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Gone with the Heat 2: Für immer und ewig ?
Gone with the Heat 2: Für immer und ewig ?
Gone with the Heat 2: Für immer und ewig ?
eBook409 Seiten5 Stunden

Gone with the Heat 2: Für immer und ewig ?

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Über dieses E-Book

Was wäre wenn? Dieser Frage hat Paul versucht immer aus dem Weg zu gehen. Nun ist seine Jugendliebe Dale wieder in sein Leben getreten und es ist an der Zeit, zu sich selbst zu stehen. Während seine Tochter Colleen versucht, den Spagat zu meistern, sich um ihre Mutter zu kümmern und Verständnis für ihren Vater aufzubringen, entwickelt sich ein völlig neues Verhältnis zwischen ihm und seinem Enkel Aidan.
Dieser lernt zum einen seinen leiblichen Vater und dessen Kultur kennen, zum anderen führt ein unfreiwilliger Pärchenurlaub ihn, seinen Freund Arjun, seinen ehemaligen Schwarm Vince und dessen Freund Stan nach Indien. Die Reise entwickelt sich schnell zur Bewährungsprobe für die junge Liebe.
Währenddessen stellt sich die Frage, wie und ob Dale und Paul an ihre damalige Liebe anknüpfen können. Beide haben viel erlebt und völlig gegensätzliche Leben geführt. Gibt es die beiden Jungs noch, die sich vor so vielen Jahren trotz aller Widerstände ineinander verliebt haben oder müssen sie einsehen, dass sie die Zeit nicht zurückdrehen können?
Während Aidan und sein Großvater schließlich Freunde werden, fällt es Colleen immer schwerer, mit der Veränderung ihres Vaters umzugehen.
SpracheDeutsch
HerausgeberHimmelstürmer
Erscheinungsdatum16. Aug. 2020
ISBN9783863618384
Gone with the Heat 2: Für immer und ewig ?
Autor

Katarina Jensen

Katarina wurde im Sommer ´85 in Brunsbüttel in der Nähe von Hamburg geboren. Sie hat als Kind die Liebe zum geschriebenen Wort entdeckt und gelesen, seit sie ein Buch halten konnte. Ihr größter Traum seit Kindheitstagen, ist es, selbst Bücher zu veröffentlichen. Heute lebt sie mit zwei Katern und einer Kaninchendame in Itzehoe, ist als Buchbloggerin im LGBTQ+ Bereich unterwegs und zeichnet/malt gerne in ihrer Freizeit.

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    Buchvorschau

    Gone with the Heat 2 - Katarina Jensen

    Bisher erschienen:

    Gone with the heat 1 Damals und heute Frühjahr 2020

    ISBN 978-3-86361-804-9 Auch als Ebook

    Katarina Jensen

    wurde im Sommer ´85 in Brunsbüttel in der Nähe von Hamburg geboren.

    Sie hat als Kind die Liebe zum geschriebenen Wort entdeckt und gelesen, seit sie ein Buch halten konnte. Ihr größter Traum seit Kindheitstagen, ist es, selbst Bücher zu veröffentlichen. Heute lebt sie mit zwei Katern und einer Kaninchendame in Itzehoe, ist als Buchbloggerin im LGBTQ+ Bereich unterwegs und zeichnet/malt gerne in ihrer Freizeit.

    Jacqueline Schiesser:

    Geboren wurde sie am 02. Januar 1987 in Ingolstadt als Kind mit Migrationshintergrund. Sie ist ausgebildete und freischaffende Schauspielerin in München, wo sie mit ihrer langjährigen Partnerin und dem gemeinsamen Hündchen lebt.

    Selbst würde sie sich als 1,50m geballte Lebens- und Schaffensfreude bezeichnen und wenn sie ihre Kreativität nicht ausleben könnte, würde sie wohl eingehen.

    Ihre Liebe zur Literatur hat sie früh geprägt und indem sie nun selbst schreibt, erfüllt sie sich einen lang gehegten Traum.

    http://www.instagram.com/kohlbananapudding

    Himmelstürmer Verlag, part of Production House, 31619 Binnen

    www.himmelstuermer.de

    E-Mail: info@himmelstuermer.de

    Originalausgabe, September 2020

    © Production House GmbH

    Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages.

    Zuwiderhandeln wird strafrechtlich verfolgt

    Rechtschreibung nach Duden, 24. Auflage

    Coverfotos: istock.com. Fotos Rückseite:  Jensen/Schiesser

    Umschlaggestaltung:  Olaf Welling, Grafik-Designer AGD, Hamburg. www.olafwelling.de – nach einem Entwurf von Katarina Jensen

    ISBN print 978-3-86361-804-9

    ISBN e-pub 978-3-86361-805-6

    ISBN pdf 978-3-86361-806-3

    Alle hier beschriebenen Personen und alle Begebenheiten sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist nicht beabsichtigt. Außerdem beinhaltet die Geschichte homophobe Äußerungen und körperliche Gewalt.

    Katarina Jensen

    Jacqueline Schiesser

    Gone with the Heat 2

    Für immer und ewig?

