Wer finanziert die Schweizer Politik?: Auf dem Weg zu mehr Transparenz und Demokratie. Mit 14 Tipps für politisches Fundraising
Von Peter Buomberger und Daniel Piazza
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Wer finanziert die Schweizer Politik? - Peter Buomberger
Peter Buomberger
Daniel Piazza
Wer finanziert die
Schweizer Politik?
Auf dem Weg zu mehr Transparenz
und Demokratie
Mit 14 Tipps für politisches Fundraising
NZZ Libro
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Der Text des E-Books folgt der gedruckten 1. Auflage 2022 (ISBN 978-3-907291-69-6) © 2022 NZZ Libro, Schwabe Verlagsgruppe AG, Basel
Lektorat: Sandro Malär, Wädenswil
Umschlaggestaltung: Res Eichenberger Design, Zürich
Umschlagabbildung: Shutterstock/Sergio J. Lievano
Gestaltung, Satz Inhalt: Claudia Wild, Konstanz
Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck
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ISBN Print 978-3-907291-69-6
ISBN E-Book 978-3-907291-81-8
www.nzz-libro.ch
NZZ Libro ist ein Imprint der Schwabe Verlagsgruppe AG.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort von alt Nationalrat Gerold Bührer
1. Das Wichtigste in Kürze – eine Zusammenfassung
2. Politikfinanzierung in der Schweiz – eine Einführung
2.1. Zur Rolle und Funktion der Parteien
2.2. Wer finanziert die Politik?
2.3. Herausforderungen der Politikfinanzierung
2.4. Systematik, Definitionen und Erfassung der empirischen Daten
3. Politikfinanzierung und Transparenz – die letzten 20 Jahre
3.1. Debatten zum Schweizer Politikfinanzierungssystem
3.2. Der lange Weg zu gesetzlichen Transparenzregeln
4. Stand und Entwicklung der Politikfinanzierung 2019/20
4.1. Quellen der Politikfinanzierung
4.1.1. Privatpersonen – ohne ihre Finanzierung geht nichts
4.1.2. Unternehmen – finanziell weniger gewichtig
4.1.3. Staat zahlt Fraktionsbeiträge – «reduced to the max»
4.2. Politakteure – die zwei Epizentren der Politikfinanzierung
4.2.1. Parteien – für die Demokratie fundamental, finanziell unterdotiert
4.2.2. NGOs – immer weiter steigende Finanzkraft
4.2.2.1. Bürgerliche NGOs (Wirtschafts- und Branchenverbände)
4.2.2.2. Links-grüne NGOs – immer wichtiger und geprägt von Rising Stars
4.3. Kampagnen – wo das Geld ausgegeben wird
4.3.1. Abstimmungskampagnen – schneller, höher, stärker
4.3.2. Wahlkampagnen von Parteien – alle vier Jahre teurer
4.3.3. Wahlkampagnen von Kandidierenden – wenige klotzen, viele kleckern
5. Erkenntnisse zur Politikfinanzierung 2019/20
6. Ein Blick auf die Politikfinanzierung im Ausland
6.1. Illustratives zu Ländern mit staatlicher Politikfinanzierung
6.2. Illustratives zu Ländern ohne staatliche Politikfinanzierung
6.3. Erkenntnisse aus ausländischen Erfahrungen
7. Herausforderungen: Transparenz, Digitalisierung und Politikverdrossenheit
7.1. Funktionale Transparenz als Richtlinie
7.2. Digitalisierung fördert die Demokratie
7.3. Politikverdrossenheit und Demokratie
8. Transparente und digitalisierte Zukunft der Politikfinanzierung – acht Postulate
8.1. Die Verantwortung des Staats
8.2. Die Verantwortung der privaten Geldgeber
8.3. Die Verantwortung der Politakteure
9. Exkurs: sieben Grundsätze und 14 Tipps zum Fundraising für Politakteure
9.1. Fundraising-Grundsätze für Politakteure
9.2. 14 Tipps für das Fundraising von Politakteuren in der Übersicht
9.3. Über Geld spricht man nicht, man hat es – aber wer keines hat, muss darüber sprechen!
