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Handbuch Bürgerstiftungen: Ziele, Gründung, Aufbau, Projekte
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eBook640 Seiten5 Stunden

Handbuch Bürgerstiftungen: Ziele, Gründung, Aufbau, Projekte

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Über dieses E-Book

Bürgerstiftungen sind in Deutschland eine neue Organisationsform gemeinnützigen Engagements. Obwohl das Konzept der Bürgerstiftung (Community Foundation) in der angloamerikanischen Welt eine lange Tradition hat, stößt es hierzulande erst in den letzten Jahren auf Interesse. Mittlerweile gibt es jedoch auch in der Bundesrepublik viele erfolgreich arbeitende Bürgerstiftungen und zahlreiche weitere Gründungsinitiativen.
Als Stiftungen "von Bürgern für Bürger" sind Bürgerstiftungen ein wirksamer Katalysator zivilgesellschaftlichen Engagements. Aufgrund ihrer finanziellen und politischen Unabhängigkeit sind sie wie kaum eine andere Institution in der Lage, eine große Vielfalt gemeinnütziger Aktivitäten zu fördern, drängende soziale Probleme zu bekämpfen oder ganz einfach die Lebensqualität vor Ort zu erhöhen.
Das "Handbuch Bürgerstiftungen" bietet umfassende Informationen zu dieser neuen Stiftungsform sowie konkrete Hinweise und Konzepte zum Aufbau und Management einer Bürgerstiftung. Für die Neuauflage wurden sämtliche Beiträge grundlegend überarbeitet und aktualisiert. Außerdem enthält die 2. Auflage neue Beiträge zu rechtlichen und steuerlichen Aspekten der Arbeit von Bürgerstiftungen. Ein Anhang mit praxisorientierten Hinweisen, einer Mustersatzung sowie Adressen und Links zum Thema komplettieren das Handbuch.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum23. Juli 2010
ISBN9783867931694
Handbuch Bürgerstiftungen: Ziele, Gründung, Aufbau, Projekte

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    Buchvorschau

    Handbuch Bürgerstiftungen - Verlag Bertelsmann Stiftung

    63-80.

    I

    Bürgerstiftungen als Reformmotor der Zivilgesellschaft

    Geschichte, Entwicklung und Merkmale von Bürgerstiftungen im internationalen Vergleich

    Eleanor W. Sacks

    Einleitung

    In den letzten Jahrzehnten hat sich ein Paradigmenwechsel vollzogen, in dessen Folge Regierungen ihre Rolle im Umgang mit den sozialen Bedürfnissen ihrer Bürgerinnen und Bürger neu definieren. Überall auf der Welt ziehen sich Regierungen aus der direkten Verantwortung für die Finanzierung und Bereitstellung sozialer Leistungen zurück. Regierungen privatisieren soziale Dienstleistungen, arbeiten mit Hilfe von intermediären Institutionen wie z. B. Nicht-Regierungsorganisationen (NROs), delegieren Verantwortung auf lokale Instanzen und fordern Kommunen auf, ihre eigenen Ressourcen zu entwickeln.

    Den neuen Herausforderungen versuchen viele Städte, Gemeinden und Regionen dadurch zu begegnen, dass sie langfristige und nachhaltige Finanzierungsmöglichkeiten für die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger entwickeln. Sie greifen dabei vielfach nicht mehr in erster Linie auf Steuererhöhungen, traditionelle wohlfahrtsstaatliche Instrumente oder die Interessen privater Geldgeber zurück; vielmehr sondieren sie die Möglichkeiten für die Gründung von gemeinnützigen Organisationen, die auf lokaler Ebene finanzielle Mittel sammeln, verwalten und für konkrete Zwecke vor Ort verteilen. Eine der sich am schnellsten verbreitende Form dieser lokalen gemeinnützigen Organisationen ist heutzutage die Bürgerstiftung (Community Foundation).

    Bürgerstiftungen verfolgen das Ziel, durch den Aufbau einer nachhaltigen Finanzierungsquelle für gemeinnützige Aktivitäten zur Entwicklung des lokalen Gemeinwesens beizutragen. Diese Stiftungsform ist keine völlig neue Erfindung. Gemeinschaftsstiftungen mehrerer Stifter existierten bereits im Mittelalter und waren zumeist religiösen Zwecken gewidmet. Die zentralen Unterscheidungsmerkmale zu modernen Bürgerstiftungen sind vor allem ihre breite Zwecksetzung und strategischer Vermögensaufbau sowie das klar definierte geographische Tätigkeitsgebiet.

    Die erste moderne Bürgerstiftung wurde vor mehr als neunzig Jahren in den USA gegründet. In den vergangenen Jahren haben Bürgerstiftungen eine enorme Verbreitung und ein gewaltiges Wachstum erfahren, weil immer mehr Einzelpersonen und Institutionen die Vorteile entdeckten, die Bürgerstiftungen durch den Aufbau eines Sammelbeckens für gemeinnützige Mittel bieten. Das Konzept der Bürgerstiftung ist flexibel, anpassungsfähig und dafür prädestiniert, sowohl die aktuellen als auch die zukünftigen Herausforderungen in einem sich wandelnden Gemeinwesen zu bewältigen. Das Konzept hat bewiesen, dass es nicht nur an die konkreten Gegebenheiten vor Ort angepasst werden kann, sondern auch an die lokalen Auswirkungen gesamtgesellschaftlicher Veränderungen, wie sie zum Beispiel durch das Auf und Ab konjunktureller Zyklen, die zunehmende Globalisierung, den Abbau staatlicher Wohlfahrtsprogramme oder Veränderungen des politischen, kulturellen und gemeinnützigen Umfelds entstehen.

    Bürgerstiftungen gibt es heute in mindestens 37 Ländern, und in zahlreichen weiteren Ländern wird ihre Einführung erwogen.

