Der Kampf mit dem Drachen: Georg und Cleolinda
Von Elke Eberts
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Über dieses E-Book
In diesem Buch wird auf knapp 100 Seiten wird die Legende des Heiligen Georgs ausgelegt. Die sensible Auslegung soll kein autobiografisches Zeugnis sein, doch ist sie zweifelsfrei selbst durchlebt.
Elke Eberts
Elke Eberts begleitet Führungskräfte im Gesundheitswesen bei der Reflexion und Entfaltung ihrer Führungskraft - häufig in stürmischen Zeiten des Wandels. Die von Haus aus promovierte Diplom-Kauffrau hat die Psychologie durch ihre Ausbildung zum systemischen Coach und die Theologie durch ein Zweitstudium vertieft. Das Streben nach Friedensfähigkeit in sozialen Systemen jenseits aller Gewalt und leerer Pseudoharmonie ist eine der ältesten und tiefsten inneren Sehnsüchte in ihr schon lange bevor sie Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation wurde. Das abgrundtiefe Trauma in ihrer Familiengeschichte und die enorme Resilienz sind ihr erst spät bewusst geworden. Seit über 10 Jahren schreibt sie Newsletter mit Impulsen zu gesunder Führung, deren Inhalte auf https://krankenhausberater.de veröffentlicht sind.
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Buchvorschau
Der Kampf mit dem Drachen - Elke Eberts
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung – Selbstvergessenheit des modernen Menschen
B. Die Legende des Heiligen Georg in den Legenden des Jacobus de Voragine
C. Bildsprache der Legende
Der Drache als alte kosmische Naturgewalt
Drachenungeheuer in der griechischen Mythologie
Europäische Heldenmythos-Tradition und der historische Georg hinter dem Drachenkämpfer
Mittelalterliche Mode des ritterlichen Drachenkampfes
Drachenkampf in der christlichen Bibel
Metaphorik vom geistlichen Kampf in der Bibel – mit Schild, Schwert und Lanze
D. Die patriarchalische Selbstverletzung der Menschheit
Abwertung und Verachtung des Urweiblichen
950-400 v. Chr. – Hebräische Bibel: Kampf gegen die Fruchtbarkeitskulte im Nordreich und Babylon
250-200 v. Ch.r – Griechische Übersetzung (Septuaginta)
50-400 n.Chr. – Griechische Christliche Bibel und lateinische Kirchenväter
Christliches Mittelalter und Folgen bis heute – wie religiöser Fundamentalismus und Missbrauchsfälle
E. Tiefenpsychologisch – Begegnung mit dem kollektiven Schatten
Bewusste und unbewusste Seelenanteile
Individuation – Prozess der Selbstwerdung
Introjekte und Externalisierung nach C. G. Jung
Kollektive Schatten der deutschen Nachkriegsgeschichte
Transgenerationale Traumata
F. Legendenauslegung als Heldinnenreise
Narrativ der Heldinnenreise
1. Ruf der Herausforderung
2. Aufbruch der Protagonistin aus der Stadt
3. Begegnung mit Georg
4. Schritt in Autonomie und Selbstverantwortung
5. Besänftigung
6. Den Drachen wahrhaftig begreifen
7. Entscheidungskampf
8. Wandlung
9. Belohnung
10. Schatz
G. Friedensfähigkeit – Unser heilvolles Potenzial
Drache – Verletzlichkeit des Lebens
Georg – Persönliche Gottesbeziehung finden
Cleolinda – Haltung der Gewaltfreiheit
Literaturverzeichnis
A. Einleitung – Selbstvergessenheit des modernen Menschen
Kinder nehmen wortwörtlich, was sie hören. Seit ich denken kann, haben mich Bilder und Skulpturen der Drachentötung in katholischen Kirchen emotional abgestoßen. Lehre und Lebenszeugnis Jesu waren für mich mit einem blutigen Kampf gar nicht zu vereinbaren. Und Drachen gibt es ja nicht in echt, dachte ich. Da mir die menschheitsgeschichtliche Wurzel solcher Bilder nicht zugänglich war, wirkten sie auf mich in Kirchen befremdlich – ich blendete sie aus und interessierte mich auch nicht für die Legende dahinter.
Kinder nehmen Geschichten wortwörtlich. Sie brauchen Begleitung, sollen sie einen übertragenen Sinn in ihnen finden. Und erwachsene Menschen?
Legenden werden heute nicht mehr selbstverständlich erzählt. So habe ich als Kind die Legende vom Heiligen Georg nicht einmal gehört, sondern kannte nur Bilder und Skulpturen vom St. Georg und dem Drachen, dargestellt als heroischer Kämpfer mit oder ohne Pferd. Dass eine Cleolinda zu der Geschichte dazugehört, wurde später für mich zu einer Überraschung.
Von klein auf stand Jesus für mich für den Frieden in Person und von klein auf distanziere ich mich fast schon radikal von Gewalt und Waffen. Jahrzehnte später sind mir im Dialog mit meiner Schwester erst wieder hochemotionale Situationen mit meinem Großvater bewusst geworden, in denen er mir seine radikale Ablehnung der Bagatellisierung von Gewalt und Waffen vorlebte und ich seine tiefe Verletztheit in den Momenten nicht einordnen konnte. Ich spürte nur sein Leid, alten Schmerz, der mich erschütterte. Da galt es nichts nachzufragen. Es war für mich nicht zu verstehen, da ich nichts über seine Geschichte und die Geschichte meiner Familie in Nazideutschland wusste. Und ich verdrängte auch die Szenen Jahre aus meinem Bewusstsein – so wie ich den Drachenkampf als überkommenes Relikt mittelalterlichen männlichen Helden-Epos für mich ablehnte und ausblendete.
Ich durfte in meiner Kindheit wie eine Prinzessin meiner Großeltern aufwachsen, was mir das Gefühl gab, besonders zu sein. Für mich ist damit ein positives Bild eines tief geliebten und beschützten Kindes verbunden, von dem das Leid ferngehalten wird. Das war mir natürlich nicht bewusst, aber ich implementierte die ungeschriebene Regel selbst in mein Leben: Ich blickte erstaunlich tiefgründig auf all die positiven Dinge des Lebens. Die negativen Seiten der Realität waren so tabuisiert – mein Bewusstsein nahm sie nicht einmal wahr. So habe ich eine enorme geistige Kraft und Resilienz mit auf den Weg bekommen, indem ich eine starke Beobachter- und Sich-die-Welt-Erklärer-Position installierte und eine starke Zuversicht in das Leben hatte. Ich entwickelte daraus eine Begabung, in jedem Menschen einen positiven Persönlichkeitskern zu sehen und zu fühlen.
So hätte ich nie erwartet, dass mich das Thema der Gewalt und gerade die Legende vom Heiligen Georg in meinem Leben später noch viele Jahre beschäftigen und begleiten wird und sie auf meinem persönlichen Erkenntnisweg zu einem wichtigen Sinnbild wird.
Der moderne Mensch dämmert in einer Gott- und Selbstvergessenheit in der äußern Welt. Er hat nicht nur den Zugang zu den alten Menschheitsmythen und Legenden verloren, sondern auch zu sich selbst. Er nimmt sich selbst kaum in seiner Doppelnatur als körperliches und geistiges Wesen auf zwei Wirklichkeitsebenen wahr und verliert dadurch seine natürliche Lebendigkeit.
Der Preis für mein Funktionieren im Kollektiv nach dessen Regeln war, dass ich mich selbst in meinem Körper wenig fühlte und für körperliche Schmerzen ziemlich immun war. Mit meinen negativen Emotionen setzte ich mich lange Zeit nicht auseinander. Ich war Meisterin darin, mich mitten unter Menschen unsichtbar zu machen. Erst als ich mit dem Reiten anfing, erlebte ich mich selbst in der Verbundenheit mit den Pferden. Fühlen lernen, wie ein anderes Wesen mich jetzt fühlt und selbst fühlen – die Pferde forderten meine ganze, auch emotionale, Präsenz und öffneten mir damit eine Tür zu matriarchaler Empfindsamkeit, die in der modernen Welt so aus dem Fokus geraten ist. In dem Prozess merkte ich erst Schritt für Schritt, wieviel Angst und Stress in meinem Körper feststeckte – und dass dies überwiegend eine vererbte Angst und ein vererbter Mangel an Sicherheit sein musste. Die Geschichte meiner Familie, dass ich selbst Urenkelin des Georgs bin, der 12 Jahre Schutzhaft und KZ überlebte, kannte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht explizit, sondern nur durch die transgenerative Weitergabe von Coping-Strategien. Als ich es auf sehr wundersame Weise erfahren habe, hatte das sehr viel Befriedendes. Einige meiner seltsamen Muster im Leben ergaben plötzlich tiefen Sinn.
Lernen und sich etwas vertraut und zu eigen zu machen, geschieht im Allgemeinen in vier Phasen:
Unbewusste Inkompetenz (Unbedarftsein)
Bewusste Inkompetenz (Erwachen)
Bewusste Kompetenz (Aneignen)
Unbewusste Kompetenz (Verinnerlichen)
Albert Bandura (1925-2021), kanadischer Lernpsychologe
Ausgerechnet die leidvolle Drachen-Geschichte vom Heiligen Georg steht darum für mich heute für meine Geschichte mit meinen Großeltern – und ebenso für die Geschichte meiner Eltern Georg und Gerlinde, die Geschichte meiner Urgroßeltern Georg und Frieda – für die Geschichte meiner Kinder und meiner Familie, die Geschichte der Menschheit und für die späte Würdigung des Matriarchats im 21. Jahrhundert.
In der Schule schon hatte ich Freude an der Auslegung von Texten und offenbar auch Talent und ich sammelte von der Grundschule an Zitate. Diese beiden Leidenschaften habe ich mir bis heute bewahrt. Meine folgende Auslegung soll die Georgs-Legende verheutigen. Sie soll keine Autobiografie sein, doch sie ist in jeder Zeile selbst durchlebt. Darum dauerte es trotz lebenslangen Trainings der Textarbeit auch über 5 Jahre, bis ich die Fragmente für mich ordnen und in einigermaßen einfachen Worten ausdrücken konnte.
Der moderne technisch-rationale Mensch hat seine eigene Menschlichkeit vergessen und lebt oft selbstvergessen nach gesellschaftlichen