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Der Vergängliche (Projekt Stellar Buch 7): LitRPG-Serie
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eBook486 Seiten6 Stunden

Der Vergängliche (Projekt Stellar Buch 7): LitRPG-Serie

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Über dieses E-Book

Zwar hat Grey die Stadt von den angreifenden Horden befreit, doch es gibt noch immer sehr viel zu tun. Er muss den Bina Shea einen Besuch abstatten, den Kugelstern finden, mehr über das geheimnisvolle Projekt Aurora in Erfahrung bringen – und vor allem die einstige Pracht der Ersten Legion wiederherstellen.

Das Wichtigste jedoch ist, den Daat zu eliminieren und somit das Abkommen zu beenden, das Prometheus vor vielen Jahrhunderten mit dem verräterischen Dämon geschlossen hat...
SpracheDeutsch
HerausgeberMagic Dome Books
Erscheinungsdatum13. Nov. 2023
ISBN9788076932708
Der Vergängliche (Projekt Stellar Buch 7): LitRPG-Serie

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    Buchvorschau

    Der Vergängliche (Projekt Stellar Buch 7) - Roman Prokofiev

    1

    DAS ERSTE MESSER sauste nur wenige Zentimeter an meiner Schläfe vorbei.

    Das zweite kam direkt auf mein Gesicht zu. Es gelang mir, es mit der Hand abzuwehren. Ich duckte mich und brachte meinen gut trainierten Körper bis an seine Grenzen, als ich die nächste Klinge in der Luft abfing und zu Boden schleuderte. Danach ließ ich mich auf den Boden fallen und rollte mich weg — dummerweise wieder zu spät. Ein stechender Schmerz schoss durch meine Schulter.

    Die Klinge streifte mich und hinterließ eine tiefe Furche in meiner Haut. Nicht einmal meine Neuralrezeption war mir eine Hilfe; ich konnte mich einfach nicht schnell genug bewegen, um drei oder vier Wurfmessern auszuweichen, die fast gleichzeitig auf mich geschleudert wurden. Da ich Miko deaktiviert hatte, war sie auch nicht in der Lage, mich mit allen potenziellen Ausweichwinkeln zu versorgen, mir Fluchtwege oder Möglichkeiten, die Waffen abzufangen, vorzuschlagen. Das machte sich deutlich bemerkbar.

    Ich sprang los und ging hinter einer der Klippen in Deckung, die in diesem riesigen Gebiet ein komplexes Labyrinth aus Verstecken darstellten. Trotzdem kam die schnelle dunkle Silhouette meines Gegners aus einer völlig unerwarteten Richtung auf mich zu. Das nächste Messer bohrte sich tief in meinen Oberschenkel.

    Sofort hechtete ich nach rechts und schabte mir die Wange am rauen Sand auf. Als ich aufsprang, stellte ich fest, dass ich humpelte und eine Blutspur hinter mir herzog.

    »Das reicht jetzt. Ich hab’s verstanden.«

    Raven balancierte auf einem spitzen Felsvorsprung und blickte auf mich herab, während er lässig mit mehreren Messern jonglierte. Die sengende lilafarbene Sonne umriss seine raubtierhafte Silhouette mit ihrem grellen Licht. Er sprang nach unten, reichte mir die Hand und half mir auf die Beine.

    »Bislang war deine Bestleistung fünfundvierzig Sekunden. Das ist bestenfalls ›befriedigend‹, wenn wir nach Schulnoten gehen. Du bist im Grunde genommen so gut wie tot, Grey. Ohne deine Azur-Fähigkeiten und die Unterstützung deines Cogitors gleichst du einer wandelnden Leiche.«

    Das war also das erbärmliche Ende einer weiteren Trainingseinheit, die in einer der extradimensionalen Taschen des Trainingsgeländes stattfand, die wir als das Labyrinth bezeichneten. Diese Arena war im Grunde genommen eine riesige runde, mit Sand gefüllte Kugel, in der mehrere Steinbarrikaden Bereiche abtrennten.

    An diesem Ort verfeinerten alle Inkas ihre Nahkampffähigkeiten und stellten sich einander in Gruppen oder Mann zu Mann, mit oder ohne Waffen. Der Sand war mit Blut getränkt, denn die Arena wurde rund um die Uhr benutzt und glich einem Schlachthaus. Was auch bei mir zutraf, denn mein Mentor kannte bei seinen Schülern keine Gnade — wieso sollten Unsterbliche einen solchen Luxus denn auch genießen?

    Ich unterdrückte ein Stöhnen, zog mir das Metall aus der Hüfte und deaktivierte das L-Feld, um die Heilung mit Licht zu nutzen und meine erlittenen Verletzungen zu behandeln.

    Jede Zelle meines Körpers flehte um Gnade. Die einstündige Trainingssitzung mit Raven war ein totales Fiasko gewesen. Der ehemalige Attentäter der Besessenen und heutige Kampfmeister des neuen Timus hatte meinen Körper gerade auf brutale und grausame Weise auf die Probe gestellt, all meine Schwächen zutage gefördert und angedeutet, dass meine früheren Siege nur dank meiner guten Ausrüstung, meiner A-Fähigkeiten und einer gewissen Dosis an Zufälligkeiten, die sich am besten als »Glück« beschreiben lassen, errungen wurden.