    Auch dort, wo Bürgerstiftungen bereits eine lange Tradition haben, sind ihre Anzahl und Vermögen in den vergangenen zehn Jahren enorm gewachsen. Um zu verstehen, warum das Konzept der Bürgerstiftung in so vielen Ländern weltweit Anklang gefunden hat, untersucht dieser Beitrag zunächst die besonderen Merkmale von Bürgerstiftungen, die Faktoren, die ihre Entwicklung begünstigen, die Rolle von Dachorganisationen, privaten Stiftungen und anderen Geldgebern bei der Verbreitung des Konzepts sowie die Geschichte der Bürgerstiftungsbewegung in internationaler Perspektive.

    Die besonderen Merkmale von Bürgerstiftungen

    Bürgerstiftungen, die dem angloamerikanischen Modell folgen, weisen eine Reihe gemeinsamer Merkmale auf. Diese Bürgerstiftungen

    - bemühen sich um die Verbesserung der Lebensqualität in einem bestimmten geographischen Gebiet,

    - sind unabhängige Institutionen, d. h., sie sind frei von jeglicher Einflussnahme durch andere Organisationen, staatliche Instanzen oder Stifter,

    - werden von Gremien geleitet, die in ihrer Zusammensetzung repräsentativ für das Gemeinwesen sind, in dem die Bürgerstiftung arbeitet,

    - fördern andere gemeinnützige Organisationen oder Initiativen, um ein möglichst breites Spektrum der sich wandelnden Bedürfnisse vor Ort abdecken zu können,

    - bemühen sich um einen langfristigen Vermögensaufbau, indem sie Zustiftungen von möglichst vielen verschiedenen Stiftern (Bürgerinnen und Bürgern, Firmen oder anderen gemeinnützigen Organisationen) einwerben,

    - bieten Dienstleistungen an, die auf die Interessen und Möglichkeiten der Spender und Zustifter zugeschnitten sind,

    - helfen Stiftern, ihre philanthropischen und gemeinnützigen Ziele zu verwirklichen,

    - engagieren sich aktiv in einer Vielzahl kommunaler Angelegenheiten und agieren dabei als Katalysator, Moderator, Kooperationspartner und Berater bei der Entwicklung von Lösungsansätzen für Probleme des Gemeinwesens,

    - sind hinsichtlich ihrer Grundsätze und bei all ihren Aktivitäten dem Grundsatz der Transparenz verpflichtet und

    - legen Rechenschaft über ihr Tun ab, indem sie die Öffentlichkeit regelmäßig über ihre Absichten, Maßnahmen und ihre finanzielle Lage informieren.

    Trotz dieser gemeinsamen Merkmale gleicht keine Bürgerstiftung exakt der anderen. Vielmehr ist jede geprägt durch die spezifischen Bedürfnisse in ihrem Tätigkeitsgebiet sowie durch die jeweiligen Traditionen, die Geschichte und Kultur vor Ort. Während einige Bürgerstiftungen die meisten der aufgeführten Merkmale aufweisen, ist bei anderen wiederum ein bestimmtes Merkmal besonders stark ausgeprägt.

    Angesichts der Unterschiede, die auch in Ländern mit einer langen Bürgerstiftungstradition existieren, ist es nicht verwunderlich, dass sich traditionelle Bürgerstiftungen in jungen Demokratien nur schwer etablieren können. Dort befinden sich die gesetzlichen und ordnungspolitischen Strukturen ebenso wie das Bankwesen noch in der Aufbauphase, die lokalen Ressourcen sind knapp, und es existieren unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf philanthropisches und freiwilliges soziales Engagement. Doch selbst in diesen Ländern ist philanthropisches Wirken auf lokaler Ebene ein wirksames Instrument, sozialen Wandel herbeizuführen, sodass immer mehr Menschen die Idee verfolgen, Bürgerstiftungen und bürgerstiftungsähnliche Organisationen zu gründen. Dank der Flexibilität des Konzepts kann es jeweils auf die spezifischen Gegebenheiten und Bedürfnisse zugeschnitten werden.

    Ursachen für das dynamische Wachstum von Bürgerstiftungen im vergangenen Jahrzehnt

    Nach dem dramatischen Zusammenbruch des Kommunismus wurden in den ehemals totalitären Staaten in Mittel- und Osteuropa und der Sowjetunion im vergangenen Jahrzehnt große Anstrengungen unternommen, neue politische, wirtschaftliche und soziale Strukturen aufzubauen. Auch in anderen Teilen der Welt, insbesondere in Südamerika und Afrika, haben demokratische Regierungen diktatorische Regime abgelöst. Die Entstehung neuer demokratischer Staaten hat hier einen Trend zu einer stärkeren Beteiligung und zu mehr Engagement der Bürgerinnen und Bürger angestoßen. Weniger dramatisch, aber von ebenso großer Tragweite war die Abkehr westlicher Demokratien vom Leitbild eines allumfassenden Sozialstaats.

    Im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts haben zudem internationale Geldgeber ihre direkte Beteiligung an groß angelegten Sozialund Wirtschaftsprogrammen in Entwicklungsländern eingestellt und die Durchführung dieser Programme in verstärktem Maße lokalen NROs übertragen. Da Regierungen und Geldgeber nicht mehr direkt an der Durchführung von Sozial- und Wirtschaftsprogrammen beteiligt sind, ist die Zahl der NROs, die entsprechende Programme ausarbeiten und Dienstleistungen anbieten, explosionsartig angestiegen. Am Ende des Kalten Krieges wurden die Budgets für Entwicklungshilfe drastisch reduziert; damit wurde vielen armen Ländern die finanzielle Grundlage für die Versorgung ihrer Bevölkerung entzogen. Alle diese Länder suchen nach Möglichkeiten, neue, nachhaltige Ressourcen zu erschließen.

