5 Damen spielen falsch
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„Ein verlassener Geldtransporter, zwei Millionen Euro und ein Zündschlüssel – weitergehen oder wegfahren?
Dagmar droht an ihrem Hausfrauendasein zu ersticken. Schon lange träumt sie von einem Leben ohne ihren schnarchenden Ehemann, den nervigen Hausputz und die ewigen Geldsorgen. Plötzlich bietet sich ihr eine phänomenale Chance. Nichts hält sie mehr auf, auch die letzte Brücke zu ihrem früheren Leben abzubrechen.
Ihre Romméschwestern sind ebenfalls unzufrieden. Entschlossen legen die fünf Damen die Karten zur Seite und bessern heimlich ihre Haushaltskassen auf.
Das nagelneue Cabrio der bankrottgeglaubten Maria zieht neugierige Blicke auf sich und die Kassiererin vom Supermarkt wird zur hofierten Mäzenin. Währenddessen schreibt die vom Dorfleben genervte Teenagerin Mareike fleißig Tagebuch und liest das anderer ebenso gerne.
Kurz vor ihrem allerletzten Schritt in ein neues, unabhängiges Leben reißt vor Dagmar ein tiefer Abgrund auf. Ein Mord, ein Erpresser und die Kriminalpolizei – die Schlinge um ihren Hals zieht sich zu. Fliehen oder kämpfen, Dagmar?“
"Die kultigen Figuren sind sehr unterhaltsam und ich hatte beim Lesen ständig Bilder mit Film-/Seriencharakter wie „Neues aus Büttenwarder“ oder „Mord mit Aussicht“ vor Augen." (Eine Leserin)
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Buchvorschau
5 Damen spielen falsch - Lola Victoria Abco
5 Damen spielen falsch
Krimikomödie
Lola Victoria Abco
Ein verlassener Geldtransporter, zwei Millionen Euro und ein Zündschlüssel - weitergehen oder wegfahren?
Dagmar droht an ihrem Hausfrauendasein zu ersticken. Schon lange träumt sie von einem Leben ohne ihren schnarchenden Ehemann, den nervigen Hausputz und die ewigen Geldsorgen. Plötzlich bietet sich ihr eine phänomenale Chance. Nichts hält sie mehr auf, auch die letzte Brücke zu ihrem früheren Leben abzubrechen.
Ihre Romméschwestern sind ebenfalls unzufrieden. Entschlossen legen die fünf Damen die Karten zur Seite und bessern heimlich ihre Haushaltskassen auf.
Das nagelneue Cabrio der bankrottgeglaubten Maria zieht neugierige Blicke auf sich und die Kassiererin vom Supermarkt wird zur hofierten Mäzenin. Währenddessen schreibt die vom Dorfleben genervte Teenagerin Mareike fleißig Tagebuch und liest das anderer ebenso gerne.
Kurz vor ihrem allerletzten Schritt in ein neues, unabhängiges Leben reißt vor Dagmar ein tiefer Abgrund auf. Ein Mord, ein Erpresser und die Kriminalpolizei - die Schlinge um ihren Hals zieht sich zu. Fliehen oder kämpfen, Dagmar?
Die kultigen Figuren sind sehr unterhaltsam und ich hatte beim Lesen ständig Bilder mit Film-/Seriencharakter wie Neues aus Büttenwarder oder Mord mit Aussicht vor Augen. (Eine Leserin)
Auch als Taschenbuch erhältlich
242 Seiten
ISBN 9781718036451
Über die Autorin
Letzte Sonnenstrahlen überziehen den Wald mit einem goldenen Schleier. Leise rauschend fährt der Wind durch die Baumkronen. Elche grasen bedächtig auf der Wiese davor, ohne sich von den Trollen und Elfen stören zu lassen. Es wird Abend in Lola Victoria Abcos Heimat Schweden.
Zum Repertoire der Autorin gehören Kriminalromane und Krimikomödien, Thriller sowie Belletristik. Reizvoll am Schreiben empfindet sie, die Realität am Schopfe packen zu können, ihr den Mantel namens Fiktion überzustülpen und dessen Muster selber zu kreieren.
