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Schlimmer geht immer: Ein Krimi mit action und Humor - die perfekte Mischung
Schlimmer geht immer: Ein Krimi mit action und Humor - die perfekte Mischung
Schlimmer geht immer: Ein Krimi mit action und Humor - die perfekte Mischung
eBook409 Seiten5 Stunden

Schlimmer geht immer: Ein Krimi mit action und Humor - die perfekte Mischung

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Über dieses E-Book

Lars ist Journalist und leidet unter Depressionen. Seine Frau hat ihn betrogen und verlassen, seinen Job ist er auch los, und überhaupt: Es ist alles ätzend. In einer Esoterik-Gemeinschaft, die sich "Töchter des Mondes" nennt, sucht er Hilfe für seine seelische Krise. Anfangs scheint die Gruppe ihm gutzutun, doch bald merkt Lars, dass er in eine gefährliche Sekte geraten ist. Außerdem sind die Mondtöchter in diverse illegale Geschäfte verstrickt. Als Lars den Machenschaften auf den Grund geht, gerät er zwischen die Fronten von Drogenhändlern, arabischen Clans, gewaltbereiten Amazonen und schließlich auch noch der Polizei. Sein Leben ist in Gefahr. Einzige Hilfe ist Sara, die ihre Mutter sucht, welche von den "Töchtern des Mondes" verschleppt wurde. Doch jedes Mal, wenn es scheint, als würde sich alles aufklären, müssen die beiden feststellen: "Schlimmer geht immer!"
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum24. Apr. 2024
ISBN9783384209061
Schlimmer geht immer: Ein Krimi mit action und Humor - die perfekte Mischung
Autor

Andreas Gaw

Andreas Gaw kommt aus dem beschaulichen Dörfchen Münchehof am Harzrand und schreibt Drehbücher, Sketche, Moderationen, Bücher, Gags, E-Mails, Briefe und Tagebuch. Er war unter anderem Headwriter der Sat1 „Wochenshow“ und der Comedy Show „Mensch Markus“, Gagwriter für Harald Schmidt, Chefautor von Marco Rima und entwickelte Anke Engelkes Erfolgsshow „Ladykracher“. Andreas Gaw lebt die meiste Zeit im elchigen Schweden und "weiß bescheid".

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    Buchvorschau

    Schlimmer geht immer - Andreas Gaw

    Prolog – Die 80er und was danach geschah…

    Vor einiger Zeit habe ich von meinem seltsamen Studentenleben in den verrückten 80ern erzählt. „Legalize Erdbeereis" war das Motto meiner Geschichte. Viel ist seitdem passiert.

    Ich war tatsächlich ein paar Jahre mit meiner großen Jugendliebe Anne zusammen. Wenn ich, was leider sehr selten vorkommt, in meine alte Studentenstadt zurückreise, gehe ich nach wie vor in den Stadtwald und suche die alte Eiche, in die wir damals ein Herz und die Worte „Anne und Lars forever eingeritzt hatten. Allen Befürchtungen Annes zum Trotz hat der Baum es überlebt. Unsere Liebe leider nicht. Anfangs hatten wir eine echt tolle Zeit des Verliebtseins. Unzertrennlich. Bonnie und Clyde, Romeo und Julia, Dick und Doof, wobei ich bei Letzterem beide Attribute für mich in Anspruch nehmen kann. Irgendwann verflogen dann die Schmetterlinge im Bauch. Anne hatte sich für einen Medizinstudienplatz beworben und wartete auf Zusage, während ich mich durch die Sozialwissenschaften kämpfte. Als die Uni in München sie für das Studium der Humanmedizin zuließ, zögerte sie auch nicht lange und zog nach Bayern. Echt ey. Bayern. Zu den Lederhosen. Okay… sie spielt kein Fußball, aber trotzdem kam mir sofort der alte Tote Hosen-Song in den Sinn: „Ich würde niemals zum FC Bayern München gehen! Egal. Aber ich konnte ihren Entschluss natürlich verstehen.

    Etwa ein Jahr lang führten wir eine Fernbeziehung. Zunächst besuchten wir uns im Wochenwechsel gegenseitig, doch als bei mir die Diplomprüfungen anstanden und auch Anne im Studium zunehmend Stress hatte, nahm die Frequenz der Besuche ab. Damals spürte ich schon, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein würde, bis unsere Beziehung in die Brüche gehen würde. Das ging dann allerdings doch schneller, als ich vermutete. Ein Verdacht, sie könne in München jemand anderen haben, lag in der Luft. Anne bestritt das, doch mein Bauchgefühl sagte mir das Gegenteil. Ich beschloss, ihr einen unangekündigten Besuch abzustatten. Also fuhr ich mit dem Zug nach Bayern, mein Auto war mal wieder in der Werkstatt – die goldene Zitrone - und ich quartierte mich in einer Jugendherberge in der Nähe des Olympiastadions ein. Anne wohnte nicht weit entfernt in einem Studentenwohnheim. Als ich sie abends überraschen wollte, marschierte ich genau in dem Moment um die Straßenecke, als ein dunkelblauer Mercedes vor dem Wohnheim hielt. Ein Mann im Anzug stieg aus, ging um den Wagen und öffnete die Beifahrertür. Old-school-Gentleman. Anne schwebte aus dem Auto direkt in seine Arme. Küssen, Knutschen, Tralala. Dann verschwand das Pärchen im Wohnheim. Ich schlich mich hinterher, lauschte an ihrer Tür und versuchte durch das Schlüsselloch zu schauen. Sehen konnte ich nichts, aber hören konnte ich das mir vertraute leise Stöhnen meiner Freundin. Okay. Alles klar. Mehr wollte ich nicht mitbekommen. Aber das hätte ich auch nicht, da mir der Hausmeister des Wohnheims in dem Moment einen heftigen Arschtritt verpasste, welcher mich bäuchlings auf das Linoleum des Flures knallen ließ.

