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Die Todesstrafe II: Seminar 2000-2001
Die Todesstrafe II: Seminar 2000-2001
Die Todesstrafe II: Seminar 2000-2001
eBook581 Seiten8 Stunden

Die Todesstrafe II: Seminar 2000-2001

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Über dieses E-Book

Das zweite Studienjahr wagt nach einer kurzen Anknüpfung an die zentralen Begriffe des vergangenen Jahres – Souveränität, Ausnahme und Grausamkeit – einen Neuanfang. Dieser ist durch drei Fragen gekennzeichnet, die sich durch die Lektüre diverser Texte (von Kant, Freud, Reik, Heidegger, aber auch Kafka und Benjamin) ziehen: "Was ist ein Akt? Was ist ein Alter? Was ist ein Begehren?" Neben der Frage, ob es sich bei der Todesstrafe um eine Fremd- oder eine Selbst-Bestrafung handelt, geht es auf einer grundlegenderen Ebene um drei Formen der Verurteilung: die zum Sterben im Allgemeinen, zum Sterben in kurzer Zeit (z. B. an einer Krankheit) und die Verurteilung zum Tode durch ein Strafgerichtsurteil. Hierbei zeigt sich, dass nur Letztere eine Entscheidung impliziert, die Entscheidung des Anderen.
SpracheDeutsch
HerausgeberPassagen Verlag
Erscheinungsdatum15. Juli 2020
ISBN9783709250396
Die Todesstrafe II: Seminar 2000-2001
Autor

Jacques Derrida

Jacques Derrida (1930–2004) lehrte Philosophie in Paris und den USA.

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    Buchvorschau

    Die Todesstrafe II - Jacques Derrida

    In dem zweijährigen Seminar über Die Todesstrafe wird das in Europa bereits erledigt geglaubte, aber irritierend oft wiederauftauchende Thema der Todesstrafe ebenso umfassend wie strikt erörtert, wobei auch tagesaktuelle Bezüge aufblitzen.

    Das zweite Studienjahr wagt nach einer kurzen Anknüpfung an die zentralen Begriffe des vergangenen Jahres – Souveränität, Ausnahme und Grausamkeit – einen Neuanfang. Dieser ist durch drei Fragen gekennzeichnet, die sich durch die Lektüre diverser Texte (von Kant, Freud, Reik, Heidegger, aber auch Kafka und Benjamin) ziehen: „Was ist ein Akt? Was ist ein Alter? Was ist ein Begehren?" Neben der Frage, ob es sich bei der Todesstrafe um eine Fremdoder eine Selbst-Bestrafung handelt, geht es auf einer grundlegenderen Ebene um drei Formen der Verurteilung: die zum Sterben im Allgemeinen, zum Sterben in kurzer Zeit (z. B. an einer Krankheit) und die Verurteilung zum Tode durch ein Strafgerichtsurteil. Hierbei zeigt sich, dass nur Letztere eine Entscheidung impliziert, die Entscheidung des Anderen.

    Jacques Derrida (1930-2004) lehrte Philosophie in Paris und den USA.

    Jacques Derrida

    Die Todesstrafe II

    Seminar 2000–2001

    Aus dem Französischen von Markus Sedlaczek

    Hg. von Geoffrey Bennington und Marc Crépon

    Passagen forum

    Herausgegeben von Peter Engelmann

    Deutsche Erstausgabe

    Titel der Originalausgabe: Séminaire La peine de mort.

    Volume II (2000–2001)

    Aus dem Französischen von Markus Sedlaczek

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

    Alle Rechte vorbehalten

    ISBN 978-3-7092-0404-7 (in Vorbereitung)

    eISBN 978-3-7092-5039-6

    © 2015 by Éditions Galilée, Paris

    © der dt. Ausgabe 2020 by Passagen Verlag Ges. m. b. H., Wien

    http://www.passagen.at

    Grafisches Konzept: Gregor Eichinger

    Satz: Passagen Verlag Ges. m. b. H., Wien

    Inhalt

    Allgemeine Einführung

    Vorbemerkung der Herausgeber

    Erste Sitzung. 6. Dezember 2000

    Zweite Sitzung. 13. Dezember 2000

    Dritte Sitzung. 10. Januar 2001

    Vierte Sitzung. 31. Januar 2001

    Fünfte Sitzung. 7. Februar 2001

    Sechste Sitzung. 21. Februar 2001

    Siebte Sitzung. 7. März 2001

    Achte Sitzung. 23. Februar 2001

    Neunte Sitzung. 21. März 2001

    Zehnte Sitzung. 28. März 2001

    Anmerkungen

    Zu den Herausgebern

    Verzeichnis der ausführlich zitierten Literatur

    Namensverzeichnis

    Allgemeine Einführung

    Die Gesamtausgabe der Seminare und Vorlesungen Jacques Derridas wird dem Leser die beispiellose und – im mehrfachen Sinne des Wortes – unerhörte Chance bieten, mit dem gesprochenen Wort des Philosophen in Berührung zu kommen, wie es im Rahmen seiner Lehrtätigkeiten geäußert wurde. Diese Ausgabe wird einen neuen Teil seines Werkes darstellen, der zu unterscheiden ist von den Büchern und anderen Texten, die er zu Lebzeiten veröffentlichte oder noch vor seinem Tod durchgesehen hat; dieser Teil besitzt natürlich einen anderen Status als jene. Ob als eigenständiges Ganzes genommen oder in ihrem Verhältnis zu Derridas philosophischem Werk betrachtet werden diese Vorlesungen und Seminare der Forschung ein unvergleichliches Hilfsmittel an die Hand geben und, so glauben wir zumindest, sein Denken in anderer Weise erfahrbar machen, diesmal eben in Verbindung mit seiner – in Frankreich wie im Ausland ausgeübten – Tätigkeit als Lehrender, die stets eine lebendige Quelle seines Schreibens bildete.

    Das Korpus, das wir zur Publikation vorbereiten, ist von gewaltigem Umfang. Vom Beginn seiner Lehrtätigkeit an hatte Jacques Derrida es sich zur Gewohnheit gemacht, fast alle seiner Vorlesungen und Seminare vollständig niederzuschreiben. Wir verfügen in diesem Zusammenhang gegenwärtig über das Äquivalent von ungefähr 14 000 Druckseiten, das heißt 43 Bänden oder 1 Band pro Studienjahr. Man kann dieses Material nach verschiedenen Kriterien klassifizieren. Zunächst einmal nach den jeweiligen Orten der Lehre: an der Sorbonne 1960-1964; an der École normale supérieure in der Rue d’Ulm 1964-1984; an der École des hautes études en sciences sociales (EHESS) 1984-2003.¹ Sodann nach der Art der jeweiligen Lehrveranstaltung: bis 1964 Vorlesungen mit einer wechselnden Anzahl von Sitzungen (die von einer bis 15 reicht); später dann das, was er stets „Seminare" nannte. Schließlich – und dieses Kriterium ist für die editorische Arbeit zweifellos am relevantesten – nach den Arbeitswerkzeugen: handgeschriebene Sitzungstexte von 1960 bis 1970; maschinengeschriebene, mit handschriftlichen Anmerkungen und Korrekturen versehene Sitzungstexte von 1970 bis 1988; am Computer verfasste Sitzungstexte von 1988 bis 2003.