    »Dafür halten uns die Shea doch sowieso alle, oder nicht?«, entgegnete ich. »Für sie sind wir nichts weiter als ein Haufen wandelnder Leichen. Ich hatte einfach nicht damit gerechnet, dass du alle Messer auf einmal wirfst.«

    Raven zuckte mit den Achseln. »Was würde das denn sonst bringen? Im Krieg gibt es keine Regeln. Außerdem hatte ich noch nicht mal richtig angefangen. Eine Kugel fliegt sogar noch schneller, und die könntest du nicht mit bloßen Händen abwehren.«

    »Bin ich wirklich so schlecht?«, fragte ich geknickt.

    »Du bist viel schneller als jedes menschliche Wesen. Aber für einen Inkarnator bist du eher durchschnittlich, sogar angesichts der Tatsache, dass du bloß ein Verzauberer bist. Erinnerst du dich an Aeneas? Er hat mit uns allen dreien kurzen Prozess gemacht, ohne sich richtig anstrengen zu müssen. Wäre Hexe nicht gewesen...«

    Ich hatte nicht die geringste Lust, mich an Aeneas und unsere albtraumhafte Begegnung im Würfel zu erinnern, obwohl diese noch nicht einmal zwei Wochen her war. Bedauerlicherweise hatte Raven jedoch absolut recht. Hätte sich Tyrea »Mondhexe« Mun nicht kamikazemäßig im genau richtigen Moment geopfert, wäre der Kampf vermutlich mit unser aller Tod zu Ende gegangen. Zugegeben, damit hatte Glück nicht das Geringste zu tun. Das Böse neigt dazu, sich selbst zu vernichten, daher ergab es Sinn, dass Aeneas für seine Grausamkeit und Arroganz zu Recht hatte bezahlen müssen.

    Was mich anging, so bestand meine persönliche Lektion darin, dass ich lernen musste, mich nicht zu sehr auf die Macht der A-Energie zu verlassen. Vielmehr musste ich mich in verschiedene Richtungen entwickeln, um dafür zu sorgen, dass mein Wirtskörper in jeder Situation über das maximale Kampfpotenzial verfügte.

    »Aeneas... Hast du mir nicht gesagt, dass es immer jemanden geben wird, der besser und schneller ist als man selbst?«, fragte ich.

    »Ich war das nicht.« Raven grinste verschmitzt. »Eine Zeitlang war ich eindeutig der Beste. Das ist zwar ein interessanter Sinnspruch, doch du darfst ihn nicht als Ausrede dafür ansehen, dich nicht zu verbessern. Oder bist du anderer Meinung?«

    »Aus genau diesem Grund bin ich doch hier und bitte dich um Rat.«

    Raven hielt inne und überlegte. »Du kannst nicht mehrere Wege auf einmal beschreiten«, erklärte er nach einer Weile. »Als Verzauberer bist du nicht in der Lage, Evolutionen deines Körpers durchzuführen, sondern musst dich auf Genome verlassen, um die Schwachstellen in deiner Entwicklung auszugleichen, was letzten Endes von den verfügbaren DNA-Slots abhängt. Um einen effektiven Phänotyp zu erschaffen, ist außerdem jedes Implantat von Bedeutung. Deine Genome sollten gut ineinander verzahnt sein, sich ergänzen und deine Stärken boostern. Wenn du dich zu weit verzweigst, wirst du nie das Beste aus dir herausholen.«

    Damit hatte er natürlich vollkommen recht. Die Fähigkeiten jedes Inkas hingen von der Vielzahl der im Besitz befindlichen Genome ab. Es gab allerdings einen kleinen Unterschied: Dank des Geschenks des Daats war ich von dieser speziellen Einschränkung befreit worden.

    Erst vor Kurzem hatte ich das ganze Ausmaß dessen, was Miko derart enthusiastisch gefeiert hatte, richtig begriffen. Durch die dritte Evolution stand mir ein doppelter DNA-Strang mit insgesamt 36 DNA-Slots zur Verfügung, von denen erst zwölf besetzt waren. Damit hatte ich doppelt so viel wie ein normaler Inkarnator und konnte einen multifunktionellen und universellen Phänotyp erschaffen, ohne mir Sorgen wegen zu wenig Slots machen zu müssen.

    Ein einzigartiger DNA-Strang verlieh einem gewaltige Vorteile. Angesichts der Tatsache, dass sich die Zahl an Genomen, die sich ein Inkarnator einsetzen konnte, von Natur aus durch den Widerstand unserer Körper gegen die Chimärisierung begrenzt wurde, vermutete ich, dass Prometheus dank seines Abkommens mit dem Daat nicht nur seine Quelle verstärkt, sondern sich auch eine ungewöhnlich große Zahl an Genomods implantiert hatte.

    Solange man menschlich blieb... Ich konnte gut nachvollziehen, dass dies stets sein wichtigstes Mantra geblieben war.

