Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Getäuscht
Getäuscht
Getäuscht
eBook424 Seiten5 Stunden

Getäuscht

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Eine Schwester, der ich nie vertraut habe.

Chancery wollte nie über ihr Volk herrschen, obwohl es schmerzt, dass sie nicht dafür auserwählt wurde. Als jedoch der Staridium-Ring aufsehenerregend auf sie reagiert, setzt ihre Mutter sie zur Erbin ein. Leider stirbt ihre Mutter, bevor sie die geänderte Entscheidung auch durchsetzen kann. Nach ihrem Tod müssen Chancery und Judica ausfechten, wer künftig herrschen wird.

Und Chancery glaubt, dass Judica es genau so wollte.
SpracheDeutsch
HerausgeberTranscre8 OÜ
Erscheinungsdatum17. Nov. 2023
ISBN9789916737057
Getäuscht

Ähnlich wie Getäuscht

Titel in dieser Serie (4)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Fantasy für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Getäuscht

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Getäuscht - Bridget E. Baker

    1

    Um mich herum werden Augen weit aufgerissen und mehrere Leute schnappen nach Luft.

    Inara packt mich an der Schulter und flüstert mir ins Ohr. »Das ist eine bedeutsame und äußerst öffentliche Anschuldigung.«

    Ihr Herzschlag beschleunigt sich, und ich rieche ihren Schweiß. Ob ich Inara damit in Panik versetze oder nicht, ich werde meine Behauptung nicht zurücknehmen.

    »Es ist wahr.« Ich fühle es in den Knochen. Judica hat unsere Mutter umgebracht, weil sie die Vorstellung nicht ertragen konnte, dass ich statt ihr Kaiserin werden soll. Vielleicht hat Mama ihr sogar unbedacht von ihrem Vorhaben erzählt, um sie darauf vorzubereiten.

    Ironisch dabei ist, dass sich Judica ihre Tat hätte sparen können. Ich hatte gar nicht den Wunsch, über dieses Rudel Schakale zu herrschen.

    Inara flüstert mir zu: »So oder so hättest du vielleicht warten und mit mir darüber reden sollen, welche Beweise wir finden können, bevor du es vor Freund und Feind gleichermaßen hinausposaunt hast.«

    »Tut mir leid«, erwidere ich mit tonloser Stimme.

    Tut es aber in Wirklichkeit nicht. Ich bin am Boden zerstört, gebrochen, wutentbrannt und verängstigt. Ich quelle gerade über vor Gefühlen, nur aufrichtiges Bedauern ist nicht darunter.

    Judica starrt die Versammelten nacheinander finster an. »Meine Schwester hat mich Muttermörderin genannt. Das stimmt nicht. Ich habe meine Mutter geliebt und hätte ihr nie etwas angetan. Aber im Grunde spielt es keine Rolle, nicht wahr?« Die langsam ausgesprochenen Worte vertreiben den Nebel, der durch mein Gehirn treibt.

    Sie hat recht.

    Es ist furchtbar, grauenhaft und ist in jeder Hinsicht abscheulich. Trotzdem hat sie recht. Selbst wenn sie Mutter getötet hat, es ändert nichts. Sie ist die Thronerbin. Seit sechstausend Jahren haben zwei Arten von Leuten per Gesetz das Recht, eine Kaiserin zu töten. Zum einen eine andere Kaiserin als Kriegshandlung. Zum anderen die Erbin der Kaiserin. Als solche hatte Judica das Recht, es zu tun. Das Gesetz ist eingeführt worden, um sicherzustellen, dass der einer Monarchin unterstehende Teil der Welt nicht darunter leiden würde, falls sie krank und regierungsunfähig wird. Was bedeutet, dass meine Anschuldigung bedeutungslos ist.

    Wie betäubt beobachte ich Judica, als sie sich dem Leichnam unserer Mutter nähert. Sie beugt sich vor und drückt Mama einen Kuss auf die Stirn, dann zieht sie den funkelnden Ring von ihrem Finger. Er lässt sich mühelos, ohne jeglichen Einsatz von Gewalt abnehmen.

    Judica hält ihn sich über den Kopf und verkündet: »Als jüngste Frau des Herrschergeschlechts und gemäß der von meiner Mutter vor acht Jahren aufgesetzten Urkunde bin ich die rechtmäßige Erbin von Alamecha. Hiermit nehme ich meinen Platz als Kaiserin der Ersten Familie ein.« Kurz funkelt der Ring im Sonnenlicht, das er in alle möglichen Farben bricht, die den Saal mit winzigen Lichtern erhellen. Als Judica ihn sich an den Finger steckt, seufzen die Anwesenden, denn es ist vollbracht. Die Mörderin hat die Kontrolle übernommen. Möge der Himmel uns allen beistehen, vor allem jedoch mir.

