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DER DESTRUENT: Über die Kehrseite von Natur und die Demontage des Kausalen
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DER DESTRUENT: Über die Kehrseite von Natur und die Demontage des Kausalen
eBook326 Seiten3 Stunden

DER DESTRUENT: Über die Kehrseite von Natur und die Demontage des Kausalen

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Über dieses E-Book

Allgemein Naturphilosophie; Schwerpunkt menschliche Kognition und Willensfreiheit; Existentialismus,Determinismus, Phänomenologie und Soziologie; spezielle Vergleiche und Deutungen zwischen ontologischen Konzepten, kausalen Begriffen und Shunyata (Leere).
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum30. März 2023
ISBN9783347911932
DER DESTRUENT: Über die Kehrseite von Natur und die Demontage des Kausalen

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    Buchvorschau

    DER DESTRUENT - Simon Wolf

    1. Kapitel

    Das antagonistische Prinzip

    Das Selbst, das machen muss,

    ist das Selbst, das lassen muss.

    1.1 Mephistos Aufgabe

    Wenn wir von Antagonismus sprechen meinen wir keine sichtbaren und äußeren Widersacher. Wir reden nicht von irgendwelchen heldenhaften Protagonisten aus Mythen, Legenden oder Sagen. Wir meinen auch keinen medizinischanatomischen Gegenspieler oder dualen Konzepte. Was wir meinen erklärt sich also auch nicht an Hegels dialektischem Begriff vom Widerstreit. Die Synthese der Dialektik ist ein Kompromiss zwischen zwei konträren Polen, aber kein Antagonismus, der Kompromisse ebenso komplett negiert wie demontiert.

    Der Begriff des Antagonismus ist nicht abgetan mit Synonymen wie Gegenspieler, Antithese, Kontradiktion oder Gegenpart, die mittels These oder Protagonist duale Konzepte erfüllen und den Begriff von Einheit suggerieren. Das grundlegend Destruktive, das Antagonismus kennzeichnet, bietet keine Basis für Kompromisse zu gegenseitigem Nutzen. Weder tritt es in Verhandlungen noch macht es Angebote oder lässt mit sich handeln. Das Destruktive ist sowohl eine Vorgabe oder Bedingung des Finiten wie die Ultima Ratio jeder Handlungsoption. Anders ausgedrückt, das Limit jeder Fähigkeit oder Möglichkeit von Wachstum oder Expansion ist dessen Unfähigkeit oder Unmöglichkeit zur Überschreitung der Konstruktion eines Inneren-Äußeren, dem jedes System zugrunde liegt. Exakt hier greift das antagonistische Prinzip, indem es auf sich selbst zurückwirft, was sich selbst und seine Limits oder Belastungsgrenzen überschreitet¹.

    Das Destruktive hat keine eigene Agenda oder aktives Konzept. Es führt nichts zusammen und baut nichts auf. Es zerstört, es trennt und treibt Dinge auseinander. Diese Gegen-Wirkung eines Destruktiven ist zugleich die Folge oder Reaktion eines Konstruktiven, das an sein qualitatives und/oder quantitatives Maximum stößt oder dieses überschreitet.

    Natur besteht in selbstregulierenden Prozessen, die notwendige Unter- wie Obergrenzen, Anfangs- und Randbedingungen anzeigen (Naturgesetze). Jedes Selbst von Natur, das sich als systemische Selbsterhaltung (via Selbstordnung und Selbstorganisation) zeigt, durchläuft mittels seiner Grundlagen eine zeitliche Selbstverstärkung (Entwicklung mittels Veränderung), die seine eigenen Grundlagen verändert². Kein Selbst von Natur kann sich also über seine eigenen, jeweils spezifischen Grundlagen entwickeln. Kein Etwas (Unterschied oder Abweichung mittels Ding/Ereignis/Phänomen) kann in dieser Welt erscheinen, sprich stattfinden oder temporär bestehen, sofern es nicht quantitative/qualitative bzw. räumlichzeitliche Limits enthält.

    Betrachten wir jegliche Art von System und dessen Konstruktion, wird deutlich, was die innere-äußere Wechselwirkung (System und Umgebung) eigentlich bedeutet.

