Mobbing auf der Hundwiese: Freilaufbegegnungen einschätzen und entspannen
Von Katrin Andres
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Über dieses E-Book
So schützen Sie Ihren Hund, Täter oder Ofer von Mobbing zu werden
Erfahren Sie in diesem Buch, wie die Bedürfnisse Ihres Hundes Einfluss auf sein Verhalten nehmen und was Mobbing unter Hunden ausmacht. Neben Erklärungen und konkreten Beispielen finden sich hier Trainingsanleitungen, Übungen und Tipps, die helfen, Mobbing zu verhindern, abzubrechen und seine Folgen möglichst gut aufzufangen.
Die Autorin vermittelt, wie eine entspannte Begegnung unter Hunden von einer angespannten Begegnung und einer konkreten Mobbingsituation unterschieden werden kann. Dabei beleuchtet sie die Handlungen der drei verschiedenen Akteure auf der Hundewiese, die einen Einfluss auf Mobbing haben: Täter, Betroffene und die anwesenden Menschen. Ziel dieses Buches ist es, Sie als Bezugsperson zu befähigen, Ihren Hund im Alltag davor zu schützen, in einen negativen Mobbing-Kreislauf zu geraten, sei es als Opfer oder Täter. Bei Mobbing können alle Beteiligten nämlich nur eines: verlieren!
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Buchvorschau
Mobbing auf der Hundwiese - Katrin Andres
VORWORT
MOBBING: EIN KOMPLEXES SOZIALES UND SYSTEMISCHES PHÄNOMEN
Das Phänomen Mobbing hat in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend Beachtung gefunden. Im Fokus steht dabei meist menschliches Verhalten. Bekannt ist, dass Mobbing davon betroffene Personen auf vielzählige Weise kurz- und langfristig schädigt. Mobbingprävention ist deshalb ein zentrales Element an Schulen, aber auch in diversen weiteren Organisationen, von Firmen bis hin zu Gefängnissen.
Weit weniger bekannt ist aber, dass der Begriff Mobbing erstmals in Zusammenhang mit Tieren verwendet wurde. In den 1960er-Jahren beobachtete der Verhaltensforscher Konrad Lorenz eine Gruppe Gänse, die sich zusammenrottete und so gemeinsam einen Fuchs durch gezielte Angriffe vertrieb. Unter dem Begriff „Hassen" beschrieb er das Verhalten erstmals wissenschaftlich. Erst in den 1970er-Jahren wurde das Konzept zunehmend auch auf menschliches Verhalten übertragen.
Dieses Buch beleuchtet nun Mobbing unter Hunden. Es verbindet aktuelles Wissen zum canis lupus familiaris, dem Haushund, mit Wissen aus der Grundlagenforschung zu Mobbing, welches größtenteils durch die Beobachtung von menschlichem Verhalten entstanden ist. Wie wir sehen werden, sind Hund und Mensch beide bio-psycho-soziale Wesen, weshalb gewisse Erkenntnisse aus der menschlichen Forschung auch auf Mobbing unter Hunden übertragen werden können.
Ergänzend müssen soziale Phänomene wie Mobbing immer systemisch betrachtet werden, da sehr viele Faktoren auf diversen Ebenen einen Einfluss haben können. Berücksichtigt werden müssen aber auch artspezifische Aspekte des Hundes im Bereich der Bedürfnisse und des Verhaltens, die sich von menschlichen Bedürfnissen unterscheiden.
Das Buch ist folgendermaßen aufgebaut:
•Das erste Kapitel widmet sich dem Hund und seinen Bedürfnissen auf biologischer, psychologischer und sozialer Ebene. Es zeigt auf, welchen Einfluss diese Ebenen auf das Verhalten des Hundes haben, und macht deutlich, weshalb sie alle bei der Bearbeitung seines Verhaltens berücksichtigt werden müssen. Es wird erläutert, wie das bio-psycho-soziale Modell eingesetzt werden kann, um Phänomene wie Mobbing zu beschreiben und mit Hunden zu arbeiten.
Foto: privat
FÜR ELLY, DIE MUTIGSTE HÜNDIN,
DIE ICH KENNENLERNEN DURFTE!
Katrin Andres
•Das zweite Kapitel befasst sich mit Mobbing als soziales Phänomen. Grundlagenwissen zu hündischem Sozialverhalten sowie Mobbing unter Hunden werden hier zusammengefasst. Es wird zudem aufgezeigt, weshalb Mobbing kein einfacher Konflikt unter Hunden ist, sondern weit darüber hinaus geht.
•Das dritte Kapitel des Buches macht deutlich, wie eine entspannte Begegnung unter Hunden von einer angespannten Begegnung und einer konkreten Mobbingsituation unterschieden werden kann. Zudem finden sich dort Hilfestellungen, wie Hundebegegnungen bereits im Vorfeld oder bei auftretenden Konflikten entspannt werden können. Auch Tipps für Notfälle sind hier zu finden.
•Das vierte Kapitel befasst sich mit den verschiedenen Akteuren, die einen Einfluss auf Mobbing haben, den Tätern, Betroffenen und Bystandern. Neben Erklärungen für das Verhalten und konkreten Beispielen finden sich hier Trainingsanleitungen, Übungen und Tipps, die helfen, Mobbing zu verhindern, abzubrechen und die Folgen von Mobbing möglichst gut aufzufangen. Das Kapitel wird ergänzt durch Hinweise für die Prävention von Mobbing im Welpenalter. Zudem unterstützt es Begleitpersonen von Hunden darin, zielführend mit negativen Emotionen im Zusammenhang mit Hundebegegnungen umzugehen.
Ziel dieses Buches ist es, Sie als Bezugsperson eines Hundes so weit fachkundig zu machen, dass Sie Ihren Hund im Alltag davor schützen können, in den negativen Kreislauf eines Mobbings zu geraten, sei dies als Opfer oder Täter. Wie wir sehen werden, können nämlich bei Mobbing alle Beteiligten nur verlieren.
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre!
DER HUND: EIN BIO-PSYCHO-SOZIALES WESEN
Mobbing ist, wie wir im Verlauf des Buches sehen werden, ein sehr komplexes und vielschichtiges Phänomen. Zahlreiche Faktoren haben Einfluss darauf, ob sich eine Begegnung zwischen Hunden zu einer Mobbingsituation entwickelt. Ebenso komplex wie die Entstehung ist auch seine Wirkung. Entsprechend müssen auch Trainingsansätze, die Mobbing verhindern sollen, dieser Komplexität Rechnung tragen. Nun hilft es im Alltag meist ungemein, wenn man solche vielschichtigen Phänomene und Trainingsansätze immer aus demselben Blickwinkel betrachtet.
Ein Modell als Ausgangspunkt
Wenn wir im deutschsprachigen Raum von Temperaturen sprechen, so gehen wir im Allgemeinen davon aus, dass wir Grad Celsius (°C) meinen und nicht etwa Grad Fahrenheit (°F), wie dies im amerikanischen Raum üblich ist. Wir gehen also immer von demselben Bezugspunkt aus. Würden wir das nicht tun und stattdessen immer zwischen Fahrenheit und Celsius wechseln, so hätten wir große Probleme damit, uns über etwas so Alltägliches wie das Wetter sinnvoll zu unterhalten.
Genauso wie wir „Grad Celsius" als Ausgangspunkt für Temperaturen nehmen, nutzen wir in diesem Buch als Ausgangspunkt das Modell der bio-psycho-sozialen Grundbedürfnisse als Ausgangspunkt, um Mobbing als Phänomen, seine Wirkung und die Trainingsansätze, die dagegen angewandt werden, zu verstehen.
Das Modell hilft dabei, Einflussfaktoren unterschiedlicher Ebenen auf einen Blick zu erkennen. Da das Modell sowohl für die theoretischen Erklärungen und Betrachtungen zu Mobbing als auch für den praxisorientierten zweiten Teil die Basis bildet, werden wir in diesem Kapitel einen genaueren Blick darauf werfen. Nun gibt es im Bereich des Hundetrainings eine Vielzahl von Modellen und Theorien, die als Ausgangspunkt genutzt werden können. Hier wird das Modell der bio-psycho-sozialen Grundbedürfnisse angewendet, das ursprünglich aus den Sozialwissenschaften stammt. Es wurde von Werner Obrecht entwickelt, um menschliches Verhalten zu analysieren und zu erklären. Es kann aber, nach einigen Anpassungen, auch für die Analyse hündischen Verhaltens und das anschließende Training genutzt werden.
Das Modell der bio-psycho-sozialen Grundbedürfnisse, adaptiert auf den Haushund. (Quelle: K. Andres)
Biologische, psychologische und soziale Bedürfnisse
Nun werfen wir einen genaueren Blick auf die drei Ebenen des Modells der Grundbedürfnisse von Hunden.