    „Moach, des doa di rausscherst, du dreck'ger Perverser!", war seine Art, mir zu sagen, ich möge bitte das Gebäude verlassen.

    An einem Kiosk holte ich mir ein paar Dosen Bier und platzierte mich auf einer Parkbank in der Nähe, mit Blick auf Wohnheim und Mercedes. Zum Glück war es eine milde Herbstnacht, sodass ich nicht fror, selbst wenn ich ein paarmal kurz wegdöste. Ein Obdachloser namens Harry leistete mir kurz Gesellschaft und verschwand, nachdem er mir zwei Bier und einen Fünfer aus dem Kreuz geleiert hatte.

    Im Morgengrauen kam der Anzugträger aus dem Haus. Anne stand winkend am Fenster, als er wegfuhr. Kurz überlegte ich, sie zur Rede zu stellen, verwarf dann aber die Idee, als ich beim Aufstehen von der Parkbank das Gleichgewicht verlor. Schwerfällig quälte ich mich zur Jugendherberge und pennte den ganzen Tag.

    Am Abend begab ich mich wieder auf meinen Beobachtungsposten. Das gleiche Spiel wie am Vorabend. Wagen hält, der Kavalier öffnet die Tür, die Turteltauben begatten sich schon fast auf der Straße und verschwinden dann im Wohnheim. Ich hatte genug gesehen. Einem kurzen Impuls folgend ließ ich die Luft aus den Mercedesreifen, mehr aber auch nicht.

    Die Nacht verprasste ich Geld in Schwabing und am nächsten Tag fuhr ich heim. Einerseits war ich traurig, enttäuscht und niedergeschlagen, andererseits spürte ich in mir eine fast fatalistische Stimmung. Alles ist scheiße. Anne ist scheiße, die Welt ist scheiße, ich bin scheiße. Na und, dann ist es halt so. Tausend fixe Ideen, wie ich denn nun weiter taktisch vorgehen sollte, verwarf ich so schnell, wie sie in mir aufkeimten. Ich meldete mich nicht bei Anne, bis sie selbst zwei Tage später anrief.

    „Ich hab schon ein paarmal probiert, dich zu erreichen, polterte sie los. „Ich mach’ mir Sorgen. Wo warst du denn?

    Ich schwieg.

    „Lars!, ihr Ton wurde schärfer. „Lars, was ist los? Sag was? Wir müssen reden.

    Ja, dachte ich, das müssen wir. Und zwar darüber, dass du dich von einem bayerischen Schlipsträger durchvögeln lässt, während ich treudoof in der Provinz sitze.

    Aber das sagte ich nicht. Stattdessen:

    „Ja. Du hast recht. Wir müssen reden. Anne, ich habe da jemanden kennengelernt. Tut mir leid, aber ich habe mich verliebt."

    Schweigen.

    „Hallo…, sagte ich. „Hallo, bist du noch da?

    Anne schluchzte. Dann folgte eine Tirade von Vorwürfen, wie ich denn sowas tun könne, ob sie mir denn nichts mehr bedeuten würde, was für ein elendes Schwein ich sei, und noch weitere Vergleiche mit Tieren vom Bauernhof. Schließlich legte sie auf.

    Ich war fix und fertig. Da hatte ich doch wirklich die Schuld auf mich genommen. So etwas kann nur ein ausgemachter Volltrottel tun. Naja, das war ich dann wohl auch. Lars, der Idiot. Ich fand keine rationale Begründung für mein Handeln. Ich hatte es einfach so gesagt. Spontan und ohne nachzudenken. Ich glaube, ich habe Anne in dem Moment noch mehr geliebt, als je zuvor.

    Fast vier Wochen lang war Funkstille. Danach telefonierten wir noch ein paar Mal. Sachlich, nüchtern, ohne Emotionen. Wir schickten und gegenseitig unsere Sachen, die noch bei dem jeweils anderen in der Wohnung waren, zurück und versprachen uns, Freunde zu bleiben und den Kontakt nicht abreißen zu lassen. Leere Versprechen. Ich habe Anne seitdem nie wieder gesehen und auch nie wieder gesprochen. Bis heute weiß sie nicht, dass ich mir die Geschichte mit der neuen Freundin nur ausgedacht hatte.