    Bevor sich jemand zu Wort melden kann, tritt Hiob vor. »Es tut mir leid, in einem so kritischen Augenblick zu stören. Ich habe schon vorhin versucht, es Chancery zu sagen – streng genommen ist Judica vielleicht nicht die Thronerbin.«

    Judica lässt die Hand sinken. »Was?«

    Hiob schlägt die Augen nieder und tritt unbehaglich von einem Bein aufs andere. »Ich war in den letzten Momenten eurer Mutter bei ihr. Sie hat mir bei völlig klarem Verstand mitgeteilt, dass sie Judica als Erbin widerruft und Chancery an ihrer Stelle benennt. Das hat sie mehrmals wiederholt. Bestimmt haben es auch die anderen Anwesenden gehört.« Hiob sieht sich um. Mehrere Köpfe nicken bestätigend. »Wenn Chancery also Beweise dafür vorlegen kann, dass Enora von Judica vergiftet worden ist ... könnte das für eine Verhandlung reichen.«

    Judica schaut betroffen drein, gibt sich jedoch nicht geschlagen. »Sie kann nicht einfach eine neue Erbin ernennen. So funktioniert das nicht.«

    Inara räuspert sich. »Das ist dann nicht möglich, wenn die Thronerbin in einem offiziellen, von ihrem Rat bezeugten und besiegelten Dokument festgeschrieben ist.« Inara gibt Mamas Kammerdienerin ein Zeichen und flüstert: »Larena, hol die Charta. Es widerstrebt mir zwar zutiefst, Alamechas Familienangelegenheiten in der Öffentlichkeit auszutragen, aber es lässt sich nicht vermeiden.«

    Schweigen breitet sich wie eine Decke über die Versammelten aus, während die gertenschlanke Kammerdienerin meiner Mutter den Saal durchquert. Die üppigen Falten ihres kanariengelben Seidenkleides rascheln, als sie mit schnellen Schritten auf den Ausgang zusteuert. Kaum ist sie weg, kommt Bewegung in die Menge. Die Leute murmeln und tuscheln so leise untereinander, dass selbst andere Evianer ihre Worte nicht verstehen können. Als Larena wenig später zurückkehrt, verstummt das Geflüster wieder. Inara schiebt die Horsd’œuvres und das Silbergeschirr auf einem verzierten Serviertisch am Ende des Saals beiseite, und Larena stellt eine solide Holzschatulle mit dem Wappen der Familie Alamecha am Deckel darauf ab.

    Judica und ich bewegen uns wie in Zeitlupe darauf zu. Wir bilden einen losen Halbkreis um Inara, als sie die Schatulle öffnet.

    Sie holt einen Stapel vergilbter Dokumente daraus hervor. Die Alamecha-Charta.

    »Wie soll uns das helfen?«, flüstere ich.

    »Judica braucht nicht die Charta«, sagt Inara. »Sie braucht die Erbschaftserklärung.«

    »Richtig«, bestätigt Judica. »Die ist gleich unter der Charta.«

    Larena schmunzelt. Wir alle beugen uns über die Schatulle und spähen hinein. Ganz unten liegt ein Bogen aus dickem weißen Papier. Larena hebt ihn heraus und liest laut vor. »Die Vertreter des Rats von Alamecha bezeugen heute, dass Enora Isadora Alamecha ihre Absicht erklärt hat, eine Erbin zu benennen. Da sie am selben Tag zwei Töchtern das Leben geschenkt hat, möchte sie alle Unklarheiten beseitigen, die im Fall ihres Todes erwachsen könnten. Enora Isadora Alamecha benennt ihre Tochter Chancery Divinity Alamecha als Herrscherin der Ersten Familie Evas und somit als Kaiserin und Königin aller Ländereien und damit verbundenen Besitztümer. Um jeglicher Anfechtung dieser Erklärung vorzubeugen, bezeugen die unten aufgeführten Ratsmitglieder mit eigener Hand die Wahrhaftigkeit und Gültigkeit der vorliegenden Erklärung.«

    Judica spricht das Offensichtliche aus. »Die Urkunde ist nicht unterschrieben.«

    »Nicht vom Rat«, pflichtete Inara ihr bei, »aber von Mama.«

    Wann hat sie dafür Zeit gehabt? Sie muss gewusst haben, dass etwas nicht stimmt und hat es heute Morgen in aller Eile erledigt. Dorthin muss sie nach dem Frühstück gegangen sein. Aber es reicht nicht.

    »Angesichts der Vernichtung der früheren Dokumente, dieser teilweise ausgefertigten Urkunde und der Aussage Hiobs vor Zeugen«, ergreift Inara das Wort, »vermute ich, dass mir der Rest des Rats zustimmen wird. Chancery ist die Erbin.«

    Kann Judica für ihre Tat wirklich vor Gericht gestellt werden?

