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Der Dreikönigshof - Land des dunklen Friedens: Band 1 der bildgewaltigen High Fantasy Dilogie
Der Dreikönigshof - Land des dunklen Friedens: Band 1 der bildgewaltigen High Fantasy Dilogie
Der Dreikönigshof - Land des dunklen Friedens: Band 1 der bildgewaltigen High Fantasy Dilogie
eBook332 Seiten4 Stunden

Der Dreikönigshof - Land des dunklen Friedens: Band 1 der bildgewaltigen High Fantasy Dilogie

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Über dieses E-Book

Eine Auftragskillerin ohne Vergangenheit.
Ein Königshof voll dunkler Geheimnisse.
Und eine Magie, die es nicht geben sollte.

Vika ist die gefürchtetste Auftragskillerin auf dem Kontinent Lyria. Ihr Leben, gebunden an den Dreikönigshof, wird jedoch kurzerhand auf den Kopf gestellt, als sie mit einem schicksalhaften Auftrag konfrontiert wird.
Denn es ist ihr eigener Bruder, den sie jagen und töten soll.
Ihr Bruder, der eines Nachts spurlos verschwand und seitdem als tot galt.

Vika begibt sich auf eine Reise quer durch die Länder Lyrias und trifft dort nicht nur auf Menschen, die ihre eigene Vergangenheit aus dem Schatten ihrer Erinnerung holen, sondern auch auf tief verborgene Familiengeheimnisse, dunkle Intrigen und eine Magie, die am Ende das ganze Land erschüttern wird …
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum16. Sept. 2022
ISBN9783910615571
Der Dreikönigshof - Land des dunklen Friedens: Band 1 der bildgewaltigen High Fantasy Dilogie

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    Buchvorschau

    Der Dreikönigshof - Land des dunklen Friedens - Stephanie Moll

    Der_Dreik_nigshof_1.jpg

    Copyright 2022 by

    Dunkelstern Verlag GbR

    Lindenhof 1

    76698 Ubstadt-Weiher

    http://www.dunkelstern-verlag.de

    E-Mail: info@dunkelstern-verlag.de

    ISBN: 978-3-910615-57-1

    Alle Rechte vorbehalten

    Für jene, deren dunkle Seelen einen Platz zum Leuchten brauchen …

    Inhalt

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Kapitel 22

    Kapitel 23

    Kapitel 24

    Kapitel 25

    Kapitel 26

    Kapitel 27

    Kapitel 28

    Kapitel 29

    Kapitel 30

    Kapitel 31

    Kapitel 32

    Kapitel 33

    Kapitel 34

    Kapitel 35

    Kapitel 36

    Kapitel 37

    Glossar

    Danksagung

    Kapitel 1

    Mit einem blutigen Schmatzen zog ich das Kurzschwert aus dem Bauch meines Gegenübers. Meines Opfers, das mit weit aufgerissenen Augen in meine starrte. In ihnen erkannte ich ein letztes Flehen, ein leises Betteln, mit dem der Mann mich noch wenige Sekunden zuvor angewimmert hatte, wie ein kleines Hündchen. Er sei doch so unschuldig. Hätte doch nichts getan, aber niemand, wirklich niemand konnte mich täuschen. Gerade dann nicht, wenn ich über jede Grausamkeit und Brutalität ihrer Taten im Bilde war. Dazu brauchte es nur einen Blick in ihre Augen und ich spürte, dass sie einem anderen Leben oder mehreren viel Leid angetan hatten.

    Niemand konnte mir etwas vormachen. Dazu war ich zu gut ausgebildet. Jahrelang und schmerzvoll, um das zu tun, wozu ich geboren war.

    Zum Töten.

    Das war meine Bestimmung. Mein Schicksal, wenn man es so sagen wollte. Lange hatte ich nach einem Sinn in meinem Leben gesucht und an dem Tag, als die schwarzhaarige Frau an die Haustür meines Elternhauses geklopft hatte, um mir ein Angebot zu machen, das die meisten Menschen sicherlich sofort ausgeschlagen hätten, hatte ich zugestimmt. Ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken.