    3__Seite_Himmelstuermer_Verlag-Logo_25mm_H.jpg

    Handelnde Personen

    Die Robbins

    Colleen Francis Robbins, geb. Reynolds, 36

    Colleen ist die Mutter von Aidan und verheiratet mit ihrem besten Jugendfreund Clint. Sie führen eine offene Beziehung, da sie nicht aus Liebe geheiratet haben. Ihr fällt es mit am schwersten, mit gewissen Veränderungen in ihrer Familie umzugehen.

    Clint Randall Robbins, 35

    Ehemann von Colleen und Ziehvater von Aidan. Er ist der ruhige Pol, den die Familie und vor allem seine oft hitzige Frau brauchen. Dass Aidan nun seinen leiblichen Vater kennenlernen soll, macht ihm zu schaffen.

    Aidan Buford Robbins, 16

    Zu Beginn schwärmt Aidan für Vince, einen Schüler aus seiner Theater AG. Später verliebt er sich in Arjun Bhatt, dessen indisch stämmige Familie von Boston nach Macon zieht. Mit seinem Coming-out und dem Treffen mit Dale Harper Mathis auf der Comic Con wirbelt er viel Staub in seiner Familiengeschichte auf.

    Die Reynolds

    Elizabeth ‚Liz‘ Marie Reynolds, geb. Holden, 56

    Liz ist Colleens Mutter und Aidans Großmutter. Sie hat zunächst eine sehr konservative Ansicht, erweitert aber im Laufe der Geschichte ihren Horizont. Sie ist das Herz und die Seele der Familie.

    Paul Charles Reynolds, 57

    Aidans Großvater, ein einst streng konservativer und kalter Mann, dessen grundlegende Veränderung die Familie auf den Kopf stellt.

    Andere Charaktere

    Dale Harper Mathis, 58

    Der Autor von Aidans Lieblingsroman lebt in San Francisco, wo er als Sozialarbeiter tätig ist.

    Arjun Bhatt, 16

    Neu an Aidans Schule erweckt er schnell Aidans Aufmerksamkeit. Nachdem sie ein Paar geworden sind, wollen sie nun ihre Beziehung festigen.

    Vince, 18

    Vince entwickelt sich von Aidans ursprünglichem Schwarm zu einem guten Freund. Er führt mittlerweile eine Beziehung zu Stan.

    Zusammenfassung Band 1

    Dem fünfzehnjährigen Aidan wurde auf der Comic Con in San Diego von seinem Kumpel Vince das Herz gebrochen. Dieser Umstand führte dazu, dass er Dale Harper Mathis traf, den Autoren seines Lieblingsromans Gone with the Heat. Zurück in seiner Heimatstadt Macon erfährt er schließlich die Wahrheit über seine eigene Abstammung, die mit einem hässlichen Geheimnis einhergeht. Nun versteht er gerade die Ablehnung durch seinen engstirnigen und distanzierten Großvater. Als eben dieser schließlich in die Welt von Gone with the Heat eintaucht, breitet sich die Liebesgeschichte des Redneckjungen Heath und Will, der aus gutsituierten Verhältnissen stammt, vor ihm aus. Die beiden Jungs begegnen sich im Sommer `79 und versuchen ihre Liebe in einem Umfeld zu leben, in dem gleichgeschlechtliche Liebe moralisch verpönt und gesetzlich verboten ist. Inwiefern sich sein Leben daraufhin in kurzer Zeit verändern wird, war Aidan nicht klar. Er verliebt sich in Arjun, einen Jungen aus seiner Theater AG, entdeckt Zusammenhänge, die er sich nicht hätte träumen lassen und bereitet sich am Ende von Band 1 darauf vor, seinen leiblichen Vater kennenzulernen. Sein Großvater sieht sich währenddessen auch gezwungen, sein Leben gründlich auf den Kopf zu stellen. Ob die Familie mit den ihnen bevorstehenden Änderungen zurechtkommen wird?

    Seoul

    Zu Anfang hatte Aidan gut darüber nachgedacht, wie er seine Bitte seinen Eltern gegenüber formulieren sollte. Ihm war klar gewesen, dass eine Reise nach Südkorea nicht billig sein würde. Aber in dem Brief, den sein Dad ihm vor ein paar Tagen lächelnd in die Hand gedrückt hatte, nachdem er mit der morgendlichen Zeitung unter dem Arm in die Küche gekommen war, stand ausdrücklich, dass Lee sich freuen würde, seinen Sohn kennenzulernen, dass er ihn einlud, eine Weile zu sich und seiner Familie nach Seoul zu kommen. Aidans Eltern sollten sich keine Sorgen machen, da Lee gerne bereit wäre, sämtliche Kosten seines Aufenthalts zu decken. Das alles erzählte Aidan nun auch Clint und Colleen, die ihm gerade während des Abendessens gegenübersaßen.

    „Und deswegen hab‘ ich mir überlegt, dass wir die Geschenke, die ihr mir dieses Jahr zu Weihnachten gekauft habt, zurückgeben und ich stattdessen vielleicht nach Seoul fliegen könnte. Also wäre es nur der Flug." Kurz hielt er seinen Atem an, presste seine Lippen aufeinander und plapperte dann direkt weiter. „Es gibt welche, die gar nicht so teuer sind. Mit Aufenthalt in Paris oder Amsterdam oder so."