    »Mutter war krank und hat den Verstand verloren.« Die Worte ertönen als kaum hörbares Flüstern. Judica schließt die Augen, und zum ersten Mal überhaupt sieht sie verletzt aus, sogar gequält. Als sie weiterspricht, klingt sie noch leiser. »Oh Mutter, warum?«

    Innerlich fühle ich mich zerrissen. Ich will mit der Herrschaft über Alamecha nichts zu tun haben. Meinetwegen kann Judica daran ersticken. Aber die einzige Möglichkeit, sie für den Mord an Mama bezahlen zu lassen, besteht darin, Kaiserin zu werden und ein Gericht einzuberufen. Wenn ich abdanke, wird Judica Kaiserin, und diese Möglichkeit ist dahin. Dann erfahren wir nie, ob sie unsere Mutter umgebracht hat. Und selbst wenn doch, können wir rein gar nichts unternehmen.

    Judica kann nur bestraft werden, indem ich selbst Kaiserin werde.

    Als könnte sie meine Gedanken lesen, sagt sie: »Ich habe sie nicht umgebracht.« Sie knirscht mit den Zähnen. »Aber ich bedaure ihren Tod fast nicht. Offensichtlich hat sie schlechte Entscheidungen getroffen. Ihre Zurechnungsfähigkeit war zu beeinträchtigt für eine solche Änderung der Erbfolge.« Sie ergreift das neue Dokument und betrachtet es voller Abscheu.

    »Eigenartig.« Adika Shenoah, die derzeitige Kaiserin der Sechsten Familie, hat sich so nah herangeschlichen, dass ihr Herz unmittelbar neben mir stetig pocht. »Die eine Zwillingsschwester zweifelt die Dokumente an, die ihre eigene Mutter heute Morgen ausgefüllt hat, und die andere beschuldigt die verdrängte Erbin des Mordes. Was bin ich froh, dass ich nicht Vela als Vertretung geschickt habe. Dann hätte ich dieses Spektakel verpasst.« Adikas Zähne zeichnen sich hell schimmernd von der dunkelbraunen Haut ab. Der Anblick jagt mir einen Schauder über den Rücken. Die Geier spüren unsere Schwäche und kreisen bereits. Am schlimmsten ist, dass sie dieses Desaster nur bezeugen können, weil wir sie selbst in unser Haus eingeladen haben.

    »Diese Deklaration ist Müll.« Judica wirft sie in die Schatulle und starrt mich finster an. »Ich werde bis zum Ende dagegen ankämpfen.«

    »Was ist mit dem Geburtstagsversprechen an Mama?«, frage ich. »Sie hätte nie gewollt ...«

    »Dann hätte sie die Erbschaftsurkunde nicht ersetzen sollen«, schneidet Judica mir das Wort ab. »Das geht auf ihre Kappe.«

    »Auf ihre Kappe?«, speie ich praktisch hervor. »Ist es etwa ihre Schuld, dass sie die Dokumente aufgesetzt hat, aber nicht vervollständigen konnte, bevor du sie ermordet hast?«, platzt es aus mir hervor, hin- und hergerissen zwischen Grauen, Verzweiflung und mörderischer Wut.

    »Sie hat uns beide belogen«, sagt Judica. »Sie hat mich zur Erbin ernannt. Sie hat mich ausgebildet, mir versprochen, dass ich nach ihr herrschen würde. Jetzt ist sie nicht mehr da und hat mich mit nichts zurückgelassen.«

    Mein Lachen klingt ein wenig irre, sogar für meine eigenen Ohren. »You kill Mom as some kind of a power play, and you’re upset she broke her promise to you from almost nine years ago?«

    Judica stürzt auf mich zu. Ihre Hände legen sich um meine Kehle. Ich werde derart überrumpelt, dass ich keine Gegenwehr aufbringe. Sie stößt mich zurück und presst mich mit dem Körper gegen die schwere Holzschatulle. Ihre Finger zerquetschen meine Luftröhre, schneiden mir die Sauerstoffzufuhr ab.

    »Ich sage es nicht noch mal«, faucht sie mir ins Gesicht. »Ich habe sie nicht umgebracht. Ich habe sie geliebt.«

    Edam zieht Judica von mir weg und verdreht ihr die Arme auf den Rücken. »Greif nicht die Kaiserin an, Judica. Das geziemt sich nicht für die Erbin.«

    Ich reibe mir die Stelle am Hals, an der sie mich erwürgen wollte, und heile den Schaden rasch. »Danke, Edam.« Ich richte mich auf und beobachte, wie sich Judica gegen ihn zur Wehr setzt. Er lässt ihre Hände nicht los, weil er weiß, dass sie sonst einen Dolch zieht und ihn absticht.