    Es hatte sich in diesem Moment einfach richtig angefühlt. Als hätte jemand mit dem Finger geschnippt und die Welt zu einer anderen geformt. Dabei war ich diejenige, die ihr Leben komplett neu geordnet hatte.

    Über Nacht floh ich aus meiner alten Heimat, ließ alles und jeden hinter mir. All die Erinnerungen an meine verstorbenen Eltern, meinen Bruder, an Menschen, die mir jeden Tag begegnet waren. Und meinen Namen. Meinen Geburtsnamen. Aber das tat ich nicht wirklich freiwillig. Es war eine Art Gesetz eines jeden Auftragskillers, seine wahre Identität der Vergangenheit zu überlassen. An meinen wahren Namen konnte ich mich nicht mehr erinnern. Zu tiefgreifend waren die vielen Gehirnwäschen und das harte Training an der Akademie gewesen. Sie hatten brillante Arbeit geleistet, aus dem Bauernmädchen von nebenan die meist gefürchtetste Auftragskillerin des Kontinents Lyria zu machen. Sie wie einen rohen Diamanten zu schleifen, ihre Seele immer wieder zu brechen, bis sie nichts anderes fühlen konnte, als den Drang zu töten. Immer besser werden zu wollen, in dem, was sie tat. Wie ein Phönix war ich aus der Asche gestiegen, nachdem meine Ausbildung vollendet war. Seitdem trug ich den Namen Vika. Einfach Vika. Kein Geplänkel danach, kein Hoheitstitel, wie man vielleicht erwartet hätte. Vier einfache Buchstaben reichten, um die Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen.

    An die eingeschüchterten Blicke und das leise Tuscheln um mich herum hatte ich mich schnell gewöhnt. Sollten sie ruhig glauben, dass ich im nächsten Moment ihren Kopf abriss, wenn sie auch nur ein falsches Wort sagten oder mir einen inakzeptablen Blick zuwarfen. Auch, wenn das nicht in meiner Macht stand. Unschuldige Menschen aufgrund von Banalitäten zu töten, wurde in meinen Kreisen mit dem eigenen Tod bestraft.

    Aber die Gerüchte über uns Auftragskiller halfen dabei, dass die Menschen sich an Regeln und Gesetze hielten. Und, dass man uns in Ruhe ließ. Niemand wollte wissen, was genau auf einer Akademie vonstattenging. Die quälenden Schreie aus der Ferne reichten den Bewohnern der Länder von Lyria, um erahnen zu können, welche Methoden bei unserer Ausbildung angewendet wurden. Ganz besonders die Gelehrten der fianischen Akademie waren für ihre harten und menschenunwürdigen Methoden bekannt.

    Ich sah dabei zu, wie der Körper des Mannes auf den Boden fiel. Sein Kopf kam dabei mit einem Knacken auf den Steinen auf, sodass sich eine Blutlache unter ihm ausbreitete. Zufrieden holte ich ein Tuch aus meiner Jackentasche und säuberte die Klinge meines Schwertes. Dass ich dabei mit größter Genugtuung zusah, wie das rote, dickflüssige Blut das saubere Tuch beschmutzte und mir ein unbeschreibliches Gefühl der Befriedigung bescherte, ließ ich niemanden sehen. Mein Gesicht lag verborgen unter der schwarzen Kapuze meiner Jacke und war bis zu den Augen mit einer Maske in ebenfalls dieser Farbe bedeckt. Doch auch ohne Details zu sehen, erkannten die Menschen, die mich in der kleinen, dreckigen Gasse stehen sahen, wer ich war und eilten mit gesenkten Köpfen um die nächste Häuserecke. Meine schwarze Kluft mit den goldenen Applikationen an Saum und Ärmeln verriet es ihnen. Nicht gerade unauffällig, aber ich hinterfragte es nicht. Unter meiner Maske fühlte ich mich beschützt, obwohl ich keine Angst vor irgendetwas haben brauchte. Niemand wollte mir zu nahe kommen. Niemand dachte daran, überhaupt einem Absolventen aus der Akademie in die Augen zu schauen. Aus Angst, wir könnten ihrem Leben den Garaus machen.

