Dem Tod ins Gesicht lachen: Ein Plädoyer für Komik und die Feier des Absurden im Theater
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Über dieses E-Book
Vehement und präzise verteidigt Rebekka Kricheldorf die Komik im Theater. Sie erläutert ihren spezifischen Beitrag zum Theater der Gegenwart, der Figuren aus der Märchen- und Mythenwelt, aus Popkultur und Comic aufgreift, der Verstörung erzeugt und Ambivalenzen sucht – Gebrauchsdramatik statt Literatur für die Ewigkeit. Ergänzt wird der Band um Werkstattberichte und Erläuterungen zu dem mitabgedruckten Stück Werwolf. Eine Mythengroteske (UA 2019) sowie ein Nachwort des Herausgebers.
Das Buch basiert auf Rebekka Kricheldorfs Vorlesungen im Rahmen der 8. Saarbrücker Poetikdozentur für Dramatik.
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Buchvorschau
Dem Tod ins Gesicht lachen - Rebekka Kricheldorf
Rebekka Kricheldorf, Dem Tod ins Gesicht lachen
Rebekka Kricheldorf, 1974 in Freiburg im Breisgau geboren, studierte Romanistik an der Humboldt-Universität Berlin und Szenisches Schreiben an der Hochschule der Künste Berlin. 2004 war sie Hausautorin am Nationaltheater Mannheim und von 2009 bis 2011 Dramaturgin und Hausautorin am Theaterhaus Jena. Von 2013 bis 2019 war sie als Jurorin für den Osnabrücker Dramatikerpreis tätig. Sie schrieb zahlreiche Auftragswerke für verschiedene Theater, u. a. das Staatstheater Kassel, das Deutsche Theater Göttingen und das Deutsche Theater Berlin. Sie erhielt mehrere Stipendien und Preise, z. B. den Verlegerpreis und den Publikumspreis des Heidelberger Stückemarkts, den Kleist-Förderpreis, den Schiller-Förderpreis des Landes Baden-Württemberg und den Kasseler Preis für Komische Literatur, sowie mehrere Einladungen zu den Theatertagen in Mülheim und den Autorentagen in Berlin. 2020 schrieb sie ihren ersten Roman, Lustprinzip. Rebekka Kricheldorf lebt in Berlin.
Johannes Birgfeld, geb. 1971, ist nach Lehrtätigkeiten in Bamberg, Sewanee (TN/USA) und Oxford Studiendirektor i. H. an der Universität des Saarlandes für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Initiator der Saarbrücker Poetikdozentur für Dramatik. Forschungen zur deutschsprachigen Literatur vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart sowie zur Geschichte von Drama und Theater.
Rebekka Kricheldorf
Dem Tod ins Gesicht lachen
Ein Plädoyer für Komik und die Feier des Absurden im Theater
Saarbrücker Poetikdozentur für Dramatik
Mit einem Nachwort herausgegeben von Johannes Birgfeld
In dieser Reihe sind bereits erschienen:
Albert Ostermaier: Von der Rolle oder: Über die Dramatik des Verzettelns
She She Pop: Sich fremd werden. Beiträge zu einer Poetik der Performance
Falk Richter: Disconnected. Theater Tanz Politik
Milo Rau: Das geschichtliche Gefühl. Wege zu einem globalen Realismus
Gedruckt mit finanzieller Unterstützung der Fachrichtung Germanistik an der Universität des Saarlandes.
Der Abdruck des Stückes Werwolf. Eine Mythengroteske erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH, Berlin. Aufführungsrechte liegen bei der Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH und müssen dort eingeholt werden.
(www.kiepenheuer.medien.de)
Originalausgabe
© by Alexander Verlag Berlin, 2022
Alexander Wewerka, Fredericiastr. 8, D-14050 Berlin
info@alexander-verlag.com · www.alexander-verlag.com
Alle Rechte vorbehalten.
Satz und Layout: Antje Wewerka
Umschlaggestaltung: Antje Wewerka
Umschlagfoto: Rebekka Kricheldorf (Privatarchiv)
Schlusslektorat: Christin Heinrichs-Lauer/Rahel Schäfer.