    Seine Mom weitete die Augen.

    „Hast du eine Ahnung, wie lange du dann unterwegs wärst?"

    Aidan seufzte. Er wusste es. Wenn er einen Zwischenstopp einlegte, war er locker einen ganzen Tag lang unterwegs.

    Seine Eltern tauschten einen vielsagenden Blick, woraufhin seine Mom lächelte. „Natürlich sollst du nach Seoul fliegen. Ausgerechnet über die Feiertage dürfte es schwierig sein, noch einen guten Flug zu kriegen. Lass uns doch einfach mal gucken."

    Schließlich buchten seine Eltern gegen Aidans ausdrücklichen Protest einen Direktflug von Atlanta nach Seoul, der so teuer gewesen ist, dass Aidan blass wurde und sich der Anflug eines schlechten Gewissens regte.

    „Das kann ja auch zusätzlich noch mein nächstes Geburtstagsgeschenk sein?", schlug er deswegen kleinlaut vor, doch seine Eltern lächelten und schüttelten die Köpfe.

    „Mach‘ dir nicht zu viele Gedanken. Sicher legen deine Großeltern noch was mit drauf. Und dann bekommst du das von uns allen zu Weihnachten."

    Dieser Umstand ließ Aidan lächeln. Das Verhältnis zu seinem Großvater hatte sich unglaublich verändert, seit dieser sich ihm anvertraut und er wiederum das Treffen mit Dale Mathis organisiert hatte. Es war nicht gerade ein typisches Opa-Enkelkind-Verhältnis, denn dieser Zug war abgefahren, aber mit einem Mal gab es da dieses gegenseitige Verständnis, eine Vertrauensbasis, und Paul, wie Aidan seinen Großvater innerlich nun meistens nannte, war wie ein älterer, reiferer, bester Freund geworden. Gleichzeitig ließ sich Paul von seinem Enkel neue Sichtweisen eröffnen. Aidan war sich sicher, dass sein Grandpa glücklich darüber wäre, wenn er nach Seoul fliegen und Lee kennenlernen würde, denn damit könnten auch Selbstvorwürfe und das schlechte Gewissen für Paul endlich abgehakt werden.

    Als Aidan nach seinem fünfzehn Stunden Direktflug am Flughafen Seoul Incheon ankam, war er seinen Eltern mehr als dankbar dafür, dass sie ihm eine längere und dafür günstigere Reiseroute ausgeredet hatten. Aufgrund der Zeitverschiebung war es jetzt kurz nach fünf Uhr abends am Tag nach seinem Abflug. Er passierte sämtliche Kontrollen, war erleichtert, als er seine beiden Koffer direkt auf dem Band sah, und machte sich umgehend auf den Weg aus dem Sicherheitsbereich. Ursprünglich hatte er nur einen Koffer mitnehmen wollen, aber bei den vielen Gastgeschenken, die er mitnahm, war er doch dankbar für die zwei Koffer Regelung von Delta Airlines. Als er schließlich die Schranke passierte, sah er sich angespannt um und sofort stachen ihm zwei Personen ins Auge: Ein Mann mit pechschwarzem seidigem Haar und Gesichtszügen, die denen von Aidan so ähnlich waren, dass es keinen Zweifel geben konnte, wer er war, und ein höchstens elf oder zwölf Jahre altes Mädchen mit denselben dunklen Haaren, welche sie lang bis über die Schulter trug. Sie war so hübsch, dass Aidan bei ihrem Anblick ein wenig der Mund aufklappte. Es war sofort klar, um wen es sich bei den beiden handelte, weil sie einen großen, vermutlich mit Helium gefüllten, Folienballon bei sich trugen, der wie die amerikanische Flagge aussah. Um sämtliche Restzweifel auszumerzen trug der Mann ein Schild, auf dem Aidans Name stand. Sein Herz schlug in dem Moment bis zum Hals und er musste erst einmal durchatmen, um auf die beiden Personen zugehen zu können.

    Als sie letztlich voreinander standen, sahen Vater und Sohn sich in die Augen und plötzlich lagen sie sich in den Armen. Aidan merkte erst, dass er weinte, als ein Schluchzen ihn schüttelte, und Lee verstärkte seine Umarmung. Schließlich lösten sie sich und beide wischten sich das Gesicht trocken.

    Lee räusperte sich und meinte auf Englisch mit starkem Akzent: „Willkommen in Seoul. Das ist deine Halbschwester Hyun-Jae."

    Aidan lächelte das Mädchen an, welches die Geste schüchtern erwiderte, jedoch keinerlei Anstalten machte, ihn freundlicher zu begrüßen.

    „Sie spricht noch kaum Englisch und sie ist sehr aufgeregt, dich kennenzulernen", meinte Lee lächelnd und sprach das Mädchen auf Koreanisch an.