    »Früher oder später steht jeder Inka vor demselben Problem«, fuhr Raven fort. »Aus diesem Grund musst du mir eins verraten: Wie viele genetische Modifikationen willst du dafür ausgeben, die Schwächen deines Wirtskörpers auszugleichen?«

    Ich hielt inne. »Ich muss dir etwas gestehen: Ich... ich bin in dieser Hinsicht nicht so eingeschränkt, wie du glaubst. Die Anzahl meiner freien DNA-Slots ist selbstverständlich nicht unbegrenzt, sollte jedoch für meine Zwecke ausreichen.«

    Zu meinem Erstaunen nickte Raven. »Das dachte ich mir.«

    »Wieso?«

    »Als wir uns im Turm zum ersten Mal begegnet sind und diese kleine Auseinandersetzung hatten, bekam ich die Gelegenheit, dein Blut zu kosten.« Er grinste breit. »Damals hatte ich Hämatophagie installiert, um die Genomods anderer Inkas zu identifizieren. Du hattest eine für deine Evolution ungewöhnlich geringe Zahl an Genomods. Damals dachte ich mir nichts dabei, aber später zählte ich eins und eins zusammen und fand es heraus. Wie hast du das geschafft?«

    »Ich war das nicht«, antwortete ich. »Das habe ich Prometheus zu verdanken. Ich weiß nicht, wie ihm das gelungen ist, aber es hatte etwas mit dem Daat zu tun.«

    Raven stieß einen leisen Pfiff aus. Seine Emotionskontrolle mochte unvergleichlich gut sein, dennoch gelang es ihm nicht, seine Verblüffung ganz zu verhehlen.

    »Ach ja?«, hakte er nach. »Mit welchem Daat denn? Etwa Sophia? Oder war es dieses alte Wurmviech aus der Verwerfungslinie?«

    Ich nickte und bestätigte Letzteres.

    »Das würde so einiges erklären«, murmelte Raven nachdenklich. »Einschließlich der ganzen Verwerfungsliniengeschichte. Die mir leider immer unwahrscheinlicher vorkommt.«

    »Wie meinst du das?«

    »Was ich damit meine, ist, dass du — oder vielmehr Prometheus — diese besondere A-Zone aus irgendeinem Grund um jeden Preis vernichten wollte, und zwar einschließlich des Wurms. Prometheus ging sogar so weit, eine persönliche Mission und einen Blauen Alarm zu erstellen. Wir haben es mehrmals versucht, angefangen mit Blitzraids bis hin zu Absoluten-Angriffen und der völligen Zerstörung durch schwere Waffen. Dieser Feldzug war eine der größten Schlappen der Ersten Legion. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, denn ich war selbst dabei.«

    »Wie ist die Sache ausgegangen?«

    »Das war die reinste Katastrophe. Es ist uns nicht gelungen, den Wurm zu vernichten, nicht mal ansatzweise. Dafür haben wir aber eine ganze Reihe an mächtigen Ausbrüchen ausgelöst, die zu verheerenden A-Stürmen und Entladungen unkontrollierbarem, die Realität verzerrendem Azurs geführt haben.«

    »Meinst du damit Transmutationsstürme?«

    »Sie haben alle möglichen Namen. ›Daats Ausatmen‹ gehört auch dazu. Alles in allem haben wir schwere Verluste hinnehmen müssen, und es blieb uns nichts anderes als der Rückzug übrig. Prometheus erteilte das strikte Verbot an alle, sich jemals wieder der lilafarbenen Verwerfungslinie zu nähern. Zudem wurden wir angewiesen, sie zu überwachen und alles zu eliminieren, was je daraus hervorkommt. Trotzdem war es eine sehr schlechte Entscheidung gewesen, den Wurm zu stören. Von diesem Augenblick an hörte das Ausatmen nicht mehr auf. Jeder neue Sturm löste eine Ausdehnung der A-Zone aus und ließ sie wie einen Tumor weiter wachsen. Jene von uns, die sich ins Innere wagten, kehrten nie mehr zurück. Die Verwerfungslinie wird seit über hundert Jahren größer und muss inzwischen riesig sein.«

    »Das ist eine sehr interessante Geschichte«, erwiderte ich und nahm mir vor, in den Archiven nach weiteren Details zu suchen. Es machte ganz den Anschein, als hätten Prometheus’ beharrliche Versuche, den Daat zu vernichten, eine tief verwurzelte und überaus blutige Geschichte. Anscheinend hatte er es schon einmal versucht und war gescheitert. Dennoch konnte er nicht davon ablassen und übertrug mir sogar eine persönliche Mission, um genau das zu erreichen. Darüber hinaus hat er den Kugelstern gebaut... Aus irgendeinem Grund hatte die Vernichtung des Daat für ihn oberste Priorität, und an mir nagte das Gefühl, dass dahinter ein schmutziges kleines Geheimnis stecken musste.

    Aber darum konnte ich mich später kümmern. Immer eins nach dem anderen.

    »Vergiss den Daat«, sagte ich. »Was ist mit meinen Genomen?«

    »Ich finde, dass du deine Reaktionszeiten nicht weiter verbessern musst«, erklärte Raven. »Vielmehr brauchst du ein passives Genom, um deine Haut zu verstärken und dafür zu sorgen, dass sie nicht einmal von einer Kugel durchdrungen werden kann. Wenn du alle natürlichen Panzerungsmodifikationen wie das Wachstum von Schuppen oder Chitinschichten oder den Einsatz von Nekro-Tricks ignorierst, stehen einem Verzauberer nicht mehr viele Möglichkeiten offen. Es ist korrekt, dass sich A-Monster weiterentwickeln und Evolutionen durchlaufen, was zur Erschaffung neuer Genome führt, doch im Augenblick wären da nur die Morphischen Desmosome oder das Adamantepithel. Die Reaktive Adaption wäre das Nonplusultra, ist jedoch eine so unfassbar seltene Universal-Genomod, die nur von Monstern der Klasse Gold Alpha droppt. Du müsstest schon sehr großes Glück haben, um so eine zu bekommen, und selbst dann dauert es, sie auszurüsten. Schlag in den Archiven nach, dort findest du alle Kreaturen, die sie droppen.«