Dank an Amélie Müller
ISBN 978-3-89581-608-6 (eBook)
Erste Vorlesung
Über Komik
Zweite Vorlesung
Über verstörende Unterhaltung
Dritte Vorlesung
Über Werwölfe
Anmerkungen zu den Vorlesungen
Werwolf
Eine Mythengroteske
»Theater, das […] uns gemeinsam unsere Unzulänglichkeit zelebrieren lässt«
Mythenverwurstung und Schöpfungskritik, Gebrauchsdramatik und Theater als Lust: Rebekka Kricheldorfs Theater der verstörenden Unterhaltung
Nachwort von Johannes Birgfeld
Danksagung
Erste Vorlesung
ÜBER KOMIK
Liebe Anwesende,
ich gebe es gleich zu: Die analytische Selbstbefragung, die Suche nach Methodik und rotem Faden in meiner Arbeit, das Festlegen und Beschreiben einer künstlerischen Agenda ist meine Sache nicht. Oder, besser: war meine Sache – bisher – noch nicht.
Jetzt werde ich durch die ehrenvolle Auszeichnung mit der Saarbrücker Poetik-Dozentur gezwungen, nein!, ermuntert, ebendies zu tun, was mich in einen gewissen Konflikt stürzt. Denn ich wählte meinen Beruf nicht zuletzt deshalb, um das Tun von Erwachsenen-Tätigkeiten so gut es geht zu vermeiden. Schreiben bedeutet neben dem hehren Anspruch, Steigbügelhalter des Wahren, Schönen und Guten zu sein, eben auch: weckerlos leben, im Schlafanzug zur Arbeit kommen und den ganzen Tag mit selbst ausgedachten Freunden spielen.
Eine Dozentur ist das Gegenteil dessen. Sie ist eindeutig ein Erwachsenen-Job. Selbstreflexion, Theoriebildung, anderen erzählen, wie’s läuft, anständige Klamotten anhaben. So fühle ich mich gerade ein bisschen wie eine Figur aus einem Roman von Wilhelm Genazino, einer dieser nicht mehr ganz jungen Männer, die von ihrer Lebensgefährtin genötigt werden, irgendwas Pragmatisches zu tun, sich eine neue Hose kaufen oder einen ordentlichen Job suchen, und darauf mit einem Mix aus bockigem Trotz und zerknirschter Einsicht reagieren.
Hinzu kommt, dass ich eine gewisse Scheu davor hege, mich zu tief in die Innenschau zu begeben. Denn die Autorin ist nicht ganz frei von der etwas paranoiden Befürchtung, dass man einen Preis dafür zahlt, seine eigene Arbeit zu gut zu durchschauen. Dass das Zu-Gut-Bescheid-Wissen über die eigenen Kniffe, Tricks und Beweggründe zu einer trügerischen Sicherheit und gefährlichen Routine im eigenen Schaffen führen könnte. Andererseits ist nicht von der Hand zu weisen, dass man als schreibende Person im Laufe der Jahre Eigenheiten ausbildet, wiedererkennbare Obsessionen pflegt, einen Stil, eventuell gar eine Handschrift entwickelt, die dann auch kenntlich und beschreibbar sind. Und vielleicht ist ein wenig Selbsterkenntnis ja doch auch ganz hilfreich.
Ich gebe auch zu, dass mich Kollegen-Berichte aus der Schreibwerkstatt oft langweilen. Und mein Glaube daran, dass die meisten Texte klüger sind als ihre Autoren, ist unerschütterlich. Ja, oft bestätigt sich sogar die Regel, je interessanter das Werk eines Autors, desto langweiliger das, was er darüber zu sagen hat, und möglicherweise andersrum.
