam), beschreibe ich zunächst nur die Fakten, die ich zu dem Zeitpunkt selbst kannte.

    Vipassana bedeutet in Pali, einer altindischen Sprache, soviel wie „die Dinge so zu sehen, wie sie sind und ist eine uralte Meditationstechnik, die von Siddartha Gautama, dem Buddha, wiederentdeckt und gelehrt wurde. Über Jahrhunderte von Lehrer zu Lehrer weitervermittelt, machte letztendlich ein Herr S.N. Goenka die Vipassana Technik erst für eine breitere Masse zugänglich und brachte die Vipassana Lehre in den Westen. Mein Wissen über die Technik selbst und die Zeit, die ich dort verbringen würde, war nicht sonderlich umfangreich. Ich wusste nur, dass man im Rahmen dieses Kurses etwa zehn Stunden täglich meditieren, es ziemlich hart und herausfordernd würde und dass man im Prinzip nur zwei Mal täglich zu essen bekäme. Das Wort „Retreat war also möglicherweise etwas irreführend, wenn man sich darunter eine entspannende Auszeit ausmalte. Wie hart die Zeit letztendlich wirklich, nicht nur körperlich, sondern auch mental, werden würde, wie lebensverändernd, konnte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen, obgleich ich es doch sicherlich ahnte.

    Warum diese Podcastfolge und die Worte von Liz Gilbert also zu einem so gelegenen Zeitpunkt kamen und ich sie als eines dieser besagten Zeichen vernahm?

    Wenn du eine Reise wie diese antrittst, dann gibt es viele von Zweifeln (und auch von Angst) erfüllte Bemerkungen von verschiedenen Menschen aus deinem Leben, wie zum Beispiel:

    „Du willst doch nicht ernsthaft allein nach Kolumbien."

    „Hast du eine Ahnung, was dort abgeht? Willst du gekidnappt werden?"

    „Da kommt doch dieser Pablo ‚noch was‘ her, oder?"

    „Wie, zehn Tage schweigen? Und den ganzen Tag meditieren? Wird man da nicht wahnsinnig?"

    Und dann natürlich noch die (nicht ganz unberechtigten) Sorgen in Bezug auf meine Grunderkrankung, die Mukoviszidose: „Sicher, dass das nicht gefährlich ist für deine Gesundheit? Das schadet dir doch! Wer weiß, ob du genügend Zeit für deine Inhalationen hast? Ob du genug zu essen kriegst?"

    Die Krankheit, von der ich spreche und die mich schon mein Leben lang begleitet, nennt sich Mukoviszidose oder Zystische Fibrose (auch kurz „CF von „Cystic Fibrosis im Englischen). Sie ist eine angeborene, genetische Erkrankung, die durch ein Defekt im CFTR-Gen entsteht. Dieser Gendefekt bewirkt, dass der Austausch von Salz und Wasser im Körper nicht ordnungsgemäß funktioniert. Es kommt also zu einem Ungleichgewicht im Salz-Wasser-Haushalt, was dazu führt, dass der die Zellen bedeckende Schleim im Körper zu wenig Wasser enthält und zäh wird. Demnach „verstopfen" viele verschiedene Organe und funktionieren nicht so, wie sie sollen. Dazu gehört vor allem die Lunge, aber auch die Bauchspeicheldrüse und weitere Organe.

    Was das also effektiv bedeutet? Ein CF-Betroffener hat in der Regel Probleme bei der Atmung, die Lunge muss regelmäßig von dem zähen Schleim „befreit werden, es müssen viele Medikamente eingenommen werden und Inhalationen müssen mehrmals täglich erfolgen, was einen erheblichen Zeitaufwand darstellt und mit viel Disziplin einhergeht. Gefährliche Keime, wie z.B. der Pseudomonas Keim, können sich in der Lunge festsetzen und im Laufe der Zeit zusätzliche Schäden anrichten. Ganz reguläre virale Infekte, die bei jedem „Gesunden möglicherweise nur für eine kurze Erkältung sorgen, können bei Muko-Betroffenen zum Beispiel zu Bronchitis oder gar Lungenentzündungen führen und so Langzeitschäden hervorrufen. In regelmäßigen Abständen stehen außerdem Antibiotikakuren an, wobei meist drei Mal täglich intravenös sehr starke Antibiotika verabreicht werden, um die Keime in der Lunge in Schach zu halten und um diese möglicherweise auch loszuwerden, wenn sie noch nicht lange in der Lunge gesessen haben.

    Mukoviszidose ist eine recht seltene, chronische Erkrankung, dennoch dabei die häufigste Stoffwechselerkrankung und sie betrifft etwa 8000 Patienten in Deutschland und mehr als 70.000 weltweit. Heute lässt es sich mittlerweile bei einer adäquaten medizinischen Versorgung gut mit der Krankheit leben. Trotzdem ist die Krankheit eine fortschreitende, was bedeutet, dass die Lunge im Laufe der Jahre zunehmend beschädigt wird und ein Patient tendenziell mehr als weniger Einschränkungen mit den Jahren erleben wird. Dafür liegt die aktuelle durchschnittliche Lebenserwartung aber schon bei mehr als 50 Jahren, eine weitaus bessere Prognose für Patienten als noch vor einigen Jahrzehnten, als es bei einer Diagnose im frühen Kindesalter hieß, dass Betroffene nicht mal erwachsen würden. Die CF-Forschung geht mit riesigen Schritten voran, weshalb es ein Segen ist, in diesem Zeitalter und in einem medizinisch gut versorgten Land wie Deutschland zu leben.

