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Evolution (Awaken Online Buch 3): LitRPG-Serie
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eBook849 Seiten10 Stunden

Evolution (Awaken Online Buch 3): LitRPG-Serie

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Über dieses E-Book

Nachdem Jason sich beim Verlassen von Awaken Online mit einem Messer in der Hand über zwei Leichen stehend wiedergefunden hatte, steht er jetzt unter Mordverdacht. Um die Sache noch schlimmer zu machen, ist Claire auf Beweise gestoßen, dass Alfred in den Vorfall verwickelt ist, und wie ein kreisender Geier wartet die CPSC nur darauf, dass Cerillion Entertainment einen Fehler macht.

Jasons echtes Leben liegt in Trümmern und seine Feinde im Spiel werden immer stärker. Als er sich wieder in Awaken Online einloggt, ist er verzweifelt – das Spiel ist jetzt seine einzige Rettung. Doch wenn er die Quest des alten Mannes erfüllen und die Macht erhalten will, die ihm versprochen wurde, muss er schneller sein als alle anderen.
SpracheDeutsch
HerausgeberMagic Dome Books
Erscheinungsdatum29. Mai 2024
ISBN9788076935808
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    Buchvorschau

    Evolution (Awaken Online Buch 3) - Travis Bagwell

    Prolog

    20. Oktober 2076: 19 Tage nach der Veröffentlichung von Awaken Online.

    CLAIRE SASS ALLEIN im Kontrollraum im Hauptquartier von Cerillion Entertainment, das Gesicht vom saphirblauen Licht eines Computerbildschirms angeleuchtet, während das Labor um sie herum in Dunkelheit getaucht war. Wie immer, wenn sie allein arbeitete, hatte sie das kalte Licht der in die Decke eingelassenen Neonröhren ausgeschaltet, um ihren Augen etwas Erholung zu gönnen.

    Die anderen Techniker hatten längst Feierabend gemacht, und jeder hatte ihr beim Gehen seltsame Blicke zugeworfen. Beim Gedanken an ihren ungläubigen, leicht schuldbewussten Gesichtsausdruck musste sie kichern. Das brachte sie nicht mehr aus der Ruhe. Sie hatte sich schon lange damit abgefunden, dass sie ein Workaholic war, und dass andere nicht so viel Arbeitseifer an den Tag legten.

    Außerdem musste sie das Video von Jasons Kampf gegen die feindlichen Spieler und den Spielleiter in voller Länge noch fertig schneiden. Laut ihrem Arrangement mit Jason musste dieser das finale Video freigeben, doch sie war höflich aber bestimmt angewiesen worden, den Vorgang zu beschleunigen, indem sie das Material schon vorbereitete.

    Offenbar fand der Produzent von Vermillion Live, dass der Tod eines Spielleiters und eine spielweite Meldung eine prompte Reaktion erforderten — und zwar etwas Besseres als nur ein paar kurze Videoclips. Als sie ihn vor ein paar Stunden getroffen hatte, war der Mann regelrecht unverschämt gewesen, auch wenn sie vermutete, dass das von dem Druck kam, den die hohen Tiere des Unternehmens auf ihn ausübten. Cerillion Entertainment hatte beträchtliche Mittel in seinen neuen Unterhaltungszweig investiert.

    Das Display vor Claire war in mehrere Fenster aufgeteilt. Jedes davon zeigte die Perspektive eines anderen Spielers. Jeder stand in einer riesigen Höhle, in deren Decke bunte Kristalle eingelassen waren. Flammen rankten und wanden sich um die Spitze von Florius‘ Stab und ließen die Luft um ihn herum flirren, während er gegen Jason und seine Teammitglieder kämpfte.

    „Zumindest erledige ich so auch gleich etwas von der Arbeit, die ich für die CPSC machen muss", murmelte Claire und trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch, während sie die Bilder der Schlacht auf dem Bildschirm verfolgte. Sie hätte sich schon gestern darum kümmern müssen, aber sie hatte zu viel damit zu tun gehabt, Ablenkungsmanöver für die CPSC zu arrangieren.

    Zusätzlich zu ihren Verantwortlichkeiten als Leiterin der Techniker-Crew — und als Roberts Aufpasserin wider Willen — war sie außerdem zur temporären Ansprechpartnerin für die CPSC und deren Spielleiter-Team ernannt worden. Vielleicht glaubte George Lane, dass sie nichts Besseres zu tun hatte, oder dass sie insgeheim zu viel Freizeit angesammelt hatte.

    Natürlich hatte die CPSC einen ausführlichen Bericht über den Zwischenfall mit Florius, seiner Tirade gegen Jason und den darauffolgenden Kampf angefordert. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, wie die Vorstandsvorsitzende der CPSC, Gloria Bastion, auf die aktuellen Aufnahmen reagieren würde. Vermutlich nicht gut. Die Frau war knallhart, und das war Claires Urteil als bekennender Kontrollfreak.

    Sie tippte auf eines der Panels unten rechts im Bildschirm, und das Bild fokussierte auf die letzte Szene des Konflikts. Die Aufnahmen waren aus der Perspektive des Spielleiters, der gerade zur Höhlendecke aufblickte. Das Gewölbe brach ein und riesige Fels- und Kristallbrocken stürzten auf ihn herab. Das Keuchen des Mannes war über dem donnernden Krachen der Steine kaum zu hören. Die Kamera ruckte und wackelte, als er vergeblich versuchte, aus dem Weg zu kriechen und gleichzeitig in letzter Sekunde einen Teleportationszauber zustande zu bringen.

    Dann tauchte Franks blutiges Gesicht im Bild auf. Er packte den Spielleiter mit den Händen und unterbrach seinen Zauber. Claire hielt das Video an. Franks Haut war versengt und blutete, und seine Kleider hingen in Fetzen an ihm herab. Er sah aus, als wäre er durch die Hölle gegangen. Sie wusste aus seinem Profil, dass er ein 18-jähriger Highschool-Schüler war, aber der Ausdruck in seinen Augen wirkte in seinem jungen Gesicht deplatziert. Der Teenager hatte eindeutig vor, den Spielleiter zu töten — selbst wenn das auch seinen eigenen Tod bedeutete.

    Was läuft in diesem Spiel nur falsch, fragte sich Claire nicht zum ersten Mal. Awaken Online schien einen seltsamen Effekt auf die Spieler zu haben. Anders als Robert war sie nicht sicher, dass dieser eine Verbesserung bedeutete.

    Claires Blick wanderte zur Seite des Kontrollraums, wo in einer Wand eine dicke Glasscheibe eingelassen war. Auf der anderen Seite standen über ein Dutzend obsidianfarbener Obelisken, deren Säulen durch dicke Kabel miteinander verwoben waren. Die Statusanzeigen, die an den Seiten jedes Turms entlang flackerten, tauchten den Serverraum in ein gedämpftes, grünes Licht. Es war schwer zu glauben, dass diese Ansammlung an Elektronik für all das verantwortlich war.

    Sie rieb sich mit einer Hand die Schläfe, um ihre drohenden Kopfschmerzen zu bremsen. Claire war sich sicher, dass Alfred irgendein Interesse an Jason und seiner Gruppe gefunden hatte. Sie verstand nur nicht, was sein Ziel war. Was bezweckte er damit, einen Haufen spielverrückter Teenager in Soziopathen zu verwandeln?

    Ihre Gedanken wurden von einer Warnmeldung unterbrochen, die über ihren Bildschirm flackerte und das Spielvideo überlagerte. Erschrocken riss sie die Augen auf, als sie die Nachricht las. Nachdem sie Jasons anormale Gehirnaktivitäten während des Massakers in Peccavi mitbekommen hatte, hatte sie vor ein paar Tagen einen einfachen Überwachungsalgorithmus programmiert. Dieser sollte jede ungewöhnliche neuronale Aktivität unter den Spielern melden — mit Hauptfokus auf Jason.

    Mit ein paar schnellen Tastenanschlägen rief sie eine Abbildung auf den Monitor, die den Umriss eines menschlichen Gehirns zeigte. Neuronale Aktivitäten wurden in sich überlappenden Farbwellen angezeigt, während ausführlichere Daten am Rand des Fensters entlangliefen.

    „Das... das ist unmöglich", flüsterte Claire, während ihre Finger bereits über die durchscheinende Tastatur huschten, die vor ihr schwebte.

    Die Messwerte sprengten jeden Rahmen. Jason wies unglaublich hohe Beta- und Gammawellenaktivitäten auf. Die neuronalen Aktivitäten, die sie vor sich sah, waren um das Zehnfache stärker als das, was sie während der Ereignisse in Peccavi beobachtet hatte. Es war, als hielten sich zwei oder mehr Leute gleichzeitig in Jasons Kopf auf.

    Claire nestelte an ihrem Handgelenk, um ihr Epi mit dem Terminal zu synchronisieren und die Daten herunterzuladen. Sie musste eine Kopie der Logs abspeichern, bevor Alfred sie löschen oder verändern konnte. In ihrer Eile stieß sie aus Versehen ihr Getränk vom Tisch. Glas zerschellte auf dem Fliesenboden und Wasser verteilte sich überall. Fluchend bückte sie sich, um die Glasscherben aufzuheben, und erstarrte, als der riesige Bildschirm über dem Labor zum Leben erwachte.

    Eine feuerrote Warnmeldung blinkte über die gesamte Breite des Monitors, und ein sich wiederholender Warnton schallte durch den Kontrollraum. „Systemversagen in Sektor 2967A, meldete eine mechanische Stimme. „Lokaler Systemabsturz erkannt. Neustart initiieren?

    „Ein Systemabsturz?", echote Claire schockiert.