    Aidan, der die Sprache noch nie zuvor wirklich gehört hatte, war begeistert. Das Mädchen nickte und er sah, dass ihre Wangen sich rot verfärbten. Das wiederum ließ Aidan noch breiter lächeln, diese Angewohnheit schien in der Familie zu liegen.

    Während der Fahrt erklärte Lee ihm, dass Seoul in insgesamt fünfundzwanzig Stadtbezirke unterteilt war. Lee und seine Familie lebten unweit von seinen Eltern entfernt in Seocho-gu, was direkt neben dem durch das Lied bekannt gewordenen Gangnam-gu lag. Es war ein schönes Viertel und weil sein Vater früher als Politiker aktiv war und jetzt als Schönheitschirurg sehr gut verdiente, führte seine Familie dort ein angenehmes Leben. Hyun-Jae ging ganz in der Nähe auf die renommierte Korea Foreign School. Aidan staunte nicht schlecht, als er all das hörte. Ihm war klar gewesen, dass eine arme Familie sich wohl kein Austauschjahr für ihren Sohn hätte leisten können, doch wenn er das so hörte, dann fragte er sich unwillkürlich, ob sein Großvater damals gewusst hatte, was für eine wohlhabende Schwiegerfamilie ihm da für seine Tochter durch die Lappen gegangen war. Vermutlich nicht. Auch von seiner Mutter war nie etwas dergleichen erwähnt worden und so vermutete er, dass Lee nicht mit dem Wohlstand seiner Familie geprahlt hatte.

    Im Auto fiel ihm schließlich ein, dass seine Eltern sicherlich schon ungeduldig auf eine Nachricht von ihm warteten, um zu erfahren, ob mit ihm alles in Ordnung war und er sicher gelandet ist. Da es in Georgia momentan mitten in der Nacht war, schrieb er eine WhatsApp Nachricht, die auch sofort gelesen wurde. Er schmunzelte. Vermutlich würde seine Mutter jetzt erst schlafen gehen.

    Seoul war selbst durch die Scheibe eines Autos hindurch überwältigend. Ihm war bewusst, dass es für asiatische Verhältnisse eine eher kleinere Metropole war, aber er hatte nachgelesen, dass hier allein im eigentlichen Stadtgebiet über neun Millionen Menschen lebten. Die glänzenden Hochhäuser, die breiten Straßen. Er hatte stets gedacht, Atlanta wäre eine Großstadt, aber er musste sich eingestehen, dass dem im Vergleich zu Seoul nicht so war. Er fühlte sich fast ein wenig eingeschüchtert und war froh, hier mit Einheimischen unterwegs zu sein, denn sonst wäre er sicherlich verloren gegangen.

    Irgendwann hielt der Wagen auf dem Parkplatz vor einem Gebäude, in dessen ersten Stockwerk sich Wohnungen und im Erdgeschoss ein Blumenladen befanden.

    Nachdem Lee den Wagen auf dem Stellplatz in der dazugehörigen Tiefgarage abgestellt hatte, fühlte Aidan ein aufgeregtes Flattern in der Magengegend. Sicher würde er nun die Ehefrau seines Vaters kennenlernen und er hatte ein wenig Bammel davor, wie diese auf den unehelichen Sohn ihres Mannes reagieren würde.

    Doch seine Sorge war völlig unberechtigt. Erstens sprach Lees Frau Ji-yeon hervorragendes Englisch, was daran lag, dass sie als junges Mädchen auf einer internationalen Privatschule gewesen war und sogar einige Jahre eine Schule in London besuchte. Zweitens schien sie mindestens so aufgeregt wie er selbst zu sein und nach einer etwas unbeholfenen Begrüßung von beiden Seiten machte sie sich daran, ein gut riechendes Essen aufzutischen, während Aidan sich eilig ein wenig frisch machen konnte.

    Als sie dann gemeinsam am Tisch saßen, entstand ein angenehmes und lockeres Gespräch, bei dem Aidan zunächst vor allem Fragen über das Leben der Familie stellte. Um seine jüngere Schwester nicht außen vor zu lassen, übersetzten die Eltern permanent zwischen Englisch und Koreanisch hin und her, was für Aidan ziemlich spannend war. Da er sein Leben lang ausschließlich mit Englisch aufgewachsen war, faszinierte Aidan der mühelose Wechsel zwischen den Sprachen. Außerdem versuchte er sich auszumalen, wie es gewesen wäre, selbst mit Koreanisch als zweiter Muttersprache aufzuwachsen. Er stellte einige Fragen zu ihrer Kultur und sie erklärten ihm, sie wären Buddhisten, während er wiederum davon erzählte, dass er mit dem Christentum aufgewachsen war.

    „Deine Mutter und ich waren zusammen einige Male in Kirchen, aber auch in buddhistischen Tempeln, erinnerte Lee sich mit einem Lächeln. „Sie war sehr aufgeschlossen und wir haben viel über Religion, über Wiedergeburt und solche Dinge gesprochen.

    Aidan strahlte über das ganze Gesicht, denn er fand es interessant, etwas über seine Mutter zu erfahren, die Lee damals kennengelernt hatte.

