Einfach gut kooperieren (E-Book): Eltern, Kinder und Schule – wie das Miteinander gelingen kann
Von Hans Berner, Rudolf Isler und Wiltrud Weidinger
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Über dieses E-Book
Wenn die Zusammenarbeit von Erziehungsberechtigten und Lehrer*innen gut funktioniert, profitieren Kinder und Jugendliche enorm. Sie fühlen sich sicher, lernen motivierter und entwickeln
Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten.
Dieses Buch stellt die wesentlichen Themen des Zusammenwirkens von Schule und Elternhaus kompakt dar. Es liefert praktische Hinweise, wie das Wohl der Heranwachsenden gemeinsam
gestärkt werden kann.
Hans Berner
Hans Berner war langjähriger Dozent in der Aus- und Weiterbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich und an der Sekundar- und Fachlehrerausbildung an der Universität Zürich mit den Spezialgebieten Aktuelle Strömungen in der Pädagogik, gesellschaftlicher Wandel, didaktische Modelle und Unterrichtskonzeptionen, berufspraktische Ausbildung. Davor mehrjährige praktische Erfahrung als Lehrer an der Berufsschule für Gehörgeschädigte in Zürich. Autor bekannter pädagogischer und didaktischer Grundlagenbücher wie «Über-Blicke – Ein-Blicke. Pädagogische Strömungen durch fünf Jahrzehnte» oder «Einfach gut unterrichten».
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Buchvorschau
Einfach gut kooperieren (E-Book) - Hans Berner
«Super war der Wildkräutertag mit Davids Mutter!»
Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule
1
«COMING TOGETHER IS A BEGINNING.
KEEPING TOGETHER IS PROGRESS.
WORKING TOGETHER IS SUCCESS.»
Henry Ford (1863–1947)
Stimmt die von anderen Eltern immer wieder gehörte Kritik, dass Elternabende reine Zeitverschwendung seien? Hat man als Elternrat nur eine Alibifunktion, indem man für einen gesunden Znüni Apfelschnitze schneiden darf? Haben wir als Eltern überhaupt relevante Möglichkeiten, um in der Schule mitwirken und mitentscheiden zu können? Verstehen sich Lehrerinnen und Lehrer eigentlich immer noch als schulische Alleinherrschende, ganz nach dem absolutistischen Motto «L’école c’est moi»? Sollen und können wir Eltern bei bestimmten Themen den Unterricht mitgestalten? Die Lehrerin unseres Kindes hat sich bei uns für einen Hausbesuch gemeldet: Finde ich das als Mutter oder Vater eine gute Idee? Oder muss das wirklich nicht sein?
Viele Fragen – nicht immer ganz einfache Antworten.
Worum geht es?
Um die Grundsatzfrage, ob die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus eher Pflicht oder Kür ist.
Um die Möglichkeiten und Erfolgsfaktoren einer guten Zusammenarbeit von Schule, Lehrpersonen und Erziehungsberechtigten.
Um das Überwinden von Vorurteilen, die eine gute Zusammenarbeit erschweren oder behindern.
Um das Wissen, welche Möglichkeiten der Mitverantwortung und Mitarbeit die Eltern haben.
# Ihre Meinung – welche Angebote für Kontakte zwischen Schule und Elternhaus sind wichtig?
In der folgenden Tabelle finden Sie eine Reihe von Möglichkeiten für die Förderung einer guten Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern. Entscheiden Sie, was für Sie wichtig und geeignet ist und welche Angebote sie gerne nutzen würden.[3]
Was fehlt Ihrer Meinung nach in dieser Liste?
Wenn Sie bei 15 oder mehr der obengenannten Angebote «Finde ich geeignet» und «Würde ich gerne nutzen» angekreuzt haben, zeigen Sie eine hohe Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Schule. Man könnte sagen, dass Sie die Eltern-Schule-Kontakte als Kür verstehen.