    Eine Träne kullert über Judicas Wange, überraschend wie Wasser aus einem Stein. »Dass du geheult und geschluchzt hast, heißt nicht, dass du sie mehr geliebt hast. Nur, dass du aus ihrem Beispiel nichts gelernt hast.«

    »Wieder falsch«, entgegne ich. »Dass du sie umgebracht hast, beweist, dass du sie nicht geliebt hast. Diese Sünde können kein Anstand, keine Wildheit und kein staatsmännisches Auftreten der Welt je auslöschen.«

    Edam lässt Judica los und zieht uns beide zu sich. Mit einer Hand hält er Judica am Handgelenk, mit der anderen mich. Er flüstert so leise, dass ich seine Worte kaum verstehe. »Das ist nicht der richtige Zeitpunkt und Ort. Ihr beide müsst darüber reden, aber nicht hier vor allen Leuten. Es ist schon mehr als genug passiert.«

    Judica befreit sich mit einem Ruck aus seinem Griff. Auch sie flüstert. »Lass die Hände von mir, du verlogener ...«

    Edam runzelt die Stirn. »Ich habe dich nie belogen. Kein einziges Mal.«

    »So einfach ist das nicht«, erwidert sie mit belegter Stimme. Keine Ahnung, warum es mich überrascht, jedenfalls scheint sie die Abfuhr durch Edam härter zu treffen als der Tod unserer Mutter.

    »Oh, wie ach so traurig, dass deine kleine Romanze in die Brüche gegangen ist. Unsere Mutter liegt tot da drüben.« Die Splitter meiner Seele erzittern bei dem Gedanken, und ich atme tief ein. »Ist das wirklich der richtige Zeitpunkt, um die verschmähte Geliebte zu spielen?«

    »Sie ist nicht meine Geliebte«, wirft Edam ein.

    »Richtig, bin ich nicht«, speit Judica hervor. »Kein echter Gefährte würde sich je gegen mich auf ihre Seite stellen.«

    »Oh, bitte. Du hast mir nie irgendeine Wahl gelassen.« In seinen Worten schwingt unverarbeitete Frustration mit.

    »Du hattest keine Wahl?« Judica versucht zwar, zu flüstern, aber die schrillen Laute hört man weithin.

    »Niemand kann der Thronerbin etwas verweigern.«

    Judicas Lider flattern rasant, ihr Atem geht in flachen, schnellen Stößen. Beinah tut sie mir leid – bis mir wieder einfällt, dass sie die Ausgeburt des Bösen ist.

    Sie erhebt die Stimme. »Hiermit ordne ich wegen Verbrechen gegen die Thronerbin den Tod von Edam ne’Senah ex’Alamecha an. Das Urteil wird vollstreckt, sobald ich ... sobald das alles« – sie deutet auf mich und die Charta – »geklärt ist.«

    Als die Wachen Edam ergreifen, leistet er keinen Widerstand, doch aus seinen Augen spricht Schmerz.

    »Das ist mehr als absurd«, werfe ich ihr vor. »Dein Geliebter serviert dich ab, und du ordnest seine Hinrichtung an? Das ist sogar für dich ein neuer Tiefpunkt. Und zu deinem Pech bin ich die Kaiserin, nicht du.« Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Ich widerrufe deinen Befehl.«

    Judica wendet sich mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldet, an die Wächter. »Bringt ihn in die Arrestzellen, bis die Erbfolge geklärt ist. Ob ich nun Thronerbin oder Kaiserin bin, ich habe in jedem Fall das Recht, ein Verfahren gegen jemanden anzuordnen, dem ich etwas vorwerfe.« Sie dreht sich um, lässt den Blick über alle Anwesenden wandern und warnt sie stumm davor, sie herauszufordern.

    Die Wächter wissen nicht, was sie tun sollen, also halten sie ihn zwar weiter fest, schaffen ihn aber nicht weg. Sie spähen zu Balthasar, der grummelnd von mir zu Judica schaut und wieder zurück. »Bringt ihn runter. Wir können uns später darum kümmern.«

    »Nein«, widerspreche ich. »Ihr alle habt Larena gehört. Ich bin die neue Kaiserin, und Edam hat lediglich meine Sicherheit gewährleistet. Dafür wird er nicht bestraft.«

    Bevor jemand anderes das Wort ergreifen kann, tritt Melisania Lenora vor, Kaiserin der Dritten Familie. Auf ihrer lockigen Haarpracht funkelt eine Krone. »Die Lage ist offensichtlich gerade etwas verwirrend. Ihr habt Glück, dass wir alle hier sind, um zu helfen. Ihr beide seid von Trauer erschüttert. Wir berufen ein Gericht der Fünf ein, beurteilen die vorliegenden Beweise über die Umstände des Tods eurer Mutter und stimmen darüber ab, wer von euch den Thron besteigen wird.« Melisania wendet sich an Adika und beginnt, weitere Befehle zu erteilen.

    »Das würde dir so passen, was?«, blafft Judica. »Ihr bezeugt, wie die Erste Familie in Chaos versinkt, und wollt darüber entscheiden, wer von uns aufsteigt?«

    Sie hat recht. Fünf Augenpaare bohren sich in mich, als ich mich im Raum umschaue, keines davon ist freundlich. Jede andere Familie sieht die Lage als Gelegenheit und wünscht sich seit Jahrtausenden nichts sehnlicher, als uns zu zerreißen und die Trümmerteile zu verschlingen. Wenn wir es zulassen, werden sie am Ende des Tages unsere Ländereien unter sich aufteilen wie bei einer Partie Monopoly.

