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Gone with the heat: Damals und Heute
Gone with the heat: Damals und Heute
Gone with the heat: Damals und Heute
eBook330 Seiten4 Stunden

Gone with the heat: Damals und Heute

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Über dieses E-Book

Aidan ist 15 Jahre alt, schwul und lebt in den konservativen Südstaaten der USA, in Georgia.
Er fühlt sich in seiner Familie geliebt, doch er weiß, dass es ein Geheimnis um seine Herkunft gibt. Außerdem ist da der kühle und distanzierte Großvater, der prinzipiell so tut, als gäbe es den Jungen nicht.
Aidan ist in seinen besten Freund verliebt und beide gehören zur Fangemeinde eines Werks namens Gone with the Heat. Das Buch, dessen Titel an das große Südstaatenepos erinnern soll, wurde vor ein paar Jahrzehnten schon einmal veröffentlicht - fand damals aber kaum Anklang. Jetzt wurde die Liebesgeschichte zwischen einem Jungen aus gutem Hause und einem Redneckbiker - die zu einer Zeit spielt, in der Homosexualität in Georgia noch strafbar war - erneut veröffentlicht und hat eingeschlagen wie eine Bombe.
Der eigentlich schüchterne Aidan findet durch die Geschichte über die verbotene Liebe den Mut, seine Familie dazu zu drängen, ihm die Wahrheit über seine Herkunft zu erzählen und sie mit seiner Sexualität zu konfrontieren. Die Reaktionen fallen sehr unterschiedlich aus und Aidan drückt seinem Großvater seine Ausgabe von Gone with the Heat in die Hand, in der Hoffnung, in dem alten Mann das Verständnis zu wecken, dass Liebe niemals falsch sein kann.
Während das Leben für Aidan anschließend normal weitergeht, entfaltet sich für den Leser die tragisch-schöne Geschichte von Will und Heath in Gone with the Heat.
Im Sommer 1979 lernen sich die beiden in einer Bikerbar kennen, in die der sonst so schüchterne Will seine beste Freundin begleitet hat. Trotz aller vermeintlicher Unterschiede finden er und der Redneck schnell Gemeinsamkeiten und verlieben sich ineinander. Doch in einer Gesellschaft, in der ihre Liebe sowohl aus rechtlicher als auch aus moralischer Sicht verboten ist, sehen sie sich von vornherein mit allerlei Hindernissen konfrontiert.
Der Leser begleitet nicht nur unterschiedliche junge Männer in verschiedenen Lebenssituation auf ihrem Weg zu sich selbst, sondern erlebt mit, wie die Konfrontation mit unbequemen Wahrheiten alles durcheinanderwirbeln und für immer verändern kann.
Gone with the Heat ist Vieles, zwei Coming-of-age Stories in einem, Familiensaga und eine Liebesgeschichte. Aber vor allem wird hier der Mut zu sich selbst zu stehen, Liebe und Wahrheit gefeiert.
SpracheDeutsch
HerausgeberHimmelstürmer
Erscheinungsdatum13. Jan. 2020
ISBN9783863618056
Gone with the heat: Damals und Heute
Autor

Katarina Jensen

Katarina wurde im Sommer ´85 in Brunsbüttel in der Nähe von Hamburg geboren. Sie hat als Kind die Liebe zum geschriebenen Wort entdeckt und gelesen, seit sie ein Buch halten konnte. Ihr größter Traum seit Kindheitstagen, ist es, selbst Bücher zu veröffentlichen. Heute lebt sie mit zwei Katern und einer Kaninchendame in Itzehoe, ist als Buchbloggerin im LGBTQ+ Bereich unterwegs und zeichnet/malt gerne in ihrer Freizeit.

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    Buchvorschau

    Gone with the heat - Katarina Jensen

    Katarina Jensen

    wurde im Sommer ´85 in Brunsbüttel in der Nähe von Hamburg geboren.

    Sie hat als Kind die Liebe zum geschriebenen Wort entdeckt und gelesen, seit sie ein Buch halten konnte. Ihr größter Traum seit Kindheitstagen, ist es, selbst Bücher zu veröffentlichen.

    Heute lebt sie mit zwei Katern und einer Kaninchendame in Itzehoe, ist als Buchbloggerin im LGBTQ+ Bereich unterwegs und zeichnet/malt gerne in ihrer Freizeit.

