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Berggasse 41: Die Wiener Kripo in der Nazizeit
Berggasse 41: Die Wiener Kripo in der Nazizeit
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eBook291 Seiten2 Stunden

Berggasse 41: Die Wiener Kripo in der Nazizeit

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Über dieses E-Book

Täter, Mitläufer oder Opfer? Wie verhielt sich die Wiener Kriminalpolizei in der Zeit des Nationalsozialismus? Ernst Geiger, selbst langjähriger Wiener Chefermittler, zeichnet ein akribisch recherchiertes Bild der Kripo und ihrer Schlüsselpersonen im Schatten des Hitlerregimes.
SpracheDeutsch
Herausgeberedition a
Erscheinungsdatum12. Nov. 2023
ISBN9783990016985
Berggasse 41: Die Wiener Kripo in der Nazizeit

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    Buchvorschau

    Berggasse 41 - Ernst Geiger

    Einleitung

    Die Kriminalpolizei ist zahlenmäßig der kleinere, aber in der öffentlichen Wahrnehmung durchaus mehr in Erscheinung tretende Teil der Polizei, was durch Kriminalberichterstattung, Berichte über Verbrechen und Kriminalfilme noch gefördert wird.

    Viele Probleme dieser speziellen polizeilichen Arbeit und auch die Auswirkungen von politischen Veränderungen und damit verbundener Reformen haben sich auch sehr konkret auf Lebensschicksale und Berufslaufbahnen der Beamten ausgewirkt. Ganz besonders drastisch waren die politischen Auswirkungen in der Ersten Republik sowie die Folgen durch den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938, die nationalsozialistische Diktatur bis 1945 und das Wiederauferstehen Österreichs in der Zweiten Republik 1945.

    Ich habe hauptsächlich auf Primärquellen wie Erlässe, Amtsblätter, Dienstbefehle, Tätigkeitsberichte, Meldungen und Schulungsunterlagen zugegriffen, welche sich im Österreichischen Staatsarchiv, im Wiener Stadtarchiv, im Wiener Polizeiarchiv und in der kriminalhistorischen Sammlung des Mag. Harald Seyrl befinden. Wenngleich auch Dokumente aus dieser Zeit verloren gegangen sind, war dennoch ausreichend Material vorhanden.

    Ergänzt wurden diese Quellen durch zeitgenössische Zeitungsberichte, die im digitalisierten Zeitungsarchiv »Anno« aufgerufen werden können.

    Für die Biografien und persönlichen Schicksale der Beamten standen nur ganz wenige Personalakte zur Verfügung, weil Personalakte aller vor dem Jahr 1958 in den Ruhestand versetzten Beamten bereits skartiert, das heißt vernichtet, wurden. Nur vereinzelt waren solche Akte im Staatsarchiv und im Wiener Stadtarchiv auffindbar, wobei sich dort vor allem die Gauakte der NSDAP Wien und die Volksgerichtsprozessakte sowie die Registrierungsakte des Magistrats als wertvolle Quellen erwiesen haben.

    Mit dieser Quellenlage war es möglich, ein Bild von der Entwicklung der Kriminalpolizei vom Ende der Monarchie über die politischen Wirren der Ersten Republik bis zur Überführung in das Deutsche Polizeisystem zu zeigen. Den Schwerpunkt bildet die Kriminalpolizeileitstelle Wien, also die Wiener Kriminalpolizei in den Jahren 1938 bis 1945. Darüber hinaus wird das Wiederauferstehen der Kriminalpolizei in der Zweiten Republik skizziert.

    In Kurzbiografien habe ich die persönlichen Schicksale und Laufbahnen von kriminalpolizeilichen Führungskräften, Polizeijuristen und Kriminalbeamten in dieser wechselvollen Zeit nachgezeichnet. Sie geben Einblick in Herkunft, sozialen Hintergrund, Bildung, politische Einstellung, Werdegang und in den Charakter der Menschen in diesen politisch herausfordernden Zeiten.

    Besonders die Aussagen in den Gauakten der NSDAP Wien und in den Volksgerichtsakten ergeben ein anschauliches Bild über die Einstellung der Personen im Jahr 1939 und deren Rechtfertigung im Jahr 1945.