    Judica zerrt sich den Ring vom Finger und streckt ihn mir entgegen. Ich greife nicht danach, lasse ihn mir nicht geben.

    »Nimm ihn.«

    »Ich will ihn nicht mal.« Aber meine Schwester muss bezahlen, also reiße ich ihn ihr letztlich aus der Hand.

    Mich verblüfft, dass Judica bereit ist, den Thron abzutreten, um ihn zu schützen. Mit solcher Selbstlosigkeit habe ich nicht gerechnet. Ich warte auf eine List, einen Haken, einen Dolchstoß in den Rücken.

    Sie breitet die Hände aus und erhebt die Stimme, damit alle sie hören. »Auch wenn wir die freundliche, rücksichtsvolle Sorge der Fünf Familien in dieser Zeit tiefster Trauer für Alamecha zu schätzen wissen, lehnen wir den Vorschlag, ein Tribunal für uns einzuberufen, respektvoll ab. Die Erste Familie regelt diese Angelegenheit selbst. Chancery Divinity Alamecha ist unsere neue Kaiserin, wie von mehreren Zeugen bestätigt und von unserer Mutter kurz vor ihrem Tod benannt. Ich verzichte freiwillig auf jeglichen Anspruch, den ich auf den Thron hatte.«

    »Jetzt trag deinen Teil dazu bei, ihnen zu zeigen, dass wir das hinkriegen«, murmelt Judica. »Sag den Wächtern, sie sollen Edam nach unten bringen.«

    Wenn Judica mich friedlich als Kaiserin akzeptieren kann, dann kann Edam eine Nacht in einer Zelle verbringen.

    »Bringt Edam nach unten«, befehle ich. Morgen, wenn alle weg sind, lasse ich ihn frei.

    Judica lächelt. »Bitte respektiert unsere Trauer und kehrt in eure Zimmer zurück.«

    Die Gäste strömen langsam davon, zögernd, mitten in der Vorstellung zu gehen. Schließlich bleiben nur noch unsere Wächter, Hiob, Balthasar, Inara, Larena und einige andere Alamecha-Leute zurück.

    Judica dreht sich mir mit einem Lächeln zu, das die Enthüllung ihres Plans ankündigt.

    »Falls ich dich natürlich als Herrscherin für ungeeignet erachte ...«

    Endlich begreife ich.

    Sie hat deshalb kein Problem mit mir als Kaiserin, weil sie dadurch zu meiner Thronerbin wird – und wiederum in eine der Kategorien jener fällt, die eine Kaiserin jederzeit herausfordern können. Oh Mama, was hast du dir nur gedacht?

    Judica fügt hinzu: »Mutter mag vorübergehend den Verstand verloren haben, aber der angerichtete Schaden lässt sich beheben.« Sie begegnet meinem Blick, sucht in meinem Gesicht nach etwas.

    Ich wünschte, ich wüsste mit Sicherheit, ob sie Mama umgebracht hat.

    Judicas Stimme unterbricht meinen Gedankengang. »Chancery Divinity Alamecha, ich fordere dich offiziell zu einem Aufstiegszweikampf heraus, um zu bestimmen, wer über die Familie Alamecha herrschen soll.«

    Wie konnte ich diesen Dolchstoß nicht kommen sehen?

    »Ich räume uns beiden die Nacht ein, um uns zu erholen und Mutters Wunsch zu erfüllen. Aber morgen früh klären wir die Sache.« Nach einem letzten Blick auf Mutters Leiche stapft meine Zwillingsschwester durch die massiven Türen hinaus.

    Ich sehe mich um, blicke in Gesichter, die ich schon mein Leben lang kenne. Niemand will mir in die Augen sehen. Was bedeutet, dass alle damit gerechnet haben. Ich bin wirklich eine Stümperin, zu schwach und zu dumm, um zu regieren. Wenn ich nicht mal vorhersehen kann, wie sich meine Zwillingsschwester verhalten wird, der berechenbarste Mensch in meinem Leben, wie soll ich dann unsere gesamte Familie anführen?

    Schlimmer hätte ich es wohl selbst mit Vorsatz nicht vermasseln können. Edam sitzt im Gefängnis, weil er mich verschont hat, die Fünf Familien werden auf den Heimflügen ihre Angriffe auf uns planen, Lark versteckt sich ohne ihre Mutter in New York, und sowohl Cookie als auch Mama sind tot.

    Und ich habe morgen früh nur die Wahl, entweder meine Schwester zu ermorden oder durch ihre Hand zu sterben.