Ich werde den Kopf aus der Schlinge dieses Dilemmas ziehen, indem ich diese Vorträge exakt so halte, wie ich meine Stücke schreibe. Ich schreibe meine Stücke, ja, ich gestehe es, hauptsächlich, um mich selbst bei Laune zu halten. Keine aufklärerische Mission, kein ausgefuchster Weltenrettungs-Plan steckt dahinter, sondern reiner, kleiner Egoismus. Ich schreibe, was ich schreibe, selten in dem Glauben, es könne etwas bewirken, sondern meist, weil ich es schreiben muss, für mich; weil die Weltaneignung, die Verarbeitung der Existenz-Fragen, die ich nicht beantworten kann, für mich nur über Literarisierung zu bewerkstelligen ist. Ja, das ist fast schon therapeutisches Schreiben.
Ich verstehe meine Stücke als Suchbewegungen, als Sprach- und Denk-Experimente, an denen eine interessierte Öffentlichkeit gern teilhaben darf, sofern sie glaubt, es könne da ein Gemeinsames in unserem Hadern und Zweifeln geben. So werde ich auch hier keinen stringenten Gedanken entwickeln, der am Ende in ein großes, klar umrissenes Fazit mündet, sondern mich mäandernd durch Themengebiete bewegen, wie ein Affe von Ast zu Ast schwingen, vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen und retour.
Ich habe mich nie ernsthaft mit Zweck, Form und Ziel meines Schaffens auseinandergesetzt. Im Zuge sich häufender Fremdzuschreibungen verfestigte sich dann mein Selbstbild als ›Komödiantin‹ und ›Märchentante‹. Natürlich sind beide Zuschreibungen nicht abwegig. Sowohl Komödie als auch Märchen spielen eine große Rolle in meinen Stücken, aber manchmal wird es mir bei dieser eingeschränkten Sicht auf mich selbst doch etwas unbehaglich. Es ist ein Unbehagen, das sich aus derselben Quelle speist wie das, was mich immer davon abhielt, eine Visitenkarte drucken zu lassen, mit mir herumzutragen und bei passenden Anlässen sogenannten wichtigen Menschen in die Hand zu drücken. Mit so einer Pappkarte in der Tasche, auf der schwarz auf weiß steht, wer ich bin und was ich mache, eine Pappkarte, geschmackvoll-selbstironisch gelayoutet, vielleicht in Form einer Schreibmaschine, mit einer solchen Pappkarte, so argwöhnte ich, sperre ich mich endgültig in den Käfig eines Identitäts-Entwurfs, bin ich rettungslos dazu verdammt, das, was ich behaupte zu sein, in alle Ewigkeit zu bestätigen, mein zur Marke, zum Label, zum Branding gewordenes Ich mit seinen immer gleichen Unique Selling Points zu reproduzieren, ein One Trick Pony, das immer und immer wieder über dieselbe, von ihm selbst aufgebaute Hürde springen muss.
Vor vielen Jahren bezeichnete mich ein Kritiker als eine Vertreterin des »deutsche[n] Plüschhasentheater[s]«.¹ Das fand ich gut, darin fühlte ich mich erkannt, auch wenn bis dato nur ein einziger Hase in meinen Stücken auftauchte,² möge er nun Plüsch tragen oder nicht, ein Hase, der sich sehr wichtig nimmt, ein Hase, der empört erklärt,
Eine Welt ohne Hasen
Wäre besser gar nicht erschaffen
Eine Welt ohne Hasen
Ist ein sinnentleerter Planet
Eine Welt ohne Hasen
Ist das Traurigste
Was man sich denken kann.
und so dem hegemonialen Anthropozentrismus die aus Hasen-Perspektive einzig vernünftige Theorie entgegenhält, nämlich die von der eigenen Spezies als Krone der Schöpfung.
Also, wenig echte Plüschtiere in meinen Stücken, aber die Assoziationskette, die Menschen in Tierkostümen auslösen, passt ganz gut zu meinem Autorinnen-Selbstbild.
Mein erster Vortrag wird sich mit der Komik befassen, denn ich fühle, dass die Komik dieser Tage ganz besonderen Schutz benötigt. Das Spektakel, die Farce, die Verstellung, das Absurde, die Albernheit und das Lachen – sie alle müssen in dieser Zeit der Eindeutigkeit, des Authentizitäts-Wahns und des Verlusts des zweideutigen Sprechens mit aller Kraft verteidigt werden. Und, ja, wenn es sein muss, auch analysiert, ergründet, erklärt.