Wenn Sie bei fünf oder weniger der obengenannten Angebote «Finde ich geeignet» und «Würde ich gerne nutzen» angekreuzt haben, ist Ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Schule niedrig. Man könnte sagen, dass Sie die Eltern-Schule-Kontakte als Pflicht verstehen. Welche Gründe sind für Sie ausschlaggebend dafür, dass Sie diese Kontakte auf ein Minimum beschränken möchten?
# Kontakte Schule–Elternhaus – sind diese Kontakte Ihrer Meinung nach mehr Pflicht oder Kür?
Ein vergleichender Blick in die Vergangenheit zeigt, dass heute deutlich mehr Kontakte zwischen Schule und Elternhaus angeboten und wahrgenommen werden. Schulleitungen und Lehrpersonen sind sich zunehmend bewusst, dass das Einladen eine Geste der Willkommenskultur ist. In der Lehreraus- und -weiterbildung wird das Thema Elternarbeit stärker gewichtet und es entspricht einem klar geäusserten Bedürfnis angehender oder bestandener Lehrpersonen.
Trotzdem sind die Kontakte zwischen Erziehungsberechtigten und Schule nicht überall so beliebt, dass aus der Pflicht eine Kür geworden ist.
–Es gibt einige Gründe dafür, dass einige Lehrpersonen Elternkontakte auf ein vorgegebenes gefordertes Minimum beschränken. Elternarbeit ist zeitaufwändig und aufwändige Elternarbeitsstunden sind nicht vollumfänglich Bestandteil der Gesamtarbeit der Lehrpersonen. Manche Lehrpersonen vertreten zudem die Meinung, dass viele Eltern vor allem bei Klagen oder Beschwerden Verbindung mit der Schule aufnehmen. Es gibt aber auch Lehrpersonen, die sich durch Elternkontakte und Elterneinflussmöglichkeiten kontrolliert und eingeschränkt fühlen – im Sinne der karikaturistischen Übertreibung «L’école, c’est moi».
–Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Gründe dafür, dass Eltern ihre Kontakte mit der Schule gerne auf ein Minimum beschränken möchten. Einige Eltern haben aufgrund ihres Arbeitspensums und ihrer Verpflichtungen wenig Zeit, um in den angebotenen Zeitfenstern einen Schulbesuch einzuplanen und an schulischen Anlässen teilzunehmen. Es gibt Eltern, die befürchten, dass sie in der Schule vor allem negative Kommentare über die Leistungen und Verhaltensweisen ihrer Kinder zu hören bekommen. Und gewisse Eltern werden durch ihre seit der eigenen Schulzeit aufgebaute Schwellenangst vor der Institution und vor Lehrpersonen von Schulkontakten abgehalten. [4]
# Elternängste – gibt es Ihrer Meinung nach so etwas wie Ängste der Eltern vor Lehrpersonen?
Haben Sie schon festgestellt, dass Sie beim Betreten eines Schulhauses, in Schulgebäuden oder in Schulzimmern an Ihre eigene Schulzeit erinnert werden? Haben Sie schon festgestellt, dass das nicht nur beglückende Erinnerungen sind, sondern dass auch Gefühle der Unterlegenheit oder des Ausgeliefertseins wach werden? Erinnert Sie ein Elternabend mit der Aufforderung, sich vor allen vorzustellen, an unerfreuliche Erfahrungen aus Ihrer Schulzeit? Haben Sie sich schon dabei ertappt, dass Sie versucht haben, als Mutter oder Vater Unsicherheiten in schulischen Situationen mit bewusst forschem Auftreten wettzumachen?
Die Psychologin Helga Gürtler hat im Zusammenhang mit solchen Erinnerungen und Gefühlen einige interessante Fragen formuliert, die für eine selbstkritische Auseinandersetzung mit persönlichen mehr oder weniger bewussten Schulerinnerungen sehr geeignet sind:
–Welche Rolle spielen Ihre eigenen Schulerfahrungen bei der Art, wie Sie Lehrpersonen heute einschätzen und heute mit ihnen umgehen?
–Glauben Sie an eine Unfehlbarkeit der Lehrpersonen und an Ihre eigene Unterlegenheit?
–Unterstellen Sie den Lehrpersonen Motive und Verhaltensweisen, unter denen Sie selbst früher gelitten haben?