    Die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft hat den Einfluss der Nationalstaaten zurückgedrängt. Einzelne Staaten sehen sich nicht mehr in der Lage, weiterhin große Teile ihres Bruttoinlandsproduktes für Sozialleistungen auszugeben. Gleichzeitig haben viele Länder festgestellt, dass Programme, die von einer zentralen Behörde konzipiert und durchgeführt werden, ungeeignet sind, um die Bedürfnisse vor Ort zu erkennen und zu befriedigen. Daher wurden Entscheidungen und Leitungsbefugnisse in verstärktem Maße auf die lokale Ebene übertragen, nicht zuletzt aus der Erkenntnis, dass die Probleme vor Ort am besten von denen gelöst werden können, die mit der lokalen Situation gut vertraut sind.

    Im Zuge dieser Entwicklungen setzt sich weltweit die Erkenntnis durch, dass kein Sektor der Gesellschaft die anstehenden Aufgaben allein bewältigen kann. Regierungen, Wirtschaft und die Organisationen des so genannten Dritten Sektors erkennen die Notwendigkeit, die anhaltenden Probleme auf lokaler Ebene gemeinsam zu lösen. Unter diesen neuen wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen können etwa Regierungen ein soziales Sicherheitsnetz bieten. Der privatwirtschaftliche Sektor übernimmt die Verantwortung für die Schaffung von Arbeitsplätzen, die den Einzelnen Auskommen und Wohlstand ermöglichen. NROs und gemeinnützige Organisationen übernehmen die Aufgabe, die konkreten Bedürfnisse vor Ort festzustellen, lokale Ressourcen zusammenzuführen sowie nationale und internationale Fördermittel zu kanalisieren. Sie fungieren zudem als Ideenagentur für neue Ansätze zur Lösung kommunaler Probleme und treiben politische Veränderungen voran, die das lokale Gemeinwesen stärken.

    Alle diese Veränderungen der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben Bürgerstiftungen die Chance eröffnet, eine Führungsrolle auf lokaler Ebene zu übernehmen. Wenn sich die Bürgerinnen und Bürger nicht auf die Unterstützung ihrer nationalen oder lokalen Regierungen verlassen können, müssen sie sich auf sich selbst besinnen, um die drängendsten Probleme zu identifizieren und Lösungswege zu finden. Bürgerstiftungen, bei denen der lokale Vermögensaufbau, die lokale Verwaltung und die lokale Entscheidungsfindung im Mittelpunkt stehen, sind in besonderem Maße für diese Arbeitsweise prädestiniert. Die Zunahme der Zahl der Bürgerstiftungen in den vergangenen zehn Jahren zeigt, dass sich dieses Konzept bewährt hat und den Übergang in diese neue Situation erleichtern kann.

    Die Rolle von Dachorganisationen, Stiftungen und Förderprojekten bei der Verbreitung des Konzepts

    In immer mehr Ländern zeigt sich, dass die Gründung von Organisationen und Projekten zur Förderung von Bürgerstiftungen ihre Entwicklung beschleunigt hat. Hierzu gehören Dachverbände, die die Interessen ihrer Mitglieder vertreten, sowie andere unterstützende Organisationen (support organisations), die nicht mitgliedschaftlich konzipiert sind. Beide Typen werben für den Gedanken der Bürgerstiftung und bieten Schulungs- und Ausbildungsprogramme sowie Informationsmaterialen und technische Unterstützung für den Aufbau an.

    Die Anzahl dieser Verbände und Organisationen hat in den vergangenen zehn Jahren weltweit stark zugenommen und korrespondiert mit dem Wachstum der Bürgerstiftungen. Die Möglichkeit der Vernetzung von Bürgerstiftungen sowie die Verbreitung von erfolgreichen Ideen und Lösungswegen sind die großen Stärken dieser Organisationen. Das Lernen von Kollegen ist ein äußerst wirksames Instrument für die Entwicklung einzelner Bürgerstiftungen als auch des Bürgerstiftungssektors insgesamt. Dachverbände und andere Organisationen können zudem in der politischen Debatte über Stiftungen im gesellschaftlichen Leben und die gesetzlichen Bestimmungen für die Arbeit von Stiftungen und gemeinnützigen Organisationen eine zentrale Rolle spielen. Sie können wissenschaftliche Untersuchungen zu rechtlichen Fragen in Auftrag geben, für bessere rechtliche Rahmenbedingungen eintreten und auf diese Weise dazu beitragen, ein günstigeres ordnungspolitisches Umfeld für Stiftungen und andere Nonprofit-Organisationen zu schaffen.

    Eine kurzes Porträt ausgewählter Dachverbände und Unterstützungsorganisationen aus verschiedenen Ländern verdeutlicht den Beitrag, den diese Organisationen zur Förderung des Konzepts der Bürgerstiftungen leisten. In den USA wurde 1949 die erste landesweite Support organisation für Bürgerstiftungen gegründet, aus der später der Council on Foundations hervorging. Dieser unterstützt Bürgerstiftungen heute durch seine »Community Foundation Services Group« und fördert durch sein »International Programs Department« auch deren internationale Aktivitäten. Die erste regionale Fördervereinigung (Regional Association of Grantmakers - RAG) der USA wurde 1948 gegründet, noch ein Jahr vor der Gründung des Council. Seither ist die Zahl der regionalen Vereinigungen in den USA auf über 50 angewachsen. Einige dieser Verbände bieten spezielle Dienstleistungen für Bürgerstiftungen an.

    Das European Foundation Centre (EFC) wurde 1989 als Mitgliederorganisation für Stiftungen gegründet, die in Europa aktiv sind. Das EFC startete 1997 die Community Philanthropy Initiative (CPI), um das Stiftungswesen auf lokaler Ebene durch den Aufbau gemeinnütziger Stiftungen zu stärken. Die Förderung von Bürgerstiftungen in Europa ist eines der vorrangigen Ziele dieser Initiative. Die Southern African Grantmakers Association (SAGA), eine Mitgliederorganisation für Stiftungen in Südafrika, rief 1998 ein Förderprogramm für die Gründung von Bürgerstiftungen ins Leben.

    Nur wenige Länder haben bislang nationale Dachverbände, die ausschließlich für Bürgerstiftungen zuständig sind. Das Community Foundation Network (früher Association of Community Trusts and Foundations) wurde 1991 in Großbritannien gegründet. Ein Jahr darauf entstand in Kanada die Dachorganisation Community Foundations of Canada (CFC). Andere Organisationen haben gezielte Programme zur Förderung von Bürgerstiftungen entwickelt. Dazu gehören seit 1998 die Academy for the Development of Philanthropy in Polen und das Russlandbüro der Charities Aid Foundation (CAF Russia) seit 1995. Die »Initiative Bürgerstiftungen« in Deutschland nahm 2001 ihre Tätigkeit auf.

    Als Reaktion auf die beständig wachsende Zahl von Bürgerstiftungen wurden in Europa in den letzten Jahren verschiedene formelle und informelle Netzwerke gegründet, um den Erfahrungsaustausch (peer learning) zu intensivieren. Solche Netzwerke gibt es mittlerweile in Deutschland, Polen, Russland und der Slowakei. Das »Visegrad Network of Community Funds« ist ein regionales, multinationales Netzwerk, das Bürgerstiftungen aus Tschechien, Ungarn, Polen und der Slowakei offen steht. Die Gründung eines internationalen Netzwerks von Dachverbänden und anderen Unterstützungsorganisationen ist ein weiterer Beleg für das rasante Wachstum des Bürgerstiftungssektors. Im November 1999 wurden die Worldwide INitiatives for Grantmaker Support - Community Foundations (WINGS-CF) gegründet, um die Support organisations bei ihrer Arbeit rund um den Globus zu unterstützen.

    Nationale und internationale Geldgeber haben viel dafür getan, dass sich immer mehr Bürgerstiftungen formieren; ohne ihre Unterstützung wäre die weite und schnelle Verbreitung des Bürgerstiftungsgedankens, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten zu beobachten war, nicht denkbar gewesen. Bürgerstiftungen haben das Interesse vieler unterschiedlicher Geldgeber geweckt. Private Stiftungen spielen in diesem Zusammenhang die wichtigste Rolle, aber auch nationale Regierungen sowie Behörden auf Landes- und kommunaler Ebene sowie lokale, nationale und multinationale Unternehmen haben die Vorteile der nachhaltigen Finanzierung lokaler Initiativen, die Bürgerstiftungen bieten, erkannt.

    Diese Geldgeber verfolgen eine Reihe unterschiedlicher Strategien, um die Gründung von Bürgerstiftungen zu fördern und den Ausbau bestehender Stiftungen voranzutreiben. Dazu gehören vor allem Zuwendungen an einzelne Bürgerstiftungen als Anschubfinanzierung oder technische Unterstützung, die Bereitstellung eines Anfangskapitals (challenge grant) zum Aufbau des Stiftungsvermögens sowie Unterstützung für Förderprogramme und spezielle Initiativen. Darüber hinaus haben sie Dachverbände und unterstützende Organisationen mit finanziellen Mitteln ausgestattet, damit diese Dienstleistungen für Bürgerstiftungen bereitstellen konnten.

    Neben den finanziellen Mitteln kann die Unterstützung durch einen prominenten Geldgeber auch das Ansehen der Bürgerstiftung und das Vertrauen steigern, das sie bei anderen potenziellen Stiftern, den Empfängern von Fördermitteln und in der Öffentlichkeit allgemein genießt. Diese Geldgeber verfügen zudem häufig über Sachkenntnisse, die sie bei der Gründung einbringen können. Darüber hinaus sind sie bestrebt, das Konzept der Bürgerstiftungen weiter bekannt zu machen, indem sie etwa Studienreisen finanzieren oder Konferenzen ausrichten, bei denen die Teilnehmenden erfahren, was eine Bürgerstiftung ist, wie sie funktioniert und welchen Einfluss sie in anderen Orten ausüben konnte. Zudem bieten prominente Geldgeber Vernetzungsmöglichkeiten für bereits bestehende Stiftungen.

    Eine weitere neue Entwicklung der letzten Jahre sind Programme, die einen Erfahrungsaustausch über nationale Grenzen hinweg ermöglichen. Zu diesem Zweck gründeten die König Baudouin Stiftung in Belgien und der German Marshall Fund of the United States im Jahre 1999 gemeinsam mit der C. S. Mott Foundation das Transatlantic Community Foundation Fellowship (TCFF). Im Rahmen dieses Programms erhalten jedes Jahr fünf amerikanische und fünf europäische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bürgerstiftungen die Möglichkeit, drei Wochen lang eine Bürgerstiftung auf der jeweils anderen Seite des Atlantiks zu besuchen und die Entwicklung dort kennen zu lernen.

    Ebenfalls im Jahr 1999 haben die Bertelsmann Stiftung und die C. S. Mott Foundation gemeinsam das Transatlantic Community Foundation Network (TCFN) initiiert. Das Netzwerk vereint Bürgerstiftungen aus Europa, Nordamerika und Mexiko in einem Arbeitszusammenhang, der Anregungen und Impulse für die Entwicklung von Bürgerstiftungen auf beiden Seiten des Atlantiks vermitteln soll. Das TCFN ermöglicht es, erfolgreiche Konzepte und Strategien zur Lösung von Managementfragen (good practice) auszutauschen, und soll darüber hinaus die Idee der Bürgerstiftung einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen, insbesondere in solchen Ländern, in denen dieser Stiftungstyp eine neue Form philanthropischen Engagements darstellt. Die derzeit 46 Mitglieder des Netzwerkes wurden in einem internationalen Auswahlverfahren ermittelt und beschäftigen sich in drei Arbeitsgruppen mit den Themenschwerpunkten Community Leadership, Organisationsentwicklung und Effektivität der Stiftungs-arbeit sowie Marketing für Bürgerstiftungen. Sowohl das Transatlantic Community Foundation Fellowship Program (TCFF) als auch das Transatlantic Community Foundation Network (TCFN) sind sehr erfolgreich darin, einen Erfahrungsaustausch zwischen Bürgerstiftungen verschiedener Länder zu ermöglichen und so einen auf Gegenseitigkeit beruhenden Lernprozess (peer learning) zu fördern.

    Die historischen Ursprünge in den USA und Kanada

    Vereinigte Staaten von Amerika

    Die erste Bürgerstiftung in den USA, die Cleveland Foundation, wurde 1914 in Cleveland, Ohio, von Frederick H. Goff, einem ortsansässigen Bankier, gegründet. Dieser hatte die Idee, mehrere Trusts zu einer einzigen Stiftung zusammenzufassen, die dauerhaften Bestand haben und von einem Vorstand aus Bürgerinnen und Bürgern geleitet werden sollte. Die Vermögen der ursprünglichen Trusts sollten weiterhin von den Banken verwaltet werden, während der Vorstand die Bedürfnisse des Gemeinwesens identifizieren und entsprechende Fördermittel an lokal tätige Organisationen vergeben sollte. Dieses neue philanthropische Modell entlastete nicht nur die Banken von der Aufgabe der Fördermittelvergabe, sondern gewährleistete darüber hinaus, dass die sich verändernden Bedürfnisse der Stadt auch in Zukunft erfüllt werden konnten, selbst wenn der ursprüngliche Zweck eines Trusts nicht mehr gegeben sein sollte.¹⁰

    In den 20er Jahren erlebte das Konzept der Bürgerstiftung in den USA einen regelrechten Boom und fand vor allem im Mittleren Westen und im Nordosten des Landes Verbreitung. Während der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren, als finanzielle Mittel knapp waren und das Bankensystem in Schwierigkeiten geraten war, gab es eine rückläufige Entwicklung. Als die Bewegung in den späten 1940er und 1950er Jahren wieder Dynamik erlangte, wurden die meisten Bürgerstiftungen in der Rechtsform gemeinnütziger Körperschaften (charitable corporations) gegründet, die u. a. dadurch gekennzeichnet ist, dass sie den sich selbst erneuernden Führungsgremien erlaubt, Investitionsentscheidungen in eigener Verantwortung zu treffen.

    In den 50er Jahren gerieten insbesondere private Stiftungen zunehmend in die Kritik; ihnen wurde Missbrauch ihrer Steuerprivilegien vorgeworfen. Dies hatte in den 1960er Jahren eine radikale Steuerreform zur Folge: Die mit dem Steuerreformgesetz von 1969 (Tax Reform Act of 1969) eingeführten Änderungen beinhalteten eine Neudefinition der Stiftungstypen auf der Grundlage ihrer Steuerprivilegien, eine stärkere staatliche Kontrolle der Stiftungen und eine Eingrenzung der Tätigkeitsbereiche privater Stiftungen. Im Rahmen dieser Reformen wurde den Bürgerstiftungen der steuerrechtlich privilegierte Status von Public charities eingeräumt. In den USA genießen Public charities gegenüber privaten Stiftungen u. a. folgende Vorteile: eine höhere steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden und Zustiftungen, die Befreiung von bestimmten Steuern als auch eine weniger strenge staatliche Aufsicht.

    Die Auswirkungen des Steuerreformgesetzes zeigen die Bedeutung günstiger rechtlicher Rahmenbedingungen für die Gründung und Verbreitung von Bürgerstiftungen. Das gegenwärtige Wachstum des Bürgerstiftungssektors in den USA setzte in den 1970er Jahren ein, nachdem die Bestimmungen des Gesetzes von 1969 verabschiedet worden waren. Dieses Wachstum erhielt durch die wirtschaftliche Rezession Anfang der 80er Jahre, in deren Folge zahlreiche staatliche Sozialleistungen gekürzt wurden, zusätzlichen Auftrieb. Während der Amtszeit Präsident Reagans stellte die US-Regierung viele groß angelegte, landesweite Sozialprogramme ein. Dieser Trend hielt auch in den 1990er Jahren an, und Anzeichen für eine Umkehr sind nicht zu erkennen.

    Vor diesem Hintergrund betrachteten immer mehr Einzelpersonen und private Stiftungen Bürgerstiftungen als eine Möglichkeit, den Ausfall staatlicher Mittel für lokale Sozialprogramme zu kompensieren. Der wirtschaftliche Aufschwung in den 90er Jahren trug ebenfalls zu einer wachsenden Zahl von Bürgerstiftungen bei. Diese profitierten zudem von der Zunahme des privaten Wohlstands und dem Wunsch vieler Bürgerinnen und Bürger, sich ihrem Gemeinwesen gegenüber erkenntlich zu zeigen und gleichzeitig die Steuervorteile für Zuwendungen und gemeinnützige Organisationen zu nutzen.