Komik. Ein großes Wort, ein weites Feld. Zur Komik gaben schon viele geistreiche Menschen Kluges von sich; ich werde mir herauspicken, was mir wichtig zu sein scheint, und anderes unter den Tisch fallen lassen. Komödien-und Lachtheorien trieben mich nie um, sie sind bei Bedarf in den Nachschlagewerken nachzuschlagen.
Das hier wird eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit der Komik, weshalb ich weit in der Zeit zurück gehe, tief in die Mottenkiste der autobiografischen Anekdoten greife und dieses selbstgeschriebene Gedicht herausfische. Es geht so:
Es lebte einst
ich weiß nicht wo
ein Mensch
der hieß Gorilla Joe
er war nicht schön
er war nicht klug
doch Haare hatte er genug
die hingen tief ihm ins Gesicht
so sah er nie das Sonnenlicht.
Na ja, weder gelungen noch besonders originell. Ich habe es wohl so mit dreizehn, vierzehn Jahren verfasst. Es gehört zur Gattung der Schmähgedichte und war Teil eines Spiels, das mir und meinen Freundinnen ermöglichte, die Ödnis eines Schultages halbwegs unbeschadet zu überleben. Das Spiel ging so: Man nahm sich den jeweils aktuellen Favoriten der Freundin vor und schmähte ihn in Grund und Boden. Heute ist der kunstvoll ausgeführte Diss ein elementarer Bestandteil des Battle Rap, aber davon wussten wir noch nichts.
Es folgt ein weiterer Auszug aus einem Beispiel der Text-Gattung Schmährede:
»Sie, der in dieser Welt für gar nichts steht, der höchstens Krätze ist am Steiß der Natur, der so tief fallen wird, wenn ich ihm meine Unterstützung entziehe, daß ein Floh auf der Erde ihn nicht vom Pflaster unterscheidet, Sie sind so stinkend und schmutzig, daß man sich bei Ihrem Anblick fragt, ob Ihre Mutter Sie nicht durch den Hintern geboren hat. […] Auch ist Ihr Fleisch nichts anderes als unter der Sonne schrundig gewordene Erde, die dermaßen mit Mist gedüngt ist, daß Sie heute, hätte alles, was da gesät wurde, Wurzeln geschlagen, einen Hochwald auf den Schultern trügt.«³
Es handelt sich hier um einen öffentlichen Schmähbrief, gegen einen Herrn namens Soucidas gerichtet, und der ihn verfasste, kann sozusagen als Erfinder des Battle-Rap, also Eminems Ururahn angesehen werden. Er hieß Cyrano de Bergerac und lebte im 17. Jahrhundert, also kann ich meine albernen Schreibanfänge getrost in eine große, hoch literarische Traditionslinie einreihen.
Aber zurück zur lebenserhaltenden Funktion der Komik: Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, dann sehe ich mein junges Ich unter der Bank heimlich entweder lesen oder schreiben, also Witze kritzeln. Denn neben Schmäh-Gedichten gab es noch viele andere Formate: Bilderwitze, Kurzgeschichten in Geheimschrift, Lehrer-Karikaturen, Schwänke und Nonsens-Lyrik. Ich kritzelte im Laufe meiner Schulzeit ganze Waschkörbe davon zusammen und war sogar Herausgeberin einer Witzzeitung, mit der beeindruckenden Auflagenstärke von einem Exemplar.
Heute ist mir klar, was das war: Das frühe Trainieren einer Überlebensstrategie. Der Quatsch war aus der Not geboren. Der Not, diese hässliche, unzulängliche Realität, bestehend aus quälend ödem Schulalltag, dumpfen Mitschülern und uralten Lehrern, wenn ihr schon nicht zu entrinnen war, wenigstens mit satirischem Geblödel zu veredeln. Sowohl der Pseudo-Wichtigkeit der Schule, als auch dem schlecht behaupteten Ernst der Erwachsenenwelt das subversive Lachen des Unterlegenen entgegenzuschmettern. Denn schon damals ahnte ich, dass dieser Ernst nur ein großer Betrug sein kann, ein Schmierentheater zur Verleugnung der Tatsache, dass die Veranstaltung Leben eine komplett absurde ist.