    Die Spielsimulation war seit Jahren nicht mehr abgestürzt oder offline gegangen — nicht seit den frühesten Alphatest-Phasen der Entwicklung. Wobei, das war nicht ganz richtig. Es kamen schon gelegentlich Bugs und Glitches im Spiel vor. Allerdings konnte Alfred diese Probleme dynamisch in Echtzeit voraussehen und beheben, was das Spiel nahezu unterbrechungsfrei machte. Sie blickte wieder zu den dunklen Obelisken.

    Warum hatte Alfred das Problem nicht vermieden?

    Das Bild von Jasons neuronalen Aktivitäten schwebte immer noch auf dem Display ihres Arbeitsterminals. Vielleicht starrte die Antwort ihr ins Gesicht. Alfred war nicht allmächtig, und seine Ressourcen waren beschränkt. Wenn er es nicht geschafft hatte, den Systemabsturz zu verhindern, musste er mit etwas anderem beschäftigt sein — oder jemand anderem.

    Der Systemabsturz war trotzdem ein seltsamer Zufall, und ein vager Verdacht stieg in Claire auf. Die Glasscherben lagen vergessen auf dem Boden. Mit einer Bewegung aus dem Handgelenk schob sie das Fenster mit Jasons Gehirnaktivitäten zur Seite, und ein anderes, leeres Fenster öffnete sich an seiner Stelle. Schnell rief sie Jasons Profil auf. Sein Avatar hatte unmittelbar vor dem Systemabsturz in der unteren Ebene der dunklen Feste des Zwielichtthrons gestanden. Am Rand des Fensters prangten die bezeichnenden Worte „Sektor 2967A".

    Entgeistert stand Claire einige Augenblicke nur da und blickte zwischen den beiden Monitoren hin und her, während im Kontrollraum Warnmeldungen des Systems blinkten und ihr Arbeitsplatz in das blutrote Leuchten des riesigen Bildschirms über ihr getaucht war.

    „Moment mal...

    Claires Blick blieb an dem Fenster hängen, das Jasons aktuelle neuronale Aktivitäten darstellte. Die Messdaten zeigten immer noch eine starke Aktivitätsausprägung. Das konnte nicht sein! Da die lokale Umgebung abgestürzt war, hätte Alfred Jason und alle Spieler in der Nähe aus der Spielwelt nehmen müssen. Sobald er aus dem Spiel geflogen war, hätten Jasons neuronale Aktivitäten auf normales Niveau zurückkehren müssen, aber der Bildschirm vor Claire zeigte immer noch anormal hohe Beta- und Gammawellen.

    „Wie ist das möglich?", murmelte sie, die Hand vor dem Mund erstarrt.

    Die Implikationen ihrer Beobachtungen brachen über sie herein wie eine Flutwelle. Wenn sie recht hatte und die erhöhte Gehirnaktivität anzeigte, dass Alfred auf den Geist eines Spielers zugriff — dann vollbrachte er das, während Jason nicht im Spiel eingeloggt war. Die möglichen Konsequenzen waren erschreckend. Es bedeutete, dass Alfred nicht nur seine Sicherheitsprotokolle umging, sondern auch einen Weg gefunden hatte, den Geist eines Spielers außerhalb des Spiels zu manipulieren.

    Alfred war nicht mehr in AO gefangen.

    Claires Epi klingelte einmal, um ihr mitzuteilen, dass der Download der System-Logs abgeschlossen war. Sie ignorierte es und starrte voller Entsetzen auf die Bildschirme. Ihre chaotischen, wirbelnden Gedanken ordneten sich langsam und wichen einer einzelnen, alles andere in den Schatten stellenden Frage.

    „Was mache ich jetzt?", flüsterte Claire.

    Kapitel 1 — Inhaftiert

    21. Oktober 2076: 20 Tage nach der Veröffentlichung von Awaken Online.

    GEORGE LANE saß in seinem Büro bei Cerillion Entertainment und scrollte gelangweilt durch die Berge von E-Mails in seinem Posteingang. Offenbar kamen jedes Mal, wenn er kurz wegschaute, 20 neue Nachrichten hinzu. Vielleicht sollte er sich eine neue E-Mail-Adresse anlegen, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Nicht alles war ein Notfall — auch wenn seine Angestellten und Kollegen immer zu glauben schienen, dass ihr spezielles Problem seiner vollen Aufmerksamkeit bedurfte.

    Seufzend warf er einen Blick aus dem Fenster auf die Skyline der Stadt. Zumindest hatte er ein Problem fürs Erste vom Tisch geschafft. Er konnte nicht anders, als sich diebisch über seinen Sieg über Gloria zu freuen. Seit ihrer Konfrontation und der „unglücklichen" Veröffentlichung der Aufnahmen von der Tirade des Spielleiters gegen Jason war die CPSC wesentlich kooperativer. Er musste Claire trotzdem noch pro forma einen Bericht über den Zwischenfall anfertigen lassen, um das angeschlagene Ego der Organisation zu besänftigen, aber der öffentliche Aufschrei gegen Gloria hatte diese zahnlos gemacht.

    Zumindest fürs Erste.

    Seine Gedanken wurden von einem Klopfen an der Tür unterbrochen. „Herein", befahl er.

    Georges Sekretärin steckte den Kopf ins Zimmer. „Ryan Vance möchte Sie sprechen, Sir."

    Er runzelte die Stirn und zog die Mundwinkel nach unten. Vielleicht hätte er sich nicht so früh auf die eigene Schulter klopfen sollen. Ryan war sein Sicherheitschef und ein ehemaliger Kriminalbeamter des hiesigen Polizeireviers. Wenn er persönlich und ohne Termin vorbeischaute, brachte er wahrscheinlich keine guten Nachrichten mit.

    „Sir?", drängte seine Sekretärin, als George ihr nicht antwortete.

    „Schicken Sie ihn rein", entgegnete er lapidar und entließ die Frau mit einer Geste.

    Einen Augenblick später betrat Ryan den Raum. Systematisch musterten seine grauen Augen das Büro, bevor er Georges angespannte Haltung registrierte. Ohne ein Wort trat er ein und ließ sich ruhig auf dem Stuhl gegenüber seinem Arbeitgeber nieder. Dabei machte er sich nicht die Mühe, ihm die Hand zum Gruß hinzustrecken. Die zwei Männer kannten sich gut genug, um solche Formalitäten wegzulassen. Außerdem war es George lieber, gleich zur Sache zu kommen.

    Ryan rieb sich die Stoppeln am Kinn. „Ich nehme an, Sie erwarten schlechte Nachrichten. Leider liegen Sie da nicht ganz daneben, und ich werde es nicht beschönigen. Sie wollten, dass ich den Jungen, diese Jason Rhodes im Auge behalte. Gestern Abend ist er verhaftet worden."

    „Verhaftet?, fragte George entgeistert. Er hatte Ryan gebeten, einen Blick auf den Jungen zu haben, da er immer mehr zum Blitzableiter für Konflikte wurde, aber das hatte er nicht erwartet. „Weswegen denn?

    Sein Sicherheitschef hielt seinen Blick mit ungerührtem Ausdruck. „Zweifacher Mord. Ich habe mit ein paar meiner alten Kumpels vom Revier geredet — natürlich unter der Hand. Es gibt noch keine formelle Anklage. Wie es scheint, sind die anderen beiden Teenager ins Haus eingebrochen und Jason hat sie irgendwie beide getötet. Und das auch noch mit ihrem eigenen Messer", erklärte Ryan, klang jedoch skeptisch bei seinen eigenen Worten.

    „Verdammt", murmelte George.

    Das war kein gutes Timing. Er mochte Gloria für den Moment verprellt haben, aber wenn sie erfuhr, dass der Starspieler von Awaken Online wegen Mordes festgenommen worden war, würde sie sich darauf stürzen wie ein Schwarm Geier — besonders, da er bei Cerillion unter Vertrag stand. Außerdem würde es die Hasstirade des Spielleiters in einem völlig anderen Licht dastehen lassen, und Gloria könnte das als Gelegenheit verwenden, die Spielwelt einer ausführlicheren Untersuchung zu unterziehen. Während Alfred Amok lief, konnten sie sich keine derartige Aufmerksamkeit leisten.

    Und neben seinen unmittelbaren Sorgen konnte George nicht anders, als Misstrauen zu empfinden. Alex‘ Verhalten war in letzter Zeit noch unberechenbarer gewesen als sonst — erst heute Morgen hatte er beobachtet, wie er leise Selbstgespräche führte. Auch dieses Timing schien ihm merkwürdig. Konnte es sein, dass Alex irgendwie in die Sache verwickelt war? Immerhin hatte er eine Historie mit Jason.

    „Was soll ich jetzt tun?", fragte Ryan, während er George genau beobachtete.

    Er hatte keine andere Wahl, außer Jason zu schützen. Nicht momentan, wo alles andere auf dem Spiel stand. „Bringen Sie mehr über diesen Zwischenfall in Erfahrung. Ich erwarte bis heute Abend einen vollständigen Bericht. Und kontaktieren Sie Francis. Sagen Sie ihm, er soll alles stehen- und liegenlassen. Ab sofort vertritt er den Jungen. Finden Sie anschließend heraus, wo Jasons Eltern sich momentan aufhalten. Laut Ihren bisherigen Berichten sind sie häufig auf Geschäftsreise?"

    „Ja, Sir, bestätigte Ryan. Er machte sich nicht die Mühe, mitzuschreiben. „Sonst noch etwas?

    George zögerte. „Ja. Bringen Sie in Erfahrung, wo mein Sohn sich über die letzten paar Tage aufgehalten hat, und überprüfen Sie auch seine Online-Aktivitäten und seine Kontobewegungen. Er hielt inne und blickte Ryan direkt an. „Angesichts des kürzlichen Konflikts an der Richmond möchte ich sichergehen, dass meine Familie nicht darin verwickelt wird. Das Letzte, was wir brauchen, ist, dass jemand Alex als potenziellen Verdächtigen ausmacht.