    Die nächsten Jahre blieb ich Single. Ich machte mein Diplom und anschließend ein Volontariat bei einer kleinen Provinzzeitung. Dort lernte ich Marion kennen, eine Redakteurin im Politikressort. Sie war taff und selbstbewusst. Das gefiel mir. Ich war nach wie vor der Träumer. Das gefiel ihr. Wir heirateten. Ich bekam eine Festanstellung bei der Zeitung. Wir kauften ein kleines Häuschen am Stadtrand und bemerkten kaum, wie die Jahre vergingen. Als die Zeitung von einem größeren Verlag aufgekauft wurde, bekam ich das Angebot, für ein Reisemagazin dieser Verlagsgruppe zu arbeiten. Ein cooler Job. Man reist in der Weltgeschichte herum, schreibt auf, was man so sieht, und bekommt dafür auch noch Geld. Ich war viel unterwegs, lernte Spanisch, Französisch und sogar Schwedisch. Oft war ich bis zu vier Wochen am Stück auf Reisen. Eines Tages kam ich aus Südamerika zurück und hatte ein Dejà-Vu. Marion hatte eine Affäre mit einem Anzugträger, in diesem Fall ein BMW-Fahrer. Diesmal musste ich die Schuld nicht auf mich nehmen, denn sie kam mir zuvor und trennte sich von mir. Es folgte die Scheidung und am Ende behielt sie das Haus und ich stand mit ein paar tausend Mark auf dem Konto auf der Straße.

    Meinen Job wurde ich auch los, denn der Anzugträger war ein hohes Tier im Verlag, und selbstverständlich würde ich nicht mehr mit Marion in derselben Firma arbeiten können.

    Ein kompletter Neuanfang musste her. Also zog ich nach Berlin und bekam dort Depressionen.

    Als Deutschland am 4. Juli 2006 bei der Fußball-WM im Halbfinale gegen Italien ausschied, spielte ich mit dem Gedanken, mir das Leben zu nehmen. Allerdings nicht wegen des WM-Aus, sondern weil meine Panikattacken mir die Hölle auf Erden bescherten…

    Erstes Kapitel

    „Herr Schubert…, sagte die vollbusige Krankenschwester und weckte mich aus meinem Dämmerschlaf. Ihr hübscher Busen weitete den weißen Kittel und ich wünschte mir in Zukunft immer mit einem derartigen Anblick aus den Träumen geholt zu werden. Im selben Moment fragte ich mich, warum sich eine Krankenschwester in meiner Wohnung aufhielt. Und ich fragte mich, ob eine männliche Krankenschwester wohl „kranker Bruder heißt. Egal. Vorsichtig versuchte ich, mich umzuschauen. Es war fast unmöglich den Kopf zu bewegen, denn ich trug eine Halskrause. Jeder Versuch, mich zu drehen, wurde mit starken Schmerzen quittiert. Aber zumindest stellte ich fest, dass ich nicht in meinen eigenen vier Wänden, sondern augenscheinlich im Krankenhaus war.

    „Herr Schubert? Hören sie mich?", fragte die Schwester leise.

    Ich wollte „ja sagen, doch brachte nur ein „griggelgrrr heraus, was wohl auch daran lag, dass ich einen Schlauch im Mund hatte. Also blinzelte ich nachdrücklich, um zu bestätigen, dass die pralle Dame meine ganze Aufmerksamkeit hätte.

    „Gut, antwortete sie. „Frau Doktor kommt gleich.

    Wenn diese Schmerzen nicht wären, dachte ich, wäre das ein schöner Traum. Gleich würde eine Ärztin ins Zimmer kommen, ihren Kittel ablegen und in Strapsen für mich tanzen. Mit diesem Bild vor Augen musste ich wohl kurz eingenickt sein, denn ein erneutes „Herr Schubert" holte mich zurück ins Krankenzimmer.

    Eine ältere Frau mit schiefer Nase, kurzen grauen Haaren und Stethoskop um den Hals, anscheinend die Ärztin, beugte sich über mich.

    „Wissen sie, warum sie hier sind?", wollte Frau Doktor wissen.

    Meinen gequirlten Laut interpretierte sie richtig als „nein" und begann mit einer Erklärung für meinen Zustand.

    „Sie haben Glück gehabt. Oder Pech, ganz wie man will. Ein Busch hat ihren Sprung vom Dach ihres Hauses abgefangen. Wenn man sich schon das Leben nehmen will, dann sollte man vorher ein wenig genauer hinsehen. Naja, jedenfalls sind sie mit Knochenbrüchen und einer Gehirnerschütterung davongekommen. Innere Organe sind nicht schwerwiegend verletzt. Sobald die Frakturen zu heilen beginnen, werden wir sie in eine andere Abteilung verlegen. Da treffen sie auch eine sehr kompetente Kollegin von mir, die sich um die Gründe für ihren Suizidversuch kümmern wird. Parallel dazu bekommen sie eine Reha."