–Möchten Sie Lehrerinnen und Lehrer von einem zu hohen Sockel herunterholen, weil Sie Ihre eigenen Lehrpersonen als übermächtig erlebt haben?
–Möchten Sie sich und andern in bestimmten Situationen beweisen, dass Sie jemand sind und es nicht mehr nötig haben, sich von Lehrpersonen etwas sagen zu lassen? [5]
Wenn Sie einige dieser Fragen irritiert oder nachdenklich gemacht haben, lohnt es sich im Hinblick auf eine gute, unbelastete Zusammenarbeit mit den Lehrerinnen und Lehrern Ihrer Kinder, sich früher empfundene Gefühle bewusst zu machen und sich über den Einfluss der eigenen unbewussten Erfahrungen klarer zu werden.
Pädagogisch-psychologisches Hintergrundwissen
Was ist gemeint mit der eigenartigen Formulierung «Erziehende stehen vor zwei Kindern»?
Siegfried Bernfeld hat vor rund hundert Jahren in seinem Klassiker Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung eine gleichermassen irritierende und provozierende Behauptung aufgestellt: «So steht der Erzieher vor zwei Kindern: dem zu erziehenden vor ihm und dem verdrängten in ihm. Er kann gar nicht anders, als jenes zu behandeln, wie er dieses erlebte.»[6]
Aus einer psychoanalytischen Perspektive argumentiert Bernfeld, dass Eltern bei ihren Erziehungshandlungen von ihren eigenen unbewussten Erfahrungen beeinflusst werden und dass sie in einem gewissen Sinn «Gefangene ihrer verdrängten Gefühlswelt» sind. Deshalb die Aufforderung, dass man etwas wissen muss über das Kind in sich, damit man nicht unreflektiert und blind dem Kind vor sich begegnet. Psychologisch gesprochen geht es um eine Kontrolle der Gegenübertragung, die jede Beziehung zwischen Erziehenden und Kindern beeinflusst. Damit man das Kind in sich nicht mit dem vor sich verwechselt, braucht es eine kritische Selbstreflexion.
Das Phänomen der beiden Kinder betrifft nicht nur Eltern, sondern auch Lehrpersonen. Auch sie müssen sich bewusst sein, dass sie in ihrer Rolle als Lehrpersonen in bestimmten Situationen vor zwei Kindern stehen: der Schülerin oder dem Schüler vor sich und dem Kind in sich. Auch Lehrpersonen sollten aufgrund der Kenntnis ihrer Lebensgeschichte verhindern, dass sie eigene Anteile und unverarbeitete Konflikte unbewusst auf ihre Schülerinnen und Schüler projizieren.
Zum Weiterlesen für Interessierte
Bernfeld, Siegfried. 2000. Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung. Suhrkamp. 14. Auflage.
# Lehrer*innenmacht – haben Lehrpersonen einen Heimspiel-Vorteil? Und nutzen sie diesen aus?
Es ist zum Glück selten geworden, dass Lehrpersonen an Elternabenden oder Elterngesprächen die Eltern auf Schülerstühlen sitzen lassen, für sich den bequemen Lehrerstuhl reserviert haben und die Sitzordnung des Frontalunterrichts anwenden. Gespräche auf Augenhöhe an runden Tischen mit gleichen Stühlen sind an vielen Orten die Regel geworden – oder sollten es zumindest sein.
Trotz des offensichtlichen Abbaus von Hierarchien und Autoritätsgebaren in Schulen haben die Lehrpersonen nach wie vor eine besondere Machtstellung. Deshalb haben bestimmte Vorbehalte von Eltern durchaus auch eine reale Basis und können nicht nur als unverarbeitete Unsicherheits- und Ohnmachtsgefühle kleingeredet werden:
–Weil fast alle Elternkontakte in der Schule stattfinden, profitieren die Lehrpersonen von einem Heimvorteil.