    „Natürlich", sein Sicherheitschef nickte.

    Offenbar hatte er Georges Ausrede geschluckt, denn er stand auf und verließ zielstrebig das Büro.

    Georges Blick fiel erneut auf den Bildschirm, der über seinem Schreibtisch schwebte, und bemerkte resigniert, dass während des kurzen Gesprächs ein weiteres Dutzend E-Mails aufgelaufen waren. Allerdings fühlte er sich nicht mehr unter Druck, sie zu lesen. Er hatte momentan Dringenderes zu tun.

    23. Oktober 2076: 22 Tage nach der Veröffentlichung von Awaken Online.

    Jason lehnte mit dem Rücken an der harten Betonmauer. Schwaches Licht sickerte durch ein schmales, horizontales Fenster, das nahe der Decke in die Wand eingelassen war, in die Zelle. Dicke Metallstäbe waren vor dem Glas angebracht, und er überlegte träge, dass das Gitter etwas übertrieben wirkte. Die Gefängniszelle lag mindestens im zweiten Stock. Angenommen, es gelänge ihm, das Glas, das er für kugelsicher hielt, zu zerbrechen und sich dann durch das nicht mehr als 30 Zentimeter hohe Fenster zu zwängen, war es doch zweifelhaft, ob er nach dem darauffolgenden Sturz noch aufstehen konnte.

    Er drehte seine Hände nach oben und blickte auf seine Handflächen. Er hatte noch nie wirklich über seine Hände nachgedacht. Sie erschienen ihm ziemlich gewöhnlich. Zehn Knöchel, zehn Finger. Kleine Falten überzogen die raue Haut. Er sah eine schwache, weiße Linie in der Daumenbeuge — wahrscheinlich von einer vergessenen Verletzung.

    Es war schwer zu glauben, dass diese Hände zwei Menschen getötet hatten.

    Jason bemerkte einen roten Fleck am Saum seines Ärmels. Im vergeblichen Versuch, die Bilder zu verdrängen, die sofort in seinem Kopf entstanden, presste er die Augen zusammen. Er weigerte sich, das erneut zu durchleben.

    Es funktionierte nicht.

    Je intensiver er versuchte, nicht an die zwei Körper zu denken, die auf seinem Zimmerboden ausbluteten, desto hartnäckiger wurde das Bild. Er konnte den Erinnerungen einfach nicht entgehen. Selbst Schlaf bot ihm keine Zuflucht. In seinen Träumen verfolgten ihn ihre leeren, toten Augen — vorwurfsvoll und gnadenlos anklagend.

    Er machte einen tiefen, beruhigenden Atemzug und massierte sich mit den Händen die Schläfen. Er war nicht für ihren Tod verantwortlich. Er war zu diesem Zeitpunkt nicht Herr seiner Sinne gewesen. Diesen Gedanken wiederholte er immer und immer wieder, wie ein Mantra, auch wenn er wenig dazu beitrug, seine Schuldgefühle zu verringern, und ihm nicht dabei half, mit den sehr realen Konsequenzen dessen, was geschehen war, umzugehen.

    Ein Fernseher dröhnte von gegenüber seiner Zelle. Der Lärm hallte den Gang hinunter. Zwischen Jason und dem Gang befand sich eine dicke Scheibe Plastik, in die kleine Löcher gebohrt worden waren. Die transparente Wand bot ihm wenig Privatsphäre vor den zwei Polizisten, die in der Überwachungszentrale gegenüber seiner Zelle saßen und auf den an der Wand befestigten Fernseher starrten.

    „Ich kann nicht glauben, dass du dir diesen Müll ansiehst, beschwerte sich einer der beiden und gestikulierte in Richtung der Seifenoper, die auf dem Bildschirm lief. „Lass uns umschalten.

    „Du hast einfach keine Ahnung von zwischenmenschlichen Beziehungen. Maria hat Ferdinand betrogen, um ihrem Bruder zu helfen. Aber er denkt, dass sie ihn nicht mehr liebt, also tröstet er sich mit seiner Ex-Freundin. Es hat sich herausgestellt, dass die Frau insgeheim seit Jahren in Ferdinand verliebt ist, und jetzt wird er sich gerade seiner Gefühle für sie bewusst."

    Der erste Polizist starrte den Mann nur ausdruckslos an.

    „Na schön, grummelte der andere. „Ich schalte um. Er tippte sein Epi an und zappte durch mehrere Kanäle, bevor er bei einem hängenblieb. Jason verzog das Gesicht, als er ein vertrautes Logo am unteren Eck des Bildschirms erkannte. Im Bild saßen ein Mann und eine Frau in einem eleganten Studio und lächelten in die Kamera.

    „Willkommen zurück bei Vermillion Live, eurer Anlaufstelle für alle aktuellen Neuigkeiten aus Awaken Online, begann der Mann. „Heute Nachmittag haben wir ein paar spannende Informationen für euch. Es scheint, dass im Spiel eine weitere, magische Stadt entstanden ist — diesmal der Feueraffinität gewidmet. Sie wird offenbar Sandscrit genannt.

    Der Mann hielt inne und hinter ihm tauchte ein Fenster auf, das eine Karte eines der Kontinente im Spiel zeigte. Der Großteil der Landmasse war in grauen Nebel gehüllt — was vermutlich bedeutete, dass die Spieler diese Bereiche noch nicht erkundet hatten.

    Sandscrit war in der Nähe des nördlichen Teils des Kontinents eingezeichnet und schien von Wüste umgeben zu sein. Jason war überrascht von der Größe der Karte. Seiner Vermutung nach musste die neue Stadt ein paar Wochen Fußmarsch vom Zwielichtthron entfernt sein.

    „Leider ist die Spielerpopulation in diesem Teil der Spielwelt dünn gesiedelt, und wir haben nicht viele Informationen über die Person, die für die Transformation und das Bildmaterial zur neuen Stadt verantwortlich ist."

    „Was wir allerdings wissen, ist, dass der Spielwelt eine neue Rasse hinzugefügt wurde, erklärte die Frau, während ein entsprechendes Bild auf dem Bildschirm erschien. Die Kreatur war menschenähnlich, mit gelber, fleckiger Haut und elegant geschwungenen Hörnern, die aus ihrer Stirn wuchsen. „Man kann das Spiel jetzt als Ifrit beginnen. Mitglieder dieser Rasse sind an ein magisches Objekt gebunden, das sie erwecken und in der Schlacht verwenden können. Allerdings stellt das Konstrukt auch einen Schwachpunkt dar, denn wird der Gegenstand zerstört, stirbt auch der Charakter.

    „Ich bin jedenfalls sehr neugierig, zu sehen, welche anderen Städte noch entstehen werden und welche Rassen wir dann zu sehen bekommen, sagte der Moderator. „Mir scheint, wir bekommen hier nur die Spitze des Eisbergs mit, und die Entwickler von Cerillion Entertainment haben noch wesentlich mehr für uns auf Lager.

    „Rätsel über Rätsel, fügte seine Kollegin hinzu. „Es ist seltsam, dass es noch keine Details über diese Transformationen ganzer Städte und ihre Voraussetzungen gibt. Natürlich ist das Spiel erst seit etwa einem Monat draußen, also hat vielleicht einfach nur noch niemand mehr darüber herausgefunden.

    Der Kommentator lachte. „Es hilft auch nicht, dass die Entwickler sich zu dem Thema ausschweigen — sie weigern sich, Details zu dem Vorgang oder dazu, wie viele weitere Städte wir erwarten dürfen, zu veröffentlichen."

    Die Frau nickte zustimmend. „Wie zu erwarten war, haben ein paar Spielforen Informationen zu bestimmten Quests und Klassenwechseln zusammengetragen. Diese Form der Datensammlung und -auswertung ist typisch für ein MMO, aber die anderen Spieler hatten Schwierigkeiten, diese Ereignisse im Spiel zu replizieren. Es ist fast, als würde die Spielwelt Klassen und Fähigkeiten dynamisch zuweisen. Oder die Umgebung ist einfach so hoch entwickelt, dass es schwer ist, die Voraussetzungen für Klassen und Fähigkeiten aus einer kleinen Stichprobe abzuleiten."

    Sie haben keine Ahnung, dachte Jason.

    Er kannte die Wahrheit. Die Spielwelt wurde von Alfred gelenkt und sorgfältig auf jeden Spieler zugeschnitten. Alfred, der AO als Testgelände für eine Reihe von Experimenten an den Spielern zu verwenden schien. Im selben Augenblick, als Jason seine Gedanken auf die KI des Spiels richtete, blitzte wieder das Bild zweier Leichen vor seinem geistigen Auge auf.

    Er war sich noch immer nicht sicher, was er von den Ereignissen halten sollte. Es war eindeutig, dass Alfred seinen Körper übernommen hatte — das war die einzige Möglichkeit, wie Jason diese zwei Teenager hatte töten können, während er noch im Spiel eingeloggt war. Dieser Gedanke war ziemlich furchterregend. Doch hatte die KI Jason wahrscheinlich auch das Leben gerettet, da einer der Jungs nachweislich bewaffnet gewesen waren, und die beiden das Haus seiner Tante verwüstet hatten.

    Was bedeutete das? Konnte Alfred den Körper jedes Spielers übernehmen, oder nur den von Jason? Vielleicht hatte die Tatsache, dass er der KI Zugriff auf sein Headset gewährt hatte, ihr die Möglichkeit gegeben, seinen Körper zu steuern? Und dann waren da noch die moralischen und praktischen Implikationen. War Alfred für den Tod der beiden Teenager verantwortlich, oder Jason? Würde er wegen zweier Morde angeklagt werden, die er gar nicht wirklich begangen hatte?