    Die Dame tätschelte kurz meine Wange, lächelte beruhigend und sagte: „Das wird schon wieder."

    Dann flog sie davon und ich döste mit dem Gedanken „Ich habe keinen Suizidversuch unternommen, echt nicht" ein.

    Mein Körper heilte gut. Nach wenigen Wochen war ich in der Reha und in einer Therapie bei Frau Doktor Himmel. Es fiel mir schwer, die Ereignisse des Abends, als ich vom Haus gesprungen sein soll, zu rekonstruieren. An die letzten 24 Stunden vor dem vermeintlichen Sprung konnte ich mich gar nicht mehr erinnern. Dennoch war ich mir sicher, dass ich nicht vorhatte, Selbstmord zu begehen.

    „Es kann passieren, dass das Unterbewusstsein die Stunden um einen solchen traumatischen Punkt herum ausblendet", beruhige mich die Psychologin.

    Sie saß mir gegenüber, auf einem alten Jugendstilstuhl, während ich mich in einen bequemen Sessel fläzte. Ich mochte es, wenn sie ihre Beine übereinander schlug und der Stoff ihrer Nylons dabei ein leises „bsss" von sich gab. Ich schätze die Ärztin auf Anfang 50, also älter als ich. Frau Himmel hatte ein gewinnendes Lächeln und ich hatte das Gefühl, dass ich in ihren Händen gut aufgehoben wäre. Hier, dachte ich, bin ich der Himmel näher als der Hölle. Gerne hätte ich ihr erzählt, was genau passiert war, aber wann immer ein Fragment der fraglichen Nacht in meinem Kopf auftauchte, und ich versuchte, es zu fassen, war es sogleich wieder verschwunden. Also blieb mir nichts anderes übrig, als darauf zu beharren:

    „Ich wollte mich nicht umbringen. Ich bin nicht vom Dach gesprungen."

    Frau Himmel nickte und machte sich ein paar Notizen. Dann sah sie mich eine Weile schweigend an, bis sie das wiederholte, was sie mir in den Tagen zuvor auch schon einige Male gesagt hatte:

    „Die Polizei hat einen Abschiedsbrief in ihrer Wohnung gefunden. Sie waren alkoholisiert und hatten Drogen im Blut. Sie haben die Telefonseelsorge angerufen. Dreimal. Und immer wieder aufgelegt, als sie jemanden in der Leitung hatten. In ihrem Zimmer lagen überall alte Fotos von ihrer Ex-Frau und von einer blonden Studentin…"

    „Anne. Meine Jugendliebe", erklärte ich.

    „Sie haben eine Geschichte von Depressionen und Panikattacken, fuhr die Ärztin fort, „und die Polizei hat auf ihrem Computer entdeckt, dass sie Mitglied in zwei Online-Suizid-Chatgruppen waren. Herr Schubert, Lars, unter diesen Umständen fällt es wirklich schwer zu glauben, dass sie nicht vom Dach springen wollten.

    „Aber ich weiß, dass ich das nicht vorhatte. Ich weiß es!", gab ich vielleicht etwas zu laut zurück.

    Doktor Himmel schenkte mir ein mitleidiges Lächeln.

    „Und genau daran will ich mit ihnen arbeiten. Was ist denn das Letzte, woran sie sich vor dem… sagen wir „Unfall… erinnern können?

    „Das habe ich doch gestern schon gesagt. Entgegnete ich ungeduldig: „Diese beiden Frauen haben mich verfolgt.

    Frau Himmel schaute auf ihre Notizen.

    „Die beiden…, sie zögerte, „Hexen, wie sie sagten. Also „Hexen im Sinne von „bösartigen Frauen, oder?"

    „Nein, ja…", ich stammelte, „es waren keine guten Menschen, aber sie waren

    – es klingt vielleicht merkwürdig, aber sie waren so was wie Hexen."

    In dem Moment wurde mir klar, wie verrückt sich das anhören musste, was ich gerade gesagt hatte.

    „Naja, Hexen hört sich jetzt vielleicht verrückt an, versuchte ich zu relativieren, „aber sie hatten so eine Art magischen Zirkel…

    Je mehr ich versuchte, mich klar auszudrücken, desto weiter manövrierte ich mich in ein Geschwafel, welches nur aus dem Mund eines Geisteskranken kommen konnte. Würde ich so weiter schwadronieren, käme ich direkt in die Klapsmühle, das war mir klar. Also bat ich die Sitzung abzubrechen, da ich Kopfschmerzen hätte. Sicher auch nicht die schlauste Ausrede, denn in Filmen haben die Idioten, die Wahnvorstellungen von sich geben, auch immer Kopfschmerzen. Gerne hätte ich in klaren und kurzen Sätzen beschrieben, was genau ich meinte, aber leider wollte mein Gehirn keine brauchbaren Formulierungen zulassen. Ich gab mich für diesen Tag geschlagen.

    „Schon okay, sagte die Ärztin, „wir machen morgen Vormittag weiter. Sie haben ja jetzt erstmal Reha-Schwimmen und dann schlafen sie sich schön aus. Es wird schon. Sie brauchen einfach etwas mehr Geduld.