    Jedes innere Element, ob konkret strukturell oder physisch abstrakt, ist gleichermaßen Element eines Äußeren, wie jedes äußere Element Ursache und Wirkung eines Inneren. Jedes prozesshafte Produkt (System) einer jeweiligen Interaktion der Umgebung wirkt als Ursache der Veränderung über den Umweg seiner Umgebung zugleich auf sich selbst zurück³. Der Prozess jeder Veränderung und/oder Entwicklung resultiert daher aus der Gegensätzlichkeit innerer und äußerer Elemente, die sich als ein jeweiliges System und dessen jeweilige Umgebung konstruieren.

    Veränderung ist Entwicklung.

    Der Begriff der Entwicklung schließt finale Zustände generell aus. Finale Zustände sind zeitlich unmöglich, da sie als Stillstand oder Stagnation zugleich ihre eigene Destruktion einbeziehen. Alles Bestendende verändert durch sein Bestehen auch seine Bedingungen - bis zur Unmöglichkeit seines weiteren Fortbestands. Dafür sorgen die Wechselwirkungen der inneren-äußeren Elemente, aus denen dieses Bestehende effektiv hervorgeht. Kurz, jeder aktuelle Zustand (Ereignis, Erscheinung oder Phänomen) überholt sich durch sein Bestehen, indem es verändert, woraus es entstanden ist.

    (Zeit selbst ist das Phänomen für die Richtung einer Wirkung, die sich in ihrem Ablauf gegen sich selbst richtet. Es ist aus Sicht von Natur einfacher innere-äußere Elemente voneinander zu trennen und getrennt zu halten als miteinander sie zu verbinden und dauerhaft im Gleichgewicht zu halten.)

    Entwicklung oder was auch immer sich konkret entwickelt (Unterschied), umfasst also ebenso Konstruktion wie Destruktion - und dies unabhängig von Bewertungskategorien.

    Ohne Möglichkeit von Selektion oder Korrektur keine Möglichkeit von Entwicklung. Das vordergründig Destruktive ist also hintergründiger Teil eines Konstruktiven, da es finit auf Bestehendes einwirkt.

    Die vollendete Tatsache oder Endgültigkeit ist eine Veränderung, die als Sachverhalt veränderlicher Bedingungen auftritt, ob nun notwendig oder möglich. Jede Destruktion ist somit Vor-, Zwischen oder Endstufe eines konstruktiven Mechanismus, der mittels negativer Rückwirkung in eine neue Phase der Selbstorganisation übertritt. Was sich an einer Stelle ausdehnt, zieht sich an anderer Stelle zusammen etc. Jedes Limit ist zugleich eine Schutz- oder Erhaltungsfunktion für Mögliches, jedes Finite Grundlage eines Konstruktiven.

    Das antagonistische Prinzip und dessen destruktiven Eingriffe in Bestehendes lässt sich durch seine negative Rückwirkung also als notwendigen Schutz- oder Erhaltungsmechanismus jeglicher Wirkung auffassen. Seine destruktive Umkehrung von konstruktiver Wirkung ist deren Zurückführung auf eine zeitlose Ursache. Anders, jede Möglichkeit, die zeitlich zwangsläufig ihre eigenen Grundlagen übersteigt, reduziert sich selbst auf ihre Notwendigkeit. Dies gilt für sämtliche Prozesse (Ereignisse, Erscheinungen oder Phänomene).

    Zur allgemeinen Einordnung einer konstruktiver-destruktiven Wechselwirkung in die Abläufe von Natur lässt sich an dieser Stelle die temporale Logik heranziehen.

    Möglichkeit und Unmöglichkeit⁴ unterstehen zeitlicher Korrektur. Die Bedingung für jedes Auftauchen von Emergenz⁵ (Ereignis, Erscheinung oder Phänomen) im Aktuellen ist das Vergehen (derselben Ereignisse, Erscheinungen oder Phänomene) im Aktuellen: Transformation.

    Entstehung bedingt Veränderung oder Wandel von Bestehendem. Was entsteht, kann sich nur entwickeln, indem sich Bestehendes verändert. Die Transformation von Zuständen ist die fundamental notwendige Bedingung einer ‚bestmöglichen Welt‘.

