Friesland 2.5: Charter- und Routentipps für flache Motoryachten und niedrige Brücken
Von Rolf Marfeld und Eva Lorenz
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Über dieses E-Book
Sind Sie auch so neugierig wie wir? Blicken Sie gerne hinter die Kulissen? Dann begleiten Sie uns auf den Touren "Friesland 2.5".
"2.5" steht für 2,50 Meter, eine Höhe von festen Brücken, die uns in Friesland (NL) immer wieder ausgebremst haben. Mit einem flachen Schiff sind diese Brücken aber kein Hindernis mehr.
Ob mit kleiner Motoryacht, Hausboot, Motorboot oder Kanu - wir erkunden eine Welt, die noch nicht vom Rummel des Wassertourismus erfasst ist. Stattdessen genießen wir romantische historische Wasserstraßen, besuchen verträumte Dörfer und gleiten vorüber an Windmühlen in Small, Medium und Large.
Schon der Maler Rembrandt van Rijn schwärmte von Atmosphäre und Charme der Landschaft, dem hellen goldenen Licht, der reinen Luft, dem klaren Horizont und den Sommerwolken, die noch weißer sind als weiß.
Unser Revier sind die Kanäle zwischen den Städten Harlingen, Bolsward, Sneek und Leeuwarden, die nördliche Elfstädteroute zwischen Leeuwarden und Franeker im Norden des Van Harinxmakanaals sowie die die Lits-Lauwersmeer-Route.
Rolf Marfeld
Studium der Ökonomie in Bochum. Danach Lehre und Forschung an der RWTH Aachen. Anschließend aktiv in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und Informationsmanagement bei einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Reist gerne - bevorzugt in West- und Südeuropa. Bekennender Italien-Fan. Um die Jahrtausendwende hat er sein Herz für Friesland (NL) mit dem Boot entdeckt. Ist Freund von gut und kreativ zubereiteten Lebensmitteln.
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Buchvorschau
Friesland 2.5 - Rolf Marfeld
„Al is Fryslân plat, it hat syn hichtepunten."
„Auch wenn Friesland flach ist, so hat es doch seine Höhepunkte."
(Friesisches Sprichwort)
Inhalt
Vaarten, Terpen, Windmühlen, romanische Kirchen und Blasmusik
Ein Revier für Neugierige
Vaarten und Trekvaarten
Terpen, Terpen, Terpen
Romanische Kirchen
Windmühlen
Pauken und Trompeten
Chartertipps
Die geeignete Yacht
Charterunternehmen mit niedrigen Booten
Unser Schiff
Tipps für unterwegs
Kartenwerk, Liegeplätze und Brückenzeiten
Das leibliche Wohl
Der Rundkurs auf einen Blick: Routen 1 bis 5
Route 1: Von Sneek nach Leeuwarden
Route 2: Von Leeuwarden nach Franeker
Route 2a: Die Nebenstrecke von Berlikum über Menaldum zum Van Harinxmakanaal
Route 3: Von Harlingen nach Bolsward
Route 4: Von Bolsward zum Van Harinxmakanaal
Route 5: Vom Van Harinxmakanaal nach Sneek
Route 6: Die Lits-Lauwersmeer-Route - Vom Lauwersmeer nach Drachten
Quellennachweis
Zweisprachiges Friesland
Orte
Gewässer
Index
Vaarten, Terpen, Windmühlen, romanische Kirchen und Blasmusik
Ein Revier für Neugierige
Sind Sie auch so neugierig wie wir? Wollen Sie am liebsten immer dorthin, wohin Sie nicht dürfen oder können? Blicken Sie gerne hinter die Kulissen? Möchten Sie sehen, was anderen verborgen bleibt? Dann begleiten Sie uns auf unseren Touren Friesland 2.5.
„2.5" steht für 2,50 Meter, eine Durchfahrtshöhe von festen Brücken, die in Friesland weit verbreitet ist. Diese Brücken haben uns immer wieder den Weg versperrt, wenn wir meinten, jetzt könnte es interessant werden. Oder meinten wir das nur? Leiden wir vielleicht unter dem Phänomen, dass das Gras auf der anderen Seite des Zauns grüner zu sein scheint?
Jahrelang sind wir durch Friesland gereist mit Yachten, die eine Durchfahrtshöhe von über vier Metern hatten. Nicht selten kamen wir an Wasserkreuzungen, an denen wir nicht abbiegen konnten, weil direkt am Anfang des Seitenkanals eine Brücke stand, unter der wir nicht her passten. Von diesen Abzweigungen gibt es viele, und es war immer wieder etwas frustrierend, dass uns ein Teil des wunderschönen Wassersportparadieses Friesland verborgen blieb.
Mit den hier beschriebenen Routen eröffnet sich eine ganz neue Welt. Der berühmte Maler Rembrandt van Rijn schrieb einmal an seine Frau, Saskia van Uylenburgh: „Ein Land voller Ruhe, Atmosphäre und Charme, zum Teil geprägt von hellem goldenen Licht, wie man es an der Küste findet. Das Meer sorgt gleichzeitig für reine Luft, einen klaren Horizont und Sommerwolken, die noch weißer sind als weiß."
Dieses Mal sind wir unterwegs mit einem Boot, das eine Durchfahrtshöhe von nur 2,40 Metern hat. Unsere Bedenken: Ist das Schiff nicht zu eng? Kann man - wie wir es gewohnt sind - darauf gut schlafen/kochen/leben? Schauen wir nicht vielleicht den Kühen indiskret unter die Euter statt auf ihre muskulösen Rücken und den Schafen unter ihre wolligen Bäuche? Was für ein Gefühl mag es sein, wenn man an einem Steg mit vorbeilaufenden Hunden wortwörtlich auf Augenhöhe mit ihnen frühstückt?
Gut, die Aussicht ist zwar weniger ‚von höherer Warte‘, aber entschädigt wird man dafür durch romantische Wasserstraßen, an deren Ufern die Farbe Grün dominiert. Die Kanäle sind flankiert von rauschendem Schilf und sich im Wind wiegenden Bäumen, und Windmühlen in Small, Medium und Large schauen auf uns herab und erinnern daran, dass wir - wenn wir es genau nehmen - unter Wasser fahren, denn die Gegend liegt bis zu mehreren Metern unter dem Meeresspiegel und wird (auch) durch die Mühlen trocken gehalten. Wir haben uns in diesem Teil Frieslands sehr wohl gefühlt. Allein das Thronen hoch oben an Deck während der Fahrt zwecks Sonnenbad blieb uns verwehrt; an den niedrigen Brücken wäre man vom Boot geschubst worden oder man hätte ständig hoch- und runterklettern müssen - keine sehr erholsame Vorstellung.
Ruhe und Weite
Hier noch ein Tipp zur Reisezeit: Die beste Sicht von einem flachen Schiff auf die Landschaft bietet sich im Frühjahr. Dann besteht das Schilf am Ufer noch aus trockenen Halmen, und man kann hindurchsehen. Später, wenn es weiter wächst und gedeiht, fährt man bisweilen an blickdichten grünen Wänden vorbei und kann nicht erkennen, was sich auf der anderen Seite tut.
Schon nach Passieren der ersten niedrigen Brücke verlassen wir die betriebsamen Wassersportzentren und die vielbefahrenen Friesischen Seen (Friese Meeren) mit ihren zum Teil beeindruckend ausgedehnten Wasserflächen. Stattdessen geht es nun auf alten Wasser- und Handelswegen unter niedrigen festen Brücken hindurch durch eine Landschaft, die die Geister spalten kann. Hektiker, Eilige und Erlebnistouristen werden kaum Freude in diesem Ambiente empfinden. Menschen hingegen, die Ruhe suchen und sie genießen können und im langsamen Dahingleiten durch satte Wiesen und verträumte Dörfer den Alltagsstress vergessen wollen, kommen hier voll auf ihre Kosten. Die Verkehrsdichte auf den Vaarten hält sich in Grenzen, aber wenn mal ein Schiff entgegenkommt, kann es durchaus ein wenig eng werden. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt in der Regel 6 oder 7 km/h, dafür entfällt bis auf wenige Ausnahmen das Warten vor den Brücken, denn wegen der geringen Durchfahrtshöhe des Schiffs sind niedrige feste Brücken kein Hindernis mehr.
Vaarten und Trekvaarten
Die Kanäle, die wir befahren, führen häufig die Bezeichnung Vaart (Friesisch: Feart) oder Trekvaart (Friesisch: Trekfeart) im Namen. Meistens handelt es sich dabei um ehemalige Entwässerungskanäle. Wenn sich Niederländer auf dem Wasser bewegen, dann varen sie (zu Lande heißt es rijden). Dementsprechend ist eine Vaart oder Feart so etwas, was an Land eine Straße ist, also eine Wasserstraße. Und wie es zum Beispiel zu Lande einen Harlingerstraatweg gibt, der - je nach Sichtweise - in Harlingen anfängt oder endet, so beginnt (oder endet) die Harlinger Vaart (Harnser Feart) als Wasserstraße ebenfalls in Harlingen (Harns).
