Am Lagerfeuer: Wild-West Erzählungen
Von Emil Droonberg
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Über dieses E-Book
Fünf spannende Geschichten aus dem kanadischen Felsengebirge: Im Goldgräbercamp. Die amerikanischen Wölfe - wie sie jagen und gejagt werden. Ein Rennen kanadischer Schlittenhunde. Die Schlittenhunde der Indianer und Eskimos. In der Polarwüste.
Coverbild: solarseven/Shutterstock.com
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Buchvorschau
Am Lagerfeuer - Emil Droonberg
Zum Buch + Im Goldgräbercamp
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Am Lagerfeuer
Emil Droonberg
Coverbild: solarseven/Shutterstock.com
Im Goldgräbercamp
Durch die Straßen der ‚Stadt‘ Wyndham, die erst vor einem Jahre hier, in der Sandwüste Arizonas, aus der Erde gesprungen war und jetzt schläfrig in der Sonne brütete, wanderte eine zerlumpte Gestalt. Es wäre aber falsch gewesen, von der Kleidung auf die Bedeutung der Persönlichkeit zu schließen. Das hätte hier auch niemand getan, denn Wyndham war eine Goldgräberstadt und gewöhnt an durchwandernde zerlumpte Gestalten, die nach wochen- und monatelanger Arbeit in den Bergen mit oder ohne, meist freilich ohne Gold wieder nach der ‚Stadt‘ zurückkehrten.
In diesem Falle besonders wäre der Schluss von der Kleidung auf den Mann falsch gewesen, denn es war niemand anders als Bud Wyndham selbst, dessen Name die Stadt trug und der ihre Entstehung veranlasst hatte. Nicht etwa, dass das Letztere in seiner Absicht gelegen hätte. Er hatte nur eben mit seiner Spitzhacke einen Klumpen Gold im Gewichte von drei Pfund aus der Erde gegraben, und das hatte genügt, in zwei Monaten eine Stadt an der Stelle entstehen zu lassen.
Freilich bestand sie einstweilen nur aus einer einzigen Straße, in deren Mitte auch noch immer ein paar kümmerliche Tannen standen, da sie niemand im Wege waren und sich deshalb auch niemand die Mühe genommen hatte, sie hinwegzuräumen. Und die Häuser waren Bretterbuden und Zelte.
An diesem heißen Sommernachmittage lagen die meisten ihrer Bewohner irgendwo im Schatten und rafften sich nur dann zu dem heroischen Entschluss einer Bewegung auf, wenn die Sonne in ihr Gesicht kroch. Oder sie saßen am Rande des dürftigen Waldes an Feuerstellen, in denen die Holzstücke langsam verglühten, und tauschten kurze, müde Bemerkungen über neue zweifelhafte Goldfunde aus, die in einem Minencamp den ständigen Gesprächsstoff bilden. In den Bergen klopfte eine Stampfmühle taubes Erz. Die Minen waren erschöpft, sie hatten sich nach einer kurzen hektischen Periode als Trug erwiesen.
Bud Wyndham selbst zeigte in seiner ganzen Erscheinung denselben ausgebeuteten Charakter wie die Mine, für deren Existenz er verantwortlich war. Sein wirres Haar drängte sich durch die Löcher des Hutes, sein Hemd bestand nur noch aus Streifen, und die Hosen wiesen Risse auf bis zum Knie. Nur sein rechter Fuß war mit einem Schuh bekleidet, der linke dagegen mit einem Sacke umwickelt, der mit einem Stricke zusammengebunden war. Selbst seine beiden Goldwäscherpfannen waren vom Rost zerfressen, und die Schaufel ließ das Tageslicht durch.
Er war vom Kopf bis zum Fuß mit rotem Staub bedeckt. Man konnte aber im Zweifel sein, ob er von außen oder von innen gekommen war, denn Entbehrungen in den Bergen schienen nicht nur das Fleisch seines Körpers verzehrt haben, sondern jetzt auch noch seine Knochen in Staub verwandeln wollen.
Plötzlich, wie in einem schon vorgefassten Entschluss, blieb er stehen und begann gemächlich an einer Stelle mitten in der Straße Sand in eine seiner Pfannen zu schaufeln. Das Geräusch seiner Arbeit ließ die Müßiggänger aufmerken. Seit Monaten hatte niemand mehr versucht, zu graben, denn der ganze Boden war längst abgesucht und aufgegeben worden. Wenn jetzt noch einer versuchte, hier etwas zu finden und noch dazu an einer so sonderbaren Stelle, so musste das eine eigene Bewandtnis haben.
Bud sah sie herankommen, einige mit Pfannen in der Hand. Er stellte die seinige nieder und begann mit abgezählten Schritten und irgendwelche Gegenständen, die er finden konnte – Zweige, Holzsplitter, Blechkannen – einen Claim abzustecken.
Dann hob er die schon vorher vollgeschaufelte Pfanne so hoch als sein Arm reichen konnte, worauf er ihren Inhalt in die andere Pfanne zu seinen Füßen rieseln ließ. In Ermangelung von Wasser wird dieser Prozess des trockenen Goldwaschens angewandt, wozu aber etwas Wind gehört, der den leichteren Sand fortbläst und den schweren Goldstaub, wenn solcher vorhanden ist, in die untere Pfanne sinken lässt.
Der Wind war hier da und reichlich, denn er blies die Staubwolken direkt in Dick Bakers Store, vor dem Bud seinen Claim ausgesteckt hatte.