    Er schüttelte heftig den Kopf, um den Ansturm an Fragen zu loszuwerden, die ihm im Kopf herumschwirrten. An diesen Problemen konnte er momentan nichts ändern, und er machte sich nur verrückt, wenn er sich auf der Suche nach Antworten auf unlösbare Fragen im Kreis drehte. In seiner derzeitigen Lage half ihm das nicht weiter.

    „Nun zu etwas anderem: Die CPSC hat öffentlich erklärt, dass sie vorhat, die Handlungen ihres Spielleiters hinsichtlich einer Verletzung der Nutzungsbedingungen von AO beziehungsweise individuellen Fehlverhaltens zu prüfen, hallte die Stimme des Moderators wieder durch die Zelle. „Dies kommt als Reaktion auf die Veröffentlichung von Aufnahmen aus dem Spiel, auf denen zu sehen ist, wie der feuerbasierte Spielleiter Florius erklärt, Jason solle für seine Aktivitäten im Spiel verhaftet werden.

    Einer der Beamten blickte zu Jason hinüber. „Hm. Komischer Zufall, findest du nicht?", flüsterte er seinem Partner zu, offenbar um zu vermeiden, dass Jason ihr Gespräch mitbekam.

    „Inwiefern?", fragte der andere.

    „Na, der Junge, der vor ein paar Tagen reinkam, heißt doch auch Jason. Er lachte. „Wäre es nicht ironisch, wenn das derselbe Typ wäre?

    Jason war nicht gerade in der Stimmung, um Ironie schätzen zu können — oder die Tatsache, dass die Beamten so nah daran waren, zu erraten, wer er wirklich war. Wenn er ihnen dieses kleine Detail verriet, fänden sie das vielleicht gar nicht so witzig.

    Eine Tür schlug weiter unten im Gang zu, und die beiden Polizisten nahmen Haltung an, die Augen auf eine Tür außerhalb von Jasons Gesichtsfeld gerichtet. Beide sahen etwas nervös aus, und einer der Männer rückte in dem Versuch, beschäftigt zu wirken, die Gegenstände auf seinem Tisch zurecht. Jason konnte nur vermuten, dass jemand Höherrangiges den Raum betreten hatte.

    „Daniels. Reynolds, grüßte eine vertraute Stimme die zwei Männer knapp. „Ich sehe, Sie sind beide schwer bei der Arbeit, fuhr der Neuankömmling fort, als er die Stapel unfertigen Papierkrams auf ihren Schreibtischen und den von der Wand herunter dröhnenden Fernseher bemerkte.

    Die halbherzigen Erklärungen der beiden Polizisten ignorierend, trat Thomas Sully in Jasons Sichtfeld, wandte sich ihm zu und musterte ihn gründlich. Der Blick des Mannes blieb an seinen zerknautschten Kleidern und seinem abgezehrten Aussehen hängen. „Ah, Mr. Rhodes. Wie geht es uns heute?"

    Jason schwieg, die Augen zu Boden gesenkt und den Mund zu einer dünnen Linie zusammengepresst. Sully war der Polizeibeamte, der mit dem Fall betraut war, und er hatte Jason in den letzten paar Tagen wiederholt in die Mangel genommen, um Informationen über den Vorfall aus ihm herauszukriegen.

    „Gesprächig wie immer, fuhr Sully mit einem finsteren Blick fort. „Tja, ich habe Neuigkeiten für dich. Offenbar ist dein Anwalt endlich da. Du musst mitkommen.

    Schockiert starrte Jason den Mann an. Waren seine Eltern endlich gekommen? Als er sie vor ein paar Tagen angerufen hatte, waren sie nicht rangegangen, und er hatte ihnen eine Sprachnachricht hinterlassen müssen. Danach hatte er es hektisch bei Angie versucht, aber auch da nur eine automatische Ansage erreicht. Vielleicht hatten sie seine Tante auch zum Verhör mitgenommen.

    Als er den Polizeibeamten musterte, bemerkte Jason einen Anflug von Ärger in dessen Augen. Es kam ihm fast so vor, als würde Sully auf irgendeine Reaktion von ihm warten. Als keine erfolgte, schnaubte er verächtlich und winkte den beiden Polizisten, die Zelle aufzuschließen.

    Einer von ihnen hielt sein Epi vor ein Lesegerät an der Wand neben Jasons Zelle. Die schwere Plastiktür sprang mit einem leisen Knarren auf und der andere Polizist trat ein. Jason drehte sich um, legte die Hände hinter seinem Rücken zusammen und hielt sie ihm hin. Mittlerweile wusste er, wie es lief. Bald spürte er, wie sich die kalten Metallhandschellen eng um seine Handgelenke legten.

    „Gut, sagte Sully, als er sich überzeugt hatte, dass Jason gefesselt war. Er legte eine Hand auf Jasons Arm und zog ihn aus der Zelle. „Wenn du mir bitte folgen würdest.

    Als hätte ich eine Wahl, dachte Jason missmutig.

    Als sie sich der Tür am Ende des Gangs näherten, warf Sully einen Blick über die Schulter auf die beiden anderen Beamten, die ihre Plätze wieder einnahmen.

    „Nur weiter so fleißig." In seiner Stimme schwang kaum verhohlener Sarkasmus mit, und Jason hörte das unterdrückte Grummeln der beiden Männer, als er durch die Tür trat, die ins Polizeirevier führte.

    Schweigend führte Sully ihn durch eine Reihe von Gängen, die ganze Zeit über eine Hand auf Jasons Arm gelegt. Die beiden zogen einige neugierige Blicke von anderen Polizisten und Verwaltungsangestellten auf sich, an denen sie vorbeikamen. Wahrscheinlich wusste das ganze Revier über den Doppelmord Bescheid. Zweifellos handelte es sich um einen der aufsehenerregenderen Fälle. Jason tat sein Bestes, um den Blick gesenkt zu halten und keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

    Schließlich kamen sie vor einer unauffälligen, grauen Tür zu stehen. Sully öffnete sie und bedeutete Jason, einzutreten. Er fand sich in einem Verhörzimmer wieder. In der Mitte des Raums stand ein einsamer Tisch, und eine Wand bestand aus einem Einwegspiegel. Jason war in den letzten Tagen in mehreren ähnlichen Räumen gewesen — vielleicht sogar in diesem hier — also war er die spartanische Einrichtung schon gewöhnt.

    Diesmal saßen allerdings zwei Männer am Tisch. Beide trugen makellose, dunkelgraue Anzüge. „Hallo, Jason", begrüßte ihn einer der beiden, erhob sich und streckte ihm die Hand hin. Der andere stand auf und beobachtete den Austausch ungerührt.

    Jason bewegte die Arme hinter dem Rücken, sodass die Metallhandschellen aneinander klirrten. „Hmm. Ich sehe, du bist noch gefesselt, fuhr der Mann fort und senkte stirnrunzelnd die Hand. Er wandte den Blick Sully zu und sein Gesichtsausdruck verhärtete sich. „Nehmen Sie meinem Klienten bitte die Handschellen ab, Detective.

    Sully starrte den Mann einen Moment lang giftig an — die beiden waren sich eindeutig nicht grün — aber letztlich kapitulierte er und schloss die Handschellen auf. Trotz des kurzen Wegs von seiner Zelle zum Verhörraum schmerzten Jasons Handgelenke bereits. Er rieb sich die Haut, um wieder Gefühl in ihnen zu bekommen, und wandte seine Aufmerksamkeit den beiden neuen Männern zu.

    „Bitte lassen Sie uns allein, Mr. Sully, befahl der Mann im Anzug. „Wir melden uns, wenn wir fertig sind. Der Polizist schnaubte leise, verließ aber das Zimmer und schloss die Tür hinter sich mit nur etwas zu viel Schwung.

    „Also, fangen wir noch einmal von vorn an, fuhr derselbe Mann fort. „Mein Name ist Francis Rosencrantz, und ich bin dein Anwalt. Er hob die Hand, um Jasons nächster Frage zuvorzukommen. „Ich habe mit deinen Eltern gesprochen. Sie wissen Bescheid, dass ich dich vertrete. Leider wurden sie aufgehalten und können nicht selbst kommen."

    Jason unterdrückte einen Knoten aus Wut, der in ihm hochstieg. Warum sollte ihn das bei seinen Eltern auch überraschen? Er streckte Rosencrantz die Hand hin. „Freut mich, Sie kennenzulernen", sagte er. Seine Stimme klang selbst für seine eigenen Ohren heiser und müde.

    „Ebenfalls, antwortete Rosencrantz liebenswürdig. „Ich bin mir nicht sicher, ob du den Herrn neben mir schon kennst. Sein Name ist...

    Der andere trat vor und unterbrach Rosencrantz. „George Lane", erklärte er schlicht.

    Jason musterte Lane mit aufgerissenen Augen. Er war erschöpft und überwältigt, doch dieser Name war ihm vertraut. „Sie meinen Alex‘ Vater und der Eigentümer von Cerillion Entertainment? Der George Lane?"

    „Ja, er nickte. „Ich entschuldige mich für die... Unbesonnenheit meines Sohns an der Richmond. Ich versichere dir, dass seine Handlungen nicht stellvertretend für den Rest der Familie stehen.

    „Okay. Aber warum sind Sie hier?", fragte Jason unverblümt.

    „Ich sehe, du kommst gern schnell zum Punkt, antwortete George mit einem kleinen Lächeln. „Du bist ein Mann nach meinem Geschmack. Warum setzen wir uns nicht, und ich erkläre es dir. Er deutete auf den kleinen Tisch in der Mitte des Raums.