    Jacqueline Schiesser:

    Geboren wurde sie am 02. Januar 1987 in Ingolstadt als Kind mit Migrationshintergrund. Sie ist ausgebildete und freischaffende Schauspielerin in München, wo sie mit ihrer langjährigen Partnerin und dem gemeinsamen Hündchen lebt.

    Selbst würde sie sich als 1,50m geballte Lebens- und Schaffensfreude bezeichnen und wenn sie ihre Kreativität nicht ausleben könnte, würde sie wohl eingehen.

    Ihre Liebe zur Literatur hat sie früh geprägt und indem sie nun selbst schreibt, erfüllt sie sich einen lang gehegten Traum.

    http://www.instagram.com/kohlbananapudding

    Himmelstürmer Verlag, part of Production House, 31619 Binnen

    www.himmelstuermer.de

    E-Mail: info@himmelstuermer.de

    Originalausgabe, Februar 2020

    © Production House GmbH

    Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages.

    Zuwiderhandeln wird strafrechtlich verfolgt

    Rechtschreibung nach Duden, 24. Auflage

    Coverfotos: istock.com. Fotos Rückseite:  Jensen/Schiesser

    Umschlaggestaltung:

    Olaf Welling, Grafik-Designer AGD, Hamburg. www.olafwelling.de – nach einem Entwurf von Katarina Jensen

    ISBN print 978-3-86361-804-9

    ISBN e-pub 978-3-86361-805-6

    ISBN pdf 978-3-86361-806-3

    Alle hier beschriebenen Personen und alle Begebenheiten sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist nicht beabsichtigt. Außerdem beinhaltet die Geschichte homophobe Äußerungen und körperliche Gewalt.

    Katarina Jensen

    Jacqueline Schiesser

    Gone with the Heat

    Damals und Heute

    Teil I

    2019

    Aidan

    „Ich weiß echt nicht, ob wir das machen sollen, hauchte Heath, während sein Mund staubtrocken wurde und er Will in seine unglaublichen, blauen Augen sah. „Was, wenn dein Dad nach Hause kommt? Heaths Brust hob und senkte sich schnell, als er Will dabei beobachtete, wie dieser sich auf seinen Schoß schob und die Finger, etwas ungeschickt, unter sein Shirt gleiten ließ. Die warme Haut von Will auf seiner eigenen zu fühlen, ließ Heath einen angenehmen Schauer über seinen Rücken laufen."

    Das Tippen auf der Tastatur war das einzige Geräusch in Aidans Zimmer. Es war kurz nach drei Uhr morgens und da seine Eltern, im Gegensatz zu dem Fünfzehnjährigen, keine Sommerferien hatten, schliefen sie tief und fest. Aidan Robbins hingegen versuchte sich zum ersten Mal als Autor einer Fanfiction, was bedeutete, dass er sich die Figuren aus einem bereits veröffentlichen Werk, in seinem Fall einem Buch, auslieh und sie in einer Geschichte agieren ließ, die er sich ausgedacht hatte.

    Er lag bäuchlings auf seinem Bett, schrieb auf dem Laptop und eine leere Dose Chips, sowie eine halb ausgetrunkene Flasche Coke, standen daneben auf seinem Nachttisch.

    Es war jetzt zwei Tage her, dass er das Buch Gone with the Heat verschlungen hatte. Der Titel war eine Anspielung auf das berühmte Südstaatendrama, denn auch die Liebesgeschichte zwischen Heath und Will spielte im Süden. Genau genommen hier im Bundesstaat Georgia.

    Aidan hatte sich erst vor kurzem getraut, sich auf einem Forum für LGBTQ+-Jugendliche anzumelden und war dort auf Buch- und Filmempfehlungen gestoßen. GWTH, wie Fans den Titel von Gone with the Heat abkürzten, schien eine ungeheuer große Fanbase zu haben. Hauptsächlich innerhalb der Community, aber scheinbar ging der Hype mittlerweile über diese hinaus.

    Seine Augen brannten und fielen immer wieder zu. Selbst wenn er weiterhin gegen den Schlaf ankämpfte, war es ausgeschlossen, dass er sich weiterhin aufs Schreiben konzentrieren konnte. Also klappte er sein Notebook zu und gähnte, während er sich streckte, um im Anschluss seine müden Augen zu reiben.