    Meine Kleidung gehörte einfach dazu. Zu meinem Leben, zu meiner Persönlichkeit, zu meiner Seele, vor deren Abgründe selbst ich manchmal Furcht verspürte.

    Ich steckte mein Schwert wieder zurück in die Scheide auf meinem Rücken. Der goldene, polierte Griff glänzte im Schein der Sonne, die ihre Strahlen ausbreitete, um auch ja jeden dunklen Zentimeter des Landes gänzlich einzunehmen. In der Tat war es ein wirklich unpassender Tag für einen Auftrag, denn seit Ewigkeiten zeigte sich die Sonne wieder über Fia. Fia bedeutete nicht umsonst Land des dunklen Friedens, denn an den meisten Tagen des Jahres herrschte eine trübe Stimmung. Graue Wolken bescherten uns Regen und Stürme. Aber trotz dieser Tatsachen lebten die Menschen in rührender Glückseligkeit. Sie waren froh, ein Teil des Landes zu sein und nicht an einem anderen, dunkleren und gefährlicheren Ort des Kontinents zu leben. Denn davon gab es einige.

    Brent und Moirath. Deren Namen allein schon eine Gänsehaut über jeden Körper schickten, auch wenn man die beiden Länder nie zuvor gesehen hatte. Aber die Erzählungen der Gelehrten oder die Geschichten, die sich auf den Straßen zugeraunt wurden, reichten, um nie freiwillig einen Fuß über die Grenzen zu setzen.

    Brent war das Land der steinigen Riesen. Gebirge, die bis in die Wolken hineinragten und nicht enden wollten. Ihre Täler und Höhlen lagen verborgen in dunklen Schatten, von denen man sich erzählte, Hexerei habe sie erschaffen. Und jeder Mensch, der sich auch nur in ihre Nähe traute, wurde von uralten Kreaturen auf brutale Art und Weise ausgeweidet. So etwas wie Magie oder Hexerei gab es jedoch nicht, daher zweifelte ich an dem Wahrheitsgehalt dieser Geschichte. Aber auch in mir sträubte sich etwas, wenn ich diesen Namen hörte. Zum Glück musste ich nie die Grenze zwischen Fia und Brent überqueren, um einen Auftrag auszuführen, denn niemand lebte in dem steinigen Gebirge. Es existierte vielleicht nur der Glaube an das Land selbst. Und natürlich die unbestreitbare Tatsache, dass es Brent wirklich gab, denn die gefährlichen Berge erkannte man schon von Weitem.

    Anders war es mit Moirath. In dem Land der wilden Wälder lebten tatsächlich Menschen. Ausgestoßen von jeder Zivilisation. Vertrieben aus ihren Heimatländern, um ein Leben zwischen Moos, Bäumen, Feuchtigkeit und dem reinen Nichts zu führen. Einmal musste ich den Enya überqueren, einen breiten, gigantischen Fluss, der den Kontinent in zwei Hälften teilte, um nach Moirath zu gelangen. Mein Auftrag lautete, dort eine Mutter von zehn Kindern hinzurichten. Wieso, weshalb, warum? Bis heute hatte ich keinerlei Information darüber. Töte sie und bringe uns ihr Herz. Mehr durfte ich nicht erfahren. Und mehr Worte benötigte es auch nicht, damit ich einen Auftrag ausführte. Ich empfand es sogar als ganz erfrischend, nicht den Hintergrund meiner Taten verstehen zu müssen, denn dann wäre vermutlich jede Ausbildung in der Akademie umsonst gewesen. Wir durften keine Gefühle zeigen, nicht einmal fühlen, wenn wir einen Auftrag ausführten. So waren mir die weinenden Kinder gleichgültig, die mitansehen mussten, wie ich ihrer Mutter zuerst die Kehle aufschlitzte, um dann später ihr Herz aus der Brust zu reißen. Blutend hatte ich sie zurückgelassen. War einfach aus dem Haus marschiert, als wäre es alltäglich. Obwohl, das war es in der Tat. Das Töten bestimmte meinen Alltag. Machte mein Dasein aus. Gab mir einen Sinn zu existieren. Es war meine Bestimmung.

