Der andere Kontinent: Erfahrungen einer Reise nach innen. Essays zu Calderón, Jung und Teresa von Avila
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Über dieses E-Book
Die Menschwerdung geht einher mit der Suche nach Erfüllung und Bestimmung. C. G. Jung erforschte dazu einen Prozess in der Tiefe der Psyche, der unsere eigentliche Entwicklung und Wandlung bewirkt. Er wird gesteuert von einer Kernzelle, dem SELBST, die dem Samenkorn einer Pflanze gleicht, das zur Entfaltung drängt.
Auch andere Dichterinnen, Künstler, Forscher und Denkerinnen wie Teresa von Avila oder Calderón haben sich auf diese Reise nach innen begeben – ihre Kunstwerke und Gedanken erschließen jenen anderen Kontinent ins uns, der unbewusst ist und bewusst werden will.
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Buchvorschau
Der andere Kontinent - Ute Karin Höllrigl
Einführende Gedanken zu den vier Essays
„Man ist nicht Mensch, weil man geboren ist, man muss Mensch werden."
Oskar Kokoschka stellt mit dieser Feststellung die Sinnfrage menschlichen Lebens in den Raum. Diese Sinnfrage inspirierte und bewegte mich schon früh, sie verbindet auch die vorliegenden vier Essays miteinander.
Der Künstler fragt insbesondere nach einem Werden, das nach unserer Ganzheit als Mensch strebt, wie es auch C. G. Jung und Teresa von Avila taten; deren Gedanken haben sich besonders in mein Leben hineingeträumt. Erfahrungsgemäß suchen wir alle nach der uns immanenten unbewussten Wirklichkeit auf verschiedenen Wegen. Wir sehnen uns als Mensch nach SINN. Vielleicht macht uns gerade ein stetes Danach-Streben zum Menschen? Es war auch Ingeborg Bachmann, die mich zu diesem Fragen inspirierte.
Als Sinn-Suchende und danach Strebende sind wir immer wieder neu auf Orientierung und Mut-Zuspruch angewiesen. Wir finden diese bei erfahrenen Menschen, die den Weg vorausgegangen sind. Neben den Texten und Gedanken von C. G. Jung und Teresa von Avila sind es auch die Erfahrungen des Franziskanermönches Richard Rohr, die mich immer wieder im Suchen und Streben nach Sinn bestärken und mich auf diesem Weg beheimaten.
In seinem Buch „Reifes Leben. Eine spirituelle Reise" schreibt Richard Rohr:
„Wir werden mit einem inneren Drang oder Bedürfnis geboren, nach unserem wahren Selbst zu suchen – ob uns das bewusst ist oder nicht. Die Reise vollzieht sich spiralförmig, niemals geradlinig."
Vertiefen wir uns in dieses spirituelle Reisen Rohrs, beruhigen sich in uns zweifelnde Stimmen und wir werden gewiss, dass wir als Mensch dazu berufen sind, zu reifen und uns unserer so reichen Innenwelt zuzuwenden. In dieser uns immanenten Möglichkeit eines Werdens sind uns zwei Drittel des kreativen Urstoffes unbewusst, der dennoch nach Erkenntnis drängt. Der Franziskaner sammelte dazu viele seiner Erfahrungen, besonders in der Zeit als Seelsorger im Gefängnis. All seine diesbezüglichen Gedanken untermauert der Mönch mit tiefer spiritueller Weisheit.
Kein anderer als der Schweizer Arzt und Forscher C. G. Jung zeigt uns mit seinen tiefenpsychologischen Erkenntnissen einen WEG durch diese uns eingeprägte Berufung zu werden und durch sie hindurch zu reifen. Wir nehmen sie wahr in einer „sehnsuchtsvollen Unzufriedenheit", einer Unruhe des Herzens oder einem Von-innen-getrieben-Sein.
In seiner analytischen Arbeit erforschte Jung anhand von 80.000 Träumen, dass in einer Tiefenschicht der menschlichen Psyche ein Prozess angelegt ist, der unsere eigentliche Entwicklung und Wandlung bewirkt – sobald er uns bewusst wird! Und er will bewusst werden!
Ebenso erkannte der Tiefenpsychologe C. G. Jung in seinen Forschungen, dass auch in dem uns Unbewussten ein reiches geistiges Potenzial verborgen liegt, das bewusst werden will. Eine lebendige Kernzelle – Jung nannte diese das SELBST – kann diesen Prozess steuern. Er setzte sie dem Samenkorn einer Pflanze gleich. Der Same drängt selbstverständlich zum Entfalten der Pflanze. Der Mensch muss sich darüber bewusst werden und sich mit seinen Schattenseiten auseinandersetzen, die dem Entfalten Widerstand leisten. Jungs Forschungen treffen hier auf die Erfahrungen Rohrs – sie beide kommen zur Erkenntnis, dass wir von einem Drang erfüllt sind, nach uns selbst zu suchen.
Nach C. G. Jung erscheint dieses SELBST auf der persönlichen Ebene in unseren Träumen, auf der kollektiven Ebene in Religionssystemen, Märchen, Mythen und Kunst. Auf der symbolischen Ebene zeigt es sich in den Formen des Runden, des Quadratischen oder des Dreieckigen. Und als ein GÖTTLICHES KIND.
Da Jung in erster Linie die Heilung seiner Patienten ein Anliegen war, erforschte er als Arzt in seiner Praxis diesen befreienden Weg der Selbst-Suche, der Kindheitswunden zu mildern oder zu überwachsen vermag.
Diesen WEG können wir bildlich ebenso in der Natur erkennen: in Teresa von Avilas Gleichnis vom inneren Garten, der erst angelegt werden muss und dann der stetigen Pflege bedarf.
In der Kunst vermag uns insbesondere die Dichtung poetische Zugänge zu diesem Weg zu eröffnen:
Calderóns Werk „Das Leben ein Traum" zeigt uns, dass es immer wieder um eine Verwandlung des Menschen geht, von seinen machtbesessenen und kriegerischen Seiten hin zu der in ihm eingeprägten Humanität! Die Dichter dürfen spielerisch vorgehen.
In der analytischen Psychologie sind uns der Traum, innere Bilder und Fantasien wunderbare sinnbezogene Wegbegleiter auf unserem Wandlungsprozess in ein sinnerfülltes Leben. Allerdings haben wir die Traumsymbole in einem achtsamen Umkreisen mit persönlichen und kulturellen Symbolen zu entschlüsseln und in einen kreativen Dialog mit dem Bewusstsein zu bringen.
Eine große Entdeckung eines WEGES zwischen unserem irdischen und göttlichen Ursprung war für mich das Leben der Teresa von Avila, dem ich vor Kurzem durch eine Fügung begegnet bin. Insbesondere berührt wurde ich von ihrem Schöpfen eines weiblichen Weges, der in unserer Zeit so dringend gefragt ist.
Teresa strebte ihre Ziele bestimmt, klug, mutig, ausdauernd und liebevoll an und gründete gegen alle Widerstände ihrer Zeit 17 Frauen- und zwei Männerklöster. Als Nonne verinnerlichte sie vor allem den klösterlichen Weg durch eine innere Gebetszeit.
Mit ihrer spirituellen