    Machen wir einen kurzen Ausflug ins Belletristische.

    Das antagonistische Prinzip kommt nirgends trefflicher zum Ausdruck als im pathetischen Monolog des Mephistopheles⁶. Wenn es dort heißt: ‚Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft …‘, bedeutet dies nichts anders, als dass das vermeintlich Negative und Destruktive notwendiger Bestandteil einer Welt ist, die sich zeitlich verändern muss.

    Und weiter: ‚Ich bin der Geist, der stets verneint!‘ Die Negation jeglicher Kompromisse ist das Aufzeigen von Limits, die für Bestehendes nicht verhandelbar sind (Naturgesetze).

    Eine anhaltende Nicht-Beachtung von Notwendigem hat Konsequenzen, die eine vorherige Nicht-Beachtung mit einer gleichwertigen Unvermeidlichkeit ausgleicht. ‚Und das mit Recht; denn alles was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht;’. Das Recht des Destruktiven ist die Folge einer festgelegten Relation zwischen Notwendigkeit und Möglichkeit. ‚Drum besser wär’s das nichts entstünde‘, zeigt nur an, dass das Destruktive selbst, wie Mephisto es verkörpert, von einem Konstruktiven in eine Funktion gezwungen wird. Mephisto bezweifelt zwar die übergeordnete Gesamtidee, muss sie aber bekennen, da ‚der Alte‘ das Spiel und somit Tun und Wirkung bereits ungefragt angestoßen hat. Als dienstbarer Geist muss er korrigieren, was dem Bestmöglichen zuwiderläuft. ‚So ist denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt, mein eigentliches Element.‘ Daher lenkt Mephisto das Unbegrenzte, das seine zulässigen Limits überschreitet, maximal auf sich selbst zurück.

    Die plumpe und wertende Allegorie eines gegensätzlichen Gut-Böse zwischen konstruktiven und destruktiven Elementen ist hier keine Ergänzung per se, sondern das notwendige Fundament für jede Wechselwirkung, die physikalische Wirkung allgemein antreibt. Veränderung, aktueller Wandel und/ oder Wandelbarkeit eines jeden Aktuellen resultiert aus der gegensätzlichen Ergänzung von Bestehendem. Jedes Antagonistische ist ein Ergänzendes, das ein Konstruktives bemisst, korrigiert und auf seine aktuelle Tauglichkeit testet, damit es temporär bestehen kann.

    Mephisto selbst ist passiv, er tut nichts. Er unterlässt, lehnt das Tun grundsätzlich ab. Er verneint die Welt und baut nichts auf, da er sämtliche Dinge stets von ihrem Ende betrachtet und denkt. Für ihn ist alles, was in die Welt eintritt, entsteht oder wächst illusorisch. Es bleibt ohnehin nicht bestehen. Es zerfällt, vergeht, muss weichen. Nichts von allem bleibt zurück oder kann festgehalten werden. Für Mephisto läuft letztlich alles aufs Gleiche hinaus. Ins Vergessen.

    Wozu also abstrampeln, wenn sowieso nichts zurückbleibt und alles für die Katz’ ist? Wieso der Illusion anhängen, existieren und festhalten müssen, was Tod und Vergessen zunichte machen?

    Das Leben und alles Sein ist für empfindsame und leidensfähige Lebewesen kein Geschenk oder Segen, sondern sein eigener Untergang und Fluch. Sein Antagonismus bestätigt ihm die Kehrseite alles Konstruktiven. Wille ist Zwang, Sinn ist Unsinn, Wachstum ist Zerfall.

    Aber gerade Mephistos Nicht-Tun, seine Ablehnung von Konstruktivem, seine Weigerung zur Aktivität und sein Unterlassen gibt ihm die unfreiwillige Rolle des Regulierenden.

    Für ihn, für den alles Bestehende unnötig ist, ist das Notwendige Bedingung zur Teilnahme an einem Spiel, an dem er gar nicht teilnehmen will, aber muss. Es geht nicht ohne ihn, den erzwungenen Bösewicht und Übeltäter, der keine Kompromisse machen darf, weil diese samt und sonders dem ‚Alte‘ zufallen, der den selbstlosen Wohltäter gibt.