    In Windeseile war ich damals aus den dunklen Wäldern von Moirath zurück nach Fia geeilt. Die drückende Feuchtigkeit hatte sich schwer auf meine Brust gelegt.

    Siedlungen oder sogar ganze Dörfer fand man in diesem Land nicht. Nur einzelne Häuser, halb versunken zwischen Bäumen und Büschen. Meist mit so viel Moos bewachsen, dass man glauben könnte, es lebten Tiere darin.

    Auch über das Land der wilden Wälder flüsterte man sich Geschichten auf den Straßen zu. Als würden die Verstoßenen nicht schon genügen, um zu verstehen, dass man in diesem Land nicht freiwillig lebte. Dass man dorthin verbannt wurde, um schlussendlich in Einsamkeit zu sterben.

    Ich ließ den viel zu gut angezogenen Mann einfach in der Gasse liegen. Er besaß irgendeinen hoheitlichen Titel, der aber genauso in meine Vergessenheit geraten war, wie die Frage, was ich heute zum Frühstück gegessen hatte. Im Grunde genommen war es mir egal, wer er war, wie er hieß, wo er lebte oder warum er sterben musste. Es war ein lukrativer Auftrag, den ich gerne annahm. Nicht, dass ich nicht schon genug Goldmünzen in meinem Zuhause hortete, aber auch die bekannteste Auftragskillerin durfte eine Leidenschaft zum Sammeln hegen.

    Immerhin blieb ich trotz meiner Taten ein Mensch aus Fleisch und Blut. Ohne Gefühle, aber immerhin mit einem Herzen in der Brust. Was man von der Frau aus Moirath nicht mehr behaupten konnte.

    Eine dicke schwarze Strähne meiner Haare fiel mir ins Gesicht, als ich mich nach vorn beugte, um das kleine goldene Wappen von Fia in Form einer Münze auf den Brustkorb des toten Mannes zu legen, damit jeder wusste, durch wessen Hand er gestorben war.

    Als ich dem leblosen Körper meinen Rücken zudrehte, die Haarsträhne wieder zurück an ihren Platz unter meiner Kapuze steckte und die nächste Häuserwand hinaufkletterte, erreichten die hereinfallenden Sonnenstrahlen soeben die kleine Goldmünze, die im Licht wunderschön funkelte. Die drei ineinander verschlungenen Kronen darauf waren nichts weiter als ein heller, leuchtender Punkt in einer verlassenen Gasse, für den sich niemand in diesem Moment interessierte.

    Kapitel 2

    Dass die persönliche Auftragskillerin des Dreikönigshofs wieder einmal zugeschlagen hatte, und das inmitten von Kayleigh, der Hauptstadt von Fia, in der es von Menschen nur so wimmelte, machte schnell die Runde. Da geriet selbst das schöne Wetter in den Hintergrund, das noch zuvor alle Leute in Verzückung versetzt hatte.

    Hoch oben auf einem der Dächer streckte ich meine Nase in den Wind und genoss die prickelnde Wärme auf meiner Haut. Meine Maske hatte ich abgenommen, sobald ich sichergehen konnte, dass keine Menschenseele mich sah. Die lauwarme Luft, die den kommenden Frühling einleitete, umspielte mein Gesicht, als wollte sie es küssen und mir sagen, dass ich auch nur für einen kleinen Moment meinen Gedanken freien Lauf lassen sollte.

    Dass ich etwas fühlen durfte, im Angesicht meiner blutigen Taten, die mich Tag für Tag begleiteten. Schon seit Beginn meiner Ausbildung an der Akademie träumte ich nicht mehr. Was mich zugegebenermaßen auch beruhigte, denn ich wusste, dass meine Seele mit den wiederkehrenden Bildern meiner brutalen Aufträge nicht zurechtkommen würde. Daher fiel ich jede Nacht oder Tag, je nachdem wann ich einen Auftrag auszuführen hatte, in einen dunklen und erholsamen Schlaf. