Der Charisma-Effekt: Trump, Thunberg, die Folgen und der Klimawandel oder: Einfache Antworten in einer komplexen Welt?
Von Kurt E. Becker
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Kurt E. Becker
Dr. Phil. Kurt E. Becker, Journalist, Kommunikationsprofi, Medien- und Executivecoach für Führungskräfte der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens, ist in der Medienbranche in unterschiedlichen Funktionen aktiv. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher zur Frage des Menschseins in unserer Zeit.
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Der Charisma-Effekt - Kurt E. Becker
Das Welt-Ist und der Charisma-Effekt
Das Welt-Ist
Wer oder was bewegt die bald zehn Milliarden Menschlein auf unserem endlichen Planeten in der schieren Unendlichkeit des Weltalls mit welchem Ziel und mit welchem Zweck? Beziehungsweise: Von wem oder was werden sie bewegt? Die Frage ist so vermessen wie banal und lohnt dennoch, ihrer Spur zu folgen, wohl wissend, dass wir im Ungefähren eines utopischen oder dystopischen Mythos beginnen beziehungsweise enden werden, denn die Frage hält die Zeit an, bündelt alles Gewordene, Seiende und Werdende wie in einen Kristallisationsprozess des Ewigen, Historie und deren Erzählung darin ohne Relevanz. Das Gestern, das Jetzt und das Morgen amalgamieren im Unbegreiflichen von zehn Milliarden Hoffnungen, Zweifeln, Sehnsüchten, Wünschen, Träumen, Ängsten, Ideen, Gedanken, Schicksalen, Zufällen – kurz: Leben, individuelle Leben, im rein biologisch Physischen begrenzt von Geburt und Tod. Dazwischen Bewegung, Keimen, Sichentfalten, Werden und Vergehen. Immer wieder. Und immer wieder aufs Neue. Und immer wieder aufs Neue mehren sich die Leben ihrer Natur gemäß. Eine absolute Grenze der Mehrung vorstellbar nur unter dem Blickwinkel einer wie auch immer gearteten bedingungslosen Endzeitlichkeit. Metaphysische Endzeitlichkeit inklusive? Eine irritierend inspirierende Frage. Denn sie rührt am innersten Kern vom absoluten Kern unseres Fragenkönnens überhaupt: Was ist Leben? Was ist der Mensch? Was ist die Welt? Und – als Appendix quasi: Liefert Charisma eine Antwort auf unsere elementaren Fragen? Im Individuellen, auf den Einzelnen bezogen? Oder gar im Sozialen, eine angebbare Anzahl von Menschen, vielleicht sogar die Menschheit betreffend? Zumindest die drei Heilsreligionen, Judentum, Christentum und Islam, beanspruchen, jede für sich, Antworten auf diese Fragen in ihrem „Programm" zu haben. Zumindest dem Christentum werden wir uns unter dem Gesichtspunkt unserer generellen Fragestellung exemplarisch widmen.
Doch der Reihe nach. Schauen wir zunächst auf die Welt, in der wir uns als Menschen wahrnehmend und handelnd bewegen. Und knüpfen wir an diese Bestandsaufnahme die Frage nach möglichen charismatischen Potenzialen, Chancen und Risiken, vornehmlich den Klimawandel betreffend.
Unerträgliche Einsamkeit des Ich
Lassen wir das Phänomen „Charisma" in unseren Überlegungen zunächst auf sich beruhen, so sind wir, ob uns das gefällt oder nicht, mit der Beantwortung elementarer Fragen allein und gänzlich auf uns gestellt in der grenzenlosen Weite unseres Kosmos, als Spezies und als Individuen, Solipsisten also. Wenn wir der mit dem unerbittlichen Solipsismus verbundenen schier unerträglichen Einsamkeit des Ich entrinnen wollen, müssen wir uns in eine Religion oder eine sonst wie geartete Heilslehre flüchten. Deren Tore sind weit geöffnet und bereit, uns in ihre Kirchen, Gebetshäuser und Tempel aufzunehmen. Aber die uns durch die Aufnahme versprochene Erlösung aus der Ungewissheit ist gekoppelt an eine absolute Instanz, deren Existenz ausschließlich dem Glauben und damit einer zusätzlichen Komplikation unterliegt: Glaube ich an eine unabhängig von mir existierende oder aber an eine von mir lediglich insinuierte absolute Instanz? Anders gefragt: Gibt es Gott außer mir oder nur in mir beziehungsweise durch mich? Als Existenz an sich? Oder als eine von mir gedachte, gewünschte oder auch nur herbeigeredete Existenz? Wie auch immer: Der Teufelskreis dieser essentiellen Problematik der Erkenntnis ist dem Menschen vertraut, seitdem er ein Bewusstsein seiner selbst hat, ein Entrinnen aus diesem Teufelskreis des Erkennens war und ist aussichtslos und wird auf ewig aussichtslos bleiben. Dieses Fatum der Aussichtslosigkeit im Erkennen trifft den Einen genauso wie die Vielen. Zehn Milliarden Solipsisten sehen sich mit dem gleichen Dilemma konfrontiert, auf elementare Fragen ihrer Existenz im Erkennen keine Antwort zu haben, mehr noch: sich untereinander nur höchst rudimentär über diese elementaren Fragen austauschen zu können.