    Jacques Derridas Seminare, die eine eigentümliche Form besaßen und bereits in der Rue d’Ulm (wo die Wahl der Themen und der Autoren, wenn nicht sogar ihre Behandlungsweise den Zwängen des Studiengangs zur Erlangung der agrégation² unterworfen war) ein großes und breit gefächertes, internationales Publikum anzogen, nahmen an der EHESS ihren endgültigen Charakter an: Am Mittwoch, von 17 bis 19 Uhr, in circa zwölf Sitzungen pro Studienjahr, trug Jacques Derrida vor einer großen Zuhörerschaft und stets ein wenig improvisierend den Text seines Seminars vor, den er im Laufe des Jahres vollständig niedergeschrieben und redigiert hatte. (Diesen sind noch einige improvisierte Sitzungen hinzuzufügen, die bisweilen der Interpretation eines Textes oder der Diskussion dienten.) Nunmehr frei in der Wahl seines Gegenstands, hat Derrida mehrjährige Forschungsprojekte angelegt, die explizit und in kohärenter, schlüssiger Weise aufeinanderfolgen. Die wichtige Frage nach „Nationalität und Nationalismus in der Philosophie (1984-1988) führt zur Frage nach den „Politiken der Freundschaft (1988-1991), die wiederum zu einem großangelegten Themenblock unter dem Titel „Fragen der Verantwortung (1991-2003) führt, unter dem nacheinander folgende Themen angesprochen werden: das Geheimnis (1991-1992), das Zeugnis (1992-1995), Feindschaft und Gastfreundschaft (1995-1997), Eidbruch und Vergebung (1997-1999), die Todesstrafe (1999-2001); das Ganze mündet schließlich in die letzten beiden Studienjahre, die sich dem „Tier und [dem] Souverän widmeten.

    Jacques Derrida hatte die Angewohnheit, für die zahlreichen Vorträge, die er jedes Jahr in aller Welt hielt, aus dem reichen Material dieser Seminare zu schöpfen, und so wurden auf diesem Wege bestimmte Ausschnitte von Seminaren umgearbeitet und publiziert. Darüber hinaus haben einige seiner Bücher ihren Ausgangspunkt in der Arbeit im Seminar: So ist zum Beispiel ein Großteil von De la grammatologie (1967) eine Weiterentwicklung von Sitzungen eines Seminars über „Natur, Kultur, Schrift in den Jahren 1965-1966; das Seminar über „Hegels Familie (1971-1972) fand Eingang in Glas (1974); Politiques de l’amitié (1994) präsentiert sich explizit als Weiterentwicklung der ersten Sitzung des Seminars von 1988-1989, wobei sich letztendlich auch Spuren weiterer Sitzungen finden.³ Trotz all dieser Neuzuschnitte und partiellen Überschneidungen ist der weitaus größte Teil der Woche für Woche für das Seminar verfassten Seiten unveröffentlicht geblieben; sie werden eine unschätzbare Ergänzung zum bereits veröffentlichten Werk bieten.

    Wie bereits angedeutet, gestaltete sich die editorische Arbeit überaus unterschiedlich, je nachdem, auf welche Weise der Text entstanden ist. Für jene Zeitspanne, in der die Schreibmaschine verwendet wurde, verlangen zahlreiche Streichungen und handschriftliche Anmerkungen nicht zu unterschätzende Anstrengungen bei ihrer Entzifferung. Das gilt umso mehr für jene Seminare, die vollständig per Hand, also mit Jacques Derridas schöner, aber schwierig zu lesender Handschrift redigiert wurden und daher eine äußerst gewissenhafte Transkription erfordern. In einer ersten Phase werden wir also die Seminare der letzten zwanzig Jahre veröffentlichen, wobei das allerletzte Seminar den Anfang macht, während die übrigen zur Publikation vorbereitet werden. Unser oberstes Ziel war es jedenfalls, den Text des Seminars zu präsentieren, wie er von Jacques Derrida niedergeschrieben wurde, im Hinblick auf den mündlichen Vortrag, also mit bestimmten vorweg notierten Mündlichkeitsmarkern und gewissen familiären Wendungen. Es ist nicht sicher, ob Jacques Derrida diese Seminare veröffentlicht hätte, wenngleich er bisweilen eine derartige Absicht äußerte⁴; sehr wahrscheinlich ist jedoch, dass er diese Texte, falls er sie für eine Publikation wiederaufgegriffen hätte, im Sinne des geschriebenen Textes überarbeitet hätte, wie er es immer tat. Wir haben es natürlich nicht auf uns genommen, diese Arbeit an seiner Stelle zu erledigen. Wie bereits erwähnt, wird der Leser die Originalversion, die wir hier vorlegen, mit jenen wenigen Sitzungen vergleichen können, die Jacques Derrida selbst eigenständig publiziert hat.

    Geoffrey Bennington

    Marc Crépon

    Marguerite Derrida

    Thomas Dutoit

    Peggy Kamuf

    Michel Lisse

    Marie-Louise Mallet

    Ginette Michaud

    Vorbemerkung der Herausgeber

    Das Seminar, das Jacques Derrida der Todesstrafe widmete, verteilte sich auf zwei Studienjahre (1999-2000 und 2000-2001). Im vorliegenden Band veröffentlichen wir die zehn Sitzungen des zweiten Jahres. Wie das Seminar des Vorjahres¹ wurde auch dieses zunächst an der Pariser École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS) auf Französisch gehalten und anschließend in den Vereinigten Staaten an der University of California in Irvine und an der New School for Social Research in New York auf Englisch wiederholt.

    Die ersten neun Sitzungen waren wie gewohnt vollständig redigiert. Ausgangspunkt unserer Arbeit war das Typoskript, das Jacques Derrida während der Seminarsitzungen verwendete und das im Institut Mémoires de l’édition contemporaine (IMEC, Caen) archiviert ist, die entsprechende Computerdatei sowie die begleitenden Dossiers (Zeitungsausschnitte, Fotokopien der zitierten Texte). Es existieren zwei Exemplare des Typoskripts, von denen das eine, das in den Vereinigten Staaten verwendet wurde, einige handschriftliche Zusätze enthält. Sofern diese nicht ausschließlich für die Übersetzung bestimmt waren, die Derrida vom französischen Text ausgehend vor seinen amerikanischen Hörern improvisierte, haben wir sie berücksichtigt. Darüber hinaus verfügten wir über eine Tonbandaufnahme aller Sitzungen. Die zehnte und letzte Sitzung (die viel Zeit für die Diskussion mit den Hörern ließ) wurde improvisiert. Was sie betrifft, konnten wir unserer Arbeit die Tonbandaufzeichnung zugrunde legen, die bis auf zwei oder drei Ausnahmen, die in Anmerkungen verzeichnet sind, bezüglich der Transkription keine Unsicherheiten zurückließ.

