Die ultimativen Don'ts für Lehrerinnen und Lehrer: Ehrlich(er) und gelassen(er) durch den Schulalltag
Von Benny Regenauer und Sascha May
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Über dieses E-Book
Benny Regenauer räumt mit Klischees und verkrusteten Denkweisen auf. Mithilfe von persönlichen, unterhaltsamen, ernsten oder witzigen Einblicken und Praxisbeispielen aus seiner langjährigen Lehrtätigkeit beschreibt er, wie Lehrende es schaffen können, zumindest keine schlechten Lehrkräfte zu sein. Wer allerdings eine perfekte Liste an Ausschlusskriterien erwartet, dem sei bereits Don't Nr. 6 mit auf den Weg gegeben: Fehler vermeiden wollen.
Benny Regenauer
Benny Regenauer studierte Mathematik und Sport auf Lehramt in Mainz und Landau (2005–2010), beendete sein Referendariat 2012 an der Realschule plus in Kandel und war von 2012 bis 2018 an der Anne-Frank-Realschule plus in Mainz tätig. Aktuell unterrichtet er an der Carl-Orff-Realschule plus in Bad Dürkheim. Die vielen, oft wertvollen Momente, die er in seiner langjährigen Lehrtätigkeit sammelte, möchte er aus der Praxis und für die Praxis weitergeben.
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Buchvorschau
Die ultimativen Don'ts für Lehrerinnen und Lehrer - Benny Regenauer
Don’t 1
Reden ist Silber, Schweigen ist (manchmal) Gold. Du bist zwar Lehrerin, musst aber deshalb nicht die ganze Zeit reden. Der Lehrberuf ist nicht mit einem Rednerberuf gleichzusetzen. Du bist auch kein Dozent. Höre mehr zu. Mach’ mal eine Pause. Lass mal die Schülerinnen aussprechen.
Du musst auch nicht auf alles Gesagte reagieren oder Feedback geben. Du kannst Gesagtes und Getanes auch ruhig mal so stehen lassen. Schüler sind mindestens sieben bis ungefähr 60 Jahre jünger als du. Sie sind aber nicht doof und verstehen oft schnell, was gesagt wird oder wurde. Sie brauchen auch kein Echo und gewisse Sachverhalte müssen nicht zwei- oder dreimal (von dir) wiederholt werden. Gewisse Situationen und neue Lerninhalte haben deine Schülerinnen im Vergleich zu dir zwar noch nicht gesehen oder gehört, aber nur, weil du sie oft wiederholst, heißt das noch lange nicht, dass sie plötzlich besser zuhören.
Wenn Schülerinnen und Schüler das Erklären übernehmen, ist es jedoch eine andere Sache. Wenn sie ihren Mitschülern Unterrichtsinhalte nochmals verdeutlichen, kann das zu positiven Lerneffekten führen.
Damit ist schon viel gesagt. Du musst auch nicht immer das sagen, was du gerade denkst. Klingt einfach, ist es aber nicht. Überlege dir genau, wer vor dir steht. Es ist in der Regel kein Erwachsener. Es ist ein Heranwachsender. Rede mit einer Elfjährigen anders als mit einer Siebzehnjährigen. Klingt ebenfalls einfach, ist es aber auch nicht. Ich möchte meinen Kolleginnen und Kollegen hier tatsächlich zu nahetreten. Einige reden nämlich mit allen gleich. Sie halten vor Elfjährigen fünfminütige Monologe, die hochintelligente Erwachsene nicht verstehen würden. Manch andere reden mit Achtzehnjährigen wie mit Kleinkindern. Kurz gesagt: Mache dir klar, mit wem du sprichst. Wer ist gerade deine Zielgruppe?
In den allermeisten Fällen gilt: Quatsch nicht so viel! Hör dir zuerst einmal deine Schülerinnen und Schüler an.
Die Kunst der klaren, kurzen Anweisung
Im Unterricht hilft es, klare Anweisungen zu geben, wenn Arbeitsaufträge anstehen. Eindeutige, direkte Instruktionen, ganz im Sinne der gleichnamigen Einflussgröße aus der 2008 veröffentlichten Hattie-Studie (2013 ins Deutsche übersetzt) – auf die ich noch an anderen Stellen im Buch detaillierter eingehen werde.
Überlege dir vorher gut, was und wie du es sagst. Schäme dich nicht, auch nach zehnjähriger Berufserfahrung deine Ansagen und Lernziele konkret aufzuschreiben. Dann machst du dir auch genügend Gedanken und erklärst nicht spontan vor der Klasse. Du reflektierst zu Hause bereits deine verbale Anweisung und wirst merken, wie viel Interpretationsspielraum es oft dabei gibt, die Formulierung doch anders zu verstehen. Den Schülerinnen und Schülern geht es in der Stunde oft genauso.
Versteh mich nicht falsch: Hattie oder mir geht es nicht darum, den eher frontalen Unterricht zu bevorzugen. Eine direkte Instruktion soll nicht heißen, dass die Lehrerin vor der Tafel etwas erklärt und die Kinder arbeiten allein und still an ihrem Platz vor sich hin. Die Methodik ist außen vor. Es spielt in diesem Fall keine Rolle, wie du deine Methode passend zu deinem Unterrichtsinhalt auswählst. Entscheidend ist nur, dass du dir – egal in welcher Position du vor der Klasse stehst oder in welchen Gruppierungen die Lernenden arbeiten – über die Klarheit der eigenen Worte Gedanken machen solltest.