    Ich durchquere den Saal und knie mich vor den Leichnam meiner Mutter. Geknickt beuge ich mich zu ihr und flüstere in ihr Haar: »Ich hab’s versucht, Mama, wirklich. Es tut mir so leid, dass ich dich enttäusche, aber das dumme Staridium hat offensichtlich falsch gewählt.«

    2

    Ich weiß nicht, wie lange ich mit dem Kopf auf Mamas Körper liege, bevor das Hauspersonal kommt, um sie abzuholen. Als ich mich umsehe, sind alle außer Inara, Hiob und Frederick gegangen.

    »Was können wir tun?«, fragt Inara.

    Ich setze mich auf, verblüfft von ihrer Erwartung, dass ich einfach in mein Zimmer gehen, mich für die Herausforderung morgen wappnen und den Leichnam meiner Mutter zurücklassen soll, damit er für die Beerdigung vorbereitet werden kann. Als ich schließlich aufstehe, sehne ich mich nach Mamas Zimmer, ihrem Geruch, ihren Sachen. Ich möchte in der Nähe von etwas sein, das mich an sie erinnert. Duchess schmiegt sich an meine Mutter, nimmt den von mir verlassenen Platz ein. Prompt zieht sich mein Herz wieder zusammen.

    Ich beuge mich vor und kraule Duchess den Kopf, dann zwinge ich mich, meine Schultern zu straffen. Jeder Schritt zur Tür fühlt sich wie Verrat an – als hätte ich Mama aufgegeben. Als würde ich mich von ihr entfernen.

    Obwohl ich weiß, dass sie bereits weg ist, macht es mich fertig, sie gehen zu lassen.

    Als ich die Tür erreiche, wird mir klar, was sich noch falsch anfühlt. Mir fehlt das Klicken von Cookies mir folgenden Krallen. Ebenso fehlt mir die beruhigende, gebieterische Präsenz meiner Mutter. Ganz gleich, wo ich hingehe, beides wird mich nie wieder begleiten.

    Als ich die Tür zu ihrem Zimmer erreiche, halte ich abrupt inne. Ich kann es nicht betreten. Das schaffe ich nicht. Als ich herumwirble, stoße ich um ein Haar mit Inara zusammen. Einen Schritt hinter ihr befinden sich Frederick und Hiob.

    »Ich möchte jetzt allein sein.« Die Worte dringen als Krächzen heraus.

    »Ihr seid jetzt die Kaiserin«, sagt Frederick. »Eure Mutter würde mich hier haben wollen. Ihr braucht Schutz.«

    »Sie hast du ja wunderbar beschützt, nicht wahr?«, fauche ich.

    Frederick stolpert zurück, als hätte ich ihn geschlagen. Mutters treuester Wächter. Er ist nur zum Schlafen je von ihrer Tür gewichen.

    »Entschuldige, Freddy. Ich weiß, dass es nicht deine Schuld ist.« Wieder drohen Tränen zu fließen. »Es tut mir aufrichtig leid. Du kannst draußen warten.«

    Ich dränge mich an ihm vorbei und lege die zehn Schritte zu meiner Tür zurück. Inara und Hiob bleiben mir dicht auf den Fersen. Vor der Schwelle bleibe ich stehen und lehne die Stirn gegen das massive Holz. »Warum folgt ihr beide mir?«

    »Ich muss unter vier Augen mit Euch reden«, flüstert Hiob und wirft einen Seitenblick zu Inara.

    Frederick nimmt seinen Platz neben meiner Tür ein, und ich sehe ihn an. Mich interessiert, was er von Hiobs Vorschlag hält.

    Kaum merklich zuckt er mit den Schultern. Was bedeutet, dass er Hiob nicht wirklich als Bedrohung erachtet. Hätte ich früher auf Hiob gehört, als ich noch in meinem Kummer ertrunken bin, wäre ich von der Änderung der Dokumente durch meine Mutter nicht so überrumpelt worden. Ich bedeute ihm, mein Zimmer zu betreten. »Brauchst du auch noch etwas, Inara?«

    Ihr Blick trübt sich. »Ich bin hier, um dir zu helfen, wo ich kann. Und ich dachte mir, das könntest du vielleicht gebrauchen.« Sie beugt sich mir zu und schlingt die Arme um meine Taille. Ich sacke gegen sie. In meiner Verzweiflung habe ich völlig vergessen, dass Inara im Wesentlichen eine Kopie unserer Mutter ist. Stark, freundlich, intelligent, fürsorglich, wild und brillant. Und sie ist Judica nicht gefolgt. Sie ist bei mir geblieben. Das bedeutet, wenn Judica mich morgen tötet, wird sie wahrscheinlich auch Inara hinrichten. Schaudernd ziehe ich mich zurück.

    »Gib mir nur einen Moment mit Hiob, dann reden wir.«

    Inaras Lippen bilden zwar eine schmale Linie, aber sie diskutiert nicht darüber. Stattdessen stellt sie sich wie Frederick neben die Tür, wenn auch auf die andere Seite.

    Als ich mein Zimmer betrete, verblüfft mich, wie verändert ich es gegenüber dem letzten Mal empfinde. Da hat Mama mich gebeten, ein Kleid anzuziehen, das zu ihr passt.