    »Das werde ich tun. Sonst noch was?«

    »Allerdings. Du brauchst auf jeden Fall Körperverstärkungen, und damit meine ich eine Muskelgewebe-Genomod. Die findet man deutlich leichter. In dieser Hinsicht hast du eine Menge Optionen. Außerdem wäre es eine gute Idee, die ein Drachenherz oder zumindest das generische Gegenstück dazu zu besorgen. Eine Drüse des Ameisenbären oder alternativ eine Intrakrinregulierung für eine bessere Hormonkontrolle wären auch nicht schlecht. Die fließende Bio-Regeneration ist hingegen ein Muss. Je stärker, desto besser. Diese Modifikationen sind zwar recht schwer zu finden, aber sie könnten dir den Arsch retten, wenn du kein Azur mehr hast oder in einem L-Feld kämpfen musst. Zugegeben, so gut wie ein Krieger auf Spitzenniveau wirst du nie werden, aber du könntest deinen Gegner immerhin überraschen. Dabei solltest du auf jeden Fall auf Überleben und Unvorhersehbarkeit achten. Zu meinen besten Zeiten waren die Inkas, mit denen ich es am schwersten hatte, jene mit Universal-Phänotypen. Das bringt zwar nur was, wenn sie einem auf den Zahn fühlen, aber du trainierst ja nicht auch nicht für Arenawettkämpfe, oder?«

    »Das tue ich nicht«, bestätigte ich.

    Wir nutzten einen Translokator, um das Testgelände zu verlassen, und landeten in einem großen, rechteckigen Raum, der inzwischen als zugangsbeschränktes kleineres Gladiatorium des Timus diente. Das Testgelände war aus dem Keller des Arsenals hierher verlegt worden, zusammen mit den zahllosen extradimensionalen Taschen, die sich in einem Fragment des Schwarzen Mondes befanden.

    Anders als die gewöhnlichen Tribute der Legion benötigten neue Inkarnatoren völlig andere Anlagen für das lebensechte Training. Aus genau diesem Grund war Prometheus einst die Idee für dieses Testgelände gekommen, das wir nun so einsetzten, wie er es damals vorgesehen hatten.

    Raven musterte mich kritisch. »Wir sollten die Anfänger wirklich nicht auf dumme Gedanken bringen. Sonst glauben sie noch, ich würde diesen Ort nutzen, um hinterrücks Inkas abzumurksen. Die Säuberungseinheiten liegen da vorne rechts.«

    Nach unserem Trainingskampf gab ich in der Tat keinen schönen Anblick ab. Mein Übungsanzug war zerrissen und mit roten Flecken übersät, und das Oberteil bestand aus mehr Löchern als Stoff. Das Einzige, was noch an meinen Status erinnerte, war die dicke Manschette des Handschuhs an meinem rechten Unterarm. Ansonsten hätte man Prometheus’ Nachfolger durchaus für einen der zahllosen namenlosen Inkas halten können, die durch die Korridore des Timus strömten.

    Während die Ultraschallvibrationen der Säuberungseinheit meinen Körper von Blut, Staub und Dreck befreiten, betrachtete ich mein Spiegelbild in der polierten Metallwand. Der Animafikationsprozess nahm seinen Lauf und veränderte zunehmend das Erscheinungsbild meines Wirtskörpers. Sven Greyholm vom Fenrir-Clan verschwand nach und nach, und sein Aussehen wurde zu dem eines großen, athletischen Mannes, der mir nun ruhig entgegenblickte. Das dicke blonde Haar, für jeden Arktisbewohner typisch war, wurde dunkler und hing in widerspenstigen Locken herunter. Zwei vertikale Furchen zeichneten sich zwischen den Augenbrauen ab. Selbst sein Gesicht war markanter und definierter geworden, und in seinen hellgrauen Augen spiegelte sich Grün wider.

    Inzwischen konnte man ihn nicht länger für einen Neunzehnjährigen halten, denn er sah deutlich älter aus.

    Ähnelte ich mehr und mehr Prometheus? Ich konnte es beim besten Willen nicht sagen und kannte auch die kombinierten Auswirkungen der DNA-Codes Hunderter von Seelen auf mich nicht, die Prometheus auf dem Schwarzen Mond absorbiert hatte. Zwar hatte Prometheus dem neuen Sephiroth einen Wirtskörper besorgt, aber Arachne schien dennoch zu glauben, dass die biologischen Spuren aller anderen Inkas, die er absorbiert hatte, etwas mit den Modifikationen, die ich momentan durchlief, zu tun haben mussten.

    Das bedeutete, dass meine Animafikation mich nicht zu einem genauen Ebenbild des legendären Großlegaten machen würde. Vielleicht blieben seine wichtigsten Merkmale intakt, doch allein die Zeit würde zeigen, was letzten Endes hervortrat. Ich war schließlich der erste Inka, der so etwas durchmachte.

    Danach zog ich meine Offizierskleidung an. Der Legatenstern glitzerte auf meiner Brust. All die Auszeichnungen, die ich vom System erhalten hatte, waren endlich ausreichend gewesen, um den Rang des Großtribuns zu überspringen und gleich den eines Juniorlegaten zu erhalten. Die drei Blauen Sterne waren die Sache wert gewesen — doch meine größte Belohnung stellte eindeutig der einzigartige Rote Stern dar, den mir die Inkas der Stadt für die Aufhebung des Orangen Alarms und als Retter des Stellar-Systems verliehen hatten. Alle anderen Belohnungen wären relativ leicht zu erringen gewesen, jedenfalls im Laufe von einigen hundert Jahren, aber die Roten Sterne bekam man nur für das Beenden von Roten und Orangen Alarmen — von denen es in der gesamten Geschichte laut den Archiven nicht einmal ein Dutzend gegeben hatte.

    Am wichtigsten war hingegen, dass dieser besondere Stern der erste Schritt in Richtung meines alten Status und des Rangs eines Großlegaten darstellte.

    Ich ging zur schmalen Aussichtsgalerie, die einmal um das zweistöckige Timus-Gebäude herumführte. Raven wartete dort bereits auf mich. Ich trat zu ihm und lehnte mich neben ihn ans Geländer.

    Hier hatte man eine umwerfende Aussicht auf den Exerzierplatz neben dem schroffen Abhang, an dem die neuen Rekruten im Augenblick trainierten. Jenseits davon leuchteten die Türme der Stadt und tauchten die Ruinen in ihr Licht.

    Nicht einmal die durchscheinende Schutzkuppel, die nun dauerhaft über dem Timus aufragte, konnte das ganze Ausmaß der Zerstörung in der Stadt verhehlen. Dort wurden gewaltige Wiederaufbaumaßnahmen betrieben, und die durchbrochenen Mauern waren mit einem Netz aus Gerüsten und Kränen bedeckt, während ringsherum emsig Material transportiert wurde. In den Fabrikbezirken herrschte ein sogar noch emsigeres Treiben, da dort alle Stadt-Omegas sowie unsere Gefangenen eingesetzt wurden: all die Shivas, Zeloten und Besessenen. Unter Aufsicht der Legion beseitigten sie nun Schutt und stellten die Straßen, Häuser sowie die Einschienenbahn wieder her — alles, was durch den Krieg zerstört worden war.

    Sie waren rund um die Uhr damit beschäftigt — dennoch wusste ich, dass es Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern würde. Die frühere Pracht der mächtigen Mauern war unwiederbringlich verloren; der Wall, der durch den Feuerring zerstört worden war, musste vermutlich ganz abgerissen werden.

    Dennoch sahen wir uns verpflichtet, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um sowohl die Infrastruktur als auch die Verteidigung der Stadt wieder aufzubauen.

    »Und, was hältst du von ihnen?«, fragte ich, als ich bemerkte, dass Raven eine Gruppe winziger Gestalten beobachtete, die unter den Argusaugen von Kannibale und Spinne, dem alten Centurio, das im Epizentrum der Schlacht um den Titan überlebt hatte, auf dem Exerzierplatz trainierten. Er hatte darauf bestanden, seine früheren Pflichten wieder zu übernehmen, und war nun der einzige Timus-Instruktor, der nicht zu den Inkas gehörte.

    Raven zuckte unverbindlich mit den Achseln. »Auf den ersten Blick scheinen sie sich nicht von stinknormalen Rekruten auf Level null zu unterscheiden. Ich weiß schon gar nicht mehr, wann ich zuletzt so viele Inka-Frischlinge an einem Ort gesehen habe. Sie sehen aus wie ganz normale Jungen und Mädchen — aber was geht in ihrem Inneren vor sich? Das ist etwas, was ich dich schon die ganze Zeit fragen wollte, Grey. Ich zweifle die Bedeutung einer zweiten Chance nicht an, schließlich hast du mir ebenfalls eine gegeben und ich Wesson. Aber das hier ist etwas anderes. Bist du dir wirklich sicher, dass du das Richtige tust?«

    »Oh, ja, das bin ich. Eine weitere Chance werden sie ebenso wenig bekommen wie wir.«

    »Du kannst ihnen ja so viele Gehirnwäschen verpassen, wie du willst, aber eines Tages werden sie trotzdem die Wahrheit erfahren. Und was passiert dann? Sie schlagen erneut den alten Weg ein, so wie wir es schon so oft gesehen haben. Ein verfaulter Apfel ist nun mal nicht mehr zu retten.«

    »In der Theorie nicht, da hast du recht. Und früher oder später könnten sie durchaus auf den alten Weg zurückfinden, vorausgesetzt, ihnen bleibt genug Zeit dafür. Doch diese Zeit werden sie nicht bekommen, wenn wir alles so machen, wie wir sollten.« Ich hob eine Hand und deutete auf den Teil des Schwarzen Mondes, der über den Horizont ragte. »Uns bleibt noch genau ein Jahr, um die neue Erste Legion dorthin zu bringen.«

    »Soll das etwa heißen, dass wir hier einen Haufen Kamikazekämpfer ausbilden?«, fragte Raven mit schiefem Grinsen.

    »Alle Inkas sind per Definition Kamikazekämpfer. Das war der einzige Grund, aus dem wir erschaffen wurden, falls du das vergessen haben solltest. Sie werden für die von ihnen begangenen Verbrechen büßen und ihren Zweck erfüllen. Genau wie wir.«

    »Warum hat Prometheus das dann nicht schon früher getan?«, wollte der ehemalige Attentäter wissen. »Wieso musste er sie alle im Würfel einsperren, statt zu versuchen, die Unbelehrbaren zu belehren?«

    »Weil die Dinge damals anders standen«, antwortete ich. »Wie viele Inkas gehörten zur Ersten Legion? Erinnerst du dich noch daran?«

    »Verdammt viele«, erwiderte er. »Etwa zehntausend zu ihren Glanzzeiten. Als wir zum Schwarzen Mond aufbrachen, waren noch etwa siebentausend übrig.«