Weitere Informationen über Lola Victoria Abco und ihre Bücher erhalten Sie unter www.Lola-Victoria-Abco.de
Covergestaltung: © Christine Spindler und Lola Victoria Abco
Covergrafiken: © FionAngg und © pict rider - Fotolia.com
Lektorat: Christine Spindler
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form sind vorbehalten. Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Persönlichkeiten, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.
Inhaltsverzeichnis
5 Damen spielen falsch
Willkommen in Middeldorf
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Weitere Bücher von Lola Victoria Abco
Willkommen in Middeldorf
Postkarte von Mareike Molder, Middeldorf an Julia Krüger, Hamburg
Hey Juju, olles Haus!
Haste deene Leidensgenossin vergessen, Schnepfe du? Eine Karte aus HaHa wäre das Toperlebnis des Monats! Manno, warum kann sich kein Architekt in meine Mutter verlieben und sie nach Hamburg entführen? Oder wenigstens eine fiese Kiezgröße mit ´ner Bar auf der Räpperwahn?
Das Leben in Middelkaff ist wie eh und je absolut aufregend. Die Wahnsinnsreizüberflutung schafft mich! Muss morgens immer aufpassen, dass mir vor Anstrengung nicht die Zahnbürste aus der Hand fällt und mein Kopf in das Waschbecken kullert. Gähn! Selbst die Touris lassen nach. Seit dreizehn Monaten und genau zehn Tagen ist keiner mehr ertrunken. Und die letzte Wasserleiche kam vor siebzehn Monaten und elf Tagen nach Middeldoof angeschwappt.
Uuuuaaaah, deene kleene Mareike!
PeÄs: Hälp mi aut ov hir, plies.
Kapitel 1
Dagmar Molder war damit beschäftigt, ihre drei Kinder für die Schule fertig zu machen.
»Ich will kein Pausenbrot mit Leberwurst«, nörgelte ihre siebzehnjährige Tochter. »BSE lässt grüßen. Bin doch nicht blöd.«
»Bist du dir da echt sicher, Mareike?«, fragte ihr Bruder Malte. »Davon kriegst du höchstens Schweinepest.«
»Mama, Mama! Wo ist mein pinkes Sweatshirt?«, rief die zehnjährige Lisa so laut, als würde ihre Mutter nicht direkt neben ihr sitzen.
»Ich will Erdnussbutter draufhaben.«
»Kein Problem, Mareike. Du weißt, wo sie steht.«
»Dann verpass ich den Bus.« Mareike war hochaufgeschossen. Ihre halblangen Haare waren so dunkelblond wie die ihrer Mutter. Nie würde sie jedoch auch nur eine Zehenspitze vor die Tür setzen, ohne ihre Frisur modisch aufgepeppt zu haben.
»Mach halt heute eine Diät.«
»Ich? Diät? Ich seh doch nicht so aus wie du, Mama!«
»Genau, du siehst aus wie eine Bohnenstange«, stellte Lisa fest.
»Halt die Klappe, Miss Piggy!«
»Schluss jetzt, raus mit euch!«, übertönte Dagmar das Geschrei.
Polternd machten die drei sich auf den Weg. Donnernd fiel die Haustür hinter ihnen ins Schloss.
* * *
»Nein, nicht jetzt schon, noch eine Minute, bitte!«
Während ihre allerbeste Freundin ihre Kinder aus dem Haus scheuchte, tauchte Bianca Reinhardt aus den Tiefen ihres Traumes auf. Mit geschlossenen Augen schlug sie auf ihren Wecker und ließ sich vom Bett auf den Boden purzeln. Auf dem Rücken liegend, streckte sie die Beine aus und hob sie langsam vom Boden. Knisternd ging ihr Radiowecker an. Behutsam ließ sie die Beine wieder zu Boden sinken.
»… muss aber zunächst noch den Bundesrat passieren.«
Bianca hob die Beine wieder an.
»… am späten Nachmittag eine Bank überfallen. Von den Tätern fehlt jede Spur. Nach ersten Angaben wurden vierhunderttausend Euro erbeutet.«
Schnaufend setzte sie die Beine ab, während ihre Bauchdecke begann Zither zu spielen.
»Vierhunderttausend Euro. Das sind ein Porsche, ein Haus in der Karibik und für Daggi ist auch noch etwas drin.«
Gähnend erhob sie sich und nahm den Berg- und Talparcour auf ihrem Stepper wie jeden Morgen in Angriff.
»Ach, egal, ein Porsche und ein Haus irgendwo im Sonnenschein ändern nichts. Vierhunderttausend wären ein solider Anfang, aber sie würden nicht ewig reichen. Meinen Job könnte ich doch nicht an den Nagel hängen.«
Mit schweren Beinen erklomm Bianca die Bergspitze. Keuchend strich sie sich über ihre schulterlangen, blonden Haare. »Und … das … puh … Risiko.«
Minuten später trat sie aus der Dusche und begann sich einzucremen. Achtlos fuhren ihre Finger über ihre hohen Wangenknochen, während ihr Blick auf eine kelchförmige Vase aus Murano fiel. Darin verwahrte sie ihre Schminkutensilien auf.
»Soll ich meine Truppe erschrecken und geschminkt zur Arbeit kommen?« Bianca arbeitete als Projektleiterin. Ihr Spiegelbild sah sie mit vor Schalk funkelnden, grünen Augen an. »Besser nicht, das lenkt nur von den Inhalten ab.« Sie nahm die Vase und stellte sie auf die Anrichte im Flur. »Nächstes Mal nehme ich die Sachen Mareike mit. Hoffentlich sind die Mascara und der Lippenstift nicht schon eingetrocknet.«
Eilig schloss Bianca die Wohnungstür und lief die Treppe hinunter. Ein Mann blieb am Eingang stehen und hielt ihr die Tür auf. Er war einen Kopf kleiner als sie. Abschätzend musterte er Bianca. Irritiert sah er, dass sie keine Schuhe mit hohen Absätzen trug.
»Guten Morgen und danke«, sagte sie lächelnd. »Das kommt vom Sonnenregen.«
»Wie bitte, Sonnenregen?«, fragte der Mann verdutzt.
»Wenn es trotz Sonnenscheins regnet. Als Kinder haben wir gesagt, wer im Sonnenregen draußen spielt, wächst ganz tüchtig!« Bianca zwinkerte dem verlegen dreinschauenden Mann zu und ging weiter zu ihrem schwarzen Mini.
* * *
Dagmar und ihre Familie wohnten am Rand von Middeldorf. Das schlichte Einfamilienhaus war von Wiesen umgeben. Nur auf der anderen Straßenseite standen zwei weitere Häuser.
»Wir wohnen auf der falschen Seite vom Ort«, hatte Malte kürzlich zu seiner Mutter gesagt. »Auf der schönen Seite direkt am Strand, das wäre toll.«
»Das würde mir auch gefallen, aber wer kann das schon bezahlen?«
»Wieso, Bianca wohnt doch da.«
»Bianca, ja, die verdient aber auch richtig viel Geld.«
Plötzlich wurde das Haus von Stille umhüllt. Dagmar fühlte sich, als würde sie in einen tiefen Abgrund fallen. Magische Kräfte schienen sie unaufhaltsam hinabziehen zu wollen. In letzter Zeit ging es ihr immer häufiger so, sobald ihre Kinder das Haus verlassen hatten. Während sie am Morgen sofort durchstarten musste, wäre sie am liebsten im Bett liegengeblieben, fest in die Decke eingemummelt und davon träumend, wie eine Feder fortzuwehen.
Dagmar schenkte sich Kaffee nach und ließ zwei Würfel Zucker in die Tasse gleiten. Die Stille um sie herum wurde immer unerträglicher. Hastig sprang sie auf und stellte das Radio an. Zu ihrer Jeans trug sie ein hellblaues Sweatshirt. Am linken Ärmel bemerkte sie einen Kaffeefleck. Achtlos versuchte sie ihn mit ihrem Taschentuch wegzureiben. Ihre Haare waren wie jeden Tag fantasielos mit einem grünen Band zu einem praktischen Pferdeschwanz zusammengebunden. Die langen, widerspenstigen Strähnen ihres Ponys hatten sie mit zwei weißen Kämmen zurückgesteckt. Ihre Nichte Nina, die eine Ausbildung zur Friseurin machte, hatte vorgeschlagen ihre Tante könnte ihr gelegentlich Modell sitzen.
»Du musst dafür nichts bezahlen, Daggi, wir können zusammen was ausprobieren. Meine Chefin hat auch immer gute Ideen«, hatte Nina sie zu überreden versucht. »Deine Haare sehen gesund aus, nur deine Frisur ist ein bisschen trist.«
Dagmar hatte abgewunken. Schon vor langem hatte sie aufgegeben, etwas aus sich zu machen.