Der Bereich der biologischen Bedürfnisse umfasst alle biologischen und chemischen Vorgänge im Körper des Hundes, also die körperliche Gesundheit sowie alle körperlichen Bedürfnisse. Neben dem Bedürfnis nach Nahrung, Flüssigkeit oder einer angenehmen Temperatur zählt hier beispielsweise auch das Bedürfnis nach Schlaf oder Schmerzfreiheit dazu.
Kann ein Modell aus der Sozialpsychologie auf Hunde übertragen werden?
Im Verlauf dieses Buches werden wir uns ab und an auf Theorien und Wissen zu Mobbing stützen, welches im Zusammenhang mit Mobbing unter Menschen gewonnen wurde. Mobbing als menschliches Verhalten ist gut erforscht, entsprechend viel Literatur findet sich dazu. Zu Mobbing unter Hunden wurde aber bisher nur wenig geforscht, weswegen es sich anbietet zu prüfen, ob gewisse Annahmen sich von Menschen auf Hunde übertragen lassen.
Tatsächlich sind sich Hund und Mensch in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich. Selbstverständlich bestehen zwischen beiden Spezies Unterschiede, sowohl im Verhalten als auch bei den Bedürfnissen. Dennoch sind es die Ähnlichkeiten, die das Zusammenleben von Hund und Mensch über Jahrhunderte zu einer Erfolgsgeschichte machten und noch immer machen:
UNSERE SPEZIES
HAT SO VIEL
MIT HUNDEN GEMEINSAM.
WENN SIE DAS BREITE
SPEKTRUM ALLEN TIERISCHEN
LEBENS VON KÄFERN BIS HIN
ZU BÄREN BETRACHTEN,
HABEN HUNDE UND MENSCHEN
MEHR GEMEINSAMKEITEN
ALS UNTERSCHIEDE.
Patricia B. McConnell
Foto: Shutterstock/VVV
Die Hirnstruktur von Hund und Mensch ist in ihren Grundzügen identisch. Reiz- und Emotionsverarbeitung geschieht durch dieselben biochemischen Prozesse. Beweise dieser Tatsache sind, neben dem identischen Vorgang des Lernens, die zahlreichen Techniken zur Stressreduktion und Angstbewältigung, die sowohl bei Menschen als auch bei Hunden Wirksamkeit bewiesen haben. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen auf, dass auch die Gedächtnisleistung von Hunden sehr ähnlich aufgebaut ist wie die von Menschen. Auf die Theorie der bio-psycho-sozialen Grundbedürfnisse trifft dies, wie wir im folgenden Kapitel sehen werden, tatsächlich zu. Hunde sind, genau wie Menschen, im Kern bio-psycho-soziale Wesen. Nur wenn sie ihre Bedürfnisse in all diesen drei Bereichen zumindest zu einem gewissen Teil befriedigen können, bleiben sie langfristig körperlich wie psychisch gesund.
Diese Ebene wird im Training von Hunden zumeist als Erstes berücksichtigt. Dies mag daran liegen, dass diese Bedürfnisse verhältnismäßig leicht von außen gemessen oder beobachtet und entsprechend einfach erforscht werden können. Auch wenn einige Hunde deutlich mehr Futter oder Wasser zu sich nehmen als andere, so lassen sich doch generelle Richtwerte aufstellen, wie viel ein Hund ungefähr trinken oder fressen sollte, um gesund zu bleiben.
Weniger klar ersichtlich, aber genauso wichtig ist die Ebene der psychologischen Bedürfnisse. Auf Hunde bezogen sind dies folgende:
•das Bedürfnis nach einer berechenbaren, als sicher empfundenen Umwelt,
•das Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit. Dieses Bedürfnis beschreibt einerseits das Wissen des Hundes darum, wie er sich verhalten muss, um negative Konsequenzen zu verhindern und seine Interessen durchzusetzen. Nach Erlangung dieses Wissens muss der Hund zudem auch in der Lage sein, sich entsprechend verhalten zu können, beispielsweise indem er über die nötige Impulskontrolle verfügt.
•das Bedürfnis nach Stimulation. Gemeint ist damit ein spannender Alltag, der dem Hund immer wieder verschiedene und neue Anregungen bietet, ihn jedoch nicht überfordert.
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