    »Na, da hast du doch deine Antwort. Wenn es so viele Inkas gab, die der Sache treu ergeben waren, wieso sollte man dann die anderen noch umerziehen? Prometheus hatte genug für seine Zwecke. Und ich verrate dir auch noch etwas anderes: Er muss die Situation, in der es nur noch sehr wenige Inkas gibt, vorhergesehen haben. Im Grunde genommen war der Würfel die strategische Reserve der Ersten Legion, und jetzt ist die Zeit gekommen, darauf zurückzugreifen. Uns bleibt schlichtweg keine andere Wahl.«

    »Verstehe«, meinte Raven. »Ave Prometheus! Ich werde sie so gut ausbilden, wie es mir in der begrenzten Zeit möglich ist.«

    Ich hatte ihm allerdings nicht die ganze Wahrheit gesagt. Der ursprüngliche Zweck des Würfels hatte nicht nur darin bestanden, als multidimensionales Gefängnis für die Anima abtrünniger Inkas zu dienen. Prometheus hatte ihn als seinen persönlichen Ontoprion-Speicher ersonnen, der vom Großkoordinator, der die Kontrolle über Stellar hatte, unabhängig war. Auf diese Weise konnte er die Ontoprionen immer zum Nukleus zurückbringen, um sie später erneut zu verwenden, selbst wenn die Anima der Inkas irreparabel beschädigt waren.

    Zwar war die Inkarnationstechnologie an sich kurz nach dem Einschlag verloren gegangen, aber es war Leftie in der Tat gelungen, den Kessel nachzubauen, und man brauchte — wenn man seinen Behauptungen Glauben schenken konnte — nur noch Zugriff auf den Nukleus, um richtig loszulegen.

    * * *

    Arachne hielt im großen Hörsaal eine Vorlesung. Man wäre nie auf die Idee gekommen, dass sie so etwas konnte, aber hier stand sie nun vor einem Publikum aus hundert Personen und lieferte, unterstützt von riesigen 3D-Projektionen, prägnante Informationen. Da waren der Schwarze Mond und seine extradimensionalen Taschen, die Querschnitte aller Arten von modifizierten Monstern und ihrer Anatomien, die Diagramme und DNA-Ketten nebst der farbenfrohen Darstellung der entweder nützlichen oder tödlichen Genome...

    Sie war schließlich Technomantin; eine hingebungsvolle Wissenschaftlerin, Biologin und Xenogenetikerin, die einzige Überlebende der Besessenen, der es gelungen war, die kostbaren Datenmengen, die beim Raid der Ersten Legion auf dem Schwarzen Mond gesammelt worden waren, zu erhalten und zu katalogisieren.

    Offen gesagt widerstrebte es uns, dieses einzigartige Wissen mit unseren neuen Rekruten zu teilen. Viele der Stellar-Inkas hatten sich dagegen ausgesprochen, doch meiner Ansicht nach war die Theorie ebenso wichtig wie die Praxis. Die Greenhorns mussten alles über die Bedrängnisse wissen, die sie erwarteten, und wie sie dagegen ankämpfen konnten.

    Diese virtuelle Arachne wirkte ebenso real wie die alte echte. Dank der Verbindung zum Timus-Transmitter hatten die Sensoren des Sterns wunderbare Arbeit geleistet und ein autonomes Hologramm erschaffen, das gewisse körperliche Eigenschaften besaß, wie sie auch Orpheus oder der Großkoordinator des Sterns bei seinem letzten Besuch des Stellar-Nukleus genutzt hatten.

    Da sie meine Psi-Berührung spürte, hielt Arachne kurz inne, bevor sie sich erneut ihrem Publikum zuwandte und ihr unwiderstehliches Lächeln aufsetzte.

    »Das reicht für heute«, sagte sie. »Wir sehen uns dann morgen wieder.«

    Die Rekruten erhoben sich von ihren Plätzen und strebten zu den Ausgängen, wobei sie sich leise unterhielten und salutierten, sobald sie an mir vorbeikamen. Ihre Cogitoren waren aktiviert worden, sodass sie in kürzester Zeit die Grundlagen der Militärdisziplin beherrscht hatten. Ich sah in ihre Gesichter, männlich und weiblich, jung und nicht mehr so jung, wobei jede Ethnie und Hautfarbe vertreten waren. Alle trugen identische schwarze Overalls mit dem Stern von Stellar auf der rechten Schulter.

    Ohne ihre Vergangenheit zu kennen, konnte man die ehemaligen Insassen des Würfels nicht von normalen Timus-Tributen unterscheiden. In jedem von ihnen glomm eine Quelle, doch bisher bekamen sie nur Zugriff auf eine begrenzte Menge an Azur, damit sie sich nicht weiterentwickelten. Das musste vorerst warten. Bislang standen sie alle auf dem Prüfstand.

    »Hi, Grey«, trällerte Arachne in ihrer Singsangstimme, sobald ich mich ihr genähert hatte. »Schön, dich zu sehen. Du siehst gut aus. Die Legatensterne stehen dir.«

    »Hi, Arachne. Du siehst auch gar nicht mal so übel aus. Ich hörte, dass du mich sprechen willst?«

    »So ist es. Um ein bisschen zu plaudern.« Die ehemalige Besessene setzte eine Unschuldsmiene auf. »Wie in alten Zeiten...«

    »Einen Moment.«

    Ich aktivierte die Psychokinese und versperrte die Automatiktüren des bereits verlassenen Auditoriums, dann überprüfte ich mit meinem Psi-Feld das Gebiet im Umkreis von zweihundert Metern. Die Luft war rein. Alles, was ich entdeckte, waren die sich entfernenden Signale der Rekruten, die durch die Korridore davoneilten.