    Das Destruktive ist Mephistos Pflichtbeitrag und Dienst am Spiel, dem ausgehandelten quid pro quo mit dem ‚Alten‘. Also reagiert Mephisto erst, sobald Extreme erreicht oder Limits überschritten werden. Und er reagiert so, dass sich die jeweils grenzverletzende Wirkung umkehrt und gegen ihre Ursache richtet. Nur dank seiner Reaktion und Korrektur kann der ‚Alte‘ ebenso letztlich konstruktiv agieren, wie Mephisto destruktiv reagieren. Das Übrige erledigt sich von selbst. Mehr ist nicht nötig zur Übertagung und Umkehrung sämtlicher Anfänge in ihre Enden.

    Tatsächlich ist Mephisto also gar nicht der Übeltäter oder Bösewicht, dessen Antagonismus vorsätzlich oder willentlich Bestehendes zerstört oder vernichtet. Zum einen ist er der finale und zynische Aufklärer, der Einbildung, Zwänge und Selbsttäuschung aufzeigt. Seine Verneinung ist die zynische Form einer Aufklärung, die menschliche Aufklärungsfähigkeit und deren Ambitionen durch die Wirkung von Tod und Vergessen ins Untragbare überhöht und dort annulliert. Zum anderen ist er der ständige Befreier von Schmerz und Leiden, die aus der fehlgeleiteten Illusion einer oktroyierten Existenz erwächst. Denn das Müssen der Selbsterhaltung bewirkt in seiner Fehlauslegung von skrupelloser Selbstbehauptung oft ein gewaltsames Festhalten-Wollen, das als Macht- und Besitzanspruch Leiden erst hervorbringt.

    Somit ist das Antagonistische nicht nur das reaktive Element notwendiger Limits, sondern die basale Wächterinstanz einer Selbsterhaltung, die mittels Hunger und Krankheit, Alter und Tod ihrerseits ein menschliches Loslassen dessen erzwingt, was nicht von seinen Limits loslassen kann oder will.

    (Es stellt sich zurecht die Frage, ob die faktisch gescheiterte Aufklärung in ihrer bejahenden Form nicht geradezu verlangt nach ihrer verneinenden Form, wie sie der Zynismus bietet. Dass die bejahende Form der Aufklärung faktisch gescheitet ist, beweisen die allgemeine wie stetige Hinfälligkeit von menschlicher Vernunftfähigkeit sowie im Gegenzug die Wirksamkeit instinktiver Vorgaben. Was es mit beidem auf sich hat, werden wir im Textverlauf eingehend aufzeigen, nachweisen und entsprechende Rück-Schlüsse auf menschliches Verhalten ziehen.)

    Wir wollen dieses antagonistische und reaktive Element einer übergeordneten Selbsterhaltung von Sein oder Werden nun verdeutlichen anhand einiger Beispiele.

    Der elementare Beitrag jeder Reaktion, die aus einer entsprechende Aktion folgt, lässt sich anhand physikalischer Vorgänge besonders plastisch hervorheben. Werfen wir dazu einen Blick auf das 3. Newtonsche Gesetz⁷, das als Actio und Reactio das Wechselwirkungsprinzip zwischen Kräften beschreibt. Jede Kraft, die ein Körper A auf einen anderen Körper B ausübt (Actio), wirkt mit der gleichen Kraft von Körper B auf Körper A zurück (Reactio). Jede Kraft unterliegt dem Wechselwirkungsprinzip. Sie wirkt auf sich selbst zurück oder ist sich selbst entgegen gerichtet. Das Resultat der Wechselwirkung zwischen einer beliebigen Anzahl sich selbst entgegen gerichteter Kräfte ist also eine gegenseitige Ergänzung durch Gegensätzlichkeit.

    Die Gleichgewichtskraft eines beliebigen Körpers (Körper X) ist also ein Produkt sämtlicher Kräfte, die sich in Summe durch ihre Gegensätzlichkeit aufheben und somit Körper X im Gleichgewicht halten.