    Heute gibt es in den USA rund 700 Bürgerstiftungen, einschließlich der Bürgerstiftungen im assoziierten US-Staat Puerto Rico und den US-amerikanischen Jungferninseln.¹¹ In nahezu allen Teilen der USA haben die Einwohnerinnen und Einwohner heute Zugang zu einer Community Foundation. Die Statistik der Columbus Foundation aus dem Jahr 2001 verzeichnet 658 Bürgerstiftungen mit einem Gesamtvermögen von mehr als 31,4 Mrd. US-Dollar. Im Jahr 2001 erhielten amerikanische Community Foundations Zuwendungen in Höhe von 3,5 Mrd. US-Dollar und vergaben Fördermittel von annähernd 2,5 Mrd. US-Dollar. Obwohl das Vermögen und die Zuwendungen infolge der schlechten wirtschaftlichen Gesamtlage und des Abwärtstrends am Kapitalmarkt geringer ausfielen, stiegen die vergebenen Fördermittel im Vergleich zum Vorjahr um 18 Prozent.¹²

    Kanada

    Bereits kurze Zeit nach seiner Entstehung in den USA gelangte das Konzept der Bürgerstiftung auch nach Kanada. Die erste kanadische Bürgerstiftung, die Winnipeg Foundation, wurde 1921 gegründet, nur sieben Jahre nach der Cleveland Foundation, die als Vorbild diente. Die kanadischen Bürgerstiftungen erlebten von ihren Anfängen bis Ende der 1970er Jahre ein langsames, aber stetiges Wachstum. Danach gewann die Bewegung eine neue Dynamik.

    In den vergangenen zehn Jahren erfuhren Bürgerstiftungen in Kanada jedoch ein geradezu explosives Wachstum. Diese Entwicklung ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Das Modell selbst hat sich im kanadischen Kontext als äußerst attraktiv erwiesen, da das Land seit geraumer Zeit nach Alternativen zu staatlich finanzierten Wohlfahrtsprogrammen sucht. Nationale und internationale Geldgeber haben sich für dieses Konzept eingesetzt und einzelne Bürgerstiftungen unterstützt. Der nationale Dachverband, Community Foundations of Canada (CFC), hat sich bei der Verbreitung des Bürgerstiftungskonzepts als außerordentlich erfolgreich erwiesen. Angesichts der Kürzung landesweiter Förderprogramme setzten sich auch die Behörden auf Bundes- und Provinzebene für dieses Konzept ein, nachdem sie dessen Bedeutung für die Wahrnehmung lokaler Aufgaben erkannt hatten.

    In Kanada gibt es derzeit mehr als 125 Bürgerstiftungen in allen Provinzen des Landes sowie den Nordwestterritorien, und jedes Jahr kommen durchschnittlich fünf neue Stiftungen hinzu.

    Um den jüngsten Zuwachs in Relation zu setzen: 35 der heute existierenden Bürgerstiftungen wurden von 1921 bis zum Ende der 1980er Jahre gegründet, mehr als 90 entstanden seit 1990. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl gibt es in Kanada mehr Bürgerstiftungen als in den USA. Die größte kanadische Stiftung ist eine Bürgerstiftung: die Vancouver Foundation. Sie verfügt über ein Vermögen von mehr als 550 Mio. Dollar und gehört damit zu den größten Bürgerstiftungen Nordamerikas.

    Die Entwicklung von Bürgerstiftungen in Europa

    In Europa wurde das Konzept der Bürgerstiftung bereits Mitte der 1960er Jahre diskutiert, als französische Regierungsbeamte die Rolle der Stiftungen in den USA studierten. Aus dieser Initiative ging 1969 die Fondation de France hervor, die nach dem Vorbild der amerikanischen Cleveland Foundation konzipiert war. Bürgerstiftungen erfuhren aber erst Ende der 1970er Jahre größere Beachtung, als in Großbritannien die ersten Community Foundations ins Leben gerufen wurden. Außerhalb des Vereinigten Königreichs existierten vor 1989 in Europa bestenfalls eine Handvoll Bürgerstiftungen. Ein regelrechter Boom begann nach 1989 vor dem Hintergrund der Suche nach innovativen und nachhaltigen Finanzierungsinstrumenten für den Nonprofit-Sektor insbesondere in den Staaten Mittel- und Osteuropas.

    In weniger als einem Jahrzehnt entstanden Bürgerstiftungen in nahezu allen europäischen Staaten. Die Gründung der Healthy City Community Foundation in Banská Bystrica in der Slowakei 1994 markiert den Beginn einer bemerkenswerten Gründungswelle in Europa. Die erste Auflage dieses Handbuches, die im Herbst 2000 veröffentlicht wurde, konnte lediglich über die frühen Anfänge dieser Bewegung berichten.¹³ In nur drei Jahren sind Zahl und Tempo der Neugründungen gewaltig gestiegen. Ebenfalls zugenommen hat die Zahl der Organisationen, die die Arbeit von Bürgerstiftungen unterstützen, und das Spektrum der von ihnen offerierten Dienstleistungen. Organisationen oder Privatpersonen, die eine Bürgerstiftung gründen wollen, haben heute zahlreiche Vorbilder, an denen sie sich orientieren können; darüber hinaus können sie auf Erfahrungen zugreifen, die bei der Adaption des Bürgerstiftungsmodells in unterschiedlichen nationalen Kontexten gesammelt wurden. Die europäische Bürgerstiftungsbewegung erreicht mittlerweile auch die ärmeren und weniger entwickelten Teile des Kontinents wie etwa die jungen Staaten auf dem Balkan. Die nachfolgenden Länderberichte zeigen, dass das Konzept der Bürgerstiftung in Europa mittlerweile eine große Verbreitung gefunden und dabei seine Fähigkeit bewiesen hat, sich an sehr unterschiedliche Rahmenbedingen und Traditionen anzupassen.