    Hinsichtlich der Zitate haben wir uns im Allgemeinen auf die Ausgaben bezogen, die Jacques Derrida selbst benutzte und die wir in seiner persönlichen Bibliothek in Ris Orangis konsultieren konnten, bevor diese im Winter 2014 an die Universität von Princeton übersiedelte.

    Darum bemüht, den mündlichen Charakter dieses Schreibens zu bewahren, geben wir auch alle Didaskalien beziehungsweise „Regieanweisungen wieder, die im Typoskript enthalten sind, wie auch die Erinnerungen, die Jacques Derrida an sich selbst adressierte, wie „Lesen und Kommentieren, die ein Zitat ankündigen und oft auch weitere Ausführungen, die während der Sitzung improvisiert wurden: Diese Hinzufügungen haben wir, wenn möglich, ausgehend von der Tonbandaufnahme immer in Anmerkungen integriert.²

    Wie bei den vorangegangenen Bänden des Seminars waren wir bestrebt, unsere Eingriffe in das Typoskript auf ein Minimum zu begrenzen. Wo diese aus Gründen der Verständlichkeit nötig waren, haben wir jede Hinzufügung oder Modifikation systematisch angezeigt. Wenn es sich um ein fehlendes Wort handelt, wurde dieses in spitzen Klammern ( < > )³ in den Text eingefügt.

    *

    Die beste Präsentation dieses Seminars ist die, die Jacques Derrida selbst auf zwei sehr unterschiedliche Weisen vorgelegt hat, zunächst im Jahrbuch der EHESS, und dann in den wenigen einleitenden Worten, die er an der New School in New York sprach, einige Tage nach den Ereignissen des 11. September 2001. Wir geben sie hier wieder:

    Wir haben die Untersuchungen, die wir im vergangenen Jahr begonnen hatten, fortgesetzt, indem wir dieselben Fragen (um drei Begriffe herum: Ausnahme, Souveränität, Grausamkeit) weiter entwickelten und denselben Leitfäden folgten. Zunächst einmal dem der onto-theologisch-politischen Filiation, die mit zahlreichen Unterschieden, aber ohne Ausnahme alle im eigentlichen Sinne philosophischen Diskurse über die Todesstrafe, das heißt zugunsten der Todesstrafe dominierte: von Platon bis Rousseau, Kant, Hegel und darüber hinaus, bis in die jüngste Moderne hinein.

    Wir haben also versucht, die Gründe und die Gedankengänge zu analysieren, die eine derart unerschütterliche Dauerhaftigkeit, eine derart bemerkenswerte und bislang wenig bemerkte tief gründende Einmütigkeit gewährleisten konnten (ob es nun darum geht, das „Leben, das „menschliche Lebende zu denken, oder darum, die „Souveränität, den „Staat, das „Politische" im Allgemeinen zu denken).

    Die Diskurse Kants und Hegels standen in dieser Hinsicht im Fokus unserer Arbeit, ob es nun um die Debatten mit Beccaria ging oder um jene im Zusammenhang mit der Französischen Revolution, dem Königsmord, der Schreckensherrschaft oder der großen Tradition des Gesetzes der Wiedervergeltung. In Bezug auf Letzteres haben wir einige biblische Texte wiedergelesen und die Bemühungen untersucht, es zu rechtfertigen und in ihm gar – gegen eine gewisse traditionelle Doxa – das Prinzip selbst und den Ursprung der Gerechtigkeit zu erkennen, von Kant oder Hegel bis hin zu Levinas (einschließlich).

    Dieses Gesetz der Wiedervergeltung ist auch ein grundlegender Bezugspunkt in der Debatte, die sich zwischen der Psychoanalyse und dem Strafrecht entspann. In dieser Hinsicht haben wir die Projekte einer Transformation des Strafrechts durch die Psychoanalyse befragt (insbesondere die Schriften von Reik und die Erklärungen gegen die Todesstrafe, die dieser 1926 im Namen Freuds abgab.

    Bei all diesen Lektüren haben wir versucht, die Aktualität des Problems nicht aus den Augen zu verlieren, insbesondere das, was gerade in den Vereinigten Staaten geschieht, während und nach der Wahl des neuen Präsidenten. Die Figur des „Präsidenten", das heißt einer Souveränität, die der demokratischen Wahl unterworfen ist, hatte besondere Aufmerksamkeit verdient. Wir haben also auch auf das Bezug genommen, was im letzten Buch von Robert Badinter, L’Abolition („Die Abschaffung [der Todesstrafe]), unter anderem über den „Präsidenten und die jüngste Geschichte der Todesstrafe in Frankreich gesagt wird.

    Am Kreuzungspunkt der die Vereinigten Staaten betreffenden Analysen und einer psychoanalytischen Problematik, und während wir gleichzeitig eine gewisse „Geschichte des Blutes verfolgten (Sichtbarkeit oder nicht der Exekution, Übergang zur Injektion eines tödlichen Gifts, Weisen der Sichtbarkeit, der Öffentlichkeit, der Theatralität, opferhafter Ritualität – Lektüre Foucaults und Diskussion seiner These über die fortschreitende Ent-Spektakularisierung der Strafe; aber auch Lektüre von Donoso Cortés über das blutige Opfer und die Todesstrafe [1859]), haben wir uns auch von folgenden drei Fragen leiten lassen, denen wir einen Sinn zu geben versuchten, der ebenso neu wie spezifisch auf die Geschichte aller „Verbrechen und Strafe abgestimmt ist: 1. Was ist eine Tat/ein Akt [acte]? 2. Was ist ein Alter? 3. Was ist ein Begehren?

    Im Folgenden nun unsere Übersetzung der wenigen, auf Englisch verfassten Sätze, die Derrida an seine Zuhörer in der New School < for Social Research > zur Eröffnung seines Seminars richtete:

    Der „11. September (9/11) wird jetzt zu einem Namen – nicht nur ein Datum, sondern ein Name, der unauslöschliche Name eines Ereignisses, für das (und das ist, wie ich behaupten werde, nicht nur eine Frage der Ökonomie der Bezeichnung, auch nicht nur eine Frage der Rhetorik), eines Ereignisses also, für das kein anderer Name, kein anderer Begriff geeignet, adäquat, verlässlich zu sein scheint. So als ob man, zumindest implizit oder unbewusst, die gängigen Begriffe zur Benennung dieser unaussprechlichen Erfahrung für inadäquat hielte: solche wie „Tragödie, „schreckliches Ereignis, „Kriegshandlung, und sogar „Terrorakt. Wir werden, so hoffe ich jedenfalls, im Laufe des Seminars oder in den Diskussionen auf diese Begriffe Krieg und Terrorismus zurückkommen. Kürzlich sah ich mir im Fernsehen die Debatten vor der UNO an, und obwohl zahlreiche Erklärungen und zahlreiche vorausgehende einmütige Vereinbarungen, zahlreiche offizielle Abkommen in der Vergangenheit und auch heute noch das, was man internationalen Terrorismus nennt, verurteilt haben, spielte der Generalsekretär auf Diskussionen an, die hinter den Kulissen über den Begriff des Terrorismus im Gange seien. Dieses schwierige Problem ist natürlich nicht zu trennen von den Problemen, die von klassischen Begriffen wie „Krieg, „Staatssouveränität" usw. aufgeworfen werden, die im Zentrum unseres Seminars über die Todesstrafe stehen sollten.