»Make-up? Für wen?«, hatte sie resigniert ihr Spiegelbild gefragt. »Für Andi? Er bemerkt es sowieso erst, wenn ich wie Winnetou daherkomme! Na, die Kinder würde der Anblick freuen, da hätten sie was zu lachen.«
Fast jeden Morgen fuhr Dagmar mit ihrem VW-Bus zur Tankstelle, um dort stundenweise vormittags im Shop zu arbeiten. Mehr oder weniger regelmäßig, mehr oder weniger interessant, aber immerhin ein paar Euro extra. Nein, nicht extra, der Laden gehörte ihrem Mann Andi. Ihr Verdienst lag darin, dass sie für ihren Einsatz keinen weiteren Angestellten zu bezahlen brauchten.
Als Teenager hatte sich Dagmar ihr Leben genau so vorgestellt, zumindest fast so. Drei Kinder, zuerst zwei Jungen kurz hintereinander und mit etwas Abstand ein Mädchen. Das war ihr Traum von einer Familie gewesen. Inzwischen hatte sie tatsächlich drei Kinder, die siebzehnjährige Mareike; Malte war vorletzte Woche vierzehn geworden und Lisa vor zwei Monaten zehn Jahre. Zu Dagmars Vision vom trauten Glück hatten auch ein Haus und natürlich ein Hund gehört.
»Welche Sechzehnjährige malt sich in ihren kühnsten Träumen schon aus, wie viele Quadratmeter sie in ihrem Leben staubsaugen wird?«, hatte sich Dagmar gefragt, als ihr Traum Wirklichkeit geworden war.
»Sagen wir mal hundert Quadratmeter einmal die Woche.« Sie lachte höhnisch. »Einmal die Woche! Na gut. Das Ganze also dreiundfünfzig Mal pro Jahr. Über wie viele Jahre gerechnet? Hm, in dreißig Jahren wird, nein, soll die Hypothek abgezahlt sein. Dreißig mal dreiundfünfzig macht … macht … tausendfünfhundertneunzig Mal staubsaugen. Insgesamt eine Fläche von hundertneunundfünfzigtausend Quadratmetern. Echt super, und danach ist immer noch kein Ende in Sicht.«
Dagmar trank den letzten Schluck Kaffee.
»Kloputzen, habe ich davon geträumt? Nein, aber ich musste obendrein auch noch zwei Badezimmer haben. Dreitausendeinhundertachtzig Mal Kloputzen in dreißig Jahren!«
Sie atmete tief durch. Wenn nur etwas mehr Geld da wäre, würde sie sich eine Putzfrau gönnen und gelegentlich einmal in den Urlaub fahren. Bereits als Andi und sie heirateten, war ihr klar gewesen, dass sie niemals im Geld schwimmen würden. So eingeschränkt hatte sich Dagmar ihr zukünftiges Leben dennoch nicht vorgestellt. Sie hatte nur zu gut gewusst, Andreas Molder, der Firmenerbe, war beileibe kein Quandt oder Flick. Schließlich besaßen seine Eltern nur einen kleinen Landmaschinenhandel. Vier Jahre nach ihrer Hochzeit hatte er den Betrieb von seinen Eltern übernommen. Zweimal standen sie vor der Entscheidung mit Verlust zu verkaufen oder zu investieren, um sich so gegen die Konkurrenz größerer Firmenzusammenschlüsse durchzusetzen. Beide Male hatte sich ihr Mann zu ihrem Frust für die zweite Variante entschieden.
»Acht Uhr zweiundvierzig: Drei Kilometer Stau auf der A7 vor dem Elbtunnel in Richtung Norden.«
Hastig sprang Dagmar auf, schnappte sich die Autoschlüssel und raste los.
Mit siebzehn hatte sie Andi kennengelernt. Genauso alt wie ihre älteste Tochter war. Ein Freund hatte Andi auf die Geburtstagsparty von Bianca mitgebracht worden.
»Vierundzwanzig Jahre ist das nun her. Wie alt ich schon bin«, stöhnte Dagmar.