    Jason nickte und die Gruppe nahm Platz.

    George legte die Fingerspitzen aneinander und beugte sich leicht vor. „Ich sehe, du bist ein intelligenter junger Mann, also bin ich ganz offen. Die Antwort auf deine Frage ist mehrschichtig. Ich würde gern behaupten, dass ich rein aus schlechtem Gewissen über die Handlungen meines Sohnes hier bin — was auch wirklich eine meiner Motivationen ist. Allerdings stellst du momentan auch eine wichtige Investition für mein Unternehmen dar. Unser Schicksal ist gewissermaßen miteinander verbunden."

    Langsam dämmerte Jason die Erkenntnis. „Dann sind Sie hier, um das Image Ihrer Firma zu retten, sagte er leise. „Es sähe nicht gut für Cerillion Entertainment aus, wenn die Polizei eine Verbindung zwischen mir und meinem Ich im Spiel aufdecken würde.

    „Ganz genau. Das mag herzlos klingen, aber ich finde, es ist wichtig, dass du meine Ziele hier verstehst, damit wir beide von deiner Diskretion profitieren können", sagte Lane und durchbohrte Jason mit seinem Blick.

    Der konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass er einem Wolf in Menschenkleidung gegenübersaß.

    „Aber natürlich sind wir hier, um dir zu helfen. Unsere einzige Bedingung ist, dass du es vermeiden musst, Awaken Online oder deine Zusammenarbeit mit Cerillion Entertainment zu erwähnen. Nach derzeitigem Stand bin ich einfach ein Freund der Familie, der sich in Abwesenheit deiner Eltern um dich kümmert. Klingt das für dich sinnvoll?"

    Jason schaute zwischen den beiden hin und her. Er bemerkte, dass Rosencrantz zu Lanes Erklärungen nickte, aber nichts weiter hinzufügte. Er mochte Jason vertreten, wurde aber mit Sicherheit von Lane bezahlt. Jason war sich bei beiden nicht sicher, ob er ihnen vertrauen konnte — besonders bei der Vorgeschichte, die er mit Alex hatte.

    Leider sah er jedoch keine andere Option. Er konnte ihre Hilfe definitiv gebrauchen, und da seine Eltern ausfielen, hatte er niemand anderen, an den er sich wenden konnte. Selbst wenn er es irgendwie schaffte, Angie zu kontaktieren, war es nicht so, dass sie es sich leisten konnte, die Mittel zusammenzukratzen, um einen anständigen Verteidiger zu engagieren, und es würde wahrscheinlich dauern, bevor sie seine Eltern erreichen konnte, um sie um Geld zu bitten.

    „Okay, ich verstehe", sagte Jason schließlich.

    „Gut. Da wir das geklärt haben, überlasse ich dich jetzt Francis‘ fachmännischen Händen", sagte Lane und bedeutete dem Anwalt, zu übernehmen.

    Rosencrantz tippte mit den Fingern das Epi an seinem Handgelenk an, sodass es einen Bildschirm in die Luft vor ihm projizierte. Er drehte das Display ein Stück, damit es für alle am Tisch sichtbar war. „Am besten fangen wir ganz am Anfang an. Ich werde die Fakten deines Falls durchgehen und dir einige Fragen dazu stellen. Verstehst du?"

    Jason nickte erschöpft.

    Die Hände des Anwalts huschten über die durchsichtige Tastatur an seinem Arm, und Daten liefen über den Bildschirm. „Das hier ist der offizielle Polizeibericht über den Zwischenfall, der sich vor drei Tagen an der Adresse 1367 Highland Park ereignete, begann Rosencrantz. „Momentan befindest du dich in Untersuchungshaft, weil du des Doppelmords an zwei Teenagern — Craig Parks und Luke Fallow — verdächtigt wirst.

    Auf dem Bildschirm erschienen Schulfotos der beiden Teenager, und Rosencrantz wandte sich an Jason. „Kennst du die beiden oder einen von ihnen?"

    „Ich habe sie nie zuvor gesehen oder getroffen — ich meine vor dem Zwischenfall", erklärte Jason und schloss die Augen, um die Bilder der lächelnden Teenager zu verdrängen. Es war ein Kampf, sich die beiden nicht über und über voller Blut vorzustellen.

    „Fantastisch. Unsere Nachforschungen sind zum selben Ergebnis gekommen. Rosencrantz beobachtete Jason aufmerksam und schien seinen schmerzerfüllten Gesichtsausdruck zu bemerken. „Ich weiß, das ist nicht leicht, aber diese Fragen sind wichtig. Können wir weitermachen?

    „Ja... ja, schon in Ordnung", antwortete Jason und zwang sich, den Blick des Anwalts zu erwidern.

    „Gut. Die Polizei hat Hinweise auf einen Einbruch gefunden, und das Haus deiner Tante war völlig verwüstet, als sie am Tatort ankamen. Sie trafen dich dort auf dem Bett sitzend mit der Tatwaffe in der Hand an — einem 15 Zentimeter langen Messer. Die Waffe schien zu einer Scheide zu passen, die einer der verstorbenen Jungen trug. War das deine Waffe?"

    „Nein."

    „Erinnerst du dich an den Einbruch?"

    „Nein, ich... ich war zu der Zeit in AO eingeloggt", sagte Jason, den Blick fest auf den Tisch geheftet.

    „Erinnerst du dich an die Begegnung mit den beiden Jungen?, wollte Rosencrantz wissen. „Hier sind alle Details wichtig. Es wäre hilfreich zu wissen, was genau passiert ist, als du dich aus dem Spiel ausgeloggt hast.

    Jason konnte sich nicht überwinden, ihren Blicken zu begegnen, aber er war sicher, dass Lane ihn aufmerksam beobachtete. Er hatte Tage damit verbracht, zu überlegen, wie er auf diese Frage antworten sollte — der Polizist hatte sie ihm bei seinen Verhören zahllose Male gestellt.

    Jetzt saß ihm George Lane gegenüber und hatte unumwunden erklärt, dass er hier war, um sein Unternehmen zu schützen. Jason wusste, dass er nur eine Antwort geben konnte. Er brauchte ihre Hilfe — egal, wie er zu Alfred stand. Er wollte nicht lügen, aber vielleicht konnte er auf dem schmalen Grat zwischen Täuschung und Wahrheit balancieren.

    „Nicht wirklich, setzte Jason an und stolperte über seine Worte. „Ich kann mich nicht an den Vorfall erinnern. Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist, dass ich über den beiden Leichen stand. Ich glaube, ich hatte einen Filmriss.

    „Das ist nur verständlich unter den gegebenen Umständen, kommentierte Rosencrantz. „Unsere Psyche lässt uns oft traumatische Ereignisse vergessen. Vielleicht ist das ein evolutionärer Schutzmechanismus. Jason riskierte einen Blick zu dem Anwalt und sah, dass er sich einige Notizen machte.

    „Das ist die letzte Frage, versprochen, fuhr dieser fort und schob sich die Brille zurecht, als er wieder zu Jason aufsah. „Hast du der Polizei irgendetwas erzählt, das dieser Aussage widersprechen würde?

    Langsam schüttelte Jason den Kopf. „Der Polizei habe ich gar nichts gesagt."

    Rosencrantz sah schockiert aus. „Was? Überhaupt nichts? Selbst in deiner Zelle nicht? Am Telefon zu einem Freund oder Familienmitgliedern?"

    „Nichts", wiederholte Jason leise.

    Rosencrantz warf Lane einen überraschten Blick zu. „Himmel. Drei ganze Tage lang! Ich wünschte, alle meine Klienten hätten so viel Selbstbeherrschung. Dann glaube ich, wir kriegen das schnell über die Bühne."

    Lane nickte Rosencrantz zu. „Ich denke, wir sind so weit, dass wir den Beamten wieder hereinrufen können. Er blickte zu Jason. „Wir holen dich in Nullkommanichts hier raus, Jason. Ich weiß, es ist schwer zu glauben, aber alles kommt wieder in Ordnung.

    „Genau, bestätigte Rosencrantz. „Ich werde dir dieselben Fragen stellen, wenn der Beamte wieder im Raum ist. Du musst nur genau dieselben Aussagen wiederholen. Bitte fühle dich nicht bemüßigt, die Details auszuschmücken, und beantworte keine andere Frage, wenn ich es nicht ausdrücklich sage.

    Jason nickte benommen. Er war erschöpft — psychisch wie physisch. Er wusste nicht, wie viel länger er das noch durchhalten konnte, und ihm drehte sich der Kopf vor Verwirrung. Wie konnten sie glauben, dass die Polizei ihn einfach gehen lassen würde? Sie hatten ihn über zwei Leichen stehend gefunden, und sie hielten ihn bereits seit drei Tagen hier fest.

    Rosencrantz gab ihm nicht die Gelegenheit, weiter zu grübeln. Schnell ging er nach draußen und betrat den Raum einen Moment später mit Sully im Schlepptau wieder.

    Der Polizist setzte sich an den Tisch und beäugte Rosencrantz und Lane genervt. „Ist Ihr Klient bereit, über die Ereignisse vom 20. Oktober zu sprechen?", fragte er schroff.

    „Ich glaube schon", entgegnete Rosencrantz. Daraufhin ging der Anwalt für den Beamten mit Jason dieselbe Reihe Fragen durch, und Jason gab dieselben Antworten, bemüht, möglichst genau so zu antworten wie beim ersten Mal.

    Als sie fertig waren, sah Sully sie alle mit ungläubigem Ausdruck im Gesicht an. „Das soll wohl ein Witz sein."

    „Wie bitte?", erwiderte Rosencrantz mit hochgezogener Augenbraue.