    »Es werden von Tag zu Tag weniger«, stellte Arachne sachlich fest. »Wie viele von ihnen hast du heute rausgeworfen?«

    »Drei«, antwortete ich widerwillig.

    »Und wie viele waren es insgesamt?«

    Ich bedachte sie mit einem langen Blick und wollte nur ungern zugeben, dass neunundzwanzig Inkas von vornherein ausgesondert worden waren, weil ihre Cogitoren auf mysteriöse Weise gelöscht wurden. Weitere achtundsechzig verfügten über eine irreparabel beschädigte Azurstruktur. Dann waren da noch die siebenunddreißig, die die anfängliche kognitive Untersuchung nicht bestanden hatten: Sie waren vollkommen verrückt und ließen sich unmöglich heilen, da ihr Verstand irreversibel zerstört war. Von jenen, die den Anfangstest bestanden, wurden bei sechzehn später eine zerstörerische Animafikation diagnostiziert. Solche und ähnliche Probleme tauchten tagtäglich auf und verringerten die ohnehin schon schrumpfende Zahl der neuen Akademiekadetten weiter.

    »Damit haben wir noch insgesamt achthundertfünfundzwanzig Studenten«, meldete ich.

    »Was ist mit... all den anderen?«

    Ich zeigte mit einem Finger auf den Handschuh.

    »Dann sind ihre Ontoprionen noch intakt?«, säuselte Arachne verführerisch.

    »Du weißt ganz genau, wie sehr ich deine Kooperation schätze, Arachne«, erwiderte ich entschieden, »aber du scheinst dich für Dinge zu interessieren, die dich nichts angehen.«

    »Na, wenn du das sagst«, parierte sie und schürzte die prallen Lippen. Unverhofft veränderte sich ihre Stimme und klang metallisch. »Das ist mein Prometheus, den ich da höre. Und genau darüber wollte ich mit dir reden... Grey. Es wäre vielleicht besser, wenn du es mit eigenen Augen siehst. Ich erwarte dich hier oben auf dem Stern.«

    »Wieso auf dem Stern? Das ist ehrlich gesagt kein guter Zeitpunkt. Warum reden wir nicht einfach hier unten?«

    Das Hologramm bebte, als die Besessene mir erneut ein verführerisches Lächeln zuwarf. »Na, zuerst einmal, weil ich dich vermisse.« Sie zuckte träge mit den Achseln. »Außerdem wartet hier eine kleine Überraschung auf dich. Darüber hinaus habe ich etwas höchst Interessantes über den verstorbenen Großkoordinator in Erfahrung gebracht. Und zu guter Letzt ist es mir endlich gelungen, den Cryptor der Katze zu knacken. Also schwing deinen Hintern schnellstmöglich hier rauf.«

    2

    Genom des Eisfürsten

    Klasse: Gold (gemischt, Azur)

    Verfügbare genetische Modifikationen:

    Kryonische Lebensform. Restrukturiert Ihren Körper, um seine adäquate Funktionsweise auch in sehr kalten Umgebungen zu gewährleisten. Besitzt die folgenden Eigenschaften:

    Eisblut

    Eisknochen

    Kryogenetisches Gewebe

    Eisodem

    Eisberührung

    Fähigkeitstyp: Passiv

    Transformationsart: Irreversibel

    Anforderungen:

    Evolution (5)

    Knochenstruktur-Upgrade (5)

    Hautgewebe-Upgrade (5)

    Metabolismus-Upgrade (5)

    Quelle (15)

    Neuronukleus

    Z

    Eissplitter. Erzeugt einen kontrollierten Kryo-Azur-Impuls, der in A-Wesen eindringen und sich in ihnen festsetzen kann. Bewirkt bei der Aktivierung mächtigen kryogenen und Azur-Schaden. Lässt sich durch eine Reihe von mnemonischen Befehlen oder hochstufigen Azur-Manipulationen steuern.

    Fähigkeitstyp: Aktiv

    Aktivierungskosten: 30.000 Azur

    Anforderungen:

    Evolution (2)

    Quelle (15)

    Quellen-Splicing (5)

    Neokortex (5)

    Neuronukleus

    Tiefkühleffekt. Senkt die Umgebungstemperatur drastisch. Massenvernichtungswaffe.

    Reichweite: Abhängig vom verfügbaren Azur und der Einsatzdauer.

    Niedrigste erreichbare Temperaturgrenze: Abhängig von der Macht der Quelle des Anwenders.

    Fähigkeitstyp: Aktiv

    Aktivierungskosten: 3.000 Azur pro Minute

    Anforderungen:

    Evolution (3)

    Quelle (20)

    Quellen-Splicing (5)

    Meridiane (5)

    Geistknoten (5)

    Neuronukleus

    DIESES GENOM hatte Aeneas gedroppt.

    Ich schloss die Beschreibung, die ich mir in letzter Zeit schon sehr oft durchgelesen hatte. Das Genom ähnelte dem von Evelynn Mail, wobei der Hauptunterschied darin bestand, dass die Modifikationen deutlich mächtiger ausfielen. Dies war ein ausgesprochen gefährliches Genom, das die Grundlage für Aeneas’ Macht als Anführer der Zeloten dargestellt hatte. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, von welcher Art von Monster es stammte. Eine solche Kreatur musste einen Blauen Alarm ausgelöst und eine Gefahr für eine ganze geografische Zone dargestellt haben.