Vor fast zwanzig Jahren hatten sie geheiratet. Nach dem Abitur hatte sie sich gegen ein Studium und für eine Ausbildung zur Versicherungskauffrau entschieden. Sie wollte möglichst früh eine Familie gründen und die Zeit, bis es soweit wäre, nicht an einer Universität verschwenden. Die zwei Jahre nach der Lehre bis zu ihrer Hochzeit kamen ihr im Rückblick auch heute noch paradiesisch vor. Beide verdienten sie Geld. Dagmar sogar mehr als Andi. Sie hatten sich zusammen eine hübsche Wohnung gemietet und waren viel gereist. Einmal waren sie mit dem Auto durch Neuengland gefahren und hatten einen Abstecher an die Niagarafälle gemacht. Bevor sie zurückflogen, verbrachten sie zwei Tage in New York City. Noch besser hatte ihr aber die Motorradtour auf der Highway One entlang der Küste Kaliforniens gefallen. Im Jahr darauf ging es nach Australien. Dort beschlossen sie, in den kommenden Monaten zu heiraten. Um ehrlich zu sein, musste sich Dagmar jedoch eingestehen, dass sie allein entschieden hatte, zu heiraten. Andi hatte gegen ihren Vorschlag nur keine Einwände geäußert.
»Typisch!« Dagmar schlug gegen das Lenkrad. »Wie wäre es wohl weitergegangen, wenn ich meine Hochzeitspläne nicht geäußert hätte? Ob wir trotzdem irgendwann geheiratet hätten? Oder hätten wir weiterhin tolle Reisen unternommen?«
Nachdem ihre älteste Tochter Mareike geboren wurde, gab Dagmar ihren Job bei der Versicherung auf.
Kapitel 2
Auszug aus dem Tagebuch von Mareike Molder
Middelofnichts, heute in einem Jahr minus zwölf Monate
Mama hat mich auf dem Weg zu Lisas Musikschule bei Swantje abgesetzt. Sind zusammen durchs Dorf gezogen. Maja und Miriam, die beiden Äms, haben auf dem Marktplatz rumgelungert und sich Schaufenster angeschaut. Als wenn es da was zu sehen gibt! Vielleicht hat eine ihrer Omas bald Geburtstag. Swantje hatte Ziggis mit. Haben uns auf die Bank gesetzt und gepafft. Die Äms fahren am Wochenende zu Julia nach Hamburg. Mich hat die olle Kröte nicht eingeladen. Hätte eh kein Geld für die Fahrt gehabt. Trotzdem schade.
Swantje darf im Sommer mit auf die Oberstufenfahrt nach Spanien. Muss zu Hause bleiben und in die Penne gehen. Kein Geld. Als Mama es mir sagte, hatte sie Tränen in den Augen. Ich auch!
* * *
Von Norden kommend fegten Böen über die Ostsee. Regentropfen prasselten laut gegen das Panoramafenster von Biancas Wohnzimmer. Ihre Zweizimmerwohnung war eine von acht und lag im obersten Stockwerk eines Terrassenhauses direkt an der Ostsee. In der Dunkelheit waren in der Ferne die Lichter von drei Frachtern, die Kurs auf die Kieler Förde nahmen, zu sehen.
»Vierhunderttausend Euro, wow!« Dagmar beugte sich vor, um sich eine Zigarette an der Kerze anzuzünden. »Damit könnte man schon eine Menge anfangen.«
Sie blies den Rauch in kleinen Kringeln aus. Ihr Blick schweifte versonnen durch das Zimmer und verweilte bei einer Fotografie. Zwei Katzen lagen verschlafen in einem geöffneten Fenster. Davor saß auf einer Gartenbank eine alte, runzelige Griechin, ganz in schwarz gekleidet. Das Foto hatte ihre Freundin während ihres Urlaubs auf Kreta aufgenommen.
»Im Grunde sind vierhunderttausend im Vergleich zum Risiko viel zu wenig.« Bianca streckte ihre langen Beine auf ihrem Sofa aus.
»Hm?«
»Vierhunderttausend sind für das, was man dabei riskiert, zu … hey, Katzenmensch, du hörst mir gar nicht zu!«
Dagmars Blick blieb am Spiegel mit dem Goldrahmen hängen. Sie liebte die gemütlich eingerichtete Wohnung. Verschiedene alte Möbelstücke waren kunterbunt zusammengemischt. Wann immer es ging, schaute Bianca bei Antiquitätenläden rein und stöberte über Flohmärkte. Von ihren Urlaubsreisen brachte sie gerne Andenken wie diesen Spiegel aus Florenz mit.