    Bezüglich dieser Reise war mir klar, dass meine Freunde, Familie und Bekannten sich nur Sorgen machten und dass diese Sorgen von Liebe erfüllt und die Bemerkungen nur gut gemeinte Ratschläge waren. Sie waren aber natürlich auch Ausdruck ihrer eigenen Verunsicherung und ich versuchte stets, diese Sorgen zu besänftigen, indem ich sie in meine Reiseplanung und Recherche mit einbezog, um ihnen zu versichern, dass ich wusste, was ich da tat. Ich hatte mit Leuten gesprochen, die selbst in Kolumbien gewesen waren, hatte recherchiert, in welchen Regionen und Orten ich mich bewegen konnte und worauf ich generell Acht geben musste. Dennoch wollte ich keine 0815-Touri-Erfahrung, sondern, wie bisher auch, ganz individuell reisen und voll und ganz in das lokale Leben eintauchen. Außerdem war mir bewusst, dass diese Zweifel ausschließlich von Menschen stammten, die selbst noch nie (oder zuletzt vor mehreren Jahrzehnten) in Kolumbien gewesen waren und deshalb kaum fundiert waren.

    Bei all der Mühe jedoch, die Sorgen meiner Mitmenschen zu besänftigen und während ich dachte, dass all diese Zweifel einfach an mir abperlten und nicht an mich herankämen, merkte ich erst jetzt, als ich im Flieger saß, wie die Zweifel und die Angst langsam in mir aufstiegen. Scheinbar waren sie doch unbemerkt in mein Unterbewusstsein gesickert, ganz langsam, wie Wasser durch Gestein in die Erde tropft.

    WELCOME TO COLOMBIA

    19:30 Uhr. Medellín, Kolumbien.

    Nach einem ziemlich holprigen Anflug landete die Maschine auf der Landebahn in Medellín. Mein Magen drehte sich gefühlt schon zum 30. Mal um. Mir war speiübel - ein Anzeichen meiner Angst und dem Gefühl des absoluten Kontrollverlustes. Die Angst ist ein Gefühl, das ich aus verschiedenen Situationen in meinem Leben schon kannte. Wir kennen sie alle. Der Sprung vom Baum, bei dem wir als Kind die Augen zusammenkniffen und auf eine seichte Landung hofften. Der Moment, in dem wir unseren ersten Bühnenauftritt in der Schule haben und das Publikum plötzlich still wird und alle Augen auf uns gerichtet sind. Der erste Kuss, die erste Reise, der erste Job. Eine Enge in der Brust, ein schnelles Schlagen des Herzens, Schweiß tritt auf die Stirn. Aber in diesem Moment überkam mich mehr als diese Angst. Ich rutschte in einen Panikmodus hinein, denn ich fühlte mich plötzlich mutterseelenallein. Und mir wurde klar, dass dieser holprige und harte Anflug auf der Landebahn sinnbildlich für die harte Landung in einer neuen Phase meines Lebens stand, dass dieser Flow-Zustand, der mich über die letzten paar Jahre begleitet hatte, vorerst ein Ende haben würde, dass nun herausforderndere Zeiten bevorstanden. Ich wusste es nicht, ich ahnte es nur, fühlte es.

    Während des Fluges hatte ein Kopfkino meine Gedanken eingenommen, welches in Dauerschleife den selben Film abspielte: Wie ich in Medellín nach Einbruch der Dunkelheit ankäme (was schon nicht unbedingt ratsam war), in einem neuen Land auf einem neuen Kontinent und wie ich mich vom Flughafen auf den Weg zu meiner Unterkunft machen musste.

    „Du kannst eigentlich jedes gelbe Taxi nehmen, da solltest du gar keine Probleme haben, war die Anweisung meines Airbnb-Hosts hinsichtlich meiner Anreise. Ich würde also den Shuttlebus vom Flughafen ins Zentrum nehmen und von dort in ein Taxi steigen. No problem. Im Flugzeug jedoch hatte ich mit einem Mitreisenden gesprochen, der etwa im selben Alter war wie ich und der aus Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens, kam. Ich hatte mir erhofft, dass er mich etwas beruhigen könne, schließlich war er Einheimischer und wusste, wie die Dinge hier zugingen. Allerdings wirkte er selbst wenig überzeugt, als er sagte, dass Medellín ja „eigentlich ganz sicher sei. Seine Reaktion zog den Knoten, der in meiner Magengrube saß, noch fester und ich wurde noch unruhiger. Im Prinzip wusste ich, dass ich auf mein Bauchgefühl vertrauen konnte, aber ich war nun so sehr in meinen Kopf gerutscht, in meine Sorgengedanken, dass ich mein Bauchgefühl gar nicht mehr wahrnahm.