So sehr wir uns nämlich auch bemühen, weder können wir wissen, was unser jeweiliges Gegenüber wirklich denkt, noch können wir uns folglich in angemessen befriedigender Art verständigen, denn vieles bleibt unsagbar, weil uns ein Gemeinsames im Denken nicht zugänglich ist. Mehr noch: Selbst dem Einzelnen ist es verwehrt, die Vielzahl an Gedanken festzuhalten, die ihm in Permanenz durch den Kopf schießen. Wir bringen mehr Gedanken hervor, als wir verarbeiten können. Jede Introspektion bleibt insofern nicht nur per definitionem ein subjektiv solipsistisches Unterfangen: Wir können zwar einerseits nicht nicht kommunizieren, andererseits aber birgt jede Kommunikation so viel imponderable Mehrdeutigkeit, dass den Missverständnissen durch notwendig werdende Interpretationen Tür und Tor geöffnet wird. Und das betrifft den Dialog mit anderen genauso wie den inneren Dialog mit unserem eigenen Selbst. Mehrdeutigkeiten beziehen sich in diesem Zusammenhang auf Banales genauso wie auf Essenzielles, die Qualität der Marmelade auf dem Frühstücksbrötchen etwa oder unser angestrengtes Nachdenken über Gott.
Soweit so gut oder schlecht. Zehn Milliarden Marmeladengeschmäcker und zehn Milliarden Gottesbegriffe und alle damit notwendig verbundenen Interpretationen sind schwerlich zu harmonisieren, der Mensch als Individuum lebt als Sozialwesen zwangsläufig in heterogener Vielheit. Jeder ist sein eigener Zweck an sich, unverwechselbar, einmalig. Mit faszinierenden Konsequenzen. Denn das Wunder menschlichen Lebens öffnet ein Zauberreich zukünftiger Möglichkeiten. Und genau das sind die beiden Zauberworte, die Hoffnung verheißen in der prinzipiell riskanten Unwägbarkeit menschlichen Daseins: Zukunft und Möglichkeit. Und ein drittes kommt hinzu: Charisma, Zukunft und Möglichkeit in einem Phänomen der besonderen Art personifiziert zusammenführend. Doch dazu später. Bleiben wir zunächst noch in der Spur rationaler Weltbewältigung.
Zukunft und Möglichkeit
Gewiss ist die Zukunft in unserer subjektiven solipsistischen Wahrnehmung im Kristallisationsprozess des Ewigen genauso eingehegt wie die Vergangenheit und die Gegenwart. Und dennoch scheint Befreiung ein realistisches Denkmodell in Anbetracht gemeinsamer Hervorbringungen des Menschen in der Welt. So wie nämlich der erkenntnismäßige Solipsismus unabweisbar menschliche Realität ist, so beansprucht der Mensch als herstellendes Lebewesen eine soziale Realitätsdimension, die Geist und Materie auf das Wunderbarste miteinander verbindet, die Möglichkeiten menschlicher Natur als geistiges Befähigungswesen nicht selten im gemeinsamen Planen, Organisieren, Bewerkstelligen und Produzieren ausschöpfend. Wirft der Mensch nämlich die Fesseln der subjektiven Introspektion im ichverhafteten Solipsismus ab und wendet sich nach außen, der ihn umgebenden Welt zu, objektiviert er sich quasi selbst im Herstellen und dessen Ergebnissen, so wird er zum gestaltenden Wesen, zum homo creator, denn die Welt in ihrem so und nicht anders Gewordensein zwingt dem Menschen ein aktives Tätigwerden in Form von Selbstbewahrung und -bewährung insbesondere im Gestalten auf. „In der Welt sein bedeutet für den Menschen letztlich nämlich „Arbeit
in einem umgreifenden, existentiellen Sinn des Wortes. Denn nur der an der Welt arbeitende Mensch vermag sein Leben in der Welt zu erhalten und zu bewahren. Gleichzeitig verlässt der Mensch in der Arbeit den Kerker des Solipsismus, weil er sich im Tätigsein notwendig nicht nur mit sich selbst, sondern mit der Welt und seinen Mitmenschen befassen, eine bestimmte Form von Charisma verwirklichen muss.