    Am nächsten Morgen spürte er die Auswirkungen seiner nächtlichen Schreiboffensive in den Knochen. Aidan war hundemüde und gähnte herzhaft, als seine Mutter ihm gerade einen Teller mit Grits reichen wollte. Sie hielt inne, hob eine Augenbraue und meinte: „Vergisst du nicht etwas?"

    Eilig legte er seine Hand auf den Mund und brachte seine Müdigkeit ein weiteres Mal zum Ausdruck.

    „Entschuldigung, Ma’am", meinte er im Anschluss breit grinsend. Seine Mom schüttelte den Kopf und stellte den Teller vor ihm ab.

    „Du denkst daran, dass wir heute Abend zum Essen bei deinen Großeltern eingeladen sind?"

    Aidan rollte mit den Augen und seine Mom seufzte. „Ich weiß, dass du keine Lust hast, aber tu’s deiner Gammie zuliebe."

    „Sie ist auch nicht das Problem", grummelte Aidan, als er anfing zu essen. Seine Mutter presste kurz die Lippen zusammen und er wusste, dass sie eigentlich vermeiden wollte über seinen Großvater zu reden. Es war kein angenehmes Thema, für niemanden in der Familie.

    Paul Charles Reynolds war ein schlanker und kultivierter Mann. Er wirkte auf Aidan stets kühl und würdigte ihn meist keines Blickes. Als Kind hatte Aidan unter dem Verhalten seines Großvaters gelitten. Das lag vor allem daran, dass er damals nicht verstehen konnte, worauf Pauls distanziertes Verhalten zurückzuführen war.

    Jetzt war Aidan kein Kind mehr und wenn er heute in den Spiegel sah, dann ahnte er, dass es Wahrheiten über seine Familie gab, die mit der resoluten Konsequenz wertkonservativer Südstaatler unausgesprochen blieben. Demnach wurden gewisse Probleme und Thematiken nicht angesprochen und ausdiskutiert, sondern mit beeindruckender Sturheit ignoriert. In der Hoffnung, sie würden in einem vertretbaren Rahmen bleiben.

    Nach außen hin, schien Aidans Familie makellos zu sein und alles darzustellen, was vor allem im Süden nach wie vor als intakte amerikanische Familie galt. Sie waren angesehene Mitglieder ihrer Kirchengemeinde und in den richtigen gesellschaftlichen Kreisen wurden ihre Namen stets mit Respekt und häufig in Verbindung mit großzügigen Spenden erwähnt.

    Aidans Großeltern waren ein elegantes, glücklich verheiratetes und sehr wohlhabendes Paar Ende Fünfzig. Seine Eltern: beide beruflich sehr erfolgreich, attraktiv und Ende Dreißig. Selbstverständlich schien gerade Aidan als einziger Sohn der einzigen Tochter seiner Großeltern viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Doch er blieb innerhalb der Gemeinde höflich distanziert und versuchte, so wenig Gesprächsstoff wie möglich zu liefern.

    Er hörte immer wieder wie ältere Damen aus der Gemeinde hinter vorgehaltener Hand sagten, es wäre eine Schande, dass Gott den Reynolds, seinen Großeltern, mehr Kinder und Enkel versagt habe. Dann wurden die Stimmen meist leiser und fingen an, Gerüchte über Aidans Familie zu verbreiten. Und auch wenn sich das Meiste davon schnell als hanebüchener Unsinn herausstellte, so war auch den Klatschmäulern eine Sache an Aidan nicht entgangen.

    „Nun wenigstens scheint der Junge soweit ganz gut geraten zu sein."

    „Ja schon, aber seinem Vater sieht er nicht gerade ähnlich."

    „Wirst du dein Plappermaul im Zaum halten!"

    „Naja, aber das ist doch auffällig. Sieh dir mal seine Augen genau an!"

    „Schluss jetzt! Versündige dich nicht weiter."

    Niemand aus seiner Familie ging auf die Gerüchte und das Gerede ein. Doch die abschätzigen Blicke und die übertriebene Aufmerksamkeit auf alles, was die Reynolds und die Robbins betraf, belastete vor allem Aidan sehr.