    Seit sie nicht mehr da ist, erscheint mir die ganze Welt anders. Gesäumt von Dunkelheit, besudelt von Spinnweben, getaucht in Verzweiflung.

    Auch nach dem Schließen der Tür schweigt Hiob zunächst. Er blick auf seine Füße hinab, tritt von einem Bein aufs andere. Über Jahrhunderte ist er der Arzt meiner Mutter gewesen. Ihr Verlust muss auch ihn schwer getroffen haben. Wahrscheinlich fühlt er sich obendrein schuldig. Ich fühle zwar mit ihm, bin jedoch zu ausgelaugt und schlichtweg nicht in der Lage, andere zu trösten. »Was ist, Hiob?«

    Er sieht mir in die Augen. »Deine Mutter hat mir gegenüber wiederholt betont, dass sie dich als ihre neue Erbin will. Aber das war nicht alles. Kurz, bevor ihr Herz zu schlagen aufgehört hat, kam von ihr wörtlich: ›Sag Chancy, ich habe Alora ... etwas ... geschickt.‹ Ich habe sie gebeten, es zu wiederholen. Das fragliche Wort konnte ich nicht verstehen. Sie konnte kaum noch sprechen. Aber sie hat meine Bitte nicht mehr gehört. Sie war bereits tot, Chancy. Es tut mir leid, dass ich dir eine unvollständige Botschaft überbringe. Aber falls es wichtig ist, wollte ich dir alles sagen, was ich weiß.«

    Was kann sie Alora geschickt haben? Alora wird jeden Moment eintreffen. Sie konnte die Erklärung nicht gemeint haben, denn sie war hier, teilweise ausgeführt. Was sonst könnte sie nach New York geschickt haben und warum? Das ergibt keinen Sinn.

    Hiobs Herzfrequenz ist erhöht, und er sieht blass aus.

    »Geht’s dir gut?«, frage ich.

    Er nickt. »Es tut mir so, so leid, dass ich versagt habe. Ich hätte mehr tun müssen, als mir aufgefallen ist, wie müde sie gewirkt hat. Ich hätte ...«

    »Auch ich habe versucht, mit ihr darüber zu reden, Hiob. Es ist nicht deine Schuld. Mama hat sich für unverwundbar gehalten. Offensichtlich war sie das nicht.«

    Er streckt die Hand nach mir aus und zieht sie zurück, weiß anscheinend nicht, ob und wie er mich trösten soll. Schließlich steckt er die Hände in die Taschen und geht zur Tür. Gleich darauf ist er verschwunden.

    Ich wünschte, ich könnte dem Chaos meines Lebens genauso leicht entkommen. Kaum ist er weg, huscht Inara durch die Tür herein. Sie sieht mich an wie ich zuvor Lark. Mitleidig. Einfühlsam. Betrübt. Dankbarkeit durchflutet mich bei der Erkenntnis, dass meine tolle, starke, brillante große Schwester mir statt Judica gefolgt ist. Keine Ahnung, warum Inara auf meiner Seite ist, aber so unerklärlich ich es finde, sie ist es.

    »Ich fühle mich genauso niedergeschmettert, wie du aussiehst«, ergreift sie das Wort, »aber wir müssen sofort handeln.«

    »Was soll das bringen?«, frage ich. »Ich kann nichts tun, um mich auf morgen vorzubereiten. Entweder besiege ich sie, oder ich sterbe beim Versuch. Und wir alle wissen, was wahrscheinlicher ist. So sehr ich dich dafür liebe, dass du mir gefolgt bist, es war eine epische Dummheit.«

    »Du brauchst mehr Zeit«, erwidert Inara. »Mit einem Monat oder auch nur einer vollen Woche mehr Zeit hättest du vielleicht eine Chance gegen sie. Aber das habe ich gar nicht gemeint. Etwas ist noch dringender als die Herausforderung morgen.«

    »Was?« Ich sinke auf die Bettkante.

    »Der Ring«, antwortet sie.

    »Was ist damit?« Immer noch umklammere ich ihn fest, weil ich mich davor gescheut habe, ihn vor all den Leuten anzulegen. Schließlich öffne ich die Hand und betrachte den Ring meiner Mutter, das verfluchte Ding, mit dem der ganze Schlamassel begonnen hat. Er funkelt wunderschön ... obwohl er schwarz und hässlich sein sollte. Ich schnappe nach Luft. Eigentlich sollte er das durch mein Fenster einfallende Licht nicht brechen – aber er tut es.

    Weil es sich um eine Fälschung handelt.

    Der Stein in diesem Ring funkelt unabhängig davon, ob ihn jemand aus der Familie berührt oder nicht.

    »Mutter hat mir mal erzählt, dass sie eine Fälschung hat anfertigen lassen, falls sie den echten Ring je verstecken müsste.« Inara schaut zu Boden. »Sie hat wohl beschlossen, dass es Zeit dafür ist.«

    »Woraus besteht er?«, frage ich.