Der homo creator
Das eigentliche Faszinosum aber des aktiven Tätigwerdens im Allgemeinen und des Gestaltens im Besonderen liegt in dessen Bezug zum Wandel. Tätig wird der Mensch, weil er durch die Welt und ihr So-Sein, aus welchen Gründen auch immer, zur aktiv tätigen Veränderung des Bestehenden in der Welt gezwungen wird. Immer wieder und immer wieder aufs Neue. Denn nur dem Eingreifen in die Welt verdankt der Mensch sein Überleben. Mehr noch: Der Mensch muss die Welt in Permanenz verändern, um überhaupt überleben zu können – und sei es auch „nur", indem er sich durch bestimmte Maßnahmen und Vorkehrungen vor den natürlichen Urgewalten schützt.
Der Gestaltung als besonderer Form menschlichen Tätigseins gebührt dabei eine Sonderrolle in Bezug auf das Zeitliche. Gestaltet wird nämlich im Heute in ein Nachher oder ein Morgen hinein. Gedanklich nehmen wir insofern im Gestalten Zukünftiges vorweg, weil wir uns entweder ein Bild vom zu Gestaltenden machen oder einen Entwurf unseres Gedachten anfertigen. Gestalten ist deswegen in einem umfassenden Sinn Arbeit an der Welt. An der und in der geistigen Welt genauso wie an der und in der materiellen. Zumindest die Realisierung des zu Gestaltenden vollzieht sich dabei in der Regel im Sozialen. Und selbst der auf sich gestellte und allein an einem Œuvre arbeitende Künstler entlässt sein fertiges Produkt dann letztlich in einen sozialen Raum hinein, verleiht seinem Kunstwerk mit dieser Entlassung aus seiner nur ihm spezifisch eigenen Sphäre kreativen Schaffens eine soziale Dimension. Das solcherart von wem und wie auch immer Hergestellte wird zu einem Produkt entweder einer aktiv gestaltenden oder aber zumindest einer passiv wahrnehmenden Vielheit von Menschen – und damit Geschichte, den Kristallisationsprozess der Zeit überwindend. Was der Mensch nämlich herstellt, ist in der Zeit geworden und unterliegt nicht dem Diktat des Ewigen, öffnet indes den Blick für das Werden und Vergehen in der vom Menschen bearbeiteten und durch die Arbeit sich wandelnden Welt. Mehr noch: Das Narrativ von der menschlichen Arbeit an der Welt ist das Grundmotiv jedweder Kulturgeschichte und verweist auf einen in der Zukunft beheimateten Mythos, der das „Prinzip Hoffnung" in sich trägt, den charismatischen Mythos par excellence somit.
Prinzip Hoffnung
Gestaltung und Hoffnung kommen aus der Zukunft und eröffnen Perspektiven eines Möglichen in der Gegenwart. Über alle zeitlichen, physischen und geografischen Grenzen hinweg sind Dystopie und Utopie in gleichen Maßen als metaphysische Entitäten denkbar und im Einzelnen trotz subjektiv solipsistischer Wahrnehmungsbeschränkung einsehbar. Denn nicht zuletzt auch in der Einsamkeit des Ich evozierte Sehnsüchte und Ängste sind gekoppelt an Vorstellungen von dem, was kommen kann. Im Positiven wie im Negativen. Himmel oder Hölle. Über den Menschen hereingebrochen oder aber vom Menschen gestaltet. Und die über den solipsistischen Tellerrand hinausschauende Spezies vermag als homo creator das Mögliche nicht nur zu denken, sondern gestaltend herzustellen: eine auf dem Prinzip der Überlebenssicherung gründende Utopie einer Menschheit, die sich ihrer Verantwortung für jedes einzelne dieser zehn Milliarden Menschlein auf dieser endlichen Erde bewusst ist. Verantwortung in diesem Zusammenhang ist gleichbedeutend einer Verständigung über die bereits erwähnten elementaren Fragen: Was ist Leben? Was ist der Mensch? Was ist die Welt? – und mit diesen Fragen auch gleichzeitig deren Metaphysik thematisierend.
Indem wir die Fragen voraussetzungs- und geschichtslos in den Blick nehmen, schaffen wir eine objektive, über das Subjektive des existentiellen Solipsismus hinausreichende Basis für eine bedingungslos gestaltete Antwort. Unser Denken kreist dann nicht mehr um unser Selbst, sondern objektiviert sich in einer aus der Zukunft hineinreichenden Denkfigur, die in einem gemeinsamen Denkakt des homo creator gestaltet wird. Der Mensch definiert das Leben, den Menschen, die Welt. Und indem er solcherart Substanzielles definiert, gestaltet er Zukunft.
Wir alle fragen in die Zukunft hinein. Denn nur die von dort zu uns herreichende Antwort ist relevant und befreit uns vom Ballast des geworden Ewigen. Aus dem Sein des menschlichen Solipsismus entwickelt sich das Werden der menschlichen Art im Sozialen. Und indem wir die Vielheit der zehn Milliarden als Einheit denken, wird der utopische Mythos zur Realität, die drei Elementarfragen in einer Antwort verschmelzend: Der Mensch möchte in der Welt leben. Inbegriffen in dieser Verschmelzung ist auch eine Metaphysik des Menschlichen – jenseits aller Gottesvorstellungen: der Mensch – Creator seiner eigenen Metaphysik. Und damit auch sein eigener Beweger. Das Charisma des Charismas ist sein Bewegungsmomentum.
„Mensch, Leben, Welt von der Zukunft her gedacht, gebiert eine spirituelle Dimension der Vergemeinschaftung mit allem, was ist und werden kann, eine metaphysische Entität des Möglichen, die danach drängt, vom Menschen verwirklicht, respektive gestaltet zu werden. Und aus der Zukunft tönt uns noch eine weitere Antwort entgegen: Als Spezies und als Individuen habt ihr eine Chance. Nutzt sie. Eine zunächst höchst nebulöse Aufforderung, die sich jedoch in einem Begriff verdichtet: „Charisma
.
Im Charisma wird die Aufforderung zu einem wahrnehmbaren Phänomen mit spezifischen individuellen und sozialen Implikationen. Vor allem aber verbunden mit der Fähigkeit, Menschen als Einzelne und unter Umständen auch deren sozialen Umgebungen in Bewegung zu bringen, im Kleinen und im Großen.
Wodurch? Genau dieser Frage und den daraus resultierenden Antworten wollen wir uns nun zuwenden. Gemeinsam verfolgen wir Wesen und Besonderheit charismatischer Begabung in ihrer ganzen Vielfalt, entwickeln eine vieldimensionierte Phänomenologie charismatischer Emanation und beschreiben dabei die Renaissance des Zaubers in einer durch Wissenschaft entzauberten Welt, indem jene zahlreichen irrationalen Nischen innerhalb unserer ach so rationalen Wirklichkeitsbewältigung identifiziert werden, die der wissenschaftlichen Erkenntnis verschlossen sind und deswegen zu permanent außeralltäglichen Orten charismatischer Offenbarung werden können.
Paradoxerweise aber wird auch die Wissenschaft selbst „irrationalisiert" und damit zur Nische, indem sie in den Rang einer absoluten Instanz erhoben wird. Der Glaube an wissenschaftliche Unfehlbarkeit wird zum Maßstab einer selbstgewissen Ethik und damit zum Instrument einer bestimmten Form des Charismatismus und selbst wiederum zum Ort charismatischer Emanation. Von diesen Orten in unserer so und nicht anders gewordenen Welt gibt es viele.
Und da es viele Orte gibt, gibt es auch viele Gelegenheiten zur Entfaltung charismatischer Potenziale: Im Guten wie im Bösen. Je nach Perspektive. Vor allem jedoch: Sich immer und jederzeit aus dem Irrationalen speisend. Denn Charisma ist unter rational erkenntnismäßigen Gesichtspunkten nur als wissenschaftliches „Objekt" relevant, sein Element, in dem es sich entfaltet, ist das Irrationale, mehr noch: Antirationale.
Der Charisma-Effekt
Beschenktwerden durch einen Gott
Schauen wir zunächst auf die etymologischen und kulturellen Wurzeln des Begriffs. „Charisma kommt aus dem Griechischen und heißt so viel wie „Gnadengabe
, das Resultat eines Beschenktwerdens durch einen Gott. Es ist der Apostel Paulus, der den Begriff „Charisma in den Kontext seines christlichen Glaubens hineinstellt und damit ein kultur- und welthistorisches Initial zündet. In seinen Briefen an die Römer und die Korinther. An die Römer schreibt Paulus etwa von „mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist.