Aufgeschreckt aus seinem Nachmittagsschlummer erschien Dick Baker, ein langer, sehr langer, hagerer Mann, in der Türe.
„Wirst du verdammter Sohn einer Kanone gleich machen, dass du hier wegkommst!", schrie er wütend.
Bud blieb völlig ruhig.
„Was willst du, Dick?, entgegnete er gleichmütig und in einem Dialekt, der unzweifelhaft den Irländer verriet. „Wir sind in einem freien Lande, und ich kann hier so gut prospektieren wie wo anders, wenn ich den Boden nur wieder in Ordnung bringe.
„Aber du verdirbst mir meine ganze Ware!, geiferte der andere, denn er hatte sich nicht einmal Zeit genommen, seinen Tabaksaft auszuspucken. „Sieh, wie du mir die Hemden hier staubig gemacht hast.
„Die wirst du nun eben billiger verkaufen müssen. Sie waren ohnehin zu teuer", entgegnete Bud ruhig.
Das brachte den andern noch mehr in Wut, so dass er kaum noch zusammenhängend sprechen konnte.
„Nach allem – was ich für dich – getan habe –!"
„Du? – Willst du vielleicht, dass ich dir meine Gegenrechnung aufmache? – Wer hat die Goldfelder hier entdeckt? – Das war ich. Und wie heißt die Stadt? Wyndham. Das ist mein Name, nicht deiner. Die Trockenwäscherei von Gold hat dir Geld gebracht. Du hast dich dabei nicht abzuplagen brauchen. Das taten Männer für dich wie ich und andere, und wir brachten unser Gold dann zu dir für teure Waren. Aber du bist weich geworden und schlappig und hast vergessen, was andere für dich getan."
Die Menge der gaffenden Zuhörer war größer geworden. Der Streit zwischen den beiden Männern verhieß das Schauspiel eines Boxkampfes, das man sich nicht entgehen lassen wollte, denn der Ausgang war unsicher. Baker war besser genährt, Bud aber sehniger.
Baker hatte sich indessen bereits in das Innere seines Stores zurückgezogen und die Tür geschlossen. Er wusste, dass er Bud nicht von seinem ‚Claim‘ vertreiben konnte, schon deshalb nicht, weil die anderen des Spaßes wegen geneigt schienen, seine Partei zu nehmen.
„Dick!, schrie Bud durch das dünne Bretterwerk des Hauses. „Gib mir einen Sack Mehl und etwas Tee, und ich erkläre das, was ich gesagt habe, als unparlamentarisch und rufe mich zur Ordnung. Ich will es später auch bezahlen, denn ich habe in den Coradillobergen ‚Farbe‘ gesehen. Ich will meinen Claim hier aufgeben und dir deine Ware abstauben und den Store kehren.
Von drinnen kam keine Antwort.
„Und dabei waren wir früher Partner, Dick und ich, wandte sich Bud, tief verletzt, an die Umstehenden. „Aber er gab das Prospektieren auf und geriet auf Abwege, wie ihr hier seht!
Er streckte seinen Arm in der Richtung des Stores aus, der seiner Überzeugung nach offenbar den Abweg darstellte, auf den Baker geraten war.
„Es wird nicht mehr lange dauern, dann bindet er einen steifen Kragen um, setzt sich einen Panamahut auf und geht nach dem Osten, wo er den Leuten erzählt, dass er ein Pionier aus Wyndham ist. Könnt ihr es glauben, dass es Leute gibt, die so wenig Moral in den Knochen haben? Und mir verweigert er ein bisschen Mehl –"
Er wurde unterbrochen, denn die Tür öffnete sich jetzt wieder, und Baker schrie:
„Der Kerl lügt wie ein Politiker. Ich habe ihm immer beigestanden, und er schuldet mir schon fünfhundert Dollars für all den Proviant, den ich ihm schon verschafft habe. Wir waren Partner, und er hatte genauso viel ‚Staub‘ wie ich, aber er verprasste alles in den Bars und auf den Rennplätzen, und nun –"
Er vollendete nicht, denn er sah, wie Bud seine Hemdsärmel oder wenigstens, was von diesen noch vorhanden war, aufstreifte.
„Das muss ausgekämpft werden, sagte dieser. „Du hast mich schwer beleidigt. – Hat er das nicht, Partners? Komm heraus, Dick, und versuche mal für ein paar Minuten ein Mann zu sein. Wir wollen um eine Woche Rationen kämpfen.
Aber Baker hatte sich wieder in seinen Store zurückgezogen, und Bud rüttelte an der Türklinke, dass die ganze Hausfront wackelte.
„Ich werde den Teufel tun und mich noch einmal hier vor meinem Hause mit dir boxen. Es ist noch ganz aus den Fugen vom letzten Mal. – Schafft doch einer von euch den Kerl weg!"
Das Ersuchen blieb nicht vergeblich. Einer aus der Menge beging tatsächlich die Unvorsichtigkeit, Bud am Arme zu fassen, um ihn fortzuführen, kam aber im nächsten Augenblick, als er sich verdutzt wieder aus dem Staube aufrichtete, zu der Überzeugung, dass Friedenstiften nicht immer eine empfehlenswerte Beschäftigung ist. Die sechs Fuß Knochen und Muskeln, über die Bud verfügte und in der Einöde gestählt hatte, trugen nicht wenig zur Vervollkommnung dieser Überzeugung bei.
Bud begann die Gruppe der Leute um ihm herum jetzt etwas genauer zu mustern. Es waren meist solche, die aus irgendeiner Stadt in die Goldfelder