    Mehrheitlich wollten die Beamten ihre berufliche Existenz retten, Mitläufertum war vorherrschend, nur ganz selten wurde Haltung gezeigt oder gar Widerstand geleistet.

    Die kriminalpolizeilichen Herausforderungen im Wechsel der Zeiten, Kriminalfälle, veränderte Arbeitsmethoden und die Beteiligung an Verbrechen des Nationalsozialismus durch die Wiener Kriminalpolizei, vor allem durch das Instrument der Vorbeugehaft und die Ausrottung der sogenannten Zigeuner sind ein wesentlicher Bestandteil meiner Arbeit.

    Zur sprachlichen Vereinfachung wurden belastete Begriffe aus dem NS-Jargon wie Zigeuner, Asoziale oder Berufsverbrecher verwendet. Sie wurden in Anführungszeichen gesetzt. Ihre Verwendung beinhaltet keine moralische Wertung oder die Übernahme nationalsozialistischer Gedanken.

    I

    Die Wiener Kriminalpolizei in der Ersten Republik

    Entwicklung

    Die Kriminalpolizei war nie eine eigenständige Behörde. Man kann sie nur im Gesamtkonzept der Polizei darstellen, wo sie ein kleiner, aber in der öffentlichen Wahrnehmung durchaus wichtiger Teil des Gesamtgefüges ist. Sie befasst sich mit der Verfolgung und Verhütung von Straftaten und agiert dabei in einer Doppelfunktion: Einerseits hat sie Straftaten zu verhindern oder zu beenden, wie das heute im Sicherheitspolizeigesetz geregelt ist, andererseits ist sie nach der Strafprozessordnung mit der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten befasst. Prävention oder Repression wurden im Verlauf der Geschichte verschieden verstanden und gewertet. Der Umgang damit sowie das Verhältnis zueinander hatte einschneidende Konsequenzen, was sich besonders im Nationalsozialismus zeigte.

    Vorläufer des Kriminalbeamtenkorps war die Zivilpolizeiwache. Sie wurde 1852 mit Erlass des Innenministeriums eingerichtet. Ihre Aufgabe war »die ununterbrochene Überwachung und Wahrnehmung aller wichtigen Vorkommnisse in den ihr zugewiesenen Bezirken zum Zwecke der Vorbeugung oder Verhinderung, dann der schnellen und wirksamen Verfolgung gesetzwidriger Handlungen oder Unterlassungen, sowie auch die Ermittlung oder Zustandebringen der Täter derselben«.

    Entstehung des Sicherheitsbüros

    Die Zivilpolizeiwache versah ihren Dienst in den Wiener Bezirken. Mit der Entwicklung Wiens zur Großstadt und den sich daraus ergebenden Sicherheitsproblemen war die Schaffung einer Zentralstelle zur Kriminalitätsbekämpfung im gesamten Stadtgebiet notwendig. Als Vorbild diente die Pariser Sûreté nationale (das polizeiliche Exekutivorgan in Frankreich), auch der Name geht darauf zurück.

    Als Geburtsstunde des Wiener Sicherheitsbüros gilt der 11 Januar 1858, an dem durch einen Erlass aus dem Evidenzbüro das »Büro für die Öffentliche Sicherheit« geschaffen wurde. Der Grundgedanke forderte ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Zentralisation und Dezentralisation, in dem die Kriminalpolizeiliche Zentralstelle und Bezirkspolizeikommissariate zusammenfinden konnten. Es bedurfte noch einiger Gewöhnung und Anweisungen, bis die Bezirke mit der Zentralstelle entsprechend gemeinsam arbeiteten.

    In einer Dienstanweisung vom 19. November 1887 wurde festgelegt: »Künftig sind alle Amtshandlungen im Sinne des 11. und 12. Hauptstückes des StG im Sicherheitsbüro zu konzentrieren, daher alle darauf bezugnehmenden Anzeigen, mögen sie wichtig oder minder wichtig erscheinen, der Sektion II zu übergeben. Das Kommissariat hat nur die ersten unabweislich nötigen Schritte zur Feststellung des Tatbestandes und zur Eruierung des Täters selbstständig einzuleiten.« Trotz dieser Dienstanweisung gab es immer wieder Kompetenzkonflikte.