    Schließlich räusperte Aidan sich ein wenig unsicher und sah zwischen seinem Vater und dessen Frau hin und her: „Ich habe ja geschrieben, dass ich dieses Jahr erst die Wahrheit über dich erfahren habe. Außerdem hatte ich Angst, dass ich vielleicht Probleme schaffe, wenn ich mich jetzt einfach so melde." Obwohl die Suppe vor ihm lecker schmeckte, hatte er vor Nervosität kurz aufgehört zu essen. Doch die Hausherrin selbst war es, die nun lächelnd den Kopf schüttelte.

    „Lee hat nie ein Geheimnis um dich gemacht. Oder um seine Vergangenheit mit Colleen. Als wir uns kennenlernten, waren einige Jahre vergangen."

    Sein Vater selbst übernahm nun das Wort. „Ich habe deine Mutter geliebt und war wütend, als alles so unschön zu Ende ging. Aber damit konnte ich leben …" Er brach ab und ein Zittern lief über seine Züge. Dann wandte er den Blick ab.

    Wieder war es Ji-yeon, die einsprang: „Dich zu verlieren, darunter hat er am meisten gelitten. Er hat immer wieder über dich gesprochen." Kurzerhand stand sie auf und holte ein kleines Fotoalbum aus einem Regal hervor. Es war in schwarzes Leder gebunden und sie reichte es Aidan.

    Er schlug es auf und musste schlucken. Zu allererst war dort ein Bild von Lee und Colleen. Beide jung, verliebt und in der typischen Mode der frühen Zweitausender gekleidet. Es gab ein paar Bilder auf Partys und von Ausflügen. Dann war dort ein Ultraschallbild und als er umblätterte, wurden seine Augen groß, denn es gab einige Babyfotos von ihm.

    „Deine Mutter hat mir kurz nach deiner Geburt ein paar Bilder geschickt", meinte Lee leise und mit belegter Stimme. Auch hatte er Aidans Geburtsanzeige aus einer Zeitung geschnitten und in das Album geklebt. Noch einmal blätterte Aidan um und als er nun das aktuelle Bild darin kleben sah, das er mit seinem Brief zusammen geschickt hatte, bildete sich ein Kloß in seinem Hals und er blinzelte eilig ein paar Tränen weg. Sein Vater räusperte sich, schien etwas sagen zu wollen, aber nicht zu können. Also atmete Aidan tief ein und aus.

    „Wir haben viel Zeit verloren, aber wir können neue Erinnerungen schaffen." Er lächelte und Hyun-Jae, seine kleine Schwester, war es, die das Lächeln zuerst erwiderte. Dann legte er das Buch weg und widmete sich lieber wieder seiner Suppe.

    „Das schmeckt richtig lecker. Ich will nicht, dass es kalt wird." Nun war es Ji-yeon, die lächelte, und auch die anderen machten sich wieder daran, zu essen.

    „Freut mich, dass es dir schmeckt. Ich koche nämlich ausschließlich Koreanisch. Sonst hätten wir ein Problem bekommen."

    Aidan lachte und schüttelte den Kopf. „Ich werde zuhause wohl nie wieder so gut Koreanisch essen können." Nun lachte seine neu gewonnene Familie und sie unterhielten sich darüber, dass es immer enttäuschend war, wenn man als Fremder in einem anderen Land vermeintlich so essen wollte, wie man es von zu Hause gewöhnt war, da die Gerichte schließlich immer dem Geschmack der dort lebenden Menschen angepasst wurden. Von da an entwickelte sich das Gespräch während des zweiten Ganges ganz allgemein zu unterschiedlichen Kulturen hin und Aidan fühlte sich pudelwohl, während er Lee und Ji-yeon dabei zuhörte, wie sie erzählten, in welche Teile der Welt sie bereits gereist waren.

    „Und du, Aidan, wo warst du schon?", wollte Lee wissen.

    Aidan schüttelte seufzend den Kopf. „Eigentlich bin ich zum ersten Mal auf nicht-amerikanischem Boden. Die USA sind natürlich riesig und bieten so viel. Wir waren ein paar Mal im Urlaub auf Hawaii oder Skifahren in den Hamptons. Dann gibt es die ganzen Nationalparks und so weiter. Also, ich bin schon viel gereist, aber eben noch nie zuvor im Ausland gewesen. Aber … Er stockte und spürte, dass er rot wurde. „… naja, ich würde gerne nach Indien reisen.

    Sein Vater machte große Augen. „Wieso ausgerechnet Indien?"

    Aidans Herz fing an zu pochen und seine Wangen wurden heiß, während ihm der Schweiß ausbrach. „Ähm, naja, mein Freund ist gebürtiger Inder."

    Kurz herrschte ein leicht verwirrtes Schweigen am Tisch. Dann schien die Erkenntnis zu den beiden Erwachsenen durchzudringen und sie tauschten einen überraschten Blick. Währenddessen konnte Aidan das Rauschen seines eigenen Blutes in den Ohren hören. Er hatte sich absolut keine Gedanken darüber gemacht, wie sein Outing hier ankommen könnte, bis es plötzlich so weit gewesen war. Nun fiel ihm ein, dass er schließlich keinerlei Ahnung von der südkoreanischen Gesellschaft hatte und nicht einschätzen konnte, ob diese Worte die zerbrechlichen Bande zu seiner neuen Verwandtschaft direkt kappen würden.