    Aidan hatte aufgegessen, stand auf und räumte sein benutztes Geschirr in die Spülmaschine. Währenddessen machte seine Mutter sich fertig, um zu ihrer Schicht als Leiterin der städtischen Jugendstrafanstalt aufzubrechen.

    „Dein Dad holt dich um sechs Uhr ab und wir treffen uns dann bei Gammie!", rief sie noch, als sie aus der Tür eilte. Nachdem seine Mom gegangen war, griff Aidan sich eine Packung Oreos und goss sich ein Glas Milch ein. Mit dem Proviant bewaffnet ging es zurück in sein Zimmer, um an seiner Fan Fiction weiter zu schreiben.

    „Klar fliegen wir da hin!" Aidan sah in Vinces leuchtende Augen und spürte ein aufgeregtes Flattern im Bauch. Dennoch konnte er sich seiner Begeisterung gerade nicht anschließen. Sein Kumpel war am späten Nachmittag plötzlich unangekündigt vor der Tür gestanden.

    Vince und er gingen auf dieselbe High School. Allerdings kannte Aidan, der im nächsten Schuljahr als Sophomore erst in die zehnte Klasse kommen würde, den älteren Senior lediglich aus der Theater AG. Sie hatten letztes Jahr sehr erfolgreich ein Stück aufgeführt, in dem sämtliche Paare aus großen Shakespeare Stücken und deren Dramen in einer modernen Schule inszeniert worden waren. Während Aidan als melancholischer Romeo aufgetreten war, hatte Vince einen ziemlich feurigen und machohaften Petruchio gegeben.

    Privat war Vince witzig, extrovertiert und ein Mensch, den einfach jeder mochte. Vor allem aber sah er, in Aidans Augen, verdammt gut aus! Und dass Vince mit ihm Zeit verbringen wollte, konnte der oft schüchterne Teenager kaum verstehen.

    Wirklich befreundet waren sie dennoch erst seit kurzem. Aidan hatte allein an einem Tisch in der Cafeteria der Schule gesessen. Während des Mittagessens las er in GWTH, als Vince sich unerwartet zu ihm setzte. Er schielte ins Buch und fing an, genau die Stelle zu rezitieren, die Aidan gerade gelesen hatte. Schnell stellte sich heraus, dass das Buch nur der Anfang einer langen Liste von Gemeinsamkeiten darstellte und sie fingen an, sich auch außerhalb der Schule zu treffen.

    Gerade saßen sie auf Aidans Bett und starrten gemeinsam auf das Display von Vinces Smartphone. Die Panels der diesjährigen ComicCon in San Diego waren gerade online gegangen und beide Jungs waren aus dem Häuschen.

    „Ernsthaft, Mann, der Autor von GWTH wird da sein! Und sie stellen auch den Cast für die Verfilmung vor!"

    Aidan runzelte die Stirn. „Ich will ja zur ComicCon, aber meine Eltern werden mich im Leben nie allein nach San Diego fliegen lassen!" Und die pure Vorstellung davon, dass seine Mom die beiden auf solch ein Event begleiten würde, war schlichtweg inakzeptabel.

    „Was soll denn schon groß passieren? Wir könnten bei meinem Onkel und meiner Tante übernachten. Bestimmt holen sie uns sogar vom Flughafen ab und zur Con fahren wir dann halt mit dem Taxi."

    Das klang alles plausibel und Aidan wollte unbedingt dorthin. Nicht nur, weil er den Autor gerne getroffen hätte und das Ganze erleben wollte. Die Vorstellung, mit Vince auf diesen Trip zu gehen und so viel Zeit mit ihm zu verbringen, war am verlockendsten.

    „Ich frag meine Eltern", gab er klein bei.

    „Wir können nicht warten, bis du sie gefragt hast. Der Kartenverkauf geht in einer Stunde los. Wir müssen uns da direkt einloggen, sonst haben wir gar keine Chance auf Tickets."

    Aidan seufzte, denn Vince hatte Recht.

    „Und womit willst du zahlen?"

    „Meine Mom hat mir extra die Nummer von ihrer Kreditkarte gegeben."

    Vince öffnete die Homepage und sie sahen sich die Preise an. Aidan war mit seinen fünfzehn Jahren noch jung genug für den Juniorpreis. Sie brauchten nur zwei Ein-Tages-Tickets für den Samstag, denn da würde das große GWTH Special stattfinden. Also holte Aidan schon mal Bargeld aus seiner Spardose, das er Vince in die Hand drückte. Eigentlich war das Geld für einen Notfall gedacht. Wenn er daran dachte, wie seine Eltern reagieren würden, wenn er ihnen beichten musste, dass er sie vor vollendete Tatsachen stellte, wurde ihm ganz flau im Magen. Aber Aidan konnte nicht Nein sagen. Wenn er jemals eine Chance bei Vince haben würde, dann sicher in San Diego!

    Beide Jungs bereiteten alles vor. Vince meldete sich auf der Seite an und dann hieß es abzuwarten, bis der Verkauf endlich losging.

    Um die Zeit totzuschlagen, versuchte Aidan weiter mit Vince zu quatschen. „Ich bin echt gespannt wie der Autor so ist!"

    „Er hat das Buch ja in den Achtzigern schon mal veröffentlicht, aber da hat sich kaum jemand an solch ein Thema herangetraut. Ein kleiner Spartenverlag in San Francisco hat es dann doch gewagt, wenn auch nur in einer ganz geringen Auflagenzahl. Jetzt wurde es sozusagen neu entdeckt."

    Anders als Aidan war Vince selbst an der Schule geoutet und das mit einer lässigen Coolness, die Aidan schwer beeindruckte. Er hätte bisher nicht mitbekommen, dass jemand es wagen würde, Vince wegen seiner Sexualität aufzuziehen. Aidan hatte ihn damals auf der Premierenfeier ihres Stückes, die mit großen Pizzen, Softdrinks und anderen Snacks im Garten ihres Drama Lehrers Mr. McGraw gefeiert worden war, ein wenig schüchtern auf sein Outing angesprochen. Er wollte wissen, wie Vince es schaffte, so locker mit seiner Offenheit anderen gegenüber umzugehen und ob er dadurch keine Probleme hätte. Vince hatte als Antwort zuerst mit den Schultern gezuckt.

    „Klar, bekomme ich auch ab und zu einen dummen Spruch zu hören. Aber erstens, nicht von Leuten, auf deren Meinung ich Wert lege und zweitens, meist in Situationen, in denen jemand wegen irgendeiner Sache sauer ist und deswegen verbal unter die Gürtellinie geht. Das sagt doch nur etwas über die anderen aus, nicht über mich!"

    Die Aussage von Vince beeindruckte Aidan nachhaltig und er nahm sich vor, es im nächsten Schuljahr auch mit etwas mehr Selbstbewusstsein und Offenheit zu versuchen. Aber das war immer leichter gesagt als getan.

    Schließlich war es soweit. Der Verkauf ging los und sie landeten prompt in der Warteschlange mit tausend anderen Fans, die hinter ihren Bildschirmen angespannt zitterten und hofften, an Karten zu kommen. Die Minuten zogen sich wie Kaugummi, bis beide erlöst wurden und zumindest zu der Maske geleitet wurden, in welcher die nötigen Informationen auszufüllen waren.

    „Warte, bevor du es abschickst! Aidans Hände waren ganz nass vor Aufregung. „Hast du wirklich den Samstag gewählt?

    „Ja, verdammt! Da steht’s doch!" Vince schnaubte genervt.

    „Okay, und einmal den Juniorpreis?"

    „Jap!"

    „Okay, Aidan nickte und wagte kaum zu atmen, „dann schick es jetzt ab!

    Vince tat wie geheißen und … dann passierte nichts.

    „Oh mein Gott! Bitte sag jetzt nicht, die Seite ist zusammengebrochen!"

    „Muss ja wohl! Scheiße! Lad sie nochmal neu!"

    „Oh Gott, es passiert einfach gar nichts!"

    Vince blieb noch einigermaßen ruhig, während Aidan kurz vor einem Herzinfarkt stand.

    Und dann endlich

    „Es hat geklappt!"

    „Was, ernsthaft?!" Aidans Herz raste.

    „Ja, sieh doch!"

    „Oh mein Gott! Guck gleich mal in deine E-Mails."

    Vince öffnete seinen E-Mail Account und tatsächlich war auch schon die Bestätigungsmail eingegangen.