Zu diesen Gaben zählt er zum Beispiel die der Weissagung, die der Lehre, die der Ermahnung, und last not least die der Regierung. Speziell letztere stellt er in einen die irdischen Grenzen transzendierenden Zusammenhang: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Ordnung; die aber widerstreben, werden über sich ein Urteil empfangen."
Bei Paulus ist das Charisma des Regierens unabdingbar in eine göttliche Ordnung hineingestellt. Oberster Regent ist Gott, die in seinem Sinne Regierenden regieren von seiner Gnade. Auch in seinem ersten Brief an die Korinther unterstreicht Paulus die absolute Herrschaft Gottes: „Es sind mancherlei Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind mancherlei Ämter; aber es ist ein Herr. Und es sind mancherlei Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirket alles in allen. Und weiter: „In einem jeglichen erzeigen sich die Gaben des Geistes zum gemeinen Nutzen. Einem wird gegeben durch den Geist, zu reden von der Weisheit; dem anderen wird gegeben, zu reden von der Erkenntnis nach demselben Geist; einem anderen der Glaube in denselben Geist; einem anderen die Gabe, gesund zu machen in demselben Geist; einem anderen, Wunder zu tun; einem anderen Weissagung; einem anderen Geister zu unterscheiden; einem anderen mancherlei Sprachen; einem anderen, die Sprachen auszulegen. Dies aber alles wirkt derselbe eine Geist und teilt einem jeglichen seines zu, nach dem er will.
Paulinisches Charisma setzt Glauben an einen Gott voraus, ist es doch gleichbedeutend einer von Gott geschenkten Gabe – in welcher Emanation auch immer. Kein Charisma ohne Gott. Wem die Kraft des Glaubens geschenkt ist, besitzt durchaus ein Charisma – das des Gehorsams und der Gefolgschaft gegenüber einem Gott. Jedes glaubensinspirierte Charisma in jedweder Religion genießt denn auch gleichzeitig das beruhigende Privileg eines in sich geschlossenen Weltenkosmos von der Geburt bis zum Tod, ein Jenseits im Davor und im Danach inklusive. Was geschieht, ist jederzeit genauso von Gott gewollt wie das, was nicht geschieht. Auf alle Fragen gibt es eine Antwort, der gläubige Mensch ist nie allein. Im Gebet ist er stets verbunden mit seinem Gott. Die Bewährung dieses glaubensbasierten Charismas zeigt sich im Christentum mehr oder minder erfolgreich seit mehr als zweitausend Jahren und basiert auf der alltäglichen genauso wie auf der außeralltäglichen Form charismatischer Phänomenologie.
Im glaubensbasierten Charisma nicht nur christlicher Prägung werden alle Fragen beantwortet: „Credo, non quod, sed quia absurdum est."
Der Glaube auch und nicht zuletzt an das scheinbar oder tatsächlich Absurde verdeutlicht die elementare, alle Zweifel und jegliche Skepsis pulverisierende Wirkung charismatischer Kraft. Wissenschaftliche Erkenntnisse? Quasi belanglos. Das Charisma schafft eine Welt in der Welt und eröffnet seinen Anhängern eine allumfassende, wertende, glorifizierende oder verdammende Perspektive auf alles, was in der Welt ist. Was „gut und was „böse
ist, respektive „gut oder „böse
zu sein hat, gehört als absoluter Wertmaßstab zu den Ingredienzien charismatischer „Dienstleistung am Kunden mit dazu. Die Fähigkeit, Werte zu setzen und Werte zu zertrümmern, ist insofern eine grundlegende charismatische Mitgift, die als wesentliches Momentum in den Katalog charismatischer Dienstleistungsangebote mit dazu gehört. Ja, in unseren Begriffen kann das „Charisma
durchaus als außeralltägliche, jegliche Norm sprengende, respektive Normen neu definierende „Dienstleistungsbeziehung" gedeutet und verstanden werden – getreu dem Dienstleistungsmotto, im Dienste des Kunden die verwirrend undurchdringliche Komplexität der Wirklichkeit zu reduzieren. Nicht von ungefähr wird Hitler (!) sinngemäß der Satz zugeschrieben: Ich habe die Gabe, alles zu