    Lee nahm einen Schluck Wasser und räusperte sich dann. „Ji-yeon und ich sind sehr aufgeschlossen, aber das Thema ist hier oft noch sehr schwierig."

    Aidan entkam ein leises Lachen, das die Anspannung etwas löste. „In Georgia auch."

    Lee sah skeptisch aus und wählte seine nächsten Worte mit Bedacht. „Das mag sein, aber ich würde dir einfach raten, das Thema nicht unbedingt vor meinen Eltern oder so anzusprechen. Sie würden nichts sagen, dazu wären sie zu höflich, aber es ist noch ein absolutes Tabuthema. Es ist nicht illegal, aber es gibt zum Beispiel keine eingetragenen Partnerschaften und im Militär kann man dafür sogar immer noch bestraft werden. Ist nur ein gut gemeinter Ratschlag."

    Aidan nickte. Er war nicht hier, um einen Feldzug für Gleichstellung zu starten, sondern wollte lediglich seinen Vater kennenlernen.

    „Tut mir leid", meinte er.

    Lee nickte und wandte sich dann wieder seinem Essen zu. Kurz war es still am Tisch und die Stimmung eindeutig etwas abgeflaut. Es war Lee, der schließlich wieder das Wort ergriff und Aidan erklärte, was er alles mit ihm vorhatte. In der Stadt gab es viele Sehenswürdigkeiten und da er nun zu Besuch war, wollte die Familie sogar ein kleines Weihnachtsfest planen.

    Die Stimmung hob sich nun wieder mühelos und Aidan meinte: „Dann bekommt ihr eure Gastgeschenke an Weihnachten." Er grinste und seine Gastgeber lächelten breit.

    „Wir haben auch etwas für dich. Wir könnten die Geschenke ja am Weihnachtsmorgen austauschen. Ganz Amerikanisch sozusagen."

    Damit waren alle einverstanden und schließlich erhoben sie sich. Während die Erwachsenen abräumten, gähnte Aidan tief, wobei er sich noch eilig die Hand vor den Mund hielt. Der Zeitunterschied und die lange Reise machten sich nun doch bemerkbar.

    „Geh ruhig zu Bett. Du kannst gerne noch duschen, wenn du möchtest. Wir haben einige aufregende Tage vor uns", meinte Lee und Aidan verabschiedete sich dankbar in Richtung Gästezimmer.

    Erklärungen

    Colleen saß in ihrem Wagen und hielt die Augen geschlossen, während ihr Hinterkopf an der Kopfstütze ruhte. Noch hatte sie keine Ahnung, wie sie das Gespräch mit ihrem Vater anfangen sollte, geschweige denn, wie es verlaufen würde. Ihre Mutter hatte gestern Abend völlig aufgelöst vor ihrer Tür gestanden und was sie ihr erzählt hatte, war wie ein Tsunami über sie hereingebrochen. Ihre Mutter war schließlich nach zwei Gläsern Scotch völlig erschöpft zu Bett gegangen und Colleen hatte die Nacht damit verbracht, Gone with the Heat zu lesen. Clint hatte sie schließlich heute Morgen aufgelöst und übernächtigt im Wohnzimmer vorgefunden.

    Ihr allererster Impuls war es gewesen, ihrem Vater die Hölle heiß zu machen. Wie hatte er es wagen können, sie alle dermaßen anzulügen und zu täuschen? Und vor allem, von ihr zu erwarten, was er selbst hatte durchmachen müssen, nämlich, aus Vernunft heiraten und sich gegen die große Liebe zu entscheiden? Doch ihr Mann und zugleich bester Freund hatte ihr eine heiße Dusche und einen starken Kaffee verordnet und die Wut war einer Mischung aus Verständnis, Mitleid, Verwirrung und Überforderung gewichen. Nun musste sie mit ihrem Vater sprechen, seine Version, seine Beweggründe erfahren, um zu entscheiden, wie sie mit der Situation umgehen wollte.

    Morgen war Heiligabend und auch wenn sie sich damit abgefunden hatte, dass ihr Sohn nicht hier sein würde, war sie nicht darauf vorbereitet, sich nun mit diesem riesigen emotionalen Chaos zu befassen. Liz und Clint waren dabei, das Haus der Robbins weihnachtlich zu schmücken, und so hatte Colleen sich dazu bereit erklärt, die restlichen Feiertagseinkäufe zu erledigen, um im Anschluss bei ihrem Vater vorbei zu schauen. Schließlich öffnete sie die Augen, atmete tief durch und nahm sich vor, so unvoreingenommen wie möglich in dieses Gespräch zu gehen. Sie stieg aus, lief den Rest der Auffahrt entlang und klingelte schließlich, während sie versuchte, ihre Nerven zu beruhigen, indem sie konzentriert ein- und ausatmete.