    Das Antagonistische, wie die gesetzmäßige Actio-Reactio nahelegt, ist hier nicht nur Ausgleichendes, Neutralisierendes oder Hemmendes mittels Zerstörung, sondern hat auch eine ordnende, wie schützende und erhaltende Funktion. Folglich findet jede Möglichkeit von Wirkung ihre Grenzen im Rahmen einer notwendigen Bedingung, der sie zugrunde liegt. Eine Kraft kann sich weder unbegrenzt noch unendlich verstärken, ohne sich selbst zu zerstören bzw. selbst zu regulieren. Jede aktivierte oder aktive Kraft, die wiederum das Gegenwirkende, Rückwirkende oder schlicht Reaktive aktiviert, indem sie ihre eigene Substanz überschreitet, vernichtet sich letztlich auch selbst. Jedes wirkende Selbst ist auch ein rückwirkendes Selbst, da seine Wirkung an seine Ursache (systemische Anfangs- und Randbedingungen) rückgekoppelt ist. Dieser negative Rückkopplungseffekt ist physikalisch gesetzt, da jede richtungsweisende Kraft via Wechselwirkungsprinzip immer nur funktionaler Teil der inneren-äußeren Konstruktion eines beliebigen Systems ist und sein kann. Die Obergrenze jedes Möglichen (Selbstverstärkung oder Optimierung) findet sich in einer notwendigen Untergrenze (Selbstregulierung), auf der sie zwangsläufig agiert. Die Limits jedes Möglichen sind dessen notwendige Grundlagen. Keine Wirkung kann über seine eigene Bedingung (Ursache) hinaus, ohne sich hiermit selbst zu regulieren. Die notwendigen Limits jedes Möglichen stecken also in einem Reaktiven, das dessen Ursache besetzt hält und hiermit Mögliches erst hervorbringt.

    (Wir werden auf diesen fundamentalen Zusammenhang von Ursache und Wirkung noch detailliert eingehen. Siehe Kapitel 4.2 sowie Kapitel 5.1 und 5.2.)

    Betrachten wir jetzt direkt das rück- und gegenwirkende bzw. antagonistische Prinzip in jedem prozesshaften Selbstmachenden und dessen Selbstlassendem (Natur).

    Die rücktreibende Kraft, die jedem Pendelausschlag vordergründig entgegenwirkt, ist hintergründiger Teil der vorantreibenden Kraft. Das Gegenwirkende ist hier ebenso ein Indikator wie konstruktives Moment für Veränderung, Neuordnung und Entwicklung mittels Rückführung in ein Gleichgewicht (Nullstellung⁸).

    Jeder Effekt von Niedergang, Zerfall, Zersetzung oder Zerstörung ist ausnahmslos im Effekt von Aufbau, Wachstum, Ausdehnung und Vermehrung angelegt. Selbst das Chaos, das mit der Zerstörung von Bestehendem einhergeht, entspricht dem inneren Ordnungsprinzip von Zeit, wobei jede Entwicklung auf die Umsetzung eines aktuellen Optimums an Möglichkeiten verweist. Die zeitliche Entwicklung sämtlicher Dinge, Ereignisse und Phänomene verordnet jede Möglichkeit von Entstehung in den Rahmen einer finalen Notwendigkeit. Emergenz ist nur möglich, da das Selbstlassende, d.h. die Vernichtung, Auflösung bzw. Zerstörung sämtlicher Dinge, Ereignisse oder Phänomene notwendig ist. Erst die Festlegung systemischer Limits ermöglicht überhaupt die Präsenz ‚formhafter‘ Struktur. Ein Unendliches ist hierbei ausgeschlossen, da alles, was strukturell überhaupt existiert und existieren kann, allein nur durch seine finiten Limits wirkt. Eine Struktur, die aktuelle Wirkung aussagt und zugleich selbst unendlich wirkt ist somit ausgeschlossen.

    (Notwendigkeit ist in dieser Welt eine Grundlage, die Dinge erst ermöglicht. Optimiert sich eine Möglichkeit über ihre notwendige Grundlage erfolgt ihre unvermeidliche Einschränkung.)

    Jedes offenkundige oder vordergründige ‚Gegen‘ ist somit tatsächlich ein zwangsläufiges oder hintergründiges ‚Mit‘ sowie ein abstraktes Zusammenwirken. Das scheinbare Gegeneinander ist also immer ein oktroyiertes Miteinander, das jedes duale Konzept überwindet. Was dem Inneren entgegensteht, also messbaren Widerstand und Reibung erzeugt, ist das Komplementäre, das sich ins Gegenteil überträgt. Dies gilt grundsätzlich für jede Naturbetrachtung⁹.