Was wäre der Lohn für diese Auseinandersetzung mit einer klaren, direkten Arbeitsanweisung? Es würde dir helfen, kürzer und präziser zu formulieren, und besser noch: Es würde den Schülern helfen, besser zu verstehen. Und je einfacher und genauer du formulierst, desto weniger Worte wirst du brauchen.
Weiterhin kann ein gutes Bild zu Beginn eines neuen Themas oder das Zeigen eines Realobjekts oft tausendmal besser sein als fünf Sätze vorzutragen. Lass Bilder sprechen: Setze Hilfskärtchen mit Bildern ein, anstatt auf jede Schülerinnenfrage ad hoc zu antworten. Es bedeutet mehr Arbeit zu Hause, erleichtert dir die Arbeit im Klassenraum aber ungemein. Und die Schülerinnen werden eher davon profitieren, da sie sich bei Hilfskärtchen oder mithilfe von Bildern noch mehr mit dem entsprechenden Lerninhalt auseinandersetzen müssen und dabei lernen, selbst zu denken. Anstatt die vorgefertigte Antwort von der Lehrerin »auf dem Silbertablett präsentiert« zu bekommen – ein weiteres Mal über den in der Schule oft überstrapazierten auditiven Kanal.
Körpersprache und Stimmlage vor Inhalt
Für die Reaktion auf Störungen jeglicher Art im Unterricht gilt grundsätzlich auch dasselbe: Quatsch nicht so viel! Gib mehr nonverbale Zeichen. Arbeite vermehrt bewusst mit deiner eigenen und individuellen Mimik, Gestik und Stimmlage.
Passend hierzu sei auf die Studien von Albert Mehrabian aus dem Jahr 1967 hingewiesen. Hierbei geht es um die Tatsache, dass die Gewichtung von Körpersprache – sprich Mimik, Gestik und Stimmlage – höher anzurechnen ist als der Inhalt des Vorgetragenen.
Blöderweise werden diese Erkenntnisse oft missverstanden und von Coaches und Referentinnen aller Art auf die 7-38-55-Regel heruntergebrochen. Von dem, was jemand sagt, blieben demnach nur 7 Prozent inhaltlich hängen, 38 Prozent von Stimme und Mimik und 55 Prozent von der Körpersprache. Das große Missverständnis dabei ist: Wahrgenommene Kommunikation bestehe zu 93 Prozent aus nonverbaler Kommunikation. Das ist schlichtweg falsch. Richtig aber ist, dass der stimmliche Ausdruck im Vergleich zum Inhalt stärker ins Gewicht fällt, wenn es einen Widerspruch zwischen ebendiesen gibt.
Beispiel: Das Wort »Glück« wird traurig vorgetragen. Dann überwiegt die Wahrnehmung der Stimmlage – und zwar fällt diese 5,4 mal so stark ins Gewicht.
Es wurde weiterhin festgestellt, dass die Gesichtsausdrücke wiederum ausschlaggebender sind als die stimmlichen Elemente – und zwar 1,5 mal so stark. So kamen die angesprochenen Zahlen zustande (vgl. Mehrabian 1967; Mehrabian & Ferris 1967).
Wie könnte man die Studien jetzt genauer, aber immer noch kurz und verständlich, zusammenfassen? Ich gebe hier einen Versuch ab: Wenn ich einer Person zuhöre, ist es wohl sehr viel wichtiger (gut fünfmal), wie die Stimmlage der Rednerin im Vergleich zum reinen Inhalt der vorgetragenen Wörter ausfällt. Und die Körpersprache ist nochmals wichtiger (ungefähr 1,5 mal) als die Stimmlage. Der Inhalt ist allerdings nicht egal. Man kann demnach nicht sagen, dass nur 7 Prozent des Gesagten beim Empfänger ankäme. Die Körpersprache steht nur über allem und ist wohl entscheidend bei der Kommunikation unter Menschen – dicht gefolgt von der Stimmlage.
Und was bringen mir die gewonnenen Erkenntnisse von Mehrabian jetzt für den Schulalltag? Halte dir zunächst immer vor Augen, dass von deinem gesprochenen Wort bei deinen Schülern wohl immer weniger hängen bleibt als gewünscht. Du kennst es noch von deiner eigenen Schulzeit: Weißt du noch viel von deinem Geschichtsunterricht aus der neunten Klasse? Nein, wohl eher nicht. Du kannst aber sagen, was dein Lehrer anhatte. Wie er auf den Tisch gehauen hat, als er erbost war. Wie sein seltsames Lachen klang. Wie er immer auf und ab durch den Klassenraum lief. Dass er oft seine Hände in den Taschen hatte. Dass er immer monoton vor sich hin erklärte. Oder auch: Dass er immer so emotional sprach. Es schien, als wäre er immerzu begeistert von seinem Fach. Wie er immer total wertschätzend und ausdauernd seine Schülerinnen und Schüler anschaute und wie ein Fels in der Brandung vor ihnen stand, wenn mal etwas Unverhofftes passierte. Was er aber inhaltlich gesagt oder welches Thema die Klasse genau durchgenommen hatte? Keine