    Die erste Fähigkeit des Monsters verwandelte einen in ein Eismonster mit einigen fiesen Eigenschaften. Die zweite ermöglichte es einem, eine gehorsame Sklavenarmee zu erschaffen, indem die Kreaturen durch Eissplitter unterwarf. Und die letzte war problemlos in der Lage, eine Naturkatastrophe kontinentalen Ausmaßes auszulösen und gutes Ackerland in ein tiefgefrorenes Inferno zu verwandeln.

    Ich konnte nur ein Stoßgebet gen Himmel schicken, dass Aeneas diese Fähigkeit während des Kampfs um die Stadt nicht aktiviert hat. Entweder wollte er seine Armeen verschonen, oder er hatte schlichtweg nicht genug Azur für diesen kryogenen Massenschlag.

    »Wenn ich das noch einmal betonen dürfte, Grey: Die letzte Eigenschaft sieht sehr vielversprechend aus. Es gibt allerdings einen Haken.«

    Mein neurales Netzwerk namens Miko hielt sich kichernd eine Hand vor den Mund und fuhr dann fort.

    »Abgesehen von Unmengen an Azur braucht man auch die Fähigkeit, bei sehr niedrigen Temperaturen zu überleben. Mit anderen Worten: Der Wirker muss dafür sorgen, dass er nicht erfriert, denn wenn man es sich genau überlegt, fällt die Temperatur als Erstes genau im Epizentrum, das somit der kälteste Ort überhaupt ist.«

    Mein Reden. Ich konnte mir nicht vorstellen, dieses Genom allen Ernstes zu meinem Phänotyp hinzuzufügen. Doch es wäre noch weitaus gefährlicher gewesen, es der Genombank zu spenden. Man konnte ja nicht vorhersagen, ob man damit nicht den nächsten Eisfürsten schuf. Die Eissplitter wären für so manch einen Inkarnator eine ziemliche Versuchung.

    Daher beschloss ich schließlich, es als weitere nutzlose Trophäe in meinem Inventar zu behalten, zusammen mit den ebenso unpraktischen Genomen der Scylla und des Ahriman-Verschlingers, die ich mir auch nicht implantieren wollte.

    »Wir sind fast da, Grey. Noch sechs Minuten bis zum Andocken.«

    Der dreizackige silbrige Umriss des Sterns glitzerte vor mir inmitten der schwarzen Ausdehnung des Weltalls. Heutzutage gelangte man problemlos hierher. Jedes Flugzeug konnte einen innerhalb von Stunden zur Orbitalstation bringen.

    Mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich den größer werdenden Umriss der Weltraumzitadelle betrachtete, deren unterteilter Rumpf mit einem komplexen Muster aus unterschiedlichen Superstrukturen bedeckt war. Die

    Antimeteorgeschütze drehten sich langsam, und die riesige Mündung der Kugel klaffte vor mir auf. Arachnes Worten zufolge waren die Abwehrsysteme des Sterns in der Lage, ein Objekt in der Größe eines Spatzen auf eine Entfernung von über dreihundert Kilometern auszuschalten und es in fünfmal so großer Entfernung zu orten.

    Der Traktorstrahl wurde grün. Das Andockmodul öffnete den zahnbewehrten Schlund. Unser Flugmobil passte sofort die Geschwindigkeit und Flugbahn an und glitt sanft hinein.

    Heutzutage waren sämtliche Kommandoposten an Bord des Sterns von den Veteranen der Fünften und Siebten Kohorte besetzt: ernsten, nie lächelnden Personen in Wächteranzügen und grünen Umhängen; die Elite unserer Spezialtruppen, deren Ränge beim Wachallarchen anfingen. Aufgrund der neuerdings veränderten Umstände auf dem Stern war dieser völlig an die Legion übergegangen.

    Zugegebenermaßen auf äußerst unschöne Weise. Wie ich später herausfand, bestand die gesamte Besatzung des Sterns aus gerade mal eintausend »Allgeborenen«, von denen fast ein Drittel während des spontanen Evakuierungsversuchs des Großkoordinators entweder gestorben oder verschwunden war. Wir gaben unser Bestes, um jene zu finden, die in Rettungskapseln von der Station geflüchtet waren, doch zu viele von ihnen waren ins Meer gestürzt oder in von Monstern infizierten Gebieten gelandet, in denen für Weltraumbewohner, die die rauen terranischen Bedingungen nicht gewohnt waren, nicht überleben konnten. Dazu kam noch, dass dies während der erbittert geführten Schlacht gegen die Zeloten geschehen war, was bedeutete, dass wir nicht sofort Rettungstrupps losschicken konnten — was auch erklärte, warum es in den meisten Fällen niemanden mehr gab, den wir retten konnten.

    Was jene anging, die zurückgeblieben waren, so gelang es uns nicht, eine Einigung mit ihnen zu erzielen. Im Laufe der Zeit hatten sich die »allgeborenen« Cosmo zu einer Art religiösem Orden entwickelt, der die Traditionen der Raumflotte aufrechterhielt und sich für die Reinheit seines Blutes pries. Für viele von ihnen war allein der Gedanke, dass wir ihre Station mit A-Energie kontaminierten, schon zu viel. Daher zettelten sie eine Meuterei an, sobald sie erkannten, dass ihre Weltraumzitadelle unter der

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