    Großbritannien

    Großbritannien hat eine lange und vielfältige Tradition philanthropischen Engagements auf lokaler Ebene, die mindestens bis in die Reformationszeit zurückreicht. Mit der Entstehung des Sozialstaats im 19. Jahrhundert verkümmerte diese Tradition, da der Staat zunehmend die Verantwortung für soziale Aufgaben übernahm. Lokales philanthropisches Engagement, vor allem in Form von Bürgerstiftungen, erlebt dort gegenwärtig eine Renaissance. In der Anfangsphase ging die Entwicklung nur langsam voran. Der schlechte Zustand der britischen Wirtschaft in den 1980er Jahren, die Unsicherheit, wie das amerikanische Modell adaptiert werden könnte, und auch die Schwierigkeit, angesichts des enormen Bedarfs an unmittelbarer Hilfe das Konzept eines langfristigen Vermögensaufbaus zu vermitteln, erwiesen sich als Hindernisse für die Verbreitung des Bürgerstiftungskonzepts. ¹⁴

    Die erste Bürgerstiftung Großbritanniens, die Community Foundation for Northern Ireland (ursprünglich Northern Ireland Voluntary Trust), wurde 1979 gegründet, um die Arbeit von Ehrenamtlichen und Bürgerinitiativen bei der Bekämpfung der gewaltigen sozialen, wirtschaftlichen und konfessionellen Probleme in Nordirland zu unterstützen. Das Startkapital bestand aus einer Anschubfinanzierung (challenge grant) der britischen Regierung in Höhe von 500 000 Pfund. Die gleiche Summe musste die Bürgerstiftung noch einmal aus eigenen Kräften aufbringen. Heute arbeitet sie mit den Erträgen aus ihrem Vermögen sowie Zuwendungen von Privatpersonen, Stiftungen, staatlichen Stellen und der Europäischen Union.

    Eine Reihe weiterer Bürgerstiftungen wurden in den 1980er und 1990er Jahren gegründet, einige mit Startkapital von staatlichen Stellen, andere mit Hilfe lokaler, nationaler und internationaler Geldgeber. Die britische Charities Aid Foundation (CAF) und die amerikanische Charles Stewart Mott Foundation taten sich 1990 zusammen und vergaben im Rahmen eines Wettbewerbs an drei Bürgerstiftungen je eine Million Pfund Anschubförderung in Form eines »challenge grants«. Diese Förderungen machten die Bürgerstiftungen für andere Spender attraktiv und trugen wesentlich zur Bekanntheit des Konzepts in Großbritannien bei. Ein unerwarteter Nebeneffekt dieser Initiative war, dass eine Reihe anderer Bürgerstiftungen, die an dem Wettbewerb teilgenommen, aber keine Zuwendungen erhalten hatten, den Aufbau ihres Stiftungsvermögens aus eigener Kraft und mit großem Erfolg fortsetzten.

    Die Bürgerstiftungsbewegung kam in den 1990er Jahren nach der Gründung eines landesweiten Dachverbandes 1991, dem Community Foundation Network (ursprünglich Association of Community Trusts and Foundations), richtig in Schwung. Die wachsende Zahl der Stiftungen wurde zudem durch die Bemühungen der Regierung Blair begünstigt, mehr Verantwortung auf die lokale Ebene zu verlagern und entsprechende Initiativen für die Lösung sozialer Probleme zu fördern. So koordiniert und managt das Community Foundation Network (CFN) den »Local Fund for Children and Young People«, ein auf drei Jahre angelegtes Förderprogramm der Regierung, das lokal tätige Organisationen und Selbsthilfegruppen unterstützt, die in Armut lebenden Kindern helfen. Die Fördermittel aus diesem Regierungsprogramm in Höhe von über 27 Mio. Pfund werden vor allem von Bürgerstiftungen vergeben.

    Heute gibt es im Vereinigten Königreich Bürgerstiftungen in allen Landesteilen: England, Schottland, Wales und Nordirland. Gegenwärtig existieren 65 Community Foundations, und ihre Zahl wächst weiter. Mehr als die Hälfte ist voll funktionsfähig; die übrigen befinden sich noch in der Aufbauphase. Die 29 am weitesten entwickelten Bürgerstiftungen verfügten im Geschäftsjahr 2001/2002 zusammen über ein Vermögen von 92 Mio. Pfund. Zurzeit haben bereits 85 Prozent der Bevölkerung Großbritanniens Zugang zu einer Bürgerstiftung.

    Belgien

    Die King Baudouin Foundation (KBF) wurde 1976 gegründet und ist eine unabhängige Stiftung, die innerhalb Belgiens sowie europa- und weltweit tätig ist. Die KBF verwaltet Zustiftungen von Privatpersonen, gemeinnützigen Organisationen und Unternehmen und bietet diesen Stiftern eine Reihe von Dienstleistungen an, die mit denen einer Bürgerstiftung vergleichbar sind. Sie arbeitet zudem an der Entwicklung regionaler Fonds nach dem Vorbild von Bürgerstiftungen, die als unselbständige »Tochterstiftungen« (affiliates) von ihr verwaltet werden. Die erste dieser regionalen Tochterstiftungen, der »Streekfoods Midden-en-Zuid-West-Vlaanderen« wurde 2001 von der KBF gemeinsam mit dem Unternehmen Levi Strauss, das zuvor in der Region eine Fabrik geschlossen hatte, in Flandern eingerichtet. Levi Strauss stellte 750 000 US-Dollar zur Verfügung, die zum einen Teil in das Stiftungsvermögen flossen, zum anderen für operative Projekte ausgegeben wurden. Die KBF ist bestrebt, weitere regionale Fonds in anderen Teilen Belgiens einzurichten.

    Frankreich

    Die Fondation de France ist eine unabhängige, gemeinnützige Stiftung, die in vielerlei Hinsicht wie eine landesweite Bürgerstiftung für Frankreich arbeitet. Sie wurde 1969 nach dem Vorbild der Cleveland Foundation gegründet und hilft Privatpersonen, Unternehmen und Verbänden bei der Realisierung philanthropischer, kultureller und wissenschaftlicher Projekte. Sie fungiert als Dachorganisation und Treuhänderin für Privatpersonen, die ihre persönlichen Stiftungen gründen und von der Sachkenntnis der Fondation de France in programmatischen und steuerrechtlichen Fragen profitieren wollen.