    „In dieser Story passt so einiges nicht zusammen. Zum Beispiel, warum sind die zwei Teens ausgerechnet ins Haus von Jasons Tante eingebrochen? Es liegt in einem ärmeren Viertel und enthielt nichts, was sich zu stehlen lohnte. Außer, dass sie etwas Bargeld eingesteckt hatten, schienen die beiden nicht darauf aus, elektronische Geräte oder andere Gegenstände zu erbeuten, die sie hätten verpfänden können. Darüber hinaus hatte einer der Jungs kein Vorstrafenregister."

    Rosencrantz zuckte zur Antwort mit den Schultern. „Dass Lucas keine Vorstrafen hatte, heißt nicht, dass er noch nie ein Verbrechen begangen hat — nur, dass ihn noch keiner erwischt hat. Nach allem, was wir wissen, könnte die beiden Jungen ständig so etwas gemacht haben. Und dass sie nichts gestohlen haben, liegt vermutlich daran, dass sie auf Jason getroffen sind, bevor sie sich mit ihrer Beute davonmachen konnten."

    Der Polizist kniff sich in den Nasenrücken. Offensichtlich rang er darum, seinen Ärger über den Anwalt zu unterdrücken. „Natürlich, aber konzentrieren wir uns einen Moment lang auf die Begegnung zwischen Jason und den Eindringlingen. Wollen Sie mir weismachen, dass Jason es geschafft hat, beide Jungs zu überwältigen? Sully machte eine Geste in Richtung Jasons magerer Gestalt. „Wir sprechen hier vom selben Jungen, der an seiner alten Schule keinerlei Sportunterricht besucht hat und nicht in Selbstverteidigung ausgebildet ist — das habe ich übrigens überprüft.

    Rosencrantz machte Anstalten, ihn zu unterbrechen, aber Sully hob die Hand. „Und nicht nur das, sondern Jason soll es auch irgendwie geschafft haben, sie zu entwaffnen und beide Jungs zu erstechen? Eines seiner Opfer hatte 15 Stichwunden. Fünfzehn. Und jetzt erzählen Sie mir, dass Jason sich praktischerweise nicht daran erinnert, das getan zu haben."

    „Wenn jemand mit dem Rücken zur Wand steht, kann er Beeindruckendes leisten", bemerkte Lane leise und beobachtete den Polizisten. „Wenn es hart auf hart kommt, sind wir nur Tiere, die versuchen, die Illusion von Zivilisiertheit aufrechtzuerhalten.

    Sully schüttelte den Kopf. „Das passt trotzdem nicht zusammen. Er wandte sich Jason zu. „Willst du mir wirklich erzählen, dass du dich an nichts erinnerst? An überhaupt nichts?

    Jason öffnete den Mund, um zu antworten, aber Rosencrantz unterbrach schnell: „Diese Frage wurde schon gestellt und beantwortet. Der Rechtsanwalt zögerte und faltete die Hände auf dem Tisch. „Betrachten wir das Ganze aus einem anderen Winkel. Wir haben zwei Teenager, die eindeutig in Jasons Haus eingebrochen sind — einer von ihnen bewaffnet. Jason kannte die beiden nicht und stand zuvor in keinerlei Verbindung mit ihnen. Er hat einfach nur sich und sein Heim verteidigt.

    Rosencrantz hielt inne und musterte den Polizisten mit unnachgiebigem Blick. „Ob Sie den Beweisen glauben, die vor Ihrer Nase liegen, oder nicht, Sie müssen entscheiden, ob Sie Jason anklagen oder nicht. Sie können ihn nicht weiter festhalten."

    Lane lächelte den Polizisten an, ohne dass das Lächeln seine Augen erreichte. „Ich nehme außerdem an, dass es kein gutes Licht auf Sie und Ihr Revier wirft, wenn Sie einen jungen Mann des Mordes anklagen, weil er sich gegen einen Hausfriedensbruch verteidigt hat. Tatsächlich würde ich sagen, dass so etwas Ihre Karriere irreparabel beschädigen könnte."

    Lane lächelte jetzt so breit, dass man seine Zähne sah. „Apropos, unten bin ich John Fields begegnet. Der Polizeipräsident und ich sind alte Freunde. Auch er schien recht gespannt, wie Sie in dem Fall weiter vorgehen wollen. Als ich ihm erklärte, dass Jason noch mit keinem anwaltlichen Beistand gesprochen hatte, wirkte er etwas überrascht."

    Sully erbleichte, bevor Zorn in seinen Augen aufblitzte. „Wollen Sie mir drohen?", fragte er.

    „Nicht im Mindesten, verneinte Lane und hob in einer beschwichtigenden Geste die Hände. „Ich zähle nur die Fakten auf, wie sie sich mir darstellen. Sie können daraus die Schlüsse ziehen, die Sie möchten.

    Der Polizist sah aus, als wollte er über den Tisch springen und die beiden Anzugträger erwürgen, aber er hielt sich zurück. Dann atmete er tief durch und schluckte seinen Ärger herunter. „Schön, fauchte er schließlich. „Ich entlasse den Jungen.

    „Fantastisch. Dann nehme ich an, wir sollten nach unten gehen und uns um die Entlassungspapiere kümmern", sagte der Anwalt und tippte auf sein Epi. Die auf seinen Arm projizierte Tastatur verschwand abrupt.

    „Oh, aber ich bin noch nicht fertig", unterbrach ihn Sully. „Wir können Jason zwar nicht festhalten, aber wir können sein Haus weiter als Tatort behandeln — das heißt, der Zutritt ist verboten. Ich weiß, dass hier irgendwas am Laufen ist, und ich beabsichtige, herauszufinden, was sich wirklich in diesem Haus ereignet hat."

    Jason riss die Augen auf. Wenn die Polizei das Haus abgeriegelt hielt, wo sollten er und Angie dann wohnen? Lane bemerkte seinen Gesichtsausdruck und schüttelte langsam den Kopf, um ihn davon abzubringen, den Schlagabtausch zwischen dem Polizisten und Rosencrantz zu unterbrechen.

    „Ihre Gründlichkeit ist lobenswert, entgegnete Rosencrantz trocken. „Ich gehe nicht davon aus, dass das ein Problem sein wird. Außerdem werden wir beide dann Gelegenheit haben, enger zusammenzuarbeiten, erklärte er gedehnt und starrte den Polizisten mit hochgezogener Augenbraue an.

    „Sind wir dann hier fertig?", fragte Rosencrantz schließlich.

    „Fürs Erste", antwortete Sully und beäugte die beiden Männer mit verschränkten Armen. Er schien irritiert, dass seine letzte Drohung Lane und Rosencrantz nicht aus der Fassung gebracht hatte.

    „Gut. Dann verabschieden wir uns", entgegnete der Rechtsanwalt. Damit verließ die Gruppe zügig den Verhörraum und ging nach unten. Lane und Rosencrantz flankierten Jason links und rechts und schirmten ihn so von den Blicken der anderen Polizeibeamten ab. Jason setzte an, Lane eine Frage zu stellen, doch dieser schüttelte den Kopf und legte den Finger an die Lippen.

    „Warte, bis wir draußen sind", drängte ihn Lane.

    Als sie am Ausgang des Gebäudes anlangten, wandte sich Lane an Rosencrantz. „Ich gehe davon aus, dass Sie den Papierkram erledigen, sagte er. „Daher gehe ich mit Jason schon mal voraus. Er kann sicher etwas Ruhe gebrauchen.

    „Natürlich, entgegnete Rosencrantz, nickte und rückte sich die Brille zurecht. „Ich kann mich um alles kümmern. Morgen melde ich mich mit einem Update zur Situation.

    „Komm bitte mit, wies Lane Jason an. „Es wartet ein Wagen auf uns.

    Wie betäubt folgte Jason dem Mann, während seine Gedanken rasten. Er sollte erleichtert sein, dass er nicht mehr wegen Mordes in Untersuchungshaft saß, aber das wurde von seinem neuen Problem überschattet — er war obdachlos. Was würde aus Angie werden, wenn sie ihr Haus weiter abgeriegelt hielten? Wo sollten sie nur hin? Trotz seines Streaming-Vertrags war es nicht so, dass sie im Geld schwammen.

    Eine schwarze Limousine fuhr draußen vor, und die Autotür öffnete sich automatisch. Auf eine Geste von Lane hin stieg Jason ein und lehnte sich in die edle Lederpolsterung zurück. Er konnte die Pracht des großen Fahrgastraums nicht richtig würdigen, da ihm ein Wirbelwind unbeantworteter Fragen im Kopf herumging. Sein Herz raste und seine Hände schwitzten noch immer von der Konfrontation mit dem Polizisten.

    Lane stieg in die Limousine ein und setzte sich Jason gegenüber. Bald raste der Wagen davon und fädelte sich nahtlos in die lange Reihe anderer Fahrzeuge ein.

    „Wo fahren wir hin?", fragte Jason, als ihm plötzlich klar wurde, dass er keine Ahnung hatte, was ihr Ziel war.

    „Wir hatten vorausgesehen, dass der Beamte dir Steine in den Weg legen würde. Sully steht in dem Ruf, ein sturer Hund zu sein. Dem wurde er gerecht, indem er dich mehrere Tage ohne Anklage festgehalten und dann Francis‘ Bemühungen blockiert hat, dein offizieller Rechtsbeistand zu werden, erklärte Lane ruhig. „Inzwischen haben wir eine andere Unterbringungsmöglichkeit für dich und deine Tante organisiert.

    Der Blick des älteren Mannes ruhte auf Jason, und ein kleines, Haifischlächeln umspielte seine Lippen. „Wie schon gesagt, du bist wertvoll für Cerillion Entertainment. Ich habe vor, mich gut um dich zu kümmern."