    Ist jedes x-beliebige innere Element eines x-beliebigen Systems kein Teil eines Äußeren, kann es nicht temporär bestehen. Was miteinander in Kontakt tritt, interagiert auch miteinander, ganz gleich auf welcher Ebene. Folglich wirkt es stets auf sich selbst zurück und führt gänzlich intrinsisch (aus sich selbst heraus) zu effektiven Veränderungsprozessen.

    Wir kommen zum letzten Aspekt, den das vordergründig destruktive Element des Antagonismus indirekt aussagt oder vorwegnimmt: Entwicklung.

    Entwicklung via Veränderung oder Transformation sind immer Folge einer aktuellen Interaktion innerer und äußerer Elemente (System-Umgebung), die sich funktional übertragen. Da der Modus der Abfolge dieser Interaktion in den Ober- und Untergrenzen, Anfangs- und Randbedingungen von Systemen und ihrer Umgebung festgelegt ist, zeigen sich Ein- und Ausgang jeder aktuellen Interaktion im sichtbaren Effekt ihrer Gegensätzlichkeit¹⁰.

    Das Gleiche gilt auf kategorischer Ebene. Das Mögliche trägt das Notwendige immer in sich selbst. Daher wird jedes Mögliche auch bedingt und folglich begrenzt von seiner notwendigen Grundlage. Die Bedingung jedes Möglichen findet sich daher in seiner substantiellen Ober- wie Untergrenze. Die Bedingung jeder Entstehung und dessen Ausdehnung oder Wachstun sind dessen zeitlicher Zerfall und Vergehen.

    (Das Temporale, das im Notwendigen steckt und Teil jeder Wirkung ist, reguliert die Umkehrprozesse des Möglichen. Kein Sein und keine Existenz in der Natur ohne Limits. Und ebenso keine Entwicklung oder kein Werden mittels Veränderungen, wie finite Zustände sie verdeutlichen. Allein die Notwenigkeit eines Selbstlassenden ist die Möglichkeit eines Selbstmachendes. Dies gilt für sämtliche aktuellen Erscheinungen, Dinge oder Systeme.

    Die Konsequenzen, die sich hieraus ableiten lassen sind ebenso umfassend und unübertrefflich wie unvermeidlich. Im menschlichen Kontext zeigt sich dieser Übergang zwischen einem Finalen, Veränderlichen und faktischer Veränderung in jeder emotionalen Erfahrung von Schmerz und Verlust, Trauer und notwendigem Neuanfang. Das zweckmäßige Loslassen von Bestehendem ist also ebenso unerlässlicher Teil sämtlicher finiter Dinge, wie vollendeter Tatsachen. Wir werden dieses zweckmäßige Loslassen, seine Bedingung und die ebenso erforderliche Haltung der Hinnahme im 5. Kapitel detailliert betrachten.)

    1.2 Die Entstehung der Absicht

    Zur Hervorhebung der Differenzen zwischen dem funktionalen Selbstzweck von Natur und einem menschlichen Bedeutungsdenken¹¹ unterteilen wir an dieser Stelle zwischen Basalem und Fiktivem. Ersteres definiert generell das Selbstmachende wie Selbstlassende natürlicher wie vorsatzloser Abläufe, die menschliches Bedeutungsdenken nicht berücksichtigen. Zweites dagegen generell die menschlich-kognitive und vorsätzliche Deutung wie Auslegung natürlicher wie vorsatzloser Abläufe, die das Selbstmachende wie Selbstlassende hiermit kognitiv beugt bzw. semantisch anordnet. (Basale Fakten sind für die menschliche Emotion und die Konstruktion ihrer subjektiven Welt sekundär bis nichtig.)

    Basales

    Wir öffnen den Blick für das Verhältnis/Missverhältnis von menschlicher Kognition und natürlichen Limits. Unsere Kommunikationsfähigkeit mit der Natur hat ebenso ihre Limits wie der innere Monolog über die Ursache unseres Selbstbewusstseins oder die Ursache von Natur.