–Weil Lehrerinnen und Lehrer über Fachkenntnisse und Schulwissen verfügen, das bei vielen Eltern nicht oder kaum vorhanden ist, und weil Lehrpersonen die Rückendeckung durch die Institution Schule geniessen, können bei den Eltern Ohnmachtsgefühle entstehen.
–Weil Lehrpersonen mit Noten und Empfehlungen einen grossen Einfluss auf die schulische Karriere und damit auf die Berufschancen der Kinder und Jugendlichen haben (vgl. Kapitel 3 und 4 ), kann bei den Eltern das Gefühl des Ausgeliefertseins entstehen. [7]
Die elterlichen Gefühle der Unterlegenheit oder gar Ohnmacht haben ihren Ursprung häufig auch darin, dass Eltern zu wenig über ihre Mitsprache-, Mitbestimmungs- und Mitverantwortungsrechte Bescheid wissen.
# Möglichkeiten der Eltern – kennen Sie Ihre Mitarbeitsmöglichkeiten als Eltern?
Eltern müssen wissen, in welchen schulischen Bereichen sie mitsprechen und mitbestimmen können und in welchen Bereichen die Schule darauf zählt, dass sie mitarbeiten und Verantwortung mittragen. Wichtig ist aber auch zu wissen, in welchen Bereichen die Schule die alleinige Verantwortung trägt. Eine Vorbemerkung: Das schweizerische Bildungssystem liegt aufgrund des Föderalismus nur teilweise in der Verantwortung des Bundes. Die einzelnen Kantone haben ihre eigenen Schulgesetze, wobei man aufgrund von interkantonalen Abkommen wie HarmoS-Konkordat und Lehrplan 21 trotzdem von einem Schweizer Schul- oder Bildungssystem sprechen kann. Im Berner Volksschulgesetz[8] werden beispielsweise klar formulierte Rechte und Pflichten von Erziehungsberechtigten sowie von Schülerinnen und Schülern definiert und die verschiedenen Mitwirkungsrechte für Schülerinnen, Schüler und Eltern genannt.
Die folgende Zusammenfassung ist eine allgemein gehaltene, nicht auf einen bestimmten Schweizer Kanton bezogene Darstellung der elterlichen Möglichkeiten.
# Möglichkeiten der Eltern – wo können Sie als Eltern mitsprechen und mitwirken?
Eltern können in Absprache mit der jeweiligen Schule in folgenden Bereichen mitsprechen: bei der schulischen Qualitätssicherung durch Feedback, beim Einsetzen eines Elternrats, beim Erarbeiten eines Verhaltenskodexes, bei der Erarbeitung und Weiterentwicklung des Leitbilds. Eltern können in Absprache mit der jeweiligen Schule in ganz verschiedenen Bereichen mitwirken: bei der Pausenplatzgestaltung, an Aktionstagen und Festen, an Erzählnächten, an Sporttagen, bei der Aufgabenbetreuung, im Rahmen von Projekten zur Sucht- und Gewaltprävention, bei der Integration von fremdsprachigen Kindern und ihren Eltern, bei der Gesundheitsförderung, bei Angeboten für die Elternbildung, bei der Berufswahl-Information.
# Möglichkeiten der Eltern – wo können Sie als Eltern mitbestimmen?
Eltern können mitbestimmen, wenn es um die schulische Laufbahn ihrer Kinder geht. Als Stimm- und Wahlberechtigte entscheiden die Eltern bei kantonalen Abstimmungen zum Beispiel über Schulgesetze mit. Auf lokaler Ebene beteiligen Eltern sich an der Wahl der Schulbehörde oder bestimmen bei Schulhausneubauten mit.
# Möglichkeiten der Eltern – wo müssen Sie als Eltern Mitverantwortung übernehmen?
Eltern sind durch ihre Erziehungspflicht auch für die Schulzeit ihrer Kinder mitverantwortlich. Eltern haben die Pflicht, ihre Kinder zu fördern und dafür zu sorgen, dass sie den Unterricht regelmässig, pünktlich, ausgeruht und gesund ernährt besuchen. Eltern haben den Kindern einen geeigneten Arbeitsplatz einzurichten, für die Schulwegsicherheit