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Schwul. Sexy. Depressiv.: Zwischen Pillen, Sex & Poetry
Schwul. Sexy. Depressiv.: Zwischen Pillen, Sex & Poetry
Schwul. Sexy. Depressiv.: Zwischen Pillen, Sex & Poetry
eBook198 Seiten2 Stunden

Schwul. Sexy. Depressiv.: Zwischen Pillen, Sex & Poetry

Von Stef

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Über dieses E-Book

Stef ist einer der erfolgreichsten queeren Slam­poet*innen Deutschlands. Doch dieses Buch ist weit mehr als eine Sammlung seiner besten Bühnen­texte. Stef erzählt parallel sein Leben. Wie er wurde, wer er ist; wie er auf die Bühne fand. Vom Aufwachsen als schwuler Junge mit einem griechischen Nachnamen, von Mobbing und Coming-out, von großen Problemen und kleinen Hoffnungen. Stef thematisiert System­versagen und Selbst­aufgabe, queeres Sein und psychische Erkrankung, berichtet von Suizid­­gedanken und Lebensbejahung und findet dafür stets die richtigen Worte und die passende Portion Humor. – Ein aufrichtiges, mutiges Buch und zugleich im Kleinen das Porträt einer Generation.
SpracheDeutsch
HerausgeberSatyr Verlag
Erscheinungsdatum4. Sept. 2023
ISBN9783910775053
Schwul. Sexy. Depressiv.: Zwischen Pillen, Sex & Poetry

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    Buchvorschau

    Schwul. Sexy. Depressiv. - Stef

    My Name is

    Mein Name war schon immer der Stoff vieler Geschichten.

    Als ich meinen Personalausweis bekam, hat man im griechischen Konsulat einen Fehler gemacht, einen Buchstaben vergessen, und meinen Einwänden zum Trotz wurde das trotzdem so übernommen, und irgendwie war das passend, denn mein neuer Nachname ist ein Anagramm von »Ui, ist das so?«.

    Also hieß ich dann jetzt eben so, Kapitel aus, Buch zu.

    Mein Name ist wie ein Buch, das ganz hinten im Schrank verstaubt, vergessen hinter neuen Büchern mit leuchtend bunten Einbänden und Versprechungen von tollen Geschichten, während das alte voller Kapitel ist, mit denen ich lange abgeschlossen habe oder zumindest so tue als ob.

    Umso mehr erschrak ich letztens beim Klang meines Vornamens. An meinem Vornamen ist nichts Schlimmes, ganz im Gegenteil: Er ist wunderschön, acht Buchstaben, die melodisch die Kehle runterrutschen, wenn man sie ausspricht. Aber ich erschrak nichtsdestotrotz, weil so lange niemand gewagt hatte, diesen Namen anzufassen.

    Ich hieß mal Stefanos. Und irgendwer, der mich von früher zu kennen meinte, kramte diesen Namen hervor und warf ihn mir bei einer zufälligen Begegnung an den Kopf.

    Einen staubigen alten Wälzer an den Kopf zu bekommen, tut weh, vor jemandem wie ein offenes Buch dazustehen, noch mehr.

    Souverän, wie ich bin, reagierte ich nicht, tat, als hätte ich es überhört, ging schnell weiter und war weg.

    Jemanden zu treffen, der sich an all meine Erniedrigungen erinnert, zwingt mich dazu, mich auch daran zu erinnern. Also gehe ich solchen Begegnungen aus dem Weg. Neuer Name, neue Stadt, neues Leben, alte Geschichten interessieren hier nicht. Sie sind abgelegt in den Akten unter »N« wie »nicht dran denken«.

    All das Offizielle, Rechnungen und Bankbelege und eben auch mein voller Name sind dorthin verbannt, denn dort nehme ich sie nicht mehr wahr. Solange ich nicht hinsehe, ist da auch kein Problem. Kapitel aus, Buch zu.

    S t e f a n o s – acht Buchstaben, aufgeladen mit der Geschichte einer Heimat, die sehr entfernt und immer ein bisschen fremd war.

    Ein griechischer Sänger sang mal: »Στα ξένα είμαι Έλληνας και στην Ελλάδα ξένος«, was so viel heißt wie: »In der Fremde bin ich Grieche und in Griechenland ein Fremder«, und das passt, denn in Deutschland war ich immer ein Außenseiter, für alle nur »Stefanos, der Grieche«, und in Griechenland war ich immer ein Außenseiter, für alle nur »Στέφανος ο Γερμανός« (Stefanos, der Deutsche).

    In Deutschland werd ich immer gefragt, ob ich pleite bin, in Griechenland, ob ich ein Nazi bin, und das, was ich tatsächlich sicher bin, ist nicht pleite, nicht Nazi, Deutscher oder Grieche, sondern ich. Kapitel aus, Buch zu.

    S t e f a n o s – acht Buchstaben, aufgeladen mit der Geschichte all der Menschen, die sich geweigert haben, meinen Namen zu lesen oder zu verstehen.

    Wie Stefan mit »f« und »os« am Ende, Siegfried, Theodor, Emil, Friedrich, Anton, Nordpol, Otto, Siegfried, Telefonistenalphabet schon in der ersten Klasse gelernt, genauso wie ich lernte, dass Lehrkräfte nichts können.

    Wenn Lehrer auf Klassenlisten statt Stefanos erst »Stefaaaaaaanos« oder »Stephanus« oder »Stefs Anus« lesen, dann dauert es nicht lange, bis man der Arsch ist. Jeden Nusswitz, der möglich ist, hat man ausgekostet, seien es Rufe über »Stefanüsse« oder das triumphale Gegacker, als man mein Heft im Fach Natur und Technik stahl, beschriftet mit »NUT«.

    Von Witzen zum Namen ist es ein kleiner Schritt zu Witzen im Namen der Klasse, denn klasse fanden es immer alle, wenn einer da war, über den man sich lustig machen konnte.

    All den Peinigern zum Trotz mochte ich meinen Namen, ich trug ihn mit Stolz wie einen Kranz oder eine Krone, denn »Kranz« oder »Krone« bedeutet er tatsächlich, von meinen Eltern ausgesucht, damit ich auch ja nicht das Haupt senke und aufgebe im Leben.

    Den Namen musste ich auch nie aufgeben, er verschwand nur nach und nach. Neue Freunde, neue Cliquen, neue Rufe brachen mir ein Stück ab, und aus »Stefanos« wurde »Stef«. Und ich behielt den neuen Namen, denn er roch nach neuem Leder, war ein neuer Einband für alte Geschichten, also nahm ich den Einband und verwickelte mich darin.

    Aber ein neuer Name macht noch keinen neuen Menschen, alte Geschichten – passiert, geschrieben, gelesen – kann ich vielleicht einstauben lassen, aber sie verschwinden nicht, und ich bin jetzt vielleicht Stef, aber ich bleibe ebenso Stefanos.

    All die Kapitel in meinem Leben ergeben ein Buch.

    Mein Name ist noch immer der Stoff so vieler Geschichten, es gibt Menschen, die glauben, ich hieße Steff mit zwei »f«, drei »f«, »ph«, »pf«, ja, es gibt Menschen, die glauben allen Ernstes, ich hieße »Stepf« oder »Stief« oder »Steeeeeeeeeeeeef« oder sogar »Stefsitzt« – wahre Geschichte.

    All die Geschichten ergeben ein Buch, und wie es heißen wird, steht erst nach dem letzten Kapitel fest.

    Diesen Text gibt es auch auf Griechisch:

    https://youtu.be/klHtdn-0198

    Und ich bin …

    Wenn ich mich da mal nicht geirrt hab. Die letzte Zeile des ersten Textes in diesem Buch ist direkt unwahr. Denn noch vor allem anderen stand der Titel fest, der Inhalt kam erst hinterher. Aber das konnte ich, als ich den vorangegangenen Text schrieb, nicht ahnen. Er erfüllt trotzdem seinen Zweck. Er stellt mich ein bisschen vor, du – der oder die Leser*in – hast jetzt schon mal eine Vorstellung davon, wer ich bin. Aber es gibt noch so vieles, das dir der erste Text nicht erzählt hat. Zum Beispiel dass ich mich nicht entscheiden kann, ob Grün oder Blau meine Lieblingsfarbe ist. Oder dass ich mehr als einmal pro Woche Nudeln esse. Oder dass ich schon sowohl Opfer sexueller Belästigung als auch sexueller Gewalt gewesen bin. Funfact. Nur ohne Fun halt. Davon wird es in diesem Buch noch so einige geben: Funfacts ohne Fun. Seelenstriptease sozusagen. Nur ohne Nacktheit. Und manchmal auch mit. Und lustig ist es auch. Also das Buch, nicht, dass ich nackt bin. An meinem nackten Körper ist nichts auszusetzen. Also eigentlich schon. Aber nichts, was sich wer trauen würde, mir ins Gesicht zu sagen. Außer meiner Mama. Nicht, dass die mich je nackt sieht. Die nennt mir auch die Makel meines angezogenen Körpers. Aber jetzt greif ich vor. Wenn du das liest, Mama, ich erklär noch, dass wir uns gut verstehen. Was ich hiermit getan habe. Nun ja. Um zum Punkt zu kommen: Mein Name ist Stef, und mir sind schon viele komische und schreckliche Dinge passiert. Und über ein paar davon möchte ich endlich mal ausführlich schreiben, und wenn du das Buch in der Hand hältst und das hier liest, scheine ich etwas richtig gemacht zu haben. Um diesen meinen ersten persönlichen Einwurf auf ’ner Highnote enden zu lassen, hier noch ’ne kurze Anekdote: Im Gespräch mit einem Kollegen kamen wir auf eine Radiosendung, die mit einem Text von mir endete. Das wusste besagter Kollege allerdings nicht. Als ich ihn fragte, wie ihm die Sendung gefallen habe, meinte er, dass die Sendung mit ’nem richtig komischen Text von einem noch komischeren Typen ausgeläutet worden sei. Tja, komischer Text von komischem Typen also – hab schon schlechtere Kritiken bekommen.

    Romeo und Julian

    Wenn zwei sich streiten, leiden stets Dritte.

    Vernehmt diese Erzählung mit folgender Bitte:

    Lasst Liebe zu, egal wie sie erscheint,

    Sonst endet ihr, wie’s endet hier, und weint.

    Dürfen Liebespaare sich nicht vereinen

    Und darf der eine Kerl den anderen nicht nennen den seinen,

    Dann ist die Welt verkehrt, dann ist die Welt kaputt.

    Manchmal denkt man, sie läge schon in Asche und Schutt …

    Zu eurem Verständnis beginne ich vielleicht noch mal von vorn,

    Denn Unverständnis und Intoleranz sind und waren

    mir schon immer ein Dorn

    Im Auge.

    Aug um Aug, Zahn um Zahn

    Kämpften schon immer die Familien von nebenan.

    Die Montagues gegen die Capulets,

    Die einen sind wie die Sharks, die anderen sind wie die Jets,

    Die Bayernfans gegen die Dortmunder im Streit.

    Doch diese beiden Familien treiben es mit ihrem Fußballscheiß zu weit.

    Denn ihre Kinder Julian sowie Romeo

    Werden ihres Lebens einfach nicht mehr froh.

    Zwei Jungs, im Geiste vereint, doch in der Liebe getrennt,

    Der eine für den anderen jeweils brennt.

    Nieder!

    Nieder mit den Unterschieden!

    Es ist doch klar, dass die beiden sich lieben!

    Doch durch den Streit und Zwist ihrer hitzköpfigen, homophoben, sturen, aggressiven, dämlichen Alten

    Müssen sie sich einander gegenüber feindlich verhalten.

    Doch Romeo sowie Julian

    Vertrauen sich jeweils einem anderen an.

    Romeo spricht zu Mercutio und Folgendes hat er genauso gesagt:

    »Oh, Mercutio, ich begehe einen unglaublichen Verrat

    An meinem Namen, bin ein Bösewicht.