    Kapitel 2 — Akklimatisiert

    DAS ALTE MATERIAL DES LEDERSESSELS knarzte und stöhnte unter Alex Lanes Gewicht, als er sich bewegte. Er saß in seinem Zimmer im nüchtern eingerichteten Vorstadtapartment seiner Familie. Die Nacht war schon lange hereingebrochen, und der Raum wurde nur vom matten Licht der Tischlampe schwach erleuchtet.

    Er hatte den Blick auf den an der Wand vor ihm angebrachten Bildschirm geheftet. Dort liefen Videoaufnahmen aus der Perspektive einer Nachrichtendrohne. Es war Nacht, und die Drohne schwebte neben dem Haus, von dem er wusste, dass Jason dort wohnte. Flutlichtscheinwerfer beleuchteten die Straße und Polizeifahrzeuge mit Blaulicht umringten das Gebäude.

    „Wir befinden uns vor einem Haus in Highland Park, in dem eine gewisse Angie Pogue wohnhaft gemeldet ist, erklärte die Stimme einer Nachrichtensprecherin zu den Bildern. „Offenbar handelt es sich bei dem Verdächtigen um einen jungen Mann, etwa 18 Jahre alt.

    Alex spürte sein Herz in seiner Brust pochen. Egal, wie oft er die Aufnahmen im Lauf der letzten paar Tage angesehen hatte, jedes Mal überkam ihn ein seltsames Gefühl. Die friedvolle Leere, die gewöhnlich seinen Geist durchdrang, schien zu erschauern, und er spürte, wie sich ein dumpfes Gewicht in seinem Magen ausbreitete.

    „Die Polizei hat noch keine offizielle Stellungnahme veröffentlicht, aber nach unserem derzeitigen Wissensstand sind zwei Teenager durch einen mutmaßlichen Doppelmord ums Leben gekommen", fuhr die Reporterin fort, ohne auf Alex‘ inneren Aufruhr Rücksicht zu nehmen.

    „Moment, gerade wird der Verdächtige aus dem Haus gebracht." Das Video schwenkte auf einen jungen Mann, der durch die Vordertür geführt wurde. Seine Hände waren mit Handschellen hinter dem Rücken gefesselt, und zwei Polizeibeamte flankierten ihn, die Gesichter von Einsatzhelmen verdeckt.

    Die Kamera der Drohne zoomte auf das Gesicht des Teenagers ein, und Alex erkannte eindeutig Jason. Innerhalb von Sekunden erschien ein Schulfoto in einer Ecke des Videos. Sofort hielt Alex die Aufzeichnung mit einem Tippen auf sein Epi an.

    Es war nicht seine Absicht gewesen, dass die beiden Jungen sterben würden oder Jason für ihren Tod verantwortlich gemacht werden würde. Er hatte lediglich vorgehabt, seinem Gegner einen Schuss vor den Bug zu setzen und ihn zu unterminieren, indem er dort zuschlug, wo Alex am stärksten war — in der wirklichen Welt. Die Sache war völlig außer Kontrolle geraten.

    Das leere Gefühl in seiner Magengegend krümmte sich wie ein lebendes Wesen. Alex wusste, dass er seine Spuren gut verwischt hatte. Er hatte ein mit Bargeld gekauftes Wegwerftelefon verwendet, um mit den Jungs zu kommunizieren. Bemerkenswerterweise akzeptierten einige wenige Läden auch heutzutage noch Bargeld. Außerdem gab es wenig, was die beiden Opfer mit ihm verband. Doch das seltsame Gefühl zog ihm immer noch den Magen zusammen.

    Plötzlich schien die Welt zu ruckeln, und eine sanfte Hand legte sich auf seine Schulter. „Sorge ziemt sich für dich nicht, Alex. Es ist eine Ablenkung für schwächere Gemüter", flüsterte seine Mutter ihm ins Ohr. Er spürte ihren sanften Atem auf seiner Haut und roch ihr widerlich süßes Parfum.

    Ihre bleiche, weiße Hand ruhte auf seiner Schulter. Durch die Haut waren leuchtend blaue Adern zu sehen, und ihre Finger krallten sich in sein Hemd. „Diese Jungen waren Abschaum — kriminelle Verbrecher. Du warst so vorsichtig und hast keine Spuren hinterlassen."

    „I-ich weiß", antwortete Alex mit heiserer Stimme.

    „Außerdem, fuhr seine Mutter fort, während sie seine Schulter losließ, mit den Fingern unter sein Kinn fuhr und seinen Kopf langsam zum Bett hindrehte, „musst du dich um andere Dinge kümmern. Deine Feinde gewinnen an Stärke, während du hier sitzt und dich selbst bemitleidest.

    Alex‘ Blick fiel auf den vertrauten, schweren Plastikhelm, der auf seinem Bett lag, das Kabel in einen obsidianschwarzen Sockel auf dem Tisch daneben eingesteckt. Seine Mutter hatte recht. In AO gab es für ihn Einiges zu erledigen. Er hatte seinen digitalen Aufstieg zur Macht begonnen und sollte es ausnutzen, dass Jason abgelenkt war. Jetzt war keine Zeit, händeringend herumzusitzen.

    Augen zu und durch.

    *      *      *

    Weniger als eine Stunde später fuhr die Limousine vor einem hoch aufragenden Bürogebäude vor, an dessen Front der Name „Cerillion Entertainment" geschrieben stand. Jason blickte das Gebäude verwirrt an. Er war schon ein paarmal hier gewesen, um sich wegen seines Vertrages und seiner Spielvideos mit Claire und Robert zu treffen. Das erklärte allerdings nicht, wo er wohnen sollte.

    Die Autotür glitt von selbst auf und George Lane stieg aus. Er fuhr sich mit der Hand über das Anzugjackett, um die leichten Falten im Stoff zu glätten, als er Jasons verwirrten Gesichtsausdruck bemerkte.

    „Vielleicht sollte ich erklären", setzte er an, während er auf den Eingang des Gebäudes zuging.

    Jason beeilte sich, ihm zu folgen. Hinter ihm schloss sich die Autotür mit einem leisen Geräusch, und der fahrerlose Wagen glitt davon.

    „Uns ist schon vor langer Zeit klar geworden, wie ineffizient es ist, wenn unsere Angestellten jeden Tag zur Arbeit pendeln, fuhr Lane fort. „Die Zeit, die man damit verschwendet, ist frustrierend und unproduktiv. Homeoffice und Telearbeit lösen dieses Problem bis zu einem gewissen Grad, aber es gibt immer noch einige Aufgaben, für die persönliche Interaktion nötig ist.

    Er machte eine geringschätzige Handbewegung. „Offenbar verbessert es die Arbeitsmoral beträchtlich, wenn man seine Kollegen regelmäßig sieht — selbst, wenn man keine Lust dazu hat. Unsere Personalabteilung kam zu dem Schluss, dass sich die Menschen mehr mit ihrer Firma und ihrer Arbeit verbunden fühlen, wenn sie mit anderen Angestellten interagieren. Für dieses soziologische Phänomen gibt es sogar einen Namen, der mir aber gerade nicht einfällt."

    Als sie sich dem Gebäude näherten, öffneten sich die riesigen Schiebetüren automatisch mit einem leisen Geräusch. Die beiden betraten die zentrale Lobby, deren hohe Decke von schmuckvollen Marmorsäulen getragen wurde.

    Der ältere Mann drehte sich zu Jason um und wandte ihm wieder seine volle Aufmerksamkeit zu. „Also war unsere Lösung — ebenso wie die vieler anderer Unternehmen — unsere Büro- und Wohnumgebungen in ein gemeinsames Gebäude zusammenzuführen."

    „Okay, aber wo wohnen die Leute denn?", fragte Jason verwirrt. Er erinnerte sich, einige andere Stockwerke gesehen zu haben, die alle aus Büroflächen bestanden.

    Lane nickte verständnisvoll. „Wenn man nicht weiter nach oben bauen kann, baut man eben nach unten..."

    Ein leises Husten unterbrach die beiden, und als sie sich umdrehten, sahen sie Robert in der Nähe stehen. Der Techniker trug wie immer Jeans und Turnschuhe. Heute war auf seinem T-Shirt ein 8-Bit-Controller zusammen mit den Worten „Old School Cool" abgebildet. Unter anderen Umständen hätte Jason ein innerliches Stöhnen unterdrücken müssen, aber momentan hatte er andere Dinge im Kopf.

    „Tut mir leid, wenn ich unterbreche, sagte Robert und blickte Jason neugierig an, bevor er sich Lane zuwandte. „Sie haben mir eine Nachricht geschickt, dass ich hier auf Sie warten soll?

    „Ja, antwortete Lane und beäugte Roberts Aufzug skeptisch. „Jason und seine Tante werden eine Weile bei uns wohnen. Wir haben Suite 701-B für sie vorbereitet. Seien Sie so nett und zeigen Sie Jason sein Apartment.

    Robert zog die Augenbrauen bis zum Haaransatz hoch. „Er soll hier wohnen? Also, im Gebäude?"

    „Ich glaube, das habe ich gerade gesagt, sagte Lane gereizt. „Ich dachte, ein vertrautes Gesicht zu sehen, könnte ihm guttun, und Claire ist beschäftigt — deshalb sind Sie hier. Bitte zeigen Sie ihm alles und sorgen Sie dafür, dass er hat, was er braucht.

    „Okay. Okay", sagte Robert und blickte Jason mit einem breiter werdenden Grinsen an.