Anmerkungen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Literatur
Dank
Anhang
I) Vorstösse zu Politikfinanzierung und Transparenz (2000–2021)
II) Vorstösse zu Politikfinanzierung (2000–2021; sortiert nach Themen)
III) Vorstösse zu Transparenz (2000–2021; sortiert nach Themen)
IV) Quellenübersicht
V) Gegenvorschlag vom 18. Juni 2021 zur Transparenz-Initiative
Die Autoren
Vorwort von alt Nationalrat Gerold Bührer
Der Ruf nach mehr Transparenz ist in Politik und Wirtschaft seit einigen Jahren zu einer der zentralen Forderungen geworden. Die starke Präsenz der Medien auf allen Kanälen hat mit dazu beigetragen, dass eine erhöhte Aufklärung darüber verlangt wird, wer wo als Folge finanzieller Unterstützung in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten könnte. In einem stark von latentem Misstrauen gegenüber Politik und Wirtschaft geprägten Zeitgeist hat die Offenlegung der Finanzierung von Parteien einen besonders hohen Stellenwert erhalten. In einzelnen Kantonen sind denn auch Volksinitiativen in dieser Richtung in den Urnengängen auf eine Mehrheit gestossen.
Die Diskussionen im Spannungsfeld zwischen Transparenzanforderungen und dem Schutz der Privatsphäre dürften auch nach der Genehmigung des indirekten Gegenvorschlags der eidgenössischen Räte zur Transparenz-Initiative nicht verstummen. Denn neben den legitimen Ansprüchen an eine verbesserte Offenlegung der Finanzierung politischer Aktivitäten werden vor allem linke Kräfte, die mit diesem Instrument letztlich eine staatliche Parteienfinanzierung anstreben, nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Von daher ist es umso wichtiger, die Diskussionen bezüglich Transparenzanforderungen auch mit Blick auf die Implikationen einer vermehrten staatlichen Finanzierung zu führen.
Vor diesem Hintergrund ist es unumgänglich, sich vertieft mit den grundlegenden Aspekten und dabei insbesondere mit den möglichen Auswirkungen eines Systemwechsels auf die historisch gewachsenen Besonderheiten der schweizerischen direkten Demokratie auseinanderzusetzen. Ein weiteres Vorantreiben einschneidender Transparenzvorschriften zulasten der privaten Spender und zugunsten staatlicher Finanzierung würde nicht ohne Schaden für die Verankerung der Parteien und des Milizsystems bleiben. Offenlegungsvorschriften mit tiefen Beitragsschwellen und einer wachsenden Ungleichbehandlung zwischen den Parteien und beispielsweise den NGOs würden früher oder später die Rolle der Parteien als politische Gestaltungskraft beeinträchtigen.
Es ist daher äusserst verdienstvoll, dass sich Peter Buomberger, ehemaliger Chefökonom der UBS und Verantwortlicher für die Politikfinanzierung bei zwei grossen Finanzunternehmen, und Daniel Piazza, Ökonom und langjähriger Geschäftsführer einer Bundesratspartei, in einer umfassenden Studie dieser Fragen angenommen haben. Mit ihrer Studie vermitteln sie erstmals eine umfassende Darstellung der Politikfinanzierung in der Schweiz. Dabei beziehen sie angesichts deren grosser Bedeutung auch die Verbände und die Besonderheiten der Finanzierung von Abstimmungen in die Analyse mit ein. Das reichhaltige Zahlenmaterial vermittelt einen informativen Überblick über die ganzheitliche Struktur der Finanzierung politischer Aktivitäten in unserer direkten Demokratie. Im Gegensatz zu solchen Studien internationaler Organisationen kommt diesem Werk zugute, dass die beiden Autoren mit den staatspolitischen Besonderheiten unseres Landes bestens vertraut sind. Dadurch werden die unerlässlichen Differenzierungen im Vergleich zu den ausländischen Modellen gebührend in die Schlussfolgerungen einbezogen.