    Polizeiagenten

    Während 1869 die Wiener Sicherheitswache aufgestellt wurde, kam es 1872 zur Schaffung des Institutes der k.u.k.-Polizeiagenten in Wien, wiederum nach Pariser Vorbild. Die Polizeiagenten versahen den Dienst in Zivilkleidung, waren mit Legitimationskarte und Kokarde (militärischer Aufnäher) ausgestattet. Sie waren bereits Staatsdiener mit Anspruch auf Pension und wurden vorwiegend aus der Sicherheitswache rekrutiert.

    Ihr Aufgabengebiet glich dem der Zivilpolizeiwache: Überwachung von Personen, die die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdeten, aber vor allem auch die Aufklärung von Straftaten. Die Polizeiagenten waren zentral im Polizeiagenteninstitut organisiert, dem ein Konzeptsbeamter vorstand. Von dort wurden sie den Zentralämtern und den Polizeikommissariaten zugewiesen, wobei sie ausschließlich zum Ausforschungsdienst herangezogen werden durften.

    Dabei unterstanden sie den Weisungen des jeweiligen Amtsvorstandes oder Bezirksleiters, disziplinär aber dem Vorstand des Polizeiagenteninstitutes. Diese Zweiteilung und dadurch auch Ausgewogenheit der Machtverhältnisse bestand bis zum Ende der Ersten Republik und in der Zweiten Republik bis zur Polizeireform von 2003.

    1891 wurde das Polizeiagenteninstitut reorganisiert, wobei auch Vorschriften über die Bewaffnung und den Waffengebrauch der Polizeiagenten erlassen wurden. Dieses Jahr bedeutete auch für das Dienstrecht der österreichischen Beamten eine wichtige Zäsur, weil die Vorschriften für Staatsbeamte in der Dienstpragmatik zusammengefasst wurden. Aber auch Fortschritte der kriminalpolizeilichen Untersuchungsmethoden wie Fotografie und Daktyloskopie fanden Eingang in die Vorschriften, welche neben dem Ausforschungsdienst auch den Telegrafen-, Telefon-, Fotografen-, Daktyloskopen- und Lithografendienst regelten.

    Während des Ersten Weltkriegs wurde die Kriminalpolizei durch stark ansteigende Kriminalität und neuartige Aufgaben stark beansprucht. Eine gesteigerte Jugendkriminalität, aus dem Krieg entstandene Wirtschaftsdelikte wie Wucher und Preistreiberei, aber auch Deserteure und Geheimprostitution brachten neue Herausforderungen.

    Das Kriminalbeamtenreferat

    1919 kam es zu einer Neuordnung des Polizeiagentenkorps. Mit Erlass des Staatssekretärs des Inneren vom 26. November 1919 wurde der Amtstitel von »Polizeiagent« auf »Kriminalbeamter« geändert.

    Das Polizeibeamtenkorps führte die Bezeichnung Kriminalbeamtenkorps, das Polizeiagenteninstitut wurde zum Kriminalbeamteninspektorat. Die Kriminalbeamten waren im exekutiven Außendienst zu verwenden, den Kommissariaten oder den Zentralstellen zugeteilt, wobei sie Konzeptsbeamten unterstanden.

    In den Bezirkspolizeikommissariaten wurden unter Polizeipräsident Dr. Schober Sicherheitsreferenten, also besonders ausgebildete Polizeijuristen, eingeführt, welche die kriminalpolizeilichen Amtshandlungen im Bezirk leiteten und den Verbindungsdienst zum Sicherheitsbüro herstellten. Im Sicherheitsbüro waren Fachreferate nach Deliktsgruppen eingerichtet, welche von Polizeijuristen geleitet und denen Kriminalbeamte zugeteilt waren.