    Deutschland

    Die Entwicklung von Bürgerstiftungen in Deutschland ist eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte, die im nachfolgenden Beitrag ausführlich dargestellt wird. An dieser Stelle sei deshalb nur kurz vermerkt, dass die erste deutsche Bürgerstiftung, die Stadt Stiftung Gütersloh, im Dezember 1996 errichtet wurde. Seitdem hat die Entwicklung in Deutschland rasante Fortschritte gemacht: Ende 2003 existierten bereits mehr als 60 Bürgerstiftungen sowie etwa 80 weitere Gründungsinitiativen in nahezu allen Teilen des Landes. Die Entwicklung der Bürgerstiftungsbewegung in Deutschland wurde vor allem von der Bertelsmann Stiftung angestoßen und gefördert; mittlerweile unterstützen zahlreiche andere Stiftungen und Organisationen den Aufbau. Mit der »Initiative Bürgerstiftungen« wurde im Jahr 2001 ein Kompetenzzentrum geschaffen, das individuelle Beratung und technische Unterstützung für Bürgerstiftungen und Gründungsinitiativen anbietet.

    Irland

    In Irland wurde im Januar 2000 die Community Foundation for Ireland gegründet. Der Anstoß zur Gründung dieser landesweit tätigen Bürgerstiftung erfolgte durch einen Bericht der »Combat Poverty Agency«, in dem eine solche Stiftung als Möglichkeit für eine nachhaltige Finanzierung von Aktivitäten im Bereich der Wohlfahrtspflege vorgeschlagen wurde. Die irische Regierung tat sich mit Unternehmen, Arbeitgeberverbänden und anderen Initiativen zusammen, um die Gründung vorzubereiten. Sie stellte 300 000 Pfund als Stiftungskapital zur Verfügung und weitere 750 000 Pfund für den Aufbau der Bürgerstiftung und die ersten Projekte.

    Italien

    Die Entwicklung von Bürgerstiftungen in Italien wurde maßgeblich durch die Fondazione Cariplo (= Fondazione Cassa di Risparmio delle Provincie Lombarde) in Mailand sowie andere Sparkassenstiftungen aus der Provinz Venedig initiiert und gefördert. Die erste Bürgerstiftung in Italien, die Fondazione della Provincia di Lecco, wurde im Februar 1999, die zweite im Dezember 1999 in Como ins Leben gerufen; seitdem sind in Norditalien 16 Bürgerstiftungen entstanden. Es ist wahrscheinlich, dass das Modell schon bald in anderen Teilen des Landes adaptiert werden wird. Weitere Sparkassenstiftungen beschäftigen sich bereits intensiv mit dem Konzept; auch Genossenschaftsbanken tendieren in diese Richtung. Im Süden des Landes ist ebenfalls eine Entwicklung in diese Richtung zu verzeichnen.

    Das Interesse der Sparkassenstiftungen an der Förderung von Bürgerstiftungen ist auf die Reform des italienischen Bankgesetzes Anfang der 1990er Jahre zurückzuführen. In diesem Rahmen wurden die kommunalen Sparkassen privatisiert und ihre gemeinnützigen Aktivitäten durch die Gründung von Stiftungen von den anderen Unternehmensteilen abgetrennt. Gleichzeitig wurden die neu gegründeten Stiftungen verpflichtet, ihre Bankbeteiligungen zu verkaufen. Diese Reformen hatten zur Folge, dass etwa 90 Sparkassenstiftungen mit zum Teil beträchtlichem Vermögen entstanden. Im Rahmen dieser Reform wird von den Stiftungen erwartet, dass sie einen Teil der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel an die Kommunen zurückfließen lassen, die die Grundlage ihres Reichtums waren. Die Gründung von Bürgerstiftungen wird von vielen Sparkassenstiftungen als der ideale Weg angesehen, diesen Auftrag zu erfüllen.

    Portugal

    In Portugal wurde bislang eine Bürgerstiftung errichtet. Bereits 1995 entstand die CEBI-Foundation for the Development of Alverca aus einer traditionellen Wohlfahrtsorganisation, die in ihrer Entwicklung jedoch lange isoliert blieb. Erst im Jahre 2001 wurden erste Verbindungen zu anderen europäischen Bürgerstiftungen geknüpft. Gegenwärtig gibt es in Portugal Bestrebungen, weitere Bürgerstiftungen zu entwickeln.

    Polen

    Auch in Polen wurden von 1998 bis 2001 zahlreiche Bürgerstiftungen mit Hilfe der Academy for the Development of Philanthropy errichtet. Die Akademie förderte die Entwicklung durch Beratungsdienstleistungen sowie eine Anschubfinanzierung in Form eines Matching grants. Dies ermutigte die Initiativen, sich frühzeitig aktiv um die Einwerbung von Spenden und Zustiftungen zu bemühen. Für diese Förderung wurden von der Akademie insgesamt 15 Kommunen ausgewählt. Nach drei Jahren waren zwölf Bürgerstiftungen errichtet; das Interesse an dieser Form wächst in allen Teilen des Landes. Als Erste wurde die Snieznik Massif Bürgerstiftung Ende 1998 in Bystrzyca Klodzka ins Leben gerufen. Darüber hinaus wurde ein nationales Netzwerk von Bürgerstiftungen gegründet, das seine erste Jahresversammlung Ende 2002 durchführte.

    Russland

    Die Entwicklung von Bürgerstiftungen in Russland geht auf eine Initiative des Russlandbüros der britischen Charities Aid Foundation (CAF Russia) aus dem Jahr 1995 zurück. Die Gründung von Bürgerstiftungen war keine leichte Aufgabe in einem Land, das sich in einer schwierigen Phase des wirtschaftlichen und politischen Umbruchs befand sowie in einer Gesellschaft, in der gegenseitiges

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