    Beide Jungs saßen da und Aidans Herz polterte in seiner Brust, bis er schließlich tief durchatmete. Beide konnten es noch gar nicht richtig glauben, doch Erleichterung und Euphorie drangen langsam zu ihnen durch.

    „Wir fliegen zur ComicCon!", rief Vince begeistert.

    Das versetzte Aidan einen Dämpfer und er räusperte sich. „Ich muss immer noch meine Eltern fragen!"

    Vince grinste breit, denn ihm konnte gerade nichts die Stimmung verderben. „Ach, das wird schon werden!"

    Aidan wünschte sich, so zuversichtlich sein zu können wie Vince.

    „Nein. Und das ist mein letztes Wort!" Colleen Robbins sah ihren Sohn nicht an, während ihre Hände sich um das Lenkrad ihres Wagens schlossen.

    „Aber Mom!", versuchte Aidan es ein wenig verzweifelt.

    „Aidan Buford, wenn ich jetzt noch ein weiteres Wort über San Diego höre, dann werde ich heute noch den Boden mit deinem Gesicht aufwischen und ihn mit deinem Hintern trocknen!"

    Aidan rollte mit den Augen und blickte aus dem Fenster. Er hatte seine Mutter schnellstmöglich auf die Convention ansprechen wollen und so war er nach dem Abendessen bei seinen Großeltern mit ihr statt mit seinem Vater nach Hause gefahren. Aidan war klug genug, den Umstand, dass sie die Tickets bereits hatten, vorerst für sich zu behalten. Er wollte sich langsam an das Thema herantasten und nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Denn seine Mutter war in jeder Hinsicht eine typische Südstaatenmama. Sie war äußerst liebevoll, versah alles, was ihm gehörte, mit seinen Initialen und konnte einen Bananenpudding machen, von dem Aidan nachts träumte. Aber sie machte auch zweifellos klar, wann sie genug von etwas hatte. Dafür gab es zwei deutliche Signale: Erstens, die Verwendung seines zweiten Vornamens. Und zweitens, Drohungen, die sie zwar niemals umsetzen würde, aber so selbstsicher vorgetragen waren, dass man sie nicht anzweifelte – und die im Nachhinein betrachtet meist lustig, aber in der Situation selbst doch sehr irritierend waren.

    Seine persönlichen Highlights waren im Laufe seiner Kindheit gewesen: „Hör auf zu heulen oder ich gebe dir einen Grund zum Heulen!, „Wenn du nicht aufhörst, bring ich dich um und sag Gott, du wärst weggelaufen, sodass nicht mal er dich suchen wird! oder „Ich habe dich in diese Welt gebracht und kann dich auch wieder aus ihr hinausbefördern."

    Während der restlichen Fahrt wagte er es demnach nicht, das Thema noch einmal aufzugreifen.

    Der Abend bei seinen Großeltern war ziemlich genauso verlaufen, wie Aidan es erwartet hatte.

    Der Duft des leckeren Essens seiner Gammie hatte ihm bereits umweht, als er aus dem Auto gestiegen war und, wie so oft, war er mit den Küssen seiner Großmutter überschüttet worden, noch ehe er das Haus betreten konnte. Aidans Mom kam etwas verspätet, sodass sein Dad und sein Großvater zunächst mit einem Whiskey in den Garten gegangen waren, um sich dort über die aktuelle Politik und die Arbeit von Aidans Vater als Rechtsanwalt auszutauschen.

    Währenddessen hatte Aidan mit Dolly, der acht Jahre alten Yorkshire Terrier Hündin seiner Großmutter, auf dem Sofa geschmust und von Gammie ein schönes, kaltes Glas mit süßem Tee bekommen.

    Das Essen selbst stand ganz im Zeichen des bevorstehenden Frühstücks für Obdachlose im Gemeindezentrum der Kirche. Die Erwachsenen sprachen sich ab, was sie jeweils beisteuern würden. Sowohl Aidans Gammie als auch seine Mom würden vor Ort den anderen Freiwilligen unter die Arme greifen.