    Am 11. September, dem Tag des unaussprechlichen Ereignisses, war ich in Shanghai, und ich war nicht sicher, nach Europa und in die Vereinigten Staaten zurückkehren zu können. Zurück in Paris habe ich Richard Bernstein angerufen, um ihm zu sagen, dass ich, falls es technisch (in Sachen Flug usw.) möglich wäre, gerne wieder hierher kommen würde, so als ob ich zu mir nach Hause käme, um mit meinen Freunden und Kollegen in New York, vor allem an der New School, mit Ihnen die Traurigkeit und die Trauer zu teilen, aber auch das Nachdenken, welches das einfordert, was wir in Ermangelung einer geeigneteren Beschreibung „der 11. September" nennen. Ich hoffe, dass sich das Sujet des Seminars stets darauf beziehen wird, mag diese Bezugnahme auch indirekt oder implizit bleiben.

    *

    Es ist uns ein großes Anliegen, Marguerite Derrida herzlich zu danken, des weiteren Thomas Dutoit für seine Beteiligung an der ersten Entzifferung des Typoskripts, Jean-Luc Nancy, Cécile Bourguignon, sowie Michael Naas, Elizabeth Rottenberg und Pascale-Anne Brault für ihre Hilfe bei der Erstellung des Texts der letzten Sitzung.

    Geoffrey Bennington

    Marc Crépon

    Erste Sitzung

    6. Dezember 2000

    Bitte gestatten Sie mir ein weiteres Mal, nicht allzu weit zurück zu blicken und nicht den ganzen Weg zu rekonstruieren, den wir im letzten Jahr oder, im Sinne von Prämissen, sogar im Laufe der letzten Jahre gegangen sind. Dieses Mal schien es mir am bequemsten zu sein, Ihnen eine knapp gehaltene Bibliographie zur Verfügung zu stellen.¹ Sie würde es denen, die das Seminar im letzten Jahr nicht verfolgen konnten, erlauben, zumindest bestimmte Etappen und grundlegende Referenzen nachzuvollziehen, zum Beispiel im Hinblick auf die anfängliche Inszenierung, die Erinnerung an, ja die Analyse von vier großen paradigmatischen Gestalten (die nicht, wie im Jahr zuvor zum Thema Vergebung und Eidbruch², vier protestantische Männer waren, die auf ihre Art Präsidenten waren, Hegel, Mandela, Tutu und Clinton – die drei Lebenden³ waren buchstäblich Präsidenten, einer von ihnen Präsident der Kommission für Wahrheit und Versöhnung, wir werden dieses Jahr, von heute an, rasch auf diese Gestalt und Figur des „Präsidenten, ja des Präsidiablen oder Präsidentiellen, des Souveräns mit dem Beinamen „Präsident zurückkommen: Was ist ein Präsident? Das wird eine der Fragen sein, über die wir also von heute an sprechen werden), jene paradigmatischen Gestalten waren also im letzten Jahr nicht diese vier protestantischen Männer, sondern dieses Mal drei Männer und eine Frau (Sokrates, Jesus, Al-Halladsch, Jeanne d’Arc⁴, die nichts Protestantisches an sich hatten und die zum Tode verurteilt worden waren durch eine religiöse Macht, die bei der Ins-Werk-Setzung des Urteilsspruchs und bei der Exekution regelmäßig von einem Staatsapparat unterstützt, ja inspiriert wurde; daher die Einführung einer großen Problematik über das Theologisch-Politische und die Todesstrafe, in Wahrheit über die Grundlegung des Onto-Theologisch-Politischen im Recht zur Todesstrafe, wobei all dies über die große Frage einer in Dekonstruktion befindlichen Souveränität verlief, und die Dekonstruktion schließlich zu dem wurde beziehungsweise sich letztendlich als das erwies, was, um es zu dekonstruieren, mit dem phallogozentrischen Gerüst [échafaudage], um nicht zu sagen Schafott [échafaud] der onto-theologisch-politischen Souveränität ringt, mit jener seltsamen, erstaunlichen und verblüffenden Tatsache, dass sich nie – absolut nie – irgendein philosophischer Diskurs als solcher in seinem im eigentlichen Sinne philosophischen Argumentieren dem Prinzip – ich sage wohlweislich dem Prinzip – der Todesstrafe widersetzt hat, was uns, die wir darüber verblüfft sind, das Ausmaß der Schwierigkeit oder der Aufgabe vor Augen führt: Ist es möglich, sich dem Prinzip der Todesstrafe zu widersetzen oder ihm etwas entgegenzusetzen, das als unbedingtes Prinzip bezeichnet wird, und nicht eine Überlegung empirischer Opportunität, relativer Nützlichkeit oder wahrscheinlicher praktischer Notwendigkeit?).

    Danach, nach der Lektüre von Texten in Bezug auf diese Figuren, hatten wir das Buch Exodus um die Frage des Gebots „Du sollst nicht töten! herum gelesen, gefolgt von den von Gott dekretierten „Rechtsordnungen, die die Todesstrafe für diejenigen vorschreiben, die gegen dieses oder jenes Gebot verstoßen. Ich werde die Analysen, die wir all diesen Texten (von Beccaria über Kant, Hugo, Genet und einige andere bis zu Camus), modernen Rechtstexten oder internationalen Erklärungen seit dem letzten Weltkrieg, sowie der Entwicklung der Lage der Todesstrafe in den USA gewidmet haben (insbesondere mittels Zeitungslektüre, wobei die USA heute die einzige sogenannte westliche Demokratie europäisch-jüdisch-christlicher Kultur sind, die in massivem und zunehmendem Maße eine Todesstrafe aufrechterhält, deren legale Anwendung eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zumindest zwischen 1972 und 1977 aufgehoben hatte) [ich werde all diese Analysen] natürlich nicht noch einmal wiedergeben, genauso wenig wie die allgemeine Einführung einer Problematik der Souveränität um zwei Begriffe herum, die uns durchgehend als Leitfaden gedient hatten:

    1.) Die Ausnahme (ein rätselhafter Begriff, der im Zentrum sowohl der Texte von Carl Schmitt über die Souveränität als auch zahlreicher Texte der Moderne zum Recht und insbesondere zum internationalen Recht steht, die wir untersuchten, und die zwar die Folter und grausame Behandlungen verurteilen, aber mit Ausnahmen, und die Ausnahme verweist immer auf die Todesstrafe. Was ist eine Ausnahme? Und was ist die Souveränität? Das waren die Fragen des letzten Jahres, und sie waren um folgende Frage herum miteinander verknüpft: Wer entscheidet souverän darüber, was die Ausnahme ist? Im Grunde genommen, in einer Monarchie: Wer herrscht und hält mit dem Begnadigungsrecht das Recht über Leben und legalen Tod in Händen? Und in einer Demokratie: Wer präsidiert und wer hält mit dem Begnadigungsrecht das Recht über Leben und legalen Tod in Händen?)⁵.