Anders als im Ausland entfällt das Gros der Beiträge bei der Parteienfinanzierung auf private Personen. Deutlich zurück liegen entgegen den weitverbreiteten Vermutungen die Gelder der Unternehmen und auch der Anteil des Staats. Dies allein schon verdeutlicht die Verletzlichkeit dieser besonderen, auf den Bürgerinnen und Bürgern als Finanzierungsquelle basierenden Ordnung. Den Persönlichkeitsschutz zu stark aufweichende Transparenzvorschriften dürften zu einer gefährlichen Erosion dieser Beiträge führen. Statt um die richtigen Beitragsschwellen zu streiten, die für die Veröffentlichung massgebend sind, sollte daher wieder mehr Wert auf die grundlegenden Auswirkungen restriktiver Regelungen auf das Verhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern und den Parteien sowie auf unser Milizsystem im Besonderen gelegt werden. Aber auch die Problematik einer durch die Verwaltung zu administrierenden Finanzierung darf nicht ausgeblendet werden.
Es bleibt zu hoffen, dass in den auch nach Inkrafttreten des indirekten Gegenvorschlags zur Transparenz-Initiative anhaltenden Diskussionen über die Offenlegung der Politikfinanzierung solche substanzielle Aspekte, wie sie in der Studie dargelegt werden, mehr Beachtung finden. Ausgehend von der zentralen Frage der Beeinflussbarkeit durch Spender sollte, wie die Autoren fordern, auf das Kriterium des Anteils eines Spenders am Gesamtbudget abgestellt werden. Dieser Wert hat wesentlich mehr Aussagekraft als ein fixer Frankenbetrag. Mit Blick auf das wachsende politische Engagement von NGOs ist es zudem unverständlich, dass hier nicht eine Gleichbehandlung mit den politischen Parteien eingefordert wird.
Über diese und weitere in der Studie gemachten Vorschläge hinaus liegt es natürlich auch an den Parteien und Verbänden selbst, durch Eigeninitiativen das Beitragsaufkommen bei ihren Mitgliedern auszubauen und, was die Parteien angeht, insbesondere die Basis zu verbreitern. Ein verbessertes Politikmarketing und die stärkere Nutzung digitaler Instrumente bieten dazu erhebliche Chancen. Diese noch vermehrt zu nutzen, würde über die Frage der Finanzierung hinaus auch mithelfen, den Stellenwert der Parteien im Verhältnis zu den NGOs und anderen themenfokussierten Organisationen wieder zu stärken.
1. Das Wichtigste in Kürze – eine Zusammenfassung
Die private Finanzierung der Politik hat sich in der Schweiz über die Jahre als effizient, effektiv und als wenig missbrauchs- und korruptionsanfällig erwiesen: Die Schweizer Politik funktioniert seit Jahrzehnten ohne grössere Verwerfungen und Finanzskandale. Die direkte Demokratie ist intakt: Bürgerinnen und Bürger haben im System mit privater Politikfinanzierung eine zusätzliche Möglichkeit, ihre Meinung zu artikulieren. Neben dem Stimm- und Wahlzettel, neben Initiative und Referendum können sie durch eine finanzielle Unterstützung eines Politakteurs oder einer Kampagne ihrer Meinung Nachdruck verleihen. Diese privaten Spenden fliessen nicht nur zu den traditionellen parlamentarischen Parteien, sondern in den letzten Jahren vermehrt zu den immer zahlreicheren und aktiveren NGOs oder politischen Pop-up-Komitees.
Die gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen der letzten Jahre verlangen allerdings nach Modifikationen am heutigen System. Stichworte dazu sind erhöhte Transparenzforderungen, Diskrepanz in den regulatorischen Rahmenbedingungen für unterschiedliche Politakteure und neue Online-Fundraising-Möglichkeiten. Vor diesem Hintergrund werden in dieser Studie Vorschläge gemacht, wie das System der privaten Finanzierung der Politik mit all seinen Vorteilen gegenüber einer staatlichen Finanzierung gestärkt werden kann. Nur ein System mit privater Politikfinanzierung ist kompatibel mit dem schweizerischen Verständnis von direkter Demokratie.