Dagmar seufzte sehnsüchtig. Bei ihr gab es höchstens Sticker von irgendeinem Freizeitpark, sofern sie sie gratis zur Eintrittskarte bekam. Sie hatte die Gewohnheit, sie an die Kühlschranktür zu kleben. Mehr als einen Tagesausflug mit den Kindern dann und wann ließ ihre Familienkasse nicht zu.
»Erde an Träummine! Sofort zurückkommen, deine Meinung ist gefragt.«
Dagmar fuhr erschrocken zusammen. »Welche Meinung?«
»Wie viel müsste für dich rausspringen, dass du es riskierst, eventuell ins Kittchen zu gehen?«
»Manchmal habe ich das Gefühl, ich könnte schon morden, wenn ich dafür die nächsten zehn Wochen nicht Klo putzen muss!«
»Ach komm, nicht diese Mitleidstour, Daggi.« Grazil schwang Bianca ihre Beine vom Sofa und setzte sich aufrecht hin. »Sagen wir vierhunderttausend. Würdest du dafür alles in die Waagschale werfen? Du landest vielleicht im Gefängnis. Kannst du dir das vorstellen: Andi allein mit den Kindern, völlig verwahrlost in eurem Haus dahinvegetierend. Er wird wahrscheinlich Alkoholiker.«
Dagmar kicherte. »Gib es zu, Bianca! Du liest die Zeitung mit den bunten Bildern und den Schlagzeilen, die so groß sind, dass sie auch ein Blinder entziffern kann!«
»Die Kinder kommen in ein Heim, nehmen Drogen und gehen auf den Strich«, malte Bianca das Bild weiter aus.
»Nein, ich weiß.« Dagmar zeigte mit dem Finger auf ihre Freundin. »Du guckst dir heimlich diese Soaps an. Daher dein tolles Wissen um die traute deutsche Familienidylle.«
»Keiner wird dich sonntags im Gefängnis besuchen kommen.«
»Doch, du schon. Du hättest bestimmt keine Probleme damit, dich mit einem Knasti abzugeben!«
»Dankeschön, aber ich kann nicht vorbeikommen. Denk nach, Daggi, wenn du geschnappt wirst, weshalb sollte ich dann nicht auch eingebuchtet werden?«
»Du? Wieso du? Würdest du denn mitmachen?«, fragte Dagmar ehrlich erstaunt.
»Na klar! Was denkst du, hey?«
»Aber du hast doch alles!«
»Was habe ich denn schon? Einen Job, der mich auffrisst. Sicherlich, das Gehalt ist nicht schlecht. Aber ich habe es satt, den ganzen Tag die taffe Karrierefrau spielen zu müssen. Immer muss ich aufpassen, dass mir niemand die Butter vom Brot nimmt! Ich habe das alles satt, so satt, Daggi.«
»Puh! Ich denke immer, wenn ich so erfolgreich wäre wie du, dann würde ich mich wie auf Rosen gebettet fühlen.«
»Ach was, es gibt keine Rose ohne Dornen, Daggi!« Bianca trank einen Schluck Sekt und versuchte die aufkeimende Erinnerung an die heftigen Auseinandersetzungen bei ihrem letzten Projektreview zu verdrängen. »Wenn ich jetzt tot umfallen würde, was würde ich hinterlassen? Keine große Lücke, das ist schon mal klar. Die paar Spuren von mir wären in zwei Wochen verwischt. Ich möchte einfach Zeit haben und das tun, was mir wirklich wichtig ist. Dafür brauche ich aber Geld.«
»Wer möchte das nicht? Dann sind aber vierhunderttausend für uns beide zusammen wirklich zu wenig.«
»Eben.« Bianca steckte sich eine Olive in den Mund. »Vielleicht gewinne ich doch noch im Lotto. Ich warte ja erst seit neunzehn Jahren! Ich hätte das eingezahlte Geld besser auf ein Sparkonto überweisen sollen.«
Mit angespannter Miene starrte nun Bianca auf das Katzenfoto. Ohne, dass