    Als Nachspeise präsentierte Liz, Aidans Großmutter, ihren leckeren Pecan-Nuss-Kuchen, von dem nach dem Essen noch so viel übriggeblieben war, dass ihnen für den nächsten Tag noch welcher mitgegeben werden konnte. Nachdem alle gesättigt waren, wurde sich auch schon wieder verabschiedet. In all der Zeit sprach Aidans Großvater genau ein einziges Mal über ihn („Denkt ihr nicht, ihr solltet den Jungen auch bei dem Frühstück einplanen?"), als wäre Aidan gar nicht anwesend und sonst schenkte er ihm keinerlei Aufmerksamkeit. Wie immer.

    Wieder zu Hause angekommen, zog Aidan sich sofort auf sein Zimmer zurück und knallte mit der Tür, um seinem Frust Ausdruck zu verleihen.

    „Hey, in diesem Haus wird nicht mit den Türen geknallt!", hörte er die Stimme seiner Mutter. Aber er ignorierte sie. Er war wütend, weil sie ihn nicht nach San Diego fliegen lassen wollte. Sie verstand einfach nicht, wie wichtig das für ihn war. Hierbei ging es ihm nicht nur darum, seinen neuen Lieblingsautor zu treffen, er fühlte sich auch um die Chance beraubt, Vince endlich näherkommen zu können.

    Noch in seinen Klamotten schmiss er sich aufs Bett und nahm sein Handy um seinem Kumpel eine Nachricht zu schicken.

    Verdammt. Keine Chance. Meine Mom lässt mich nie zur Con!

    Soll ich mit ihr reden? Nein, ernsthaft. Sie kennt mich ja gar nicht. Vielleicht kann ich sie beruhigen?

    Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte und sein Handy piepte direkt wieder.

    Haben doch nichts zu verlieren. Entweder ich kann sie umstimmen oder nicht!

    Aidan schluckte, atmete tief ein und aus, dann antwortete er.

    Na schön. Komm doch morgen zum Abendessen. Um halb sieben.

    Alles klar. Bis dann.

    „Mom, kann Vince heute Abend zum Essen kommen?"

    Während des Frühstücks war es bis jetzt totenstill gewesen. Aidan war in die Küche gekommen und seine Mom hatte ihm schweigend French Toast serviert. Beide tauschten lediglich ein paar Blicke. Dass er nach der Diskussion, gestern Abend, ohne weiteres zu Bett gegangen war, würde nicht einfach hingenommen werden. Aidan wusste, dass Colleen, seine Mutter, großen Wert auf guten Manieren legte, Teenager hin oder her. Doch auch Aidan war, wegen der ComicCon, noch immer aufgebracht.

    Seine Mutter hatte sich ihm gegenüber gesetzt, ihren Kaffee getrunken und kurz die Titelseite der Zeitung überflogen. Jetzt sah sie zu ihm auf und ihre linke Augenbraue zog sich so weit nach oben, dass Aidan fast schon beeindruckt war. Sie sagte rein gar nichts, das brauchte sie auch nicht, denn ihr Blick sagte mehr aus, als Worte es jemals konnten.

    Aidan seufzte. „Tut mir leid, dass ich gestern Abend geschmollt habe. Ich war einfach so enttäuscht."

    „Das verstehe ich. Ob du’s glaubst oder nicht, ich war auch mal fünfzehn."

    „Aber warum …?"

    Ihr Blick ließ ihn innehalten. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, um eine Diskussion zu beginnen.

    Er seufzte wieder. „Okay, sorry. Wirklich, es tut mir leid. Kann Vince vielleicht trotzdem heute Abend kommen?"

    Sie atmete einmal tief durch und schließlich lächelte sie. „Meinetwegen. Aber nur, wenn du heute endlich das Versprechen einhältst, das du mir zu Beginn der Ferien gegeben hast und deine Sachen aussortierst. Sowohl alte Klamotten, als auch anderen Krempel. Und vergiss nicht: Die Sachen, was noch gut ist und gespendet werden kann, in Kartons zu packen und in die Garage zu stellen. Alles andere wegwerfen!"

    Aidan lächelte ebenfalls. „Einverstanden."