    Die Szenen, die sich in meinem Kopf abspielten, waren lebhaft. Szenen aus der Netflix-Serie „Narcos" kamen mir in den Sinn, doch ich schob sie so gut es ging wieder beiseite und bemühte mich, wieder klar zu denken. Mir blieb nun sowieso nichts anderes mehr übrig, es gab kein Zurück. Ich musste darauf vertrauen, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Ich würde springen und mich fallen lassen… und sehen, wo und wie ich dabei aufkäme.

    Die Ankunft in Medellín, die Bus- und Taxifahrt, vor der ich mich so gefürchtet hatte, war wie in Trance an mir vorbeigezogen. Ich war in eine Art „Funktioniermodus gewechselt und auch wenn es mich einige Anstrengung gekostet hatte, war ich sicher an meiner Unterkunft angekommen. Wir waren hoch über das im Dunkel des Abends hell erleuchtete Medellín in den Ortsteil „Laureles hinuntergefahren - mit das einzige Bild, was mir von meiner Anreise noch in Erinnerung geblieben ist. An meiner Unterkunft angekommen und aus dem Taxi steigend, fing mich eine Dame ab, die gerade auf dem Nachhauseweg war und die mit fragendem Blick auf mich zukam.

    „Mi cariña, was machen Sie denn um diese Uhrzeit hier? Wo müssen Sie denn hin?" Ich nannte ihr die Adresse meiner Unterkunft und sie brachte mich zu dem Haus, das nur wenige Schritte von uns entfernt lag, da der Taxifahrer mich ziemlich exakt vor dem richtigen Haus abgeliefert hatte.

    „Hopp, schnell rein mit dir," sagte sie dann auf Spanisch und bedeutete mir, das Außentor und die Haustür nach dem Betreten hinter mir wieder fest zuzuziehen. Alle Fenster der Häuser rings um mich herum waren vergittert, was einerseits meinen Vorstellungen entsprach, andererseits sehr befremdlich auf mich wirkte. Ich bedankte mich bei der Dame und gab den Code für die Haustüre ein, den mein Gastgeber mir vorab per Email geschickt hatte, woraufhin die Tür sich öffnete und ich samt meinem Rucksack eintrat.

    *

    Im Laufe unseres Lebens gibt es bestimmte Glaubenssätze, die wir uns, meist unbewusst, aneignen. Glaubenssätze sind praktisch Schlussfolgerungen, die wir in bestimmten Situationen oder in Folge gewisser Erfahrungen ziehen. Eine meiner fest verankerten Glaubenssätze war, dass ich immer dachte, ich müsse stark sein. Dass kein Raum für Angst und „Schwäche da war, oder ich zumindest nicht äußern sollte, wenn ich mich fürchtete oder unsicher war. Keine Fehler machen dürfen, „perfekt sein. Dieser Anspruch steckt in so vielen von uns.

    In dieser Zeit in Medellín wurde ich mir über diesen Glaubenssatz bewusst. Oft gehen wir durch’s Leben ohne uns dieser Glaubens- und dementsprechenden Verhaltensmustern bewusst zu werden. Wir lernen etwas über das Leben, verinnerlichen den Glauben und unser Verhalten geht fast automatisch mit diesem Glaubenssatz einher, ohne dass wir es überhaupt mitkriegen. Wenn wir uns darüber bewusst werden, ist meist nicht alles von jetzt auf gleich gelöst und unser Verhalten verändert, aber es breitet sich eine wundervolle, neu gewonnene Klarheit über das eigene Innenleben aus.

    Wie mein Glaubenssatz, immer stark sein zu müssen (welcher natürlich nicht der einzige war und ist, der sich durch mein Leben zog), entstanden war, war nicht schwer zu erkennen. Ich war mit einer Krankheit groß geworden, die viel Disziplin und Stärke bedurfte und vor allem meinen Eltern gegenüber wollte ich nie zeigen, dass es auch Tage gab, an denen mein Alltag mit all den Therapiemaßnahmen extrem frustrierend war. Nicht, dass sie es nicht verstanden hätten. Ich hatte nur immer die Sorge, dass sie sich umso mehr sorgen würden, wenn ich all das offenlegte. Meine spätere Angst über die Bedeutung dieser Krankheit für meine Zukunft, war für mich nicht in Worte zu fassen. Auch mir selbst gegenüber fand ich die Worte nicht. Bis mich die Erkenntnis dessen mit Anfang 20 mit voller Wucht traf und mich kopfüber in eine Depression stürzte. All das waren Themen, die immer wieder aufkamen und einer der Gründe, weshalb ich mich für das Vipassana-Retreat entschieden hatte. Ich wollte vor alledem nicht mehr wegsehen und mich meinen tiefsten Ängsten stellen.

    Meine ersten Tage in Medellín sollten

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