Der aufgezeigte Weg basiert auf einer erstmaligen und umfassenden Darstellung und Quantifizierung der politischen Finanzierungsströme in der Schweiz. Eine solche Gesamtsicht erlaubt eine fundierte Wertung und Einschätzung des heutigen Systems. Bislang waren ausführliche Informationen zu den politischen Mitteln, deren Herkunft, Empfängern und Verwendung weitgehend unbekannt: Die wildesten Behauptungen wurden in den Raum gestellt. Niemand wusste, wer wen und in welchem Ausmass finanziert. Nur häppchenweise schafften es Medienschaffende oder Forschungsinstitute, da und dort etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
Diese Studie zeigt die schweizerischen Eigenheiten der politischen Finanzierung in aller Deutlichkeit auf: Rund 90 Prozent der finanziellen Mittel stammen aus privaten Quellen; von Privatpersonen und der Privatwirtschaft. Der Anteil der öffentlichen Mittel liegt unter 10 Prozent, aktuell bei jährlich 7,6 Millionen Franken. In den meisten europäischen Ländern ist der Anteil der staatlichen Finanzierung der Politik weit höher, am höchsten mit nahezu 80 Prozent in Österreich. Einzig in Grossbritannien liegt der Anteil der privaten Geldgeber in einer ähnlichen Grössenordnung wie in der Schweiz.
In Ländern mit staatlicher Finanzierung ist die Transparenz der politischen Geldströme naturgemäss gross; der Staat muss seine «Subventionen» gegenüber der Öffentlichkeit detailliert ausweisen. In Ländern mit einem hohen Anteil an privater Finanzierung hingegen, wie der Schweiz oder Grossbritannien, ist die Transparenz der politischen Gelder eher gering. Es erstaunt deshalb nicht, dass in diesen beiden Ländern eine verbesserte Transparenz immer wieder zur Debatte steht. Dabei wird aber oft übersehen, dass die Privatsphäre von Privatpersonen geschützt ist und dass dieser Schutz der Privatsphäre insbesondere in der Schweizer Demokratie mit ihren Besonderheiten einen hohen gesellschaftlichen und staatspolitischen Wert geniesst.
Die Studie zeigt auch, dass die substanziellen Beiträge von Privatpersonen das eigentliche finanzielle Rückgrat der Schweizer Politik bilden, und nicht etwa – wie häufig behauptet – die Beiträge von grossen Unternehmen. Von den im Wahljahr 2019 insgesamt von Privaten gespendeten 90 Millionen Franken stammen rund drei Viertel von Privatpersonen und nur ein Viertel von privaten Unternehmungen.
Auch eine andere weitverbreitete Ansicht wird in dieser Studie widerlegt: Es sind nicht die politischen Parteien, sondern die NGOs, die über die grössten Budgets für politisches Engagement verfügen. Die jährlichen kumulierten Budgets der Bundesparteien betragen mit rund 20 Millionen Franken gerade mal die Hälfte der kumulierten Budgets der NGOs. Als NGOs betrachtet werden in dieser Studie neben den traditionellen NGOs auch Wirtschafts- und Branchenverbände, Gewerkschaften und andere politische Bewegungen. Es wurde allerdings nicht das ganze Budget dieser Organisationen in den Berechnungen eingeschlossen. Es wurde nur mit demjenigen Teil gerechnet, der in monetärer Form für konkrete politische Aktivitäten verwendet wurde. Mit diesen Zahlen wird klar, dass die politischen Parteien relativ schwach dotiert sind, obwohl sie für die Funktion eines demokratischen Systems als Transmissionsmechanismus zwischen dem Volkswillen und dem Staat fundamental wichtig oder, in neuerer Terminologie, systemrelevant sind.
Die Studie bestätigt hingegen die Vermutung, dass die links-grünen NGOs (inkl. Gewerkschaften) mit 20 bis 23 Millionen Franken Budget für politische Aktionen zu den finanzstärksten Akteuren in der Schweiz gehören. Sie verfügen nicht nur über ein um ungefähr 20 Prozent höheres Politikfinanzierungsbudget, sondern für die Finanzierung von Abstimmungskampagnen auch über ein um rund ein Drittel höheres Budget (17 bis 20 Millionen Franken) als die bürgerlichen NGOs (inkl. Wirtschafts- und Branchenverbände).