    Zwar hatte er seinen Nachmittag mit Schreiben verbringen wollen, aber er wusste, je besser er sich um seine Aufgaben kümmerte, desto größer war seine Chance, dass seine Mom sich umstimmen lassen würde. Also verbrachte Aidan den gesamten Nachmittag mit der Aussortierung seiner Kleidung, Bücher, DVDs und anderer Dinge, die er nicht mehr benötigte. Als er fertig war, standen drei Kartons in der Garage und er hatte zwei große Säcke weggeschmissen. Seine Schränke und Regale waren mit einem Mal deutlich übersichtlicher. Stolz machte er ein Foto mit dem Handy und schickte es an seine Mom auf der Arbeit. Zurück kamen ein glücklich wirkender Smiley und ein Daumen-hoch-Emoji.

    Es war bereits kurz vor halb Sieben am Abend, als Aidans Mutter endlich von der Arbeit nach Hause kam. Passend für solch einen wichtigen Anlass, natürlich viel später als erwartet, da Colleen nicht rechtzeitig von ihrer Arbeit weggekommen war. Aber sie war immerhin noch pünktlich vor der Ankunft ihres Gastes zu Hause. Aidan war ein nervliches Wrack.

    Einen Lichtblick gab es: sie hatte eine große Tüte von Chick-fil-A dabei. Bei der Familie Robbins gab es so gut wie nie Fast Food. Sie aßen zwar ab und zu außerhalb, vor allem sonntags nach der Kirche. Da seine Eltern aber Wert auf gesunde Ernährung legten, wurde meist frisch gekocht. Eine Tatsache, die Aidan – trotz seiner Begeisterung für Fast Food – schätzte. Unter der Woche war das gemeinsame Kochen und Essen oft die einzige Zeit, um sich als Familie auszutauschen oder auch heftig zu streiten - je nachdem, was am Tag geschehen war.

    „Hi, Schatz!", meinte seine Mom, als sie ein wenig außer Atem den Inhalt der Tasche auf dem Tisch platzierte. Es gab ein Paar Burger, verschiedene Hähnchenteile und Gitterkartoffeln. Dazu passend gab es vier große Cokes. Auch sein Dad schaffte es, noch vor Vince anzukommen, und küsste zuerst Colleen auf die Wange und Aidan im Anschluss auf die Stirn.

    „Wow. Fast Food. Ich fall vom Glauben ab!", meinte Aidans Dad, Clint, grinsend und Colleen seufzte.

    „Ja, heute war der Wahnsinn. Wir hatten drei Krankmeldungen und waren absolut unterbesetzt."

    Clint nickte verständnisvoll und wandte sich dann an Aidan.

    „Und wer ist der junge Gentleman, der heute Abend mit uns essen wird?" Und dabei umspielte ein seltsames Lächeln die Lippen seines Vaters. Aidan spürte, wie ihm regelrecht die Luft wegblieb und sein Puls sich erhöhte.

    „Was meinst du?" Aidans Stimme klang dünner als erhofft und seine Handflächen wurden feucht.

    Das Grinsen seines Dads wurde breiter und er zuckte mit den Schultern.

    „Keine Ahnung. Ihr trefft euch in letzter Zeit recht häufig. Und jetzt kommt er schon zum Essen?"

    Panik kroch in Aidans Brust hoch und seine Gedanken rasten durch seinen Kopf. Was sollte er jetzt sagen?!

    In dem Moment klingelte es an der Tür und Aidan, dessen Wangen sich mittlerweile heiß anfühlten, sah seine Eltern eindringlich an.

    „Vince ist einfach ein Kumpel! Seine Stimme war eine Oktave höher als beabsichtigt. „Wehe, ihr blamiert mich!

    Seine Eltern tauschten einen wissenden Blick und ein Grinsen aus, wofür Aidan ihnen in diesem Moment am liebsten den Hals umgedreht hätte. Doch ihm blieb nichts anderes übrig, als zur Tür zu eilen. Als er sie öffnete, grinste Vince ihm entgegen und sofort fing Aidans Herz wieder an zu flattern. Er lächelte ein wenig aufgeregt.

    „Hi, komm rein. Meine Mom hat was von Chick-fil-A geholt!"

    Das schien für Vince alles andere als ein Problem zu sein und schließlich kamen sie ins Esszimmer.

    Aidan hatte seine Hände in die Taschen seiner Jeans geschoben und die Schultern unwillkürlich verkrampft angezogen.

    „Mom. Dad. Ihr kennt Vince, glaub ich, von dem Theaterstück letztes Jahr?

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