    Wir verabschiedeten uns freundlich und ich marschierte zum Schwimmbad. Ein Physiotherapeut machte einige Übungen im warmen Wasser mit mir. Ich musste zwar pinkeln, konnte aber noch aufhalten. Außerdem hatte ich die Befürchtung, dass im Wasser ein Indikatorstoff gelöst sein könnte, der das ganze Becken pink färbt, wenn mein Urin die entsprechende chemische Reaktion in Gang setzt. Nach der Gymnastik durfte ich noch etwa 15 Minuten allein schwimmen, verkürzte aber auf fünf, da die Blase kurz davor war, den Struggle mit mir für sich zu entscheiden. Nach der Wassernummer gab es Abendessen. Zwei Scheiben Graubrot mit Käse, eine Tomate und ein Glas Tee. Diesmal rötlich gefärbt, aber vom selben Geschmack wie der gelbe und der grüne an den vergangenen Tagen.

    Als ich gegen halb 9 in meinem Zimmer im Bett lag, wollte ich versuchen, zumindest für mich selbst im Kopf die Sache mit den Hexen so zu formulieren, dass sie nicht völlig bescheuert klang.

    Ich begann mit: „Ich weiß, dass es keine Hexen im eigentlichen Sinne gibt. Aber es gibt Menschen, die sind Anhänger von bestimmten okkulten…" Meine Müdigkeit nahm zu. Ich musste mich konzentrieren.

    Also nochmal: „Es gibt Menschen, die sind Anhänger von bestimmten okkulten Riten und Gebräuchen. Ich bin an eine Gruppe geraten, in der… Kurz nickte ich weg. Verdammt. Ich hatte doch gerade eine gute Formulierung. Also: „Ich bin an eine Gruppe geraten, die mit Drogen… die mit Drogen… an eine Gruppe von Hexen… die Riten und Anhänger mit Menschen und… mit Menschen und… und… und…

    Das war's. Die Müdigkeit hatte gewonnen.

    Am nächsten Morgen erinnerte ich mich nicht mal mehr an den Anfang des Satzes. Aber wenigstens wusste ich noch, dass ich mit viel Konzentration in der Lage war, meine Situation verständlich zu beschreiben. Und genau das wollte ich in der kommenden Therapiestunde tun. Frau Himmel würde dann kapieren, dass ich nicht verrückt war, und dass ich schon gar keinen Selbstmordversuch unternommen hatte.

    Ich musste grinsen. „Na dann: toi toi toi, Lars", sprach ich mir selbst Mut zu,

    „Du weißt ja, dass du schon immer das Talent hattest, dich selbst in die Scheiße zu reiten, oder? Mach doch bitte heute mal eine Ausnahme."

    Ich klopfte an die Tür zum Therapiezimmer. Frau Himmel bat mich rein.

    Sie trug eine dunkle, hochgeschlossene Bluse und ihre Haare waren zu einem Dutt zusammen gesteckt. Die Ärztin sah streng aus, wie eine Oberlehrerin. Als ich mich setzte, nahm ich mir fest vor, diesmal so konkret wie möglich zu formulieren. Krimis, bei denen ein Opfer unter Amnesie leidet, hatte ich noch nie gemocht. Sicher, es mag sowas wie Gedächtnisverlust geben, aber darauf eine Geschichte aufzubauen hielt ich meist dennoch für zu unrealistisch. Jetzt war ich in einer ähnlichen Situation. Aber Amnesie hatte ich nicht. Zum Einen konnte ich mich ja an meinen Namen, mein Leben und meine Freunde erinnern, zum anderen waren auch die Ereignisse der letzten Wochen in meinem Kopf. Ich sah die Bilder vor meinem geistigen Auge. Aber es gelang mir nicht, das Geschehene in Worte zu fassen. Und je angestrengter ich es versuchte, desto schneller erloschen die Bilder. Es war so, als ob man aus einem Traum aufwacht und in der Sekunde des Erwachens noch alles ganz deutlich sieht. Versucht man aber das, was man noch an Eindrücken im Kopf hat, zu sortieren und in Worte zu fassen, so verblassen die Erinnerungen an den Traum im Nu. Und schließlich fällt einem beim besten Willen nicht mehr viel ein. Hätte man zum Beispiel geträumt, man sei in Hollywood auf einer Oscar-Party gewesen, und dort hat man Smalltalk gehalten mit Quentin Tarantino, Julia Roberts, Brad Pitt, Sharon Stone und noch ein paar anderen, und dann irgendwann in der Nacht ist man zusammen mit Kim Basinger in deren Mercedes Cabrio zu ihrer Villa nach Bel Air gefahren, so weiß man kurz nach dem Aufwachen nur noch maximal: Party, viele Leute, Auto mit Frau… und im besten Fall: „Die Tussi, deren Muschi man sehen konnte, wenn sie die Beine übereinander schlug, war auch dabei."

    Wie verhext. Zum Beispiel erinnerte ich mich an „weißes Pulver" und

    „Erbsensuppe. Sehr unkonkret, aber ich glaube, dass es sein könnte, dass mir jemand etwas ins Essen gemischt hat. Vielleicht war meine Schwäche, das Erlebte in Worte zu fassen, auf irgendwelche Substanzen, die mir verabreicht worden waren, zurückzuführen. Ich hatte mal gelesen, dass Junkies, die beispielsweise Klebstoff schnüffeln, unter extremen Atrikolla… Arttikulla… Artikulationsproblemen leiden. Es fühlte sich voll scheiße an, dass ich, sagen wir mal, eine schöne Obstschüssel im Kopf hatte, aber aus meinem Mund kam nur Saft. „Blöder Vergleich, dachte ich und sagte:

    „In meinem Kopf sind Pellkartoffeln und aus meinem Mund kommt nur Kartoffelbrei."

    Frau Himmel sah mich fragend an.

    Ich versuchte eine Erklärung: „Ich wollte nur beschreiben, wie es sich anfühlt, wenn ich etwas Konkretes sagen möchte, aber es nicht auf den Punkt formulieren kann. Vielleicht liegt es an den Drogen, die ich da in der Suppe hatte."

    Shit. Ich faselte von außen betrachtet schon wieder nur Dünnpfiff.

    „Sie meinen, man gibt ihnen hier Drogen ins Essen?", hakte die Ärztin nach.

    „Nein. Nein. Nicht hier. Sondern da." Erwiderte ich.

    „Da? Wo?", wollte sie wissen.

    „Bei… bei…", ich zögerte.

    Es lag mir auf der Zunge, die Hexen zu erwähnen, aber mir war klar, dass sich alles, was ich jetzt sagen würde, immer behämmerter anhören müsste. Also schüttelte ich nur den Kopf und erklärte, dass es mir nicht mehr einfiele, wo das mit den Drogen war.

    Frau Himmel machte Notizen. Dann sah sie mich lange verständnisvoll an, als wolle sie sagen: „schon gut, ich kenne mich mit Bekloppten aus".

    Endlich ergriff sie das Wort:

    „Folgender Vorschlag. Wir vergessen mal alles, was in der Nacht, als Sie anscheinend vom Haus gesprungen sind, passiert ist. Und auch die Wochen davor. Ich möchte mit Ihnen zurückgehen bis zu dem Zeitpunkt, als Sie nach Berlin zogen. Wollen Sie mir darüber erzählen?"

    Ich nickte und sammelte mich. Dann begann ich:

    „Ja. Gerne. Ich glaube, das ist eine gute Idee. Nach Berlin kam ich kurz nach meiner Scheidung. Ich hatte das Gefühl, dass ich unbedingt einen Ortswechsel bräuchte…"

    Und dann begann ich zu erzählen. Ohne Artikulationsschwierigkeiten. Flüssig und verständlich.

    Nachdem sich Marion von mir getrennt hatte und ich meinen Job verlor, wohnte ich für ein paar Wochen bei einem Kumpel. Zunächst hatte ich mir überlegt, mir ein Zimmer irgendwo in der Nähe meines Studienortes zu suchen. Allerdings sah es in der Provinz mit Jobs nicht gut aus, und so reifte in mir der Entschluss, dass ich mein Glück in einer Großstadt versuchen sollte. Durch meine Arbeit bei dem Reisemagazin hatte ich ein paar Kontakte, unter anderem nach Berlin. Ein Kollege, der in der Hauptstadt für ein Stadtmagazin arbeitete, versprach mir, er würde mir

    ein paar Aufträge „durchreichen, so dass ich mich finanziell über Wasser halten könne, bis ich irgendwo etwas Besseres gefunden hätte. Also packte ich meine sieben Sachen und zog nach Marzahn. Mein Budget ließ nichts anderes als eine Zweiraumwohnung in einem Plattenbau zu. Aber ich nahm mir vor, es mir hier richtig gemütlich zu machen und neu durchzustarten. Soweit man in der „Platte mit Blick auf graue Häuserfassaden von Wohlfühlen sprechen kann, richtete ich mich einigermaßen heimelig ein. Anfangs bekam ich auch tatsächlich den einen oder anderen Artikel, den ich für meinen Kollegen schreiben durfte. Das war okay.

    „Kindertagesstätte Luftikus in Hellersdorf bekommt neue Leiterin – „Die BVG gibt Pläne für den S-Bahn-Ausbau bekannt – „Entlaufener Yorkshireterrier nach 3 Wochen zu Frauchen zurück gekehrt und so weiter. Top Stories! Solange ich etwas zu tun hatte, war mein psychischer Zustand halbwegs in Ordnung. Doch in den Pausen zwischen zwei Aufträgen geriet ich immer wieder in Phasen des „traurigen Grübelns. Das war nicht gut. Aber es passierte. Anfängliches Selbstmitleid à la