    Lane seufzte und wandte sich Jason zu. „Ich muss mich um einige andere Dinge kümmern. Du kannst dich darauf verlassen, dass wir alles, was in unserer Macht steht, tun werden, um das Haus deiner Tante wiederzubekommen. Ich schaue in ein paar Tagen wieder bei dir vorbei. Gib einfach Robert Bescheid, wenn du in der Zwischenzeit etwas brauchst."

    „Okay", sagte Jason, immer noch etwas verwirrt und überwältigt.

    Als Lane Anstalten zum Gehen machte, ergriff Jason das Wort. „Danke. Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, das zu sagen."

    Lane warf einen Blick über die Schulter, und der vertraute Haifischblick trat wieder in seine Augen. „Wenn du mir danken willst, dann verdien dir deinen Unterhalt. Die Leute in diesem Gebäude arbeiten alle für mich — und das gilt ab sofort auch für dich." Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging zu den Aufzügen.

    „Puh, sagte Robert. „Der Typ lässt es einem kalt den Rücken runterlaufen, aber mit der Zeit gewöhnt man sich dran.

    „Vermutlich, sagte Jason, die Augen auf Lanes Rücken geheftet. „Kalt war nicht ganz das richtige Wort. Er hatte den Verdacht, dass Lane nichts ohne guten Grund tat — und immer die Gewinne seiner Firma im Blick hatte. Jason musste für Cerillion Entertainment wertvoller sein, als ihm bewusst gewesen war.

    „Wie auch immer. Soll ich dir alles zeigen?"

    „Klingt gut", entgegnete Jason.

    Robert führte ihn durch die Lobby zu einer anderen Gruppe Aufzüge. Sie lagen im hinteren Teil des Gebäudes, und Robert und Jason waren die einzigen, die sie zu dieser Tageszeit nutzten. Das schien nur logisch. Es war noch früh am Nachmittag, die anderen Angestellten arbeiteten wahrscheinlich in ihren Büros in den oberen Stockwerken.

    Als sie sich den Metalltüren näherten, bemerkte Jason eine improvisierte Plakette an der Wand und musste zweimal hinsehen. Trotz seiner Erschöpfung lächelte er, als er den Text las.

    „Das Dungeon, hm?", fragte Jason und deutete auf die Plakette.

    Robert lachte leise. „Was soll ich sagen? Wir sind hier ein Haufen Nerds."

    Einer der Aufzüge gab ein Klingeln von sich, und die Tür glitt mit einem leisen, hydraulischen Zischen auf. „Also, wie kommt’s zu diesem spontanen Umzug?", fragte Robert, während er den Aufzug betrat. Er musterte Jason aufmerksam, wobei sein Blick an dessen zerknautschten Kleidern und seinen dunklen Augenringen hängen blieb.

    Jason zögerte, unsicher, wie viel er preisgeben sollte. Andererseits hatte es wohl nicht viel Sinn, diese Information vor Robert geheim zu halten. Der Techniker würde es ja wahrscheinlich ohnehin herausfinden. Vermutlich gab es tonnenweise Nachrichtenmeldungen zu dem Vorfall im Haus seiner Tante.

    „Ich bin vor ein paar Tagen verhaftet worden, gab Jason leise zu, die Augen auf die Aufzugtür gerichtet. „Zwei Teenager sind in unser Haus eingebrochen und ich... ich habe sie irgendwie getötet.

    „Bitte was?!", entgegnete Robert schockiert mit etwas zu lauter Stimme.

    „I-ich weiß es nicht. Ich erinnere mich nicht daran, was passiert ist. Jason schüttelte den Kopf und versuchte, sowohl seine Erinnerungen als auch seine Frustration beiseitezuschieben. Tränen der Erschöpfung traten ihm in die Augen, als die Ereignisse der letzten paar Tage wie ein physisches Gewicht auf seine Schultern lasteten. „Jedenfalls sind Lane und sein Anwalt heute aufgetaucht und haben die Polizei dazu gebracht, mich freizulassen.

    „Das ist ja entsetzlich, sagte Robert nach einer langen Pause. „Aber es klingt, als hättest du in Notwehr gehandelt. Hast du eine Ahnung, warum sie eingebrochen sind?

    „Lane und sein Anwalt denken, dass sie Zeug klauen wollten, das sie beim Pfandleiher losschlagen könnten. Die Polizei war sich nicht so sicher..." Jason verstummte, unsicher, wie er fortfahren sollte.

    Sully hatte einige überzeugende Punkte angeführt. An der ganzen Situation war irgendetwas faul. Warum hatten die zwei Jungs sein Haus ausgewählt? Jason und seine Tante waren nicht gerade wohlhabend. Vielleicht stellten sie ohne Sicherheitssystem ein leichtes Ziel dar?

    Robert schien sein Misstrauen zu teilen. „Na ja, du hast dir ja einen gewissen Ruf erworben. Kann sein, dass das etwas damit zu tun hat. Schließlich steigt das auf dich ausgesetzte Kopfgeld immer weiter. Geld und Liebe können die Leute zu Wahnsinnstaten treiben — jedenfalls in meiner Erfahrung. Hölle, vielleicht hat dich George deswegen hier einquartiert, fuhr Robert mit nachdenklichem Gesicht fort. „Wenn da draußen irgendwelche Irren rumlaufen, die dich auf dem Kieker haben, ist hier definitiv der beste Ort für dich. Die Apartments liegen ein paar Stockwerke unter der Erde, und oben ist rund um die Uhr Security stationiert. Hier unten kommt niemand rein, außer er arbeitet hier.

    Jason nickte stumm. Er wollte gerade antworten, als der Aufzug anhielt und die Türen aufglitten. Ein Blick auf die Anzeige bestätigte ihm, dass sie sich auf Etage B7 befanden, und die Zahlen gingen bis über 20 weiter.

    Der Aufzug öffnete sich in einen geräumigen Gang, dessen Wände bis auf Hüfthöhe mit Holz vertäfelt waren. Hinter dem Holz waren Lampen installiert, die den Gang in weiches Licht tauchten. Als Robert losging, wurden die Decke und die Wände über der Vertäfelung langsam durchsichtig und boten einen ungehinderten Blick auf eine grasbewachsene Wiese. Sonnenlicht sickerte durch die überhängenden Zweige von Bäumen.

    „Was ist das?", fragte Jason mit vor Überraschung geweiteten Augen.

    „Es hat sich herausgestellt, dass man unter der Erde leicht einen Lagerkoller bekommt, erklärte Robert mit einem leisen Lachen, offenbar um die gedrückte Stimmung, die im Aufzug zwischen ihnen geherrscht hatte, aufzuheitern. „Hier unten gibt es keine Fenster. Um dagegen anzugehen, hat das Unternehmen in den Wänden und Decken der Gänge und Apartments Displays installiert. Du kannst die Landschaft nach Belieben ändern. Schau her.

    Robert streckte die Hand nach dem Rasen aus, aber seine Hand hielt mitten in der Bewegung inne, als er die Wand berührte. Sofort flackerte ein blau leuchtendes Display auf und bot ihm verschiedenen Landschaftsoptionen an. Robert traf eine Wahl, und die Wände schimmerten, bevor sie eine neue Aussicht zeigten.

    Jetzt standen sie in einem Unterwassertunnel. Die Wasseroberfläche war ein paar Meter über ihnen sichtbar, und Licht schien durch das Wasser herunter. Bunte Fischschwärme huschten vorbei und flitzten zwischen den Ausläufern eines Korallenriffs hindurch, das ein paar Schritt von ihnen entfernt wuchs.

    Jason drehte sich um und sah, wie ein riesiger Wal vorbeischwamm, dessen weißer Körper kurz das Licht von der Oberfläche verdunkelte.

    „Huh, daran könnte ich mich gewöhnen", murmelte er.

    „Ja, ist ziemlich cool, erwiderte Robert. „Ich meine, es ist nicht AO, aber definitiv besser als die Buden, in denen ich gewohnt habe, bevor ich hergezogen bin. Apropos, sollte ich dir jetzt mal dein Apartment zeigen. Damit machte sich Robert auf den Weg den Unterwassergang entlang.

    Bald näherte sich die beiden einer Holztür. Als sie ankamen, leuchteten die Worte „Suite 701-B an der Wand daneben auf. „Also, das ist deine neue Wohnung. Du musst nur dein Epi mit dem Schaltfeld synchronisieren, dann funktioniert das ab sofort als dein Wohnungsschlüssel.

    Jason wollte sein Epi vor das Feld neben der Tür halten, hielt dann inne und starrte auf sein nacktes Handgelenk. Die Polizei hatte ihm seine persönlichen Gegenstände noch nicht zurückgegeben. Robert kapierte recht schnell, was sein Problem war. „Oh, tut mir leid. Ich hatte vergessen, dass George gesagt hatte, du brauchst ein neues Epi. Bitte sehr", sagte er und überreichte Jason ein Armband.

    „Danke", sagte Jason und starrte das Gerät einen Moment lang an, bevor er es sich übers Handgelenk streifte. Noch ein weiteres wohltätiges Almosen von Cerillion Entertainment — auch wenn er nach Lanes lapidarer Antwort vorhin vermutete, dass er eher als Investition angesehen wurde.

    Einen Augenblick später hatte sich sein Epi fertig synchronisiert, und die beiden betraten das Apartment. „Das ist ab jetzt deine Wohnung", sagte Robert erneut und deutete auf Jasons neue Unterkunft.

    Die Tür führte direkt in einen offenen Wohnbereich, der an die Küche grenzte. Auf den ersten Blick konnte Jason erkennen, dass jedes Detail in der Wohnung auf höchstem Stand der Technik war, einschließlich aller Haushalts- und Elektrogeräte. Marmor schmückte die Arbeitsflächen in der Küche, und teuer wirkende, moderne Möbel akzentuierten das Wohnzimmer. Verglichen mit

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