    2.) Die Grausamkeit, ein sehr dunkler Begriff, der überaus dogmatisch gebraucht wird. Wir haben seine Verallgemeinerung (ohne Grenze und Ende, sondern nur eine interne qualitative Differenzierung) in den Texten von Nietzsche untersucht, die im Übrigen einen gewissen Freud ankündigen, über den wir ebenfalls gesprochen haben, um den Sadismus herum (und als wir beim Lacan von „Kant und Sade die Filiation zu Sade erwähnten, und den zweideutigen Blanchot von „Die Literatur und das Recht auf den Tod in Bezug auf den Terror⁶ der Revolution), einen gewissen Freud also, zu dem ich, eine andere Gangart einschlagend, zurückkommen möchte, vielleicht heute noch; und dann jene Grausamkeit, auf die so viele Texte des Verfassungsrechts, des nationalen wie des internationalen Rechts auf so dunkle und dogmatische Weise Bezug nehmen, seit dem achten Zusatzartikel der Bill of Rights der amerikanischen Verfassung, der „cruel and unusual punishments verbietet (jenem Zusatzartikel, den der Oberste Gerichtshof 1972 heranzog, um die Anwendung der Todesstrafe zu verbieten, eine Situation, die nur vier oder fünf Jahre Bestand haben sollte, zwischen dem berühmten Fall Furman gegen Georgia im Jahre 1972, der die Gelegenheit bot, zu entscheiden, dass die Anwendung der Todesstrafe verfassungswidrig sei, und dem nicht weniger berühmten Fall Gregg gegen Georgia, der im Jahre 1976 die Todesstrafe in den Vereinigten Staaten faktisch wiederherstellen wird, nachdem der Oberste Gerichtshof des Bundes diesem Urteil des Staates Georgia gefolgt war)⁷. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948) hatte ebenfalls „Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Bestrafungen verboten, ohne dass dies irgendeine wirksame Gesetzeskraft besessen hätte, ohne dass die Souveränität der Nationalstaaten dadurch in die Pflicht genommen worden wäre, und vor allem ohne dass die Todesstrafe als solche verurteilt worden wäre (aus eben jenem Grund, nicht in die souveräne Entscheidung der Staaten einzugreifen, denen die Entscheidung über die Ausnahme überlassen bleiben müsse). Was ist Grausamkeit? Wie diese Frage mit der doppelten Frage nach der Souveränität und der Ausnahme und also der souveränen Entscheidung darüber verknüpfen, was die Ausnahme ist, was grausam ist und was nicht?

    Nach dieser Erinnerung, die gerade einmal die Aderung [nervure] eines Phantoms, das Nervensystem eines Gespensts nachzeichnet, nämlich die verknotete Einheit, den Knoten, den Syllogismus, das System oder, falls Sie das vorziehen, die Synapse oder die Syntax dieser dreifachen Frage: Ausnahme, Souveränität, Grausamkeit, nach dieser Erinnerung also wollen wir beginnen, wollen wir von Neuem beginnen und zur Erkundung einer anderen problematischen Einheit aufbrechen, der anderen Dreierfigur eines Knotens aus Fragen:

    Was ist ein Akt?

    Was ist ein Alter?

    Was ist ein Begehren?

    Mit diesen drei Fragen werde ich beginnen. Ich werde sie langsam aussprechen und in der Schwebe lassen. Ich formuliere sie nur, um den Ton anzugeben, so als würde ich, bevor ich zu spielen beginne, ein Instrument zu stimmen versuchen. Oder, mit einer anderen Figur: als würden wir am Faden jenes Käfers beziehungsweise Artefakts ziehen, das mit dem Übernamen cerf-volant [wörtl. „Fliegender-Hirsch, als Tier „Hirschkäfer, als Artefakt „Flugdrachen"; A.d.Ü.] versehen wurde, und auf dessen Tuch oder Flügeln wir von weitem, oder von unten, einer noch unlesbaren Inschrift gewahr würden. Von welchem cerf-volant werden wir sprechen? Wie soll man, in seinem französischen Signifikanten, das Wort, die Silben cerf-volant [„fliegender-Hirsch"], cerveau-lent [„langsames-Hirn"] vernehmen? Wer hat hier das langsame Hirn in dieser Tragödie der sogenannten Kapitalstrafe⁸? Drei Fragen also auf den Flügeln dieses Flugdrachens/Hirschkäfers:

    Was ist ein Akt?

    Was ist ein Alter?

    Was ist ein Begehren?

    Diese drei Fragen auf „Was ist?", in der Schwebe gelassen auf den Flügeln, oder am Schwanz, oder am Kopf eines Flugdrachens/Hirschkäfers [cerf-volant], haben etwas mit, sagen wir, „meinem Tod zu tun, genauer gesagt mit dem, was man mit dem Übernamen „gegebener Moment des Todes versehen könnte – ich meine den gegebenen Moment von mein Tod, des „mein Tod von jedermann, jedem Mann und jeder Frau, dessen, was jeder Mann und jede Frau wollen und sagen wollen kann, wenn er oder sie „mein Tod sagt, im „gegebenen Moment" von mein-Tod. Nicht nur der Moment des Den-Tod-Gebens, auch nicht der gewollte Moment⁹ des Todes, sondern ein gegebener Moment meines Todes, genauer: der besagte und noch in der Schwebe gelassene Ort/Anlass¹⁰ dieses gegebenen Moments.

    Wenn es etwas gibt, das nicht zu wissen und also in seiner absoluten Präzision zu berechnen gegeben ist, dann ist das der gegebene Moment meines Todes. Außer vielleicht im Falle der Todesstrafe, die im Prinzip impliziert, dass man ihn kennt, dass der Andere ihn kennt und manchmal auch ich ihn kenne, auf die Sekunde genau, auf kalkulierbare Weise, den Moment, den Moment von „mein Tod". Bei einem Mord oder einem Suizid kann ich behaupten, die Sekunde des gegebenen Todes entsprechend der objektiven Zeit der Uhr zu berechnen. Wo der Tod jedoch vom Anderen zu mir kommt, ist die Todesstrafe die einzige Erfahrung, die es im Prinzip gestattet, dass der gegebene Moment des Todes ein gewollter und öffentlich datierter Moment ist.

    1. Die erste dieser drei Fragen („Was ist ein Akt¹¹?") klingt wie eine große, geradezu alterslose Frage, eine Frage der großen ontologischen Tradition. Was ist ein Akt, im Sinne von Handeln [action] (mit allem, was man ihm entgegensetzen kann: Erleiden [passion] – actio/passio –, die Theorie oder das Denken, die Spekulation, die Sprache, Handeln anstelle von Theoretisieren, Denken, Spekulieren, ja sogar Sprechen, usw.), aber auch was ist ein Akt in dem Sinne, in dem der Akt als ernergeia verstanden wird (das „in actu" ihres lateinischen Pseudo-Äquivalents, ihrer problematischen Übersetzung mit actus, da, wo man ihr in aller Seelenruhe die dynamis entgegenzusetzen glaubt, das Vermögen¹², ja sogar die Materie, die possibilitas, die Virtualität, usw.)? Ein riesiges Problem, das nicht nur den Unterschied zwischen Handelndem [agent] und Erleidendem [patient], Akt und Erleiden, Akt und Vermögen oder Möglichem, Form und Stoff betrifft, insbesondere und in herausragender Weise im Diskurs des Aristoteles, mit seiner ganzen Filiation (sie ist enorm), sondern zugleich auch all das, was wir hier seit Jahren um ein Denken des Möglichen und des Unmöglichen herum überlegen und bedenken, eines Un-möglichen, das nicht negativ wäre, eines Un-möglichen, das sich der Alternative zwischen möglich und aktuell beziehungsweise aktiv entziehen würde, usw. Die Todesstrafe, so denkt man gerade mit dem gesunden Menschverstand, ist ein Akt, ein realer, wirklicher, irreversibler Akt, der das Irreversible, das Nichtrevidierbare genau deshalb besiegelt, weil man unterstellt, dass er der aktivste und aktuellste, der wirklichste, der realste aller Akte ist, der unleugbarste aller Akte, ein „Ausagieren" [passage à l’acte]¹³, das auch einen aktuellen, wirklichen, realen Akt zu sanktionieren behauptet, einen oder mehrere reale und wirkliche Morde zum Beispiel, und nicht nur Absichten oder Begehren, die nicht ausagiert worden wären und die im Grunde weder der Zeit noch dem Alter des Akts angehören (des Akts, der in der Todesstrafe besteht, oder des Akts des Verbrechens, das erstere zu sanktionieren behauptet). Die Todesstrafe wäre also ein Akt, der behauptet, die bloße Sanktion eines wirklichen, realen Akts, eines Akts in actu und nicht nur einer Möglichkeit, einer Intention, einer Virtualität, eines (bewussten oder unbewussten) Begehrens zu sein.

    2. Die zweite dieser drei¹⁴ Fragen, die sich hier im „Was ist ein Alter?" oder „Welches ist das gute/richtige Alter [bon âge], um zu sterben, wenn es denn eines gibt?, versammelt, spezifiziert diesen „gegebenen Moment oder diesen „besagten Ort/Anlass des gegebenen Moments von „mein Tod im Allgemeinen. Ich hatte diese Frage, glaube ich, letztes Jahr sehr rasch en passant gestellt. Wenn ich, wie jedes Lebewesen auf alle Fälle dazu verurteilt, zu sterben, wenn nicht zum Tode verurteilt, wenn ich also, wie jedermann dazu verurteilt, früh oder spät zu sterben, die Wahl hätte zwischen einerseits in diesem bestimmten Alter, morgen oder bald, eines natürlichen Todes, bei einem Autounfall oder an einer Krankheit zu sterben (wie fast jedermann im Grunde genommen), oder andererseits in einem anderen Alter, später, übermorgen, in einem Jahr, in zehn, in zwanzig Jahren zu sterben, in einem Gefängnis, da ich zur Todesstrafe (Guillotine, Elektrischer Stuhl, Giftinjektion, Hängen, Gaskammer) verurteilt worden sein würde, was würde ich wählen, welches Alter würde ich für meinen Tod wählen?

    Wie auch immer die Antwort auf diese Frage ausfallen mag – und in dem Augenblick, da ich zu Ihnen spreche, habe ich keine –, allein das Stellen der Frage, ja allein ihre Möglichkeit beweist, dass die Alternative, wenn es um die Frage der Todesstrafe geht – wir haben es letztes Jahr an hundert Beispielen hundert Mal gezeigt, ich werde nicht darauf zurückkommen –, dass also die Alternative nicht die Alternative Leben/Tod, leben oder sterben lautet, nicht einmal die Zeit, der gegebene Moment oder der gewollte Moment des Todes, das objektive Alter des Todes, sondern eine gewisse Modalität, eine gewisse Qualifizierung des Lebens und des Sterbens, eine Art und Weise, ein Dispositiv, ein Theater, eine Szene des Das-Leben-Gebens und des Den-Tod-, ja Sich-den-Tod-Gebens. Die Wahl besteht also nicht zwischen dem Leben und dem Tod, auch nicht zwischen zwei Altern fürs Sterben, sondern zwischen zwei Weisen und zwei Zeiten eines unausweichlichen und immer unmittelbar bevorstehenden Todes.

    3. Die dritte Frage (Was ist ein Begehren¹⁵?) trifft beziehungsweise überkreuzt sich in einem Punkt oder mehr als einem Punkt mit der ersten Frage (Was ist ein Akt?). Sie stürzt uns nicht in eine allzu bekannte Szene, in eine grandiose und kanonische Art und Weise, uns zu fragen „Was ist das, was man Begehren nennt?", ein Wort, das Begehren [le désir], dessen ich mich im Allgemeinen so wenig wie möglich bediene, und eine Frage, auf die so viele – klassische oder moderne – Diskurse so viele interessante Antworten gegeben haben. Der Zugang zu diesem Wort und zu dieser Frage – dem Begehren – wäre¹⁶ dieses Mal vielleicht ein anderer. Es würde nicht darum gehen, einen Begriff, einen Ausdruck oder ein Wort ‚Begehren‘, von dem wir wüssten, was er oder es ist und bedeutet, auf die Frage des Verbrechens, des Mordes oder der Todesstrafe anzuwenden. Man müsste im Gegenteil versuchen, wenn es denn möglich ist, von einer bestimmten Art und Weise, die Todesstrafe, den gewaltsamen Tod, das Verbrechen, die Strafe, die Bestrafung, die Schuld und den nicht-natürlichen Tod zu denken, auszugehen, um das Feld und die Zeit des Begehrens zu isolieren.

    Die Herangehensweise wäre, schematisch betrachtet, die Folgende: Was man das Gesetz, die Legalität, die Gesetzgebung und insbesondere das die Bestrafung organisierende Recht, also das Strafrecht nennt, so wie es durch die Souveränität des Staates oder des Souveräns, durch einen König, einen Gouverneur oder einen Präsidenten ausgeübt wird (und wir werden den Präsidenten bald auf die Bühnenbretter steigen lassen, wir werden ihn in Szene setzen, wir werden ihn seinen Sitz einnehmen und somit sitzen lassen, was eben die Position des Präsidenten ist), dieses Gesetz in der Form des Rechts kann gegebenenfalls die Bestrafung des Verbrechers vorsehen, eines jeden, der diesen Akt, den man ein Verbrechen nennt, zum Beispiel einen Mord, wirklich und aktuell begangen hat; diese Bestrafung kann die Todesstrafe sein. Umgekehrt kann eine Gesetzesverfügung die Todesstrafe abschaffen, wie es, seit zehn Jahren erst, bei der Mehrheit der Staaten der Welt der Fall ist. Es gibt jedoch zwei Dinge, die keine Gesetzesverfügung, kein Recht bislang tun oder zu tun anstreben konnte. Und welche Dinge sind das? Das Begehren zu töten zu verbieten, das bloße Begehren, wenn man so sagen kann, vor oder ohne Übergang zum Akt, zumindest vor dem oder ohne das Ausagieren, wie es nach bestimmten problematischen Kriterien identifizierbar ist, denn es gibt Übergänge vom Tötungsbegehren zum Akt, die töten, ohne dass irgendein Verbrechen gemäß jener Zeichen des Akts identifizierbar wäre, die von der Gesellschaft der Menschen, so wie sie selbst sich bislang darstellt, konventionell anerkannt werden. Man kann den Mord verbieten, aber kann man das Begehren des Mordes verbieten? Den Mord zu verbieten, heißt vorzuschreiben „Du sollst nicht töten!", das wurde gemacht. Wir hatten aber letztes Jahr im Buch Exodus gelesen¹⁷, dass Gott gleich nach den Zehn Geboten eine Art Todesstrafe für denjenigen einsetzt, wer auch immer dieses oder jenes Gebot unter dieser oder jener Bedingung übertritt. Man kann die Todesstrafe einsetzen, um den Mord zu verbieten, aber kann eine Todesstrafe das Begehren des Mordes verbieten? Man kann auch die Todesstrafe selbst verbieten, man kann sie abschaffen, aber kann man das Begehren nach der „Todesstrafe" verbieten, das, wie wir allzu gut wissen, die gesetzliche Abschaffung der Todesstrafe überleben kann, selbst in Frankreich, bei der Mehrheit der Franzosen, die Umfragen sagen es uns? Man kann also das Töten verbieten wollen. Töte nie! Gib niemals den Tod! Keinem Lebenden, dem Anderen oder dir selbst. Aber kann man das – bewusste oder unbewusste – Begehren zu töten verbieten? Was leitet [préside à] dieses Begehren? Was kann leiten/vorsitzen [présider], und Präsident, in diesem Fall sagen wollen?

    Man kann das Töten so sehr verbieten wollen, dass man die Todesstrafe abschafft. Aber kann man das Begehren oder den Zwang, die die Todesstrafe diktieren und die sie souverän leiten [y président], abschaffen?

    Was bedeutet in diesen zwei Fällen ein Akt, ein Übergangzum-Akt beziehungsweise Ausagieren [passage à l’acte]? Und was kann das Recht, das staatliche Recht zum Beispiel, mit dieser Differenz zwischen einem Begehren und einem Ausagieren machen? Zwischen einem Begehren und einem Symptom? Was kann das staatliche oder transnationale Recht mit der subtilen und listigen Ökonomie machen, die diese Beziehungen regelt zwischen einerseits dem Unbewussten und dem Bewusstsein, zwischen einem verhinderten, in die Schwebe versetzten, verbotenen oder zu einem Symptom verschobenen Akt (der auf seine Weise auch ein kaum maskierter Mord sein kann) und andererseits dem, was man eine Tat [acte], einen manifesten, sichtbaren, öffentlich bestätigten Akt nennt – denn hier kompliziert sich die Grenze: Es handelt sich nicht mehr nur um die Grenze zwischen dem realen Akt und dem möglichen Akt, zwischen dem Akt und dem Begehren, das – bewusst oder unbewusst – ebenfalls aktuell sein kann; diese Grenze ist auch die Grenze zwischen dem Öffentlichen und dem Nicht-Öffentlichen, zwischen der Öffentlichkeit des öffentlichen Raums und einem anderen Raum, der privat oder mehr als privat sein kann, vor der Unterscheidung zwischen öffentlich und privat, in einem anderen Sinne geheim, ein bewusstes oder ein unbewusstes Geheimnis (die Opposition bewusst/unbewusst, deren ich mich hier auf nicht-dogmatische Weise bediene, ohne sicher zu sein, dass ich hier bestimmbare Realitäten oder klare Begriffe bezeichne, sondern nur provisorische und wiedererkennbare Hypothesen, die zumindest das Recht haben, als Hypothesen aufgestellt zu werden, und die hier übrigens nicht zufällig als nützliche Hypothesen in Erscheinung treten; denn ich behaupte, und das ist vermutlich gar nicht so originell, dass zum Beispiel die Idee des Unbewussten, weit davon entfernt, uns dabei behilflich zu sein, uns auf dem Gebiet des Verbrechens und der Strafe, der Straflogik, der Schuldhaftigkeit, der Todesstrafe zu orientieren, < dass also > die Idee des Unbewussten im Gegenteil als Hypothese des Unbewussten aus der Erfahrung der Schuld, des Verbrechens, der Schuldhaftigkeit, der Strafe usw., kurzum des Gesetzes und des Rechts entstanden ist)¹⁸.

    Muss man den Begriff des Akts neu erfinden, neu denken, um dieser neuen Problematik stattzugeben und das Problem der Todesstrafe endlich ernsthaft anzusprechen? Ich lasse diese Fragen bis zu dem Moment in der Schwebe, da ich einen gewissen Text psychoanalytischen Typs über die Todesstrafe ansprechen werde. Ich spreche absichtlich von einem gewissen psychoanalytischen Text, weil es sich, ohne ein Text von Freud zu sein, um einen in seinem Namen geschriebenen Text, um drei von Reik redigierte Seiten in Antwort auf eine Umfrage handelt.¹⁹ Als ich während eines Vortrags vor den Generalständen der Psychoanalyse (vgl. Seelenstände der Psychoanalyse²⁰) vorsichtig vorbrachte, dass es meines Wissens keinen Text von Freud gebe, der direkt der Todesstrafe gewidmet ist, schloss das nicht aus, dass Freud, ohne selbst zu diesem Sujet zu schreiben, jemanden beauftragte, es in seinem Namen und an seiner Statt zu tun, was zu einem Text Anlass gab, dessen Status, Sprache, Logik oder Rhetorik, in Wahrheit dessen Signatur, kurz dessen Geste, Akt und Pragmatik sehr sorgfältig analysiert werden müssen, was wir gleich zu tun versuchen werden.

    Im Übrigen möchte ich, als einen Verbindungsstein, die letzten Zeilen dieses Texts zitieren, auf den ich ausführlich zurückzukommen gedenke. Hören Sie nun, was Freud sagt, oder vielmehr was Reik im Namen von Freud, aber mit seiner Autorisierung sagt; und was ich zitiere, ist also ein von Freud autorisierter Satz, der am Ende einer langen und verlegenen Antwort aber wie ein Sprung, wie eine Entscheidung nach einem Sprung kommt. Reik sagt, im Namen von Freud, Folgendes, in Beantwortung einer Umfrage, die drei Fragen umfasste, darunter eine zur Strafe im Allgemeinen und zwei zur Todesstrafe:

    Wenn ich mir abschliessend die Freiheit nehmen darf, Ihre Hauptfrage ein wenig zu modifizieren, so würde ich sie folgendermaßen beantworten: Ich bekenne mich als Gegner des Mordes, gleichgültig ob er vom Einzelnen als Verbrechen oder vom Staat zu dessen Sühnung begangen wird.²¹