    Als sich die Tür öffnete, musste sie schlucken. Offenbar hatte auch ihr Vater eine furchtbare Nacht hinter sich. Er war blass und die ansonsten tadellose, strenge Aura war verschwunden. Statt souverän und sogar einschüchternd zu wirken, wirkte er müde. Dennoch war sein Bart perfekt getrimmt und sein Haar saß wie immer. Vermutlich war es wohltuend für ihn gewesen, nach einer solchen Nacht seiner üblichen Morgenroutine nachzugehen. Doch vor allem verblüffte sie die Wahl seiner Kleidung. Sie hätte nicht sagen können, wann sie Paul zuletzt in einer Jeans gesehen hatte, doch heute trug er eine. Dazu hatte er sich für den weinroten Kaschmirpullover entschieden, welchen er öfter trug. Alles in allem schien sein Äußeres seinen Gemütszustand widerzuspiegeln. Zum einen standen ihm große Veränderungen bevor, die ihm sicherlich Angst machten, zum anderen war es, als würde er sich gerade deswegen unbewusst an Vertrautes klammern.

    Für einen kurzen Moment waren sie einander gegenübergestanden, unsicher, was sie sagen oder tun sollten, dann lächelte ihr Vater müde und auch Colleen erwiderte sein Lächeln.

    „Hey, schlimme Nacht?", fragte sie leise, aber mit unverhohlener Zärtlichkeit in der Stimme, die sie selbst verblüffte.

    Paul nickte und trat beiseite, um sie hereinzulassen. Während ihr Vater ihnen einen Kaffee aufsetzte, sah Colleen sich im Wohnzimmer und dem Salon um. In der Nähe des noch nackten Tannenbaums standen Kisten mit unzähligen Christbaumkugeln und dem in vielen Jahren zusammengetragenen anderweitigen Schmuck, von Lichterketten bis Engelshaar. Außerdem gab es zarte Porzellanfiguren, sowohl für den Baum, als auch, um den Rest des Hauses damit zu dekorieren. Sie ging zu einer der Kisten und nahm ein herrlich bemaltes Schaukelpferd heraus, welches schon immer eine besondere Bedeutung für sie hatte. Plötzlich hatte sie einen Kloß im Hals, während sie ihre elegante Mutter vor sich sah, wie sie liebevoll alles an den perfekten Stellen platzierte und somit ein weihnachtliches Wunderland entstehen ließ. Sie räusperte sich, als Paul zurückkam, nahm den Kaffee entgegen und stellte die Tasse auf einem Fensterbrett ab.

    „Wir sollten den Baum schmücken, meinst du nicht?"

    Paul runzelte die Stirn, zuckte dann aber mit den Schultern. Gemeinsam machten sie sich daran, die Lichterkette anzubringen, während beide nach Worten suchten, um das unvermeidbare Gespräch anzufangen.

    „Wie geht es deiner Mutter?", fragte Paul schließlich, während Colleen die Lichterkette mit Strom versorgte, um sich davon zu überzeugen, dass auch wirklich alle Lichter funktionierten – was sie taten.

    Colleen seufzte und zuckte nun ihrerseits mit den Schultern. „Den Umständen entsprechend, nehme ich an. Sie hat sich in die Weihnachtsvorbereitungen bei uns gestürzt und redet kaum."

    Paul schluckte, schien aber nicht zu wissen, was er sagen sollte.

    „Ich habe heute Nacht das Buch gelesen", versuchte Colleen nun auf den Kern der Thematik zu sprechen zu kommen.

    „Hm", Paul räusperte sich und schien noch eine Spur kleiner zu werden. Schon in der Pubertät hatte Colleen ihren Vater um fast einen halben Kopf überragt und mittlerweile waren noch ein paar Zentimeter dazu gekommen.

    „Ist das alles so passiert?" Ihre Stimme wurde fordernder und ungeduldiger. Kurz presste sie ihre Lippen zusammen und mahnte sich selbst zur Ruhe, aber sie merkte, wie ihr Puls sich beschleunigte.

    „Nun, Dale hat ein bisschen was dazu geschrieben oder auch einige Dinge aus Unwissenheit weggelassen. Aber ja, so in etwa ist es passiert."

    Colleen seufzte und strich sich ihre Haare aus der Stirn. „Warum hast du uns nie etwas erzählt? Vierzig Jahre … Dad! Vierzig!" Es überraschte sie selbst, wie schnell ihr Körper bei dem Thema von Null auf Hundert zu gehen schien, denn auf einmal pochte ihr Herz hart gegen ihre Rippen, weswegen sie anfing, die Kisten mit den Kugeln zu öffnen. Sie musste sich ablenken, denn, wenn sie sich zu sehr auf ihren Vater konzentrierte, würde sie eventuell die Beherrschung verlieren.

    Paul hatte sich mit seiner Kaffeetasse gegen die Fensterbank gelehnt, doch noch bevor er antworten konnte, fragte Colleen: „Rot und Gold oder Blau und Silber?"

    Verwirrung machte sich kurz auf dem Gesicht ihres Vaters breit, doch als sie in Richtung der Kugeln deutete, verstand er, worauf sie hinauswollte. Er schluckte. „Ist mir ehrlich gesagt egal. Entscheide du."