Das wohl eindrucksvollste Resultat der Studie ist, dass die privaten Spender – Privatpersonen wie Unternehmen – die Politakteure in der Schweiz nach wie vor mit substanziellen Mitteln unterstützen. Auch wenn dies aufgrund des auf die Jahre 2019 und 2020 beschränkten Betrachtungszeitraums nicht exakt nachgewiesen werden kann, lassen die Schätzungen vermuten, dass die privaten Spenden in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben und dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Die Mittel flossen jedoch vermehrt über Online-Kanäle und zu neueren Politakteuren. Es ist davon auszugehen, dass die neuen Transparenzregeln der Schweiz (Gegenvorschlag zur Transparenz-Initiative) die bestehenden Ungleichgewichte der Finanzierung der staatstragenden Parteien und der NGOs (inkl. der politischen Ad-hoc- und Pop-up-Komitees und anderer Parallelorganisationen) vergrössern und damit das System der privaten Politikfinanzierung gefährden könnten.
Ein Blick auf die Entwicklung in westeuropäischen Ländern mit weitgehender staatlicher Finanzierung zeigt, wohin der staatliche Weg führt. Auch diese Länder hatten ursprünglich ein System mit vornehmlich privater Finanzierung. Im Lauf der letzten Jahrzehnte wurde der staatliche Anteil dann kontinuierlich erhöht. Dies wurde und wird auch heute mit der Public-Policy-Funktion der parlamentarischen Parteien sowie der besseren Transparenz der Mittelherkunft und -verwendung begründet. Internationale Vergleiche zeigen jedoch, dass das System der staatlichen Politikfinanzierung zu einem enormen Anstieg der Politikkosten je Wähler und zu einer ausufernden Bürokratie führt. Weiter resultiert eine aus demokratischer Sicht unerwünschte Machtverschiebung von den Bürgern zur Politik und zur Verwaltung. Die subventionierten Politakteure geraten in eine problematische Abhängigkeit vom Staat. Die Missbrauchsanfälligkeit wird zudem durch erhöhte Transparenz nicht verringert. Diese hängt viel mehr von anderen Elementen des politischen Systems ab, wie den direkten Einflussmöglichkeiten des Volks und von systemimmanenten Checks und Balances zur Vermeidung allzu grosser Machtfülle von Einzelpersonen oder finanzstarker Interessengruppen.
Aufbauend auf diesen Ergebnissen und Erkenntnissen werden acht Postulate zur Erhaltung des Systems der privaten Finanzierung der Politik aufgestellt. Dies nicht zuletzt, weil der jetzt eingeschlagene Weg mit absoluten Werten für die Transparenzanforderungen möglicherweise in eine Sackgasse führt:
• Postulat 1: Der Staat muss seine Anstrengungen zum Schutz der Privatsphäre von Privatpersonen verstärken. Nur eine geschützte Privatsphäre ermöglicht die für eine funktionierende Demokratie zentrale freie Meinungsäusserung.
• Postulat 2: Zur Vermeidung von Diskriminierung einzelner Politakteure, sollen die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten für Beiträge privater Geldgeber an alle, das heisst namentlich für die Parteien sowie die bürgerlichen und links-grünen NGOs, unabhängig von deren Art und Rechtsform, synchronisiert werden, das heisst die Abzugsmöglichkeit von Spenden an alle Politakteure soll auf 20 Prozent des Einkommens erhöht werden (Bundessteuer). Für testamentarische Spenden und andere grössere Spenden ohne direkte politische Forderungen oder Verpflichtungen sollen spezielle steuergünstige Rahmenbedingungen geschaffen werden.
• Postulat 3: Sämtliche Politakteure – namentlich alle Parteien sowie alle bürgerlichen und links-grünen NGOs – müssen sich an dieselben Transparenzregeln im Rahmen der Politikfinanzierung halten.
• Postulat 4: Auf eine weitgehende und für die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nicht entscheidungsrelevante Offenlegung von finanziellen Beiträgen an Politakteure soll verzichtet werden.
• Postulat 5: Die Unternehmen sollen sich im Rahmen ihrer Verbände auf einheitliche Transparenzregeln zu den politischen Aktivitäten und Spenden (Standesregeln) einigen und diese im Sinn einer Selbstregulierung umsetzen.