    Weiß weder ein und auch nicht

    Aus.

    Aus, aus, so ist es bald mit mir, denn im Ernst, Mercutio:

    Ich lieb kein Weib.

    Lieb einen Kerl, so schön von Gestalt,

    so unglaublich ist sein Leib.

    Sein Name ist Julian, ein Capulet und meines Feindes einziger Sohn.

    Bin durchfressen von blanker Angst und dem Hohn,

    Den diese Situation so an sich hat.

    Erfährt irgendwer von meinen Neigungen,

    so macht er mich platt.«

    Julian dagegen spricht zu seinem Kindermädchen:

    »Oh, du meine Liebe, vor einiger Zeit setzte sich ein Rädchen

    In meinem Schädel in Bewegung

    Und ich ziehe es in Erwägung

    Zu gehen;

    Zu gehen zu meinem kostbaren Romeo,

    Um in seinen Armen zu liegen, frei zu sein irgendwo.

    Doch Träume sind wie Seifenblasen, das weiß ich sehr wohl,

    Von außen so schön anzusehen, doch von innen komplett hohl.

    So ist mir bewusst,

    dass ich niemals beim Liebsten verweilen kann,

    Ohne dass meine Familie nebenan

    Meinen Tod plottet, mein Ableben bespricht.

    Oh, wüsste ich nur, welcher Teufel Amor besticht,

    Dass dieses elende Federvieh seine Pfeile auch immer so unpassend verwendet!

    Wie ich mir wünsche, dass er verendet

    Bald.

    Bis dahin will und kann ich aber nicht mehr warten,

    Stehle mich nun leise in Romeos Garten,

    Wünsch mir Glück, ich kann es gebrauchen«,

    sagt er noch, er kann es nur hauchen,

    Bevor er sich leichtfüßig davonmacht,

    Und er hat Glück, denn der Mond am Himmel lacht.

    Fortuna ist ihm gewogen, Romeo wartet schon am Balkon.

    Bei seinem Anblick spricht Julian: »Du Sohn

    Des Hauses,

    Des Hauses, das dem meinen so verhasst,

    Solch wundervoller Mensch an solch grässlichen Namen verprasst,

    Romeo, warum denn, Romeo? Verleugne deinen Vater, deinen Namen,

    Und säe mit mir den Samen

    Für eine neue Zeit des Glücks

    Ohne Wenns und Abers oder Vielleichts und Zurücks.

    Willst du das nicht, tu ich’s zuerst und bin länger kein Capulet.«

    »Das alles ist doch unwichtig, solange wir teilen ein Leben, eine Liebe, ein Bett«,

    Antwortet Romeo,

    Welcher mit den pubertären Gedanken schon ganz anderswo

    Ist.

    Ist und bleibt das Glück ihnen gewogen?

    Nein, denn Fortuna hat sie betrogen.

    Nicht nur Romeo vernahm des Geliebten Worte,

    Sondern auch dessen Vater, in welchem sich nun bilden Gefühle der übelsten Sorte:

    »Nicht nur eine Schwuchtel sein, auch noch einen Capulet lieben?

    Du elender Verräter, du stirbst an meinen Hieben!«,

    Schreit der Vater wutentbrannt, schlägt Romeo nieder,

    Wieder und wieder.

    Julian, vom Grauen gepackt, mit Adrenalin versetzt,

    Ist das Geländer hochgeklettert, gehetzt

    Zum Geliebten.

    Zum Geliebten, welcher blutend am Boden liegt

    Und immer noch mehr und mehr Hiebe abkriegt.

    Er muss doch was tun, er muss ihn doch retten.

    Doch den wütenden Vater hielten weder Wörter noch Ketten,

    Da sieht Julian eines Dolches Klinge.

    Er nimmt, packt und stößt zu,

    auf dass der Leib des Ungetüms das kühle Metall verschlinge.

    Die Schläge versiegen, der Vater wird kalt,

    Er und sein Sohn versterben beide an Gewalt.

    Und Julian steht nur noch voll Leere und sieht

    Den getöteten Mörder,

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