    Konzeptsbeamte/Polizeijuristen

    Ein Spezifikum der Österreichischen Polizei, auch im internationalen Vergleich, bildete die hohe Anzahl der Polizeijuristen. In der Wiener Polizei der Ersten Republik gab es damals 270 Planstellen für Polizeijuristen, und das in einer Zeit größter wirtschaftlicher Not. Die Juristen wurden nicht nur in den Bezirkspolizeikommissariaten und Ämtern der Polizeidirektion eingesetzt, sondern auch im Wachkörper.

    In der Sicherheitswache waren 45 Planstellen mit Juristen besetzt, darunter Fachreferate im Generalinspektorat, aber auch in der Alarmabteilung, der berittenen Abteilung und allen großen Bezirksabteilungen. Der hohe Anteil an Juristen ermöglichte der Bevölkerung im Journaldienst den direkten Zugang zu einem rechtskundigen Beamten. Alle Führungsfunktionen waren damals mit juristisch gebildeten Beamten besetzt, die überdies noch Reserveoffiziere waren und großteils im Ersten Weltkrieg gedient hatten.

    Um den Aufbau und die Gliederung der Wiener Kriminalpolizei verständlich darstellen zu können, ist es auch notwendig, den Aufbau der gesamten Polizeidirektion Wien, von der die Kriminalpolizei nur ein Teil war, darzustellen.

    Organisation

    Die Kriminalpolizei der Ersten Republik hatte organisatorisch und personell ihre Wurzeln in der Monarchie. Die Österreichische Polizeiorganisation ging auf das Organisationsstatut von 1850 zurück. Ihr Prinzip lag in der Verbindung von Zentralisation und Dezentralisation. Zentralämter und Bezirkspolizeikommissariate bildeten den Schwerpunkt der polizeilichen Tätigkeit, wobei die Zentralämter mit der Entwicklung Wiens zur Großstadt an Bedeutung gewannen. Der Wirkungsbereich der Bezirkspolizeikommissariate deckte sich weitgehend mit den politischen Bezirken. Zur Erfüllung des Exekutivdienstes waren Wachkörper beigegeben.

    Diese bereits aus der Monarchie stammende Organisationsstruktur der Wiener Kriminalpolizei überdauerte den Ersten Weltkrieg, blieb im Wesentlichen bis zum Anschluss unverändert und wurde auch nach 1945 mit geringfügigen Änderungen wieder eingeführt.

    Präsidialbüro

    Den Polizeipräsidenten stand zur Führung der Behörde das Präsidialbüro zur Verfügung. Das Präsidialbüro »besorgte« die Aufgabe des Sekretariates, führte also Personalreferat, Büro für Organisation und Kontrolle und Budgetreferat. Der Polizeichefarzt, dem die Leitung des Amtsärztlichen Dienstes mit 45 Amtsärzten unterstand, war unmittelbar dem Polizeipräsidenten unterstellt. Das Staatspolizeiliche Büro war wegen der besonderen Bedeutung in den politisch unsicheren Zeiten der Ersten Republik direkt dem Polizeipräsidenten unterstellt.

    Staatspolizeiliche Approbationsgruppe

    In der Staatspolizeilichen Approbationsgruppe waren die Ämter des Vereinsbüros, des »Pressbüros« (Pressebüros), der Polizeidirektionsabteilung für gerichtliche »Presspolizei« (Pressepolizei), das Passamt und das Administrationsbüro zusammengefasst. Das Kernstück des Staatspolizeilichen Büros unterstand direkt dem Polizeipräsidenten. Das Administrationsbüro war für die Verleihung diverser Konzessionen und die Überwachung von Theatern, Kinos und Vergnügungsbetrieben zuständig. Im Passamt wurden damals neben Reisepässen auch Waffenpässe und sonstige Ausweispapiere ausgestellt.

    Kriminalpolizeiliche Approbationsgruppe

    Die Kriminalpolizeiliche Approbationsgruppe umfasste all jene Dienststellen, deren Tätigkeit der Kriminalpolizei dient. Das Sicherheitsbüro war das Kernstück und umfasste den gesamten Polizeirayon Wiens, hatte aber auch Zuständigkeiten für das gesamte Bundesgebiet. Sachlich waren ihm alle großen Verbrechensfälle, insbesondere Tötungsdelikte mit unbekannten Tätern zur Bearbeitung zugewiesen. Aber auch schwere Eigentumsdelikte wie Kasseneinbrüche, Diebstähle in Ämtern, Raubüberfälle und die zentrale Bekämpfung des Taschendiebstahls gehörten zu den Aufgabengebieten.

    Im Sicherheitsbüro war auch das Zentralamt zur Bekämpfung der Fälschungen, insbesondere der Geld- und Passfälschungen eingerichtet. Gerade diese Fälschungszentrale zur Bekämpfung des internationalen Verbrechertums hatte hohes Ansehen auch außerhalb der Landesgrenzen. Die Wahrnehmung der vorbeugenden Sicherheitspolizei, die Aufsicht über die Sicherheitsreferenten der Bezirke und die Instruktion der Kriminalbeamten gehörten zu den weiteren Aufgaben. Um dieses Kernstück der Kriminalpolizei – Sicherheitsbüro – gruppierten sich die anderen Ämter der Kriminalpolizeilichen Approbationsgruppe.

    Im Erkennungsamt war der gesamte Erkennungsdienst zentralisiert, nicht nur für Wien, sondern für das gesamte Bundesgebiet.

    Die Daktyloskopische Abteilung umfasste die Fingerabdruckkartenregistratur, die Handabdruckregistratur und die Monodaktyloskopische Registratur. (Erklärung: Die Einzelfingerabdrucksammlung und die Handabdruckregistratur dienen der Erfassung von daktyloskopischen Tatortspuren, die dann eine Zuordnung zu Tatverdächtigen ermöglichen.) Die Lichtbildersammlung enthielt alle Häftlingsfotografien mit den wichtigsten Daten und diente der Einsichtnahme durch Agnoszierungszeugen und der Fahndung. (Erklärung: sogenannten Erkennungszeugen werden Lichtbilder aus dem sogenannten »Verbrecheralbum« vorgelegt, um Tatverdächtige zu identifizieren.)

    Die Fotografische Abteilung besorgte die Tatortfotografie. Wertvolle Ergänzungen waren die Handschriftensammlung und die Abformsammlung (Moulageabteilung). Wer es nicht kennt: In den 1930er-Jahren wurden Abgüsse von Gesichtern und Körperteilen, aber auch von anderen Gegenständen und Spurenträgern hergestellt, um Identifizierungen zu ermöglichen. Das Gesicht einer Brandleiche im Lainzer Tiergarten, das teilweise verkohlt war, konnte durch Moulage beispielsweise wiederhergestellt werden, sodass die vorerst unbekannte Leiche identifiziert werden konnte.

    Das Fahndungsamt war gleichfalls eine Zentralstelle für das gesamte Bundesgebiet und führte die Zentralfahndungsevidenz und das tägliche Fahndungsblatt.

    Im Strafregisteramt wurden die Strafevidenzen geführt; dieses Amt war eine unentbehrliche polizeiliche Informationsquelle.

    Die Wirtschaftspolizeiliche Abteilung war aus dem Kriegswucheramt hervorgegangen und zuständig für die Verfolgung aller mit dem Wirtschaftsleben zusammenhängenden Delikte wie Betrug, Veruntreuung, Krida (Zahlungsunfähigkeit durch Schuldner) und Kreditwucher.

    Die Rauschgiftstelle zur Bekämpfung des Handels mit Kokain und anderen narkotischen Giften war damals der Wirtschaftspolizei angegliedert.

    Die Kriminalpolizeiliche Apparatur wurde ergänzt durch das mit dem damals modern ausgestatteten Kriminalistischen Laboratorium.

    Die Polizeiabteilung bei der Wiener Staatsanwaltschaft vermittelte den direkten Verkehr zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Richterschaft.

    Die Polizeiabteilung für Gefangenenhausangelegenheiten hatte zwei Aufgabengebiete: die Verwaltung des Polizeigefangenenhauses und die Handhabung des Schubwesens. Dazu gehörte auch die Handhabung der Fremdenpolizei und die Verfügungen bei der Abgabe von Häftlingen in Arbeitshäuser.