    »Mystischer Topas. So komisch es sein mag, er ist im Grunde wertlos. Ein künstlicher Stein. Man kriegt ihn online für unter hundert Dollar.«

    »Wow«, entfährt es mir. »Dann sollten wir alles abriegeln und eine sofortige Durchsuchung einleiten. Das wird den Gästen zwar überhaupt nicht schmecken, aber wir können nicht riskieren, dass jemand damit davonfliegt.«

    »Mama hat den gefälschten Ring getragen«, sagt Inara. »Das wissen wir, weil wir gesehen haben, wie Judica ihn von ihrem Finger gezogen hat. Ich bezweifle, dass außer mir und dem Schöpfer der Fälschung jemand davon weiß. Also wird wohl kaum jemand den Ring gestohlen haben, sonst hätte der Dieb eine eigene Fälschung dabeihaben und die beiden austauschen müssen. Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass Mutter ihn selbst versteckt und die Fälschung absichtlich getragen hat.«

    »Aber warum?«, frage ich. »Das ergibt keinen Sinn.« Ich hatte den Ring heute selbst in der Hand – den echten.

    Plötzlich fallen mir Hiobs Worte wieder ein. Mama hat etwas zu Alora geschickt. Könnte es sich um den echten Ring gehandelt haben? Wieso? Das ist nicht logisch.

    Inara wirft die Hände hoch. »In letzter Zeit ergibt kaum noch etwas Sinn.« Sie zählt an den Fingern ab. »Du beichtest Mama, dass du weg willst. Sie ist einverstanden und arrangiert eine Reise zu Alora.« An der Stelle bedenkt mich Inara mit einem Blick, als wäre ich verrückt. »Dann probierst du ihren Ring an und jagst die Insel halb in die Luft.«

    »Ich hab wohl kaum die Insel in die Luft gejagt«, widerspreche ich ihr. »Ich hab nur einen kleinen EMP ausgelöst.«

    Inara lacht nicht. Sie lächelt nicht mal. »Chancery, das ist das Seltsamste, was ich je erlebt habe. Eine Evianerin, die mit dem Stein, den unsere Familie von Eva höchstpersönlich hat, einen elektromagnetischen Puls auslöst. Nur damit hast du unsere Kommunikations-, Sicherheits- und Elektrosysteme ausgeschaltet. Ganz zu schweigen davon, dass du die Wand in Brand gesetzt hast. Und dann noch einen Feuerball durch die Wand von Mutters Schrank abgefeuert hast.«

    »Ich weiß.« Ich stütze das Gesicht auf die Hände. »Deshalb hat Mama mich zur Erbin ernannt. Das alles hätte keine Rolle gespielt, wenn nur ...«

    Inara setzt sich neben mich und zieht mich an sich. »Wenn sie nur nicht gestorben wäre. Ich weiß.«

    »Wenn nur meine soziopathische Schwester nichts davon erfahren und sie ermordet hätte, wollte ich sagen. Aber streng genommen hast du auch recht.«

    Trotz meines versuchten Scherzes kullern mir wieder Tränen übers Gesicht, und als ich mich Inara zudrehe, weint auch sie. Judica mag ein Monster sein, und meine Mutter hat in den letzten Jahrhunderten nicht viele Töchter bekommen, aber wenigstens habe ich zwei großartige Schwestern, die mich lieben. Das ist mehr, als anderen vergönnt ist.

    »Jedenfalls ist der Ring jetzt weg, und Judica hat mich zu einem Duell morgen früh herausgefordert. Ehrlich, ich wünschte, es würde mich mehr stören, dass ich demnächst sterben werde.«

    Inara richtet sich auf und drückt meine Hand. »Mama hat gewusst, dass sie krank war. Sie muss es gemerkt haben. Ich habe sie auf die dunklen Ringe unter ihren Augen angesprochen, und du wohl auch. Sie war brillant und hat immer hundert Schritte vorausgedacht. Sie hat den Ring versteckt und die Erbschaftserklärung zerrissen, aber nicht den Rat einberufen, um eine neue zu bezeugen. Vielleicht ist ihr dafür die Zeit ausgegangen, vielleicht auch nicht.« Inara schließt die Augen und legt den Kopf in den Nacken. »Was hast du gedacht, das hier passieren würde, Mama?«

    »Sie wollte, dass ich mit Judicas Hilfe regiere. Warum hat sie die Dokumente dann nicht entsprechend geändert?«, frage ich. »Darüber wäre Judica vielleicht nicht ganz so wütend gewesen.«

    Inara schüttelt den Kopf. »Doch, sie wäre genauso aufgebracht gewesen. Außerdem gibt es unter den Familien keinen Präzedenzfall für eine geteilte Führung. Nein, ich glaube, Mutter hat gewusst, dass du sie als Thronerbin nicht herausfordern würdest, und

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1