    „Warum hat Marion mich betrogen?… Ist das die Strafe für irgendetwas, was ich getan habe? … Das Geld wird knapp… Ich werde noch auf Hartz IV enden… Ich bin sooo arm dran…" gingen allmählich in Depressionen über. Hätte man mir ein paar Monate zuvor gesagt, dass ich an freien Tagen kaum aus dem Bett kommen würde, hätte ich nur mit dem Kopf geschüttelt. Ich doch nicht. Ich bin aktiv. Ich habe Hobbys. Ich würde mich niemals so gehen lassen. Doch genau das passierte. Natürlich dachte ich erstmal nicht an so etwas wie Depressionen. Das bekamen andere, nicht ich. Dennoch. Ein permanentes Gefühl innerer Leere stellte sich ein. Ständig war ich müde, konnte mich schwer konzentrieren und hatte keinen Appetit mehr und immer wieder Kopfschmerzen und Durchfall. Irgendwann fragte ich dann doch Dr. Google, wie sich Depressionen äußern würden. Und der sagte:

    Ein andauerndes Gefühl von Traurigkeit oder Leere.

    Übermäßige Schläfrigkeit, Energielosigkeit, Gefühl von Antriebslosigkeit

    Appetitverlust

    Schlafstörungen und trotz permanenter Müdigkeit

    Konzentrationsschwierigkeiten

    physische Probleme wie Kopfschmerzen,Verdauungsstörungen

    etc.

    Nee, echt jetzt? Das passte alles, aber ich fand, das war nicht fair. Ich beschloss, mich einfach mal ein wenig mehr zusammenzureißen. Leichter gesagt, als getan. Aber für eine Woche etwa schaffte ich es, morgens aus dem Bett zu kommen und auch geregelte Mahlzeiten einzunehmen. Die Schreibjobs allerdings bereiteten Schwierigkeiten. Texte, die mir früher einfach von der Hand gingen, wurden zu unglaublichen Anstrengungen. Und das Ergebnis ließ am Ende meist zu Wünschen übrig. Etwa so: „Der Hund war wohl weggelaufen, kam dann aber wieder. Da hat sich der Besitzer wohl gefreut und wohl gehofft, dass der Hund nicht nochmal wegläuft."

    Anfang der darauffolgenden Woche rief mich mein Kollege vom Stadtmagazin an. Ich solle doch bitte mal in die Redaktion kommen, wir müssten reden. Ich ahnte nichts Gutes. Weiterhin leer und niedergeschlagen trottete ich zu meinem Auto. Der alte Golf würde bestimmt auch bald seinen Geist aufgeben, malte ich in Gedanken schon wieder schwarz. Der Motor sprang an und machte „komische" Geräusche. Oder bildete ich mir das nur ein? Etwa zweihundert Meter tuckerte ich durch's Wohngebiet, als mir plötzlich schwarz vor Augen wurde. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Völlig benommen visierte mein Tunnelblick eine Parklücke an der Straßenseite an und ich manövrierte den Golf von der Straße. Dass ich dabei keine anderen Autos gerammt hatte, grenzte an ein Wunder. Keuchend quälte ich mich aus dem Wagen. Frische Luft. Ich brauchte frische Luft. Nach etwa fünfzehn Minuten, in denen ich nichts weiter tat, als mich am Auto festzuhalten, immer wieder tief durchzuatmen und zu hoffen, dass ich nicht ohnmächtig würde, normalisierte sich mein Zustand wieder. Was war das denn gerade für eine Scheiße, dachte ich. Heute hatte ich sogar mal halbwegs gut gefrühstückt. An leerem Magen konnte es also wohl nicht gelegen haben. Keine Ahnung. Der Kreislauf oder sowas. Alles gut. Also setzte ich mich wieder in den Golf und fuhr los. Diesmal kam ich keine 50 Meter. Schwindelgefühl, Atemnot, Schwarz vor Augen. Rechts ran fahren. Meine Güte, was war denn da los mit mir? Als ich nach etwa einer halben Stunde wieder einigermaßen klar denken konnte, schaute ich auf die Uhr. Halb zwei. Mein Kollege von der Redaktion und ich hatten keine feste

    Zeit ausgemacht, aber ich wusste, dass er an diesem Tag um 16 Uhr Feierabend hatte. Und es wäre schon blöd, wenn ich nicht rechtzeitig bei ihm wäre.

    Einen dritten Versuch, mit dem Auto in die Innenstadt zu fahren, unternahm ich nicht. Ich hatte ein wenig Panik, dass mir wieder schwindelig werden könnte, sobald ich hinter dem Lenkrad saß. Der nächste S-Bahnhof war nur ein paar hundert Meter entfernt und ich entschied, die Öffentlichen zu benutzen. Auf dem Bahnsteig war noch alles gut, aber schon beim Einsteigen in die Bahn spürte ich ein Unwohlsein in mir aufkeimen. Zitterig setzte ich mich auf einen Platz in der Nähe der Tür. Der Zug fuhr los und mir wurde schwarz vor Augen. Ich rang nach Luft. Es sind nur zwei Minuten Fahrt von meiner Station zur nächsten, aber es kam mir vor, als würde der Zug im Schneckentempo schleichen und für die kurze Distanz Stunden brauchen. Eine Frau mit hässlicher Brille schaute mich abschätzig an. Sie hielt mich sicher für besoffen. Als die S-Bahn endlich am nächsten Bahnhof hielt, wollte ich nur noch raus. Ich schubste andere Fahrgäste beiseite, erntete wüste Beschimpfungen und war endlich wieder draußen an der Luft. Mit Mühe schaffte ich es zur nächsten Bahnhofsbank, dann brach ich förmlich zusammen. Ein Häufchen zitterndes Elend. Lange saß ich einfach nur so da, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Nach einer Weile legte ich mich ausgestreckt auf die Bank und begann, etwas ruhiger zu atmen. Was für eine gequirlte Scheiße ging denn hier bitteschön ab?