    Wie Menschen ticken, welche Kriterien und Motive wir situativ für unsere Entscheidungen, Handlungen und Verhaltensweisen heranziehen, lässt sich nie weder exakt bestimmen noch voraussagen. Jeder Versuch der Ursachenbestimmung für menschliche Entscheidungen, Handlungen und Verhaltensweisen kann nur bei vagen Annäherung bleiben.

    Mensch sein ist bereits ein ebenso komplexes System, wie dessen Wechselwirkungen mit anderen Menschen die Ursachenbestimmung menschlicher Entscheidungen, Handlungen und Verhaltensweisen weiter verkomplizieren. Zusätzliche Faktoren wie Umgebung und Situation machen die Frage nach zureichenden Gründen für jeweilige menschliche Verhaltensweisen nahezu unlösbar.

    Da sämtliche Beobachtung und Erfahrung menschlicher Kognition selbst Teil der inneren-äußeren Konstruktion (Mensch-Umgebung) sind, schließen sich eindeutige Schlussfolgerungen und finale Erkenntnisse hier aus. Die Phänomenologie¹² bietet uns lediglich Anschauungsmaterial über die Abweichungen menschlicher Selbstbetrachtung, die Wahrnehmung der Umgebung sowie natürlicher Prozesse, die dort stattfinden. Einer der Schlüssel für menschliches Verhalten liegt zweifellos in der Intentionalität (Vorsätzlichkeit/Sinnhaftigkeit). Hier konstruiert die menschliche Kognition die Welt, also eigene Person und Umgebung nach ihren selbstreferenziellen (selbstverfassten) Erfindungen (Fiktionen).

    Absicht (Vorsätzlichkeit/Sinnhaftigkeit) ist das unveränderliche wie nachweisliche Phänomen der mentalen Querverbindung von Glaube, Sinn und Bedeutung, die erst durch gemeinsame Wirkung Angst, Zweifel und Bedeutungslosigkeit der eigenen Existenz verdrängen.

    Das Unfassbare kann zwar vorgestellt, aber ohne konkreten Begriff nicht konzeptualisiert werden. Gibt man ihm dagegen einen konkreten Begriff, kann man es auch konzeptualisieren, da man Vorstellungen semantisch besetzt und das Unfassbare als ein Absolutes deklariert. Anders: der Begriff (Name) eines Unfassbaren (bspw. Gott) ist der verdinglichte Begriff (Name) der Angst. Wird die Angst benannt, kann sie auch mittels Fiktion (Symbolen, Ritualen, Verhaltenskodizes) kanalisiert und manipuliert, also vereinnahmt und praktisch genutzt werden - primär zu einer verstärkten Selbstüberhebung, sowie zu deren Legitimation (Berechtigung).

    Fiktives

    Es ist immer die menschlichen Fabel einer Selbstüberhebung, sprich ‚Erfindung von Bedeutung‘, die über eine aktuelle Selbsterhaltung hinausweist und die Legitimation zur vorsätzlichen Existenz liefert. Denn Bedeutung lässt sich hier auffassen als die Legitimation menschlicher Eingriffe in natürliche Prozesse, die natürliche Endlichkeiten/Limits wiederum vorsätzlich negieren.

    Die menschliche Negation natürlicher Endlichkeiten/Limits entspringt einer menschlichen Kognition, die Sachverhalte, Tatsachen und Fakten vor allem zwecks Selbstoptimierung semantisch auslegt (umdeutet, verkürzt, verdrängt oder ignoriert) und in einen Zusammenhang stellt, der eine selbstverfasste Fiktion ‚vorstellt‘. Exakt hier entstehen menschliche Vorstellung¹³, Erwartungs- und Anspruchskategorien, die über die rationale Sicherung einer aktuellen Selbsterhaltung hinaustreten.

    (Ein kurzer und vorausgreifender Einschub, den wir im Textverlauf noch eingehend erörtern. - Die menschliche Fiktion der Bedeutung generiert sich de facto aus der Illusion menschlicher Emotion Menschen benötigen zu ihrer Lebensfähigkeit (Sinn, Glauben) eine stetige externe Resonanz, sprich Selbst-Bestätigung und

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