    Dieses Begehren, zu töten (auf Seiten des möglichen oder des potentiellen Mörders), oder dieses Begehren, die Todesstrafe beizubehalten oder wiedereinzuführen – und auch das ist ein Begehren, zu töten –, in beiden Fällen ist dieses Begehren, zu töten, als Begehren sowohl jünger als auch älter als der Akt des Tötens. Es kann dem Akt des Tötens vorausgehen, ohne dass dieser als Akt statthat (ich kann begehren, jemanden zu töten, ohne ihn je zu töten oder ohne ihn je gemäß dem zu töten, was man als Mord [meurtre] in actu, als öffentlichen Mord [assassinat]²² oder als aktuelle, wirkliche, reale usw. Ausführung [exécution] bezeichnet und anerkennt); das Begehren, zu töten, kann auch älter sein als der Akt und den Akt überleben, selbst wenn der Akt, im geläufigen Sinne des Wortes, nicht stattgehabt hat. Ich weiß natürlich, und Sie werden es mir gleich sagen, dass das Recht [le droit] bisweilen der Absicht und dem Begehren stattgibt [fait droit à], wenn es zum Beispiel unterscheidet zwischen der absichtlichen Tötung eines Menschen [homicide] und der unabsichtlichen Tötung eines Menschen (das heißt ohne Absicht, also ohne Begehren, den Tod zu geben: es handelt sich dabei um jenes Konzept von Schlägen/Stichen/Schüssen [coups] und Verletzungen, die den Tod nach sich gezogen haben, ohne Absicht, ihn zu geben). Diese Berücksichtigung der Absicht und des Begehrens, des Begehrens, den Tod zu geben oder den Tod nicht zu geben, diese gesetzliche Berücksichtigung findet sich jedoch auf zweierlei Weisen an zwei Rändern begrenzt, wenn ich so sagen kann. Auf der einen Seite verlangt das Recht, dass es von dieser Absicht oder diesem Begehren, in Wahrheit diesem absichtlichen Nicht-Begehren oder diesem Begehren des Nicht-(den-Tod-geben), aktuelle Zeichen, Beweise oder Indizien in actu gebe: ausgeführte Handlungen [gestes] oder vermiedene Handlungen. Es handelt sich also um einen Akt, um eine Manifestation durch Akte. Auf der anderen Seite muss das fragliche Begehren oder Nicht-Begehren oder Begehren-nicht-zu… von dem herrühren, was man das Bewusstsein²³ nennt, von der bewussten Wahrnehmung. Bislang hat sich das Recht untersagt oder war nicht in der Lage, in seine wesentliche Axiomatik eine Logik des Unbewussten oder des Symptoms zu integrieren, vor allem nicht ein anderes Denken des Akts (das heißt des Zusammenhangs zwischen dem Akt und seiner mutmaßlichen Anderen, dem Möglichen, dem Unmöglichen, dem Begehren, dem Denken, der Sprache), ein anderes Denken des Alters (das heißt der Zeit des Lebens und der Vielzahl an heterogenen Maßen, Ordnungen oder Weisen des Zählens)²⁴; das Recht hat nicht mit diesem anderen Denken des Alters gerechnet, obwohl – wie Sie wissen, und das ist ein interessantes Symptom – der Strafdiskurs, insbesondere um die Todesstrafe herum, von der Frage des gesetzlich vorgeschriebenen Alters besessen ist, jenes Alters, ab dem es legal ist, zum Tode zu verurteilen oder einen Verurteilten hinzurichten. Das war, das bleibt Gegenstand endloser kasuistischer und rechtsgelehrter Debatten, dort, wo die Todesstrafe in einer Gesellschaft aufrechterhalten wird, in der der puritanischste Legalismus Hand in Hand geht sowohl mit der barbarischsten Grausamkeit als auch mit den ausgetüfteltsten Klügeleien über das Kriterium der Grausamkeit selbst. In den Vereinigten Staaten hat die Frage des straffähigen Alters, wenn man so sagen kann, in der Tat Antworten ausgelöst, über die wir heute nachdenken müssen. Als zum Beispiel der Oberste Gerichtshof (eine Instanz, auf deren Rolle und Bedeutung wir geduldig zurückkommen werden müssen, und ich werde das tun) im Jahre 1987 auf seine Entscheidung von 1972 (Fall Furman gegen Georgia), die die Todesstrafe für verfassungswidrig erklärte, zurückkam, nachdem er sich bereits 1976 einverstanden erklärt hatte, seine Ansichten zu revidieren (Entscheidung Gregg gegen Georgia), nun, als also der Oberste Gerichtshof im Jahre 1987 die Legitimität, die verfassungsgemäße Legalität der Todesstrafe bezüglich eines Schwarzen, der einen Polizisten getötet hatte, bestätigte und seine Ausrichtung anschließend verschärfte, indem er am 26. Juni 1989 mit 5 zu 4 Stimmen (wie 1972, aber im umgekehrten Sinne) erklärte, dass der Hinrichtung von zum Tode Verurteilten, die zwischen 16 und 18 Jahre alt sind, also Minderjährigen zum Zeitpunkt des Verbrechens, wie auch der Tötung von Individuen, die als „mentally retarded" beziehungsweise geistig behindert gelten, nichts im Wege stehe. Zwei Jahre zuvor, 1985, hat der Bundesstaat Virginia einen schwarzen Landarbeiter auf den Elektrischen Stuhl geschickt, der 37 Jahre alt war, dessen geistiger Entwicklungsstand beziehungsweise mentales Alter²⁵ von Experten jedoch auf 8 Jahre geschätzt wurde. Wenn Sie das von Austin Sarat herausgegebene Buch The Killing State lesen, werden Sie eine Vielzahl analoger Fälle finden.²⁶ Zum Beispiel, um nur einen Fall zu zitieren, den Fall von Penry gegen Lynaugh im Juni [19]89. Penry war der Vergewaltigung und des Mordes angeklagt und zum Tode verurteilt worden. Zum Zeitpunkt des Verbrechens war er 22 Jahre alt, sein mentales Alter entsprach den Experten zufolge jedoch dem eines sechseinhalbjährigen Jungen, das heißt, ich zitiere annähernd, dass er die Lern- und Erkenntnisfähigkeit eines durchschnittlich sechseinhalbjährigen Jungen besaß. Das ist das „Mentale, das sogenannte mentale, das heißt hier intellektuelle beziehungsweise verstandesmäßige Alter, in der Ordnung des Wissens, der Lehre, des Lernens und des Verstehens. Das „theoretische Alter, wenn Sie so wollen. In sozialer Hinsicht hingegen, das heißt vom Standpunkt seiner sozialen Reife her, das heißt seiner Fähigkeit, „to function in the world", in der Gesellschaft zu handeln oder handlungsfähig zu sein, sozialisierbar zu sein, integrationsfähig, wie man so sagt, oder fähig zur sozialen Wiedereingliederung, in sozialer Hinsicht also war er drei oder vier Jahre älter, das heißt 9 oder 10 Jahre alt. Da haben Sie also einen Angeklagten, zum Tode Verurteilten, der mindestens drei Alter hatte, sechseinhalb Jahre (mentales Alter), 9 bis 10 Jahre (soziales Alter) und 22 Jahre (legales Alter). Der Anwalt der Verteidigung plädierte auf mildernde Umstände und behauptete, dass es verfassungswidrig sei, dem achten Zusatzartikel über „cruel and unusual punishments [grausame und ungewöhnliche Strafen]"²⁷ zuwiderliefe, eine Person zu verurteilen und vor allem hinzurichten, deren Fähigkeiten derart uneinheitlich

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