    Administrativpolizeiliche Approbationsgruppe

    Der Administrativpolizeilichen Approbationsgruppe waren das Zentralmeldeamt, das Fundamt, das Korrespondenzbüro, das Verkehrsamt, die Abteilung für Bekämpfung der Prostitution, des Mädchenhandels und der Arbeitsscheu sowie das Fürsorgeamt zugewiesen. Das Korrespondenzamt war für die Ausführung von Sittenzeugnissen zuständig. Das Fürsorgeamt führte die gesamten Agenden der polizeilichen Jugendfürsorge, der Schutzaufsicht und der Fürsorge für Trunkgefährdete und Lebensmüde.

    Wachkörper

    Zur Unterstützung der Aufgaben waren der Bundespolizeidirektion die Wachkörper »Bundessicherheitswache« und das »Kriminalbeamtenkorps« beigegeben. Der Generalinspektor der Wiener Sicherheitswache und der Vorstand des Kriminalbeamtenkorps waren Konzeptsbeamte und dem Polizeipräsidenten unmittelbar unterstellt.

    Das Kriminalbeamtenreferat war für die Führung, Ausbildung, Ausrüstung und Disziplin des Kriminalbeamtenkorps zuständig, wobei die Kriminalbeamten ihren Dienst in Kriminalbeamtenabteilungen der Bezirkspolizeikommissariate oder der Zentralstellen versahen. Dabei waren sie den Weisungen der jeweiligen Amtsleiter unterworfen, unterstanden aber in disziplinärer und organisatorischer Sicht dem Vorstand des Kriminalreferates. Diese Zweiteilung bewirkte eine Machtaufteilung, die 1938 zugunsten einer Zentralisierung aufgegeben wurde.

    Das Generalsinspektorat der Sicherheitswache war in Fachabteilungen gegliedert, denen vorwiegend Konzeptsbeamte vorstanden. Neben den Bezirksabteilungen waren vor allem die Alarmabteilung und die berittene Abteilung von großer Bedeutung für den Großen Polizeilichen Ordnungsdienst und zur Bewältigung der Herausforderungen bei den Ereignissen des Jahres 1934.

    Bezirkspolizeikommissariate

    Der Hauptteil der polizeilichen Arbeit, auch der kriminalpolizeilichen Ermittlungen wurde in den Bezirkspolizeikommissariaten geleistet.

    An der Spitze jedes Bezirkspolizeikommissariats stand ein Beamter des höheren Polizeidienstes, der den Funktionstitel Stadthauptmann führte. Ihm waren Konzeptsbeamte für die Detailleitung der Geschäfte beigegeben. Für den exekutiven Dienst stand eine entsprechende Anzahl von Kriminalbeamten unter der Führung eines Leitenden Beamten zur Verfügung. Die Abteilung der Sicherheitswache stand unter dem Kommando eines Polizeioffiziers oder in größeren Bezirken eines Konzeptsbeamten.

    Journaldienst

    Von wesentlicher Bedeutung war der Permanenzdienst/Journaldienst bei den Bezirkspolizeikommissariaten, der von einem Polizeijuristen rund um die Uhr versehen wurde und zu dem die Bevölkerung jederzeit Zutritt hatte. Die Kommissariate verfügten über die für den lokalen Bereich notwendigen Evidenzen, deren wichtigste das Meldeamt war. Sie waren auch in das Telegrafen-, Telefon- und Funknetz der Polizeidirektion einbezogen.

    Kriminalität und kriminalpolizeiliche Herausforderungen

    Die Kriminalität war in den ersten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg als Folge dieses Krieges besonders hoch. Um ihr effektiv begegnen zu können, steckte Polizeipräsident Dr. Schober trotz der wirtschaftlich schwierigen Lage viele Ressourcen in den Aufbau einer Wissenschaftlichen Kriminalpolizei. Damit konnte auch in den 1920er-Jahren ein Rückgang vor allem der Eigentumskriminalität erreicht werden.

    Bei den politischen Ereignissen der Jahre 1927 (Justizpalastbrand) sowie ab Ausschaltung des Parlamentes 1933 und insbesondere im Februar 1934 (Bürgerkrieg) und Juli 1934 (Nationalsozialistischer

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