• Postulat 6: Für bedingungslose Spenden von Unternehmen an Politakteure, das heisst namentlich für die Parteien sowie die bürgerlichen und links-grünen NGOs, zur Unterstützung ihres Betriebs und ihrer Basisarbeit sollen grosszügige steuerliche Abzugsmöglichkeiten geschaffen werden. Eine Erhöhung der staatlichen Beiträge ist keine Option.
• Postulat 7: Die Politakteure sollen in Eigenverantwortung Regeln zur Transparenz ihrer Finanzierung aufstellen und einführen. Ein koordinierter Ansatz aller Politakteure mit einheitlichen Regeln und Bemessungsgrundlagen im Sinn einer Selbstregulierung wäre als Entscheidungshilfe für die Bürgerinnen und Bürger am sinnvollsten.
• Postulat 8: Die funktionale Transparenz ist als Richtlinie zur Veröffentlichung von für den Bürger relevanten Informationen zur Politikfinanzierung einzuführen.
Das zentrale Element dieses Programms zur Erhaltung des Systems der privaten Finanzierung der Politik ist das von der Ökonomie abgeleitete Konzept der funktionalen Transparenz. Gemäss diesem Konzept sind zusätzliche Informationen dann sinnvoll, wenn sie dem Entscheidungsträger den Entscheid erleichtern und verbessern. Auf die Politikfinanzierung angewendet heisst dies, dass zusätzliche Transparenz dann und nur dann sinnvoll ist, wenn sie den Entscheid der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger erleichtert oder beeinflusst. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Geldgeber versucht, durch seinen Mitteleinsatz versteckten Einfluss auf einen Politakteur – verbunden mit Eigennutz – zu gewinnen. Konkret heisst das, dass es Sinn macht, Spenden über einem gewissen Prozentanteil des Budgets oder Spenden mit klaren politischen Forderungen transparent zu machen.
Transparenz macht wenig Sinn, wenn sie beispielsweise für einen absoluten Beitrag ab 15 000 Franken bei einem Gesamtbudget des empfangenden Politakteurs von 5 Millionen Franken gefordert wird. Wird dieser Betrag allerdings einem Politakteur gespendet, der über ein Budget von 50 000 Franken verfügt, macht Transparenz Sinn.
Am Schluss der Studie ist ein Exkurs mit sieben Grundsätzen und 14 praktischen Tipps zum Fundraising der Politakteure angefügt. Mit den bei Politakteuren immer weiter verbreiteten Crowdfunding-Aktionen gewinnt zum Beispiel das Prinzip der Schwarmlogik an Wichtigkeit in der Schweizer Politik – und damit auch in der Schweizer Politikfinanzierung. Ob es um Weiterentwicklungen in diesem oder einem der weiteren aufgezeigten Handlungsfelder geht: Es ist staatspolitisch zentral, dass die Politakteure ihr Fundraising weiterentwickeln und damit die für den Fortbestand der direkten Demokratie elementar wichtige private Politikfinanzierung gestärkt und weiterentwickelt wird.
2. Politikfinanzierung in der Schweiz – eine Einführung
2.1. Zur Rolle und Funktion der Parteien
Den politischen Parteien kommt in westlichen Demokratien traditionellerweise eine zentrale Rolle zu. Sie sind das Bindeglied der Bürgerinnen und Bürger zum Staat. Ihre Existenz ist von systemrelevanter Bedeutung für die Gesamtheit der demokratischen Basisprozesse. Die Parteien wirken an der freien Meinungs- und Willensbildung mit, wie dies in Artikel 137 in der neuen Bundesverfassung festgelegt ist. Sie beteiligen sich an Wahlen und Abstimmungen, ergreifen Initiativen und Referenden, führen Kampagnen und stellen Mitglieder in Parlamenten und Regierungen. Natürlich sind es längst nicht nur die Parteien, die sich als tragende Politakteure betätigen; zahlreiche NGOs aller Couleur – inklusive der Verbände, Gewerkschaften, politischen Bewegungen usw. – tragen ebenfalls mit hoher Relevanz zur freien Meinungs-