    Sie wusste natürlich, dass es im Moment kaum unwichtiger hätte sein können, welches Farbthema, sie für den Baum wählte, aber dass ihr Vater in diesem Moment meinte, es wäre ihm egal, traf einen unerwartet empfindlichen Nerv. Sie schluckte und wandte sich zu den Kugeln, da sie auf einmal mit den Tränen kämpfen musste. Fast willkürlich griff sie nach den roten Kugeln, den Lieblingskugeln ihrer Mutter.

    „Hast du Mom je geliebt?" Die Frage war heraus, ehe Colleen sich davon abhalten konnte, aber immerhin war ihre Stimme leise, obwohl in ihrem Inneren ein Sturm der Emotionen tobte. Als Paul nicht antwortete, schluckte sie und wandte sich dann zu ihm um. So einfach würde sie nicht lockerlassen, denn sie brauchte diese Antworten. Diese Wahrheit über ihren Vater zu wissen, löste in ihr das Gefühl aus, all die Jahre eine Lüge gelebt zu haben. Nicht zuletzt riss es alte Wunden bezüglich ihrer Beziehung zu Lee auf. Gerade ihr Vater hätte sie doch besser als jeder andere verstehen müssen.

    „Ich liebe deine Mutter. Sie ist eine großartige Frau und ein noch besserer Mensch. Aber ich habe es in all den Jahren nicht geschafft, sie so zu lieben und zu begehren, wie sie es verdient hätte. Sie war mehr meine beste Freundin, als meine Ehefrau. Pauls Stimme war leise. „Aber ich habe das von mir weggeschoben. Je länger wir verheiratet waren, desto einfacher wurde es. Schließlich ist es normal, dass eine Ehe nicht ewig frisch und aufregend sein kann. Erst mit dem Lesen des Buchs wurde ich aufgerüttelt und musste mir selbst eingestehen, wie sehr ich mir selbst all die Jahre etwas vorgemacht habe.

    „Und mich?" Wieder presste sie ihre Lippen zusammen, denn ihre Stimme zitterte. Nun erwiderte ihr Vater ihren Blick und dieses kühle, strenge Gesicht, das sie so gut kannte, nahm auf einmal einen weichen Zug an.

    „Dich habe ich mehr geliebt als irgendjemanden sonst. Ich habe viele Fehler in meinem Leben gemacht, für die ich mich schäme. Dich jedoch als Tochter zu haben, hat mich immer mit Stolz erfüllt. Jede Minute, jede Sekunde deines Lebens habe ich dich geliebt. Du bist mit Abstand das Beste in meinem Leben."

    Der Kloß in Colleens Hals wurde immer größer und sie hatte Mühe, ihn runterzuschlucken. Außerdem sammelten sich Tränen in ihren Augen, die sie eilig fortblinzelte. Die Liebe, die sie für ihren Vater empfand, hatte sich nicht verändert. Ein Teil von ihr wollte in diesem Moment nichts lieber, als Paul zu umarmen, doch so einfach war es nicht. Sie hatte nach wie vor eine rote Kugel in der Hand und angelte nun nach einem Häkchen, um die erste Kugel des Jahres an den Baum zu hängen. Währenddessen schossen ihr unzählige Bilder durch den Kopf, Impressionen aus all den Weihnachten zuvor, die sie in ihrem Elternhaus verbracht hatte. Die bis jetzt sorgsam unterdrückte Wut drohte sich wieder ihren Weg zu bahnen, jetzt, da die drängendste Frage nach der Liebe ihres Vaters geklärt war.

    „Und du hast diesen Dale geliebt?" Ihre Stimme klang bemerkenswert klar und nüchtern. Es war seit jeher typisch für sie, stark, unbeugsam und unverletzbar aufzutreten. Meist ging das auch gut, außer jemand überspannte den Bogen, dann lief sie Gefahr hochzugehen, wie ein Feuerwerkskörper. Dies irritierte Außenstehende oft, weil es für sie wie aus dem Nichts kam und dementsprechend unangebracht wirkte. Dies war eine Schwäche, an der sie schon länger arbeitete, mal mit besseren, mal mit schlechteren Resultaten.

    Ihr Vater war stumm geblieben und sie konnte sich vorstellen, dass diese Frage alte Wunden aufriss, doch sie war momentan nicht sonderlich in der Stimmung, Rücksicht auf seine Befindlichkeiten zu nehmen. Er schuldete ihnen allen diese Ehrlichkeit.

    Schließlich seufzte er und meinte mit einem kleinen Lächeln: „Ja, es war der beste Sommer, den ich je erleben durfte."

    „Hat es danach andere Männer gegeben?" Sie wusste, dass sie hart klang, und, dass sie gleichzeitig eine Grenze überschritt. Wenn überhaupt schuldete er diese Antworten ihrer Mutter, aber sicher nicht seiner Tochter. Aber sie konnte nicht anders. In ihrer Brust tobte es, weswegen sie froh darum war, ihre Hände beschäftigen zu können,

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