Trekvaarten sind eine besondere Spielart dieser Wasserwege gewesen. Das niederländische trekken bedeutet ziehen, und die Trekvaarten waren dafür vorgesehen, dass auf ihnen Schiffe von Pferden oder durch Menschenkraft fortbewegt wurden. Vorteil war, Personen, Güter und Postsendungen unabhängig von Windstärken und -richtungen transportieren zu können. Wie auch die Vaarten verbanden sie Dörfer und Städte untereinander und bildeten ein recht ausgedehntes und leistungsfähiges Handels-, Transport- und Verkehrsnetz. Oft ist bei den friesischen Namen der Trekvaarten das Trek untergegangen, und sie heißen nur noch Fearten. Dennoch erkennt man die ehemaligen Trekvaarten häufig an den Wegen am Rand, die man auf Deutsch Treidelpfade nennen würde. Im Niederländischen heißen sie Trekpaaden, und ihre Bestimmung findet sich noch in heutigen Straßennamen wie Trekpad, Trekwei oder Jaachpad (jagen = treideln).
Terpen, Terpen, Terpen
Unser Niedrigbrückenrevier erstreckt sich in etwa zwischen den heutigen Orten Sneek (Snits), Bolsward (Boalsert), Makkum, Harlingen (Harns), Dokkum, dem Lauwersmeer und Leeuwarden (Ljouwert)¹. Dort hatte die damals allgegenwärtige See fruchtbaren Boden angespült und an einigen Stellen Salzwiesen entstehen lassen. Die Besiedlung dieses Gebiets begann schon im 6. Jahrhundert v.Chr. Allerdings war die flache Landschaft schutzlos den Naturgewalten ausgesetzt. Damit ihr Hab und Gut bei Überflutung nicht im Wasser versank, waren die Menschen gezwungen, ihr Haus auf künstlich geschaffenen Erdhügeln zu errichten, den sogenannten Terpen, die den deutschen Warften entsprechen. Im Laufe der Zeit wurden die Terpen immer größer und höher, dann wurden einzelne Terpen miteinander verbunden, bis sogar ganze Dörfer auf den Erhebungen gebaut wurden. Allein in Friesland und vorrangig in unserem Fahrgebiet befanden sich fast 1000 dieser Terpen, und die Landschaft muss damals ausgesehen haben, als hätten sich auf einer riesigen grünen Wiese mehrere tatkräftige Sippen von unternehmungslustigen Maulwürfen zu ausgiebigen Grabungsaktionen verabredet. Auf unseren Touren werden uns immer mal wieder solche Hügel begegnen².
Scharnegoutum (Skearnegoutum), Mantgum, Weidum, Finkum (Feinsum), Berlikum (Berltsum), Menaldum (Menaam), Deinum, Arum, Witmarsum (Wytmarsum), Winsum, Bozum (Boazum), ganz zu schweigen von Hichtum, Pingjum (Penjum), Lollum, Spannum, Dongjum (Doanjum), Midlum (Mullum ), Herbajum (Hjerbeam), Tzummarum (Tsjummearum) - das alles sind Orte an unseren Routen oder zumindest in der näheren Umgebung. Man kommt sich vor wie bei Asterix und Obelix, umzingelt von Römerlagern. Oder?
Nein, in Friesland ist alles anders. Wenn Sie ein Dorf passieren, dessen Name auf -um oder -werd endet, können Sie sicher sein, dass es aus einem Terp hervorgegangen ist. Und davon gibt es noch immer eine Menge. Terpen wurden bis etwa 1200 n.Chr. errichtet, dann übernahmen nach und nach Deiche den Schutz des Landes. Trotzdem sind auch heute noch zahlreiche Terpen in Friesland deutlich sichtbar, wenn auch etwas verkleinert. Denn ab Ende des 19. Jahrhunderts wurden an vielen Stellen die Terpen, sofern auf ihnen keine wichtigen Gebäude standen, abgetragen. Der fruchtbare Lehm diente dann der Qualitätsaufbesserung der Böden in Moorgegenden oder an Orten mit Sandboden.
Romanische Kirche mit Satteldachturm