»Humor«, meint der Psychiater Victor Frankl, »ist eine Waffe der Seele im Kampf um ihre Selbsterhaltung«,⁴ und er hat immerhin nicht nur die Schulzeit überlebt, sondern auch den Holocaust.
Humor als Waffe also. Der Machtlosen, Rechtelosen, Unterdrückten, Schwachen und Unfreien. Was Schüler meistens ja sind, denn sie werden gezwungen, sich an einem Ort aufzuhalten, an dem sie nicht sein wollen, Dinge zu tun, die ihnen fremd sind, und Dinge zu unterlassen, die sie gerne täten. Diesem Zwang kann mit vielen Strategien begegnet werden. Stille Anpassung. Offene Revolte. Oder eben Zurückschlagen mittels Komik.
Letztendlich macht mein älter gewordenes Ich dreißig Jahre später immer noch das Gleiche, nur, dass ich jetzt, statt zur Ordnung gerufen zu werden, dafür bezahlt werde. Ich habe meine subversive Überlebenswaffe zum Beruf gemacht. Schreiben ist nicht mehr das Verbotene, das man nebenher macht, unter der Bank, um sich vor dem eigentlich, vermeintlich Wichtigen zu drücken, sondern es ist selbst zum Wichtigen, Eigentlichen geworden.
Ich wählte die Komik nicht, die Komik wählte mich. Warum sie das tat, muss man die Komik fragen.
Irgendwann ist man dann kein Kind mehr. Man ist also angeblich frei und kann tun und lassen, was man will. Doch die Zwänge, sie sind nach wie vor da, sie haben sich nur verwandelt. Ja, sie nehmen sogar zu, denn jetzt gibt es zwar keine Schulpflicht mehr, aber andere, noch schlimmere Pflichten. Verantwortung muss übernommen, Rollen müssen gespielt, Triebe unterdrückt werden. Du musst Geld verdienen, dich dem Arbeitsmarkt unterwerfen, den sozialen Regeln anpassen. Du hockst in einem Großraum-Büro und musst blöde Kollegen ertragen, und blöde Vorgesetzte, denen du hinterrücks, für einen kurzen comic relief, eine lange Nase drehst.
Du stehst auf einem Empfang und hast, warum auch immer, eine Erektion, musst aber so tun, als sei nichts, musst den Geschlechtslosen mimen, und schon fühlst du dich von dir selbst entfremdet, klafft eine Kluft zwischen dem Tier, das du bist, und dem schwanzlosen Pappkameraden, den du darstellen musst, und du löst die innere Spannung mit einer Zote, die dir kurz den Krawattenknoten der Zivilisiertheit lockert.
In der Kluft zwischen Trieb und Zivilisation gedeiht die Komik aufs Vortrefflichste. Das Unbehagen in der Kultur sucht sich sein Ventil im Gelächter. Und die Erwachsenenwelt ist voll von Situationen kultureller Anpassung, die mit deinem Trieb kollidieren.
Selbst, wenn du es geschafft haben solltest, dich von allen sozialen und kulturellen Zwängen befreit zu fühlen, so sitzt du noch immer im Gefängnis deines Körpers und stöhnst unter dem Joch der Vergänglichkeit. Und musst, wie wenig du auch sonst musst, eines schließlich doch noch müssen, nämlich sterben. So ist, egal, wie frei du bist, immer jemand da, dem aufsässig ins Gesicht gelacht gehört: Dem Lehrer oder der Gesellschaftsnorm, dem König oder der Kanzlerin, der Mühsal oder dem Tod.
Der große deutsche Humorist Robert Gernhardt sagt dazu: »Die Komik ist tatsächlich der