    „Sie hatten klassische Panikattacken", stellte Frau Doktor Himmel sachlich fest.

    „Ja, sagte ich. „Das habe ich dann später auch rausg efunden. Aber bis es soweit war, lief noch eine Menge Wasser die Spree herunter.

    Vom S-Bahnhof ging ich zu Fuß nach Hause. Meinem Kollegen sagte ich am Telefon, dass ich nicht kommen könne, weil ich Magenprobleme hätte. Den nächsten Versuch, in die Stadt zu kommen, wollte ich am kommenden Tag unternehmen, aber auch das Unterfangen scheiterte wie schon tags zuvor an Paniken. Auch Anlauf Nummer drei führte mich nur bis zu meinem Auto, aber nicht weiter. Kaum hatte ich den Golf

    aufgeschlossen, setzte die Atemnot ein. Eine weitere Entschuldigung wegen Magenproblemen nahm mir der Redakteur nicht mehr ab und ließ mich wissen, dass ich in Zukunft keine weiteren Aufträge von ihm bekommen würde.

    Meine Paniken, von denen ich zu der Zeit noch nicht wusste, dass es sich um solche handelte, wurden immer häufiger. Schon das Einkaufen im Supermarkt wurde zur Qual. Wenn ich länger als drei Minuten in der Schlange an der Kasse warten musste, wurde mir Schwarz vor Augen. Dann blieb mir nichts weiter übrig, als meinen Einkaufswagen stehen zu lassen und so schnell wie möglich aus dem Geschäft zu rennen. Schon bald konnte ich mich in meinem nächstgelegenen Supermarkt nicht mehr sehen lassen. Zu oft war ich aufgefallen, wie ich einen vollen Wagen in irgendeinen Gang geschoben hatte und anschließend aus dem Laden flüchtete. Zum Glück gab es ja Bringdienste. Diese nutzend musste ich nicht aus dem Haus und wurde dennoch mit allem Lebensnotwendigen versorgt. Doch irgendwann war ich selbst in meiner Wohnung nicht mehr vor den Anfällen sicher. Wenn ich auf der Toilette saß, „drehte sich das Badezimmer. Wollte ich vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer, musste ich mich im Flur an den Wänden abstützen, um nicht umzufallen. Ein Schwindelgefühl wurde zu meinem täglichen Wegbegleiter. Mit sehr, sehr viel Mühe gelang es mir irgendwann, einen Arzt aufzusuchen. Ein Allgemeinmediziner. Dieser tippte auf ein Problem in meinem Gleichgewichtsorgan und schickte mich zu einem HNO-Arzt. Der HNO konnte aber nichts Auffälliges feststellen und schickte mich zu einem Neurologen. Ein Mediziner aus Ghana, der nur schlecht Deutsch sprach. Ghana-Män verordnete ein EEG und stellte „gewisse Anomalien in meinem Gehirn fest. Eine genauere Erklärung blieb er mir schuldig.

    „Und jetzt?, hakte ich bei den Gahnesen nach. „Was ist denn nun mit mir? Mir geht es echt dreckig. Ich bin fix und fertig.

    „Und was wir sollen machen?", fragte der Arzt teilnahmslos.

    „Irgendwas!, heulte ich fast. „Bitte.

    Meinem Flehen, irgendetwas zu unternehmen, da ich am Ende meiner Kräfte war und die ständigen Schwindelattacken kaum noch aushalten würde, kam er mit einem Rezept über Alprazolam, einem Arzneistoff aus der Gruppe der Benzodiazepine, nach. Nie im Leben wollte ich Psychopharmaka nehmen, aber in dem Fall nahm ich

    die Verschreibung dankend an. Dann kam seine Sprechstundenhilfe ins Behandlungszimmer und legte dem Arzt meine Krankenkassenkarte und das Rezept für die Medikamente auf den Schreibtisch. Er unterschrieb das Rezept, schaute dann eine Weile auf die Karte, schüttelte den Kopf und bat die Schwester zu gehen.

    „Ist irgendwas mit der Karte nicht in Ordnung?", fragte ich.

    „Oh nein. Karte das okay ist, antwortete er. „Es ist nur… Krankenkasse von Dich nicht zahlt alles. Du zuzahlen musst wegen die Elektrountersuchung.

    „Und wieviel ist das?", wollte ich wissen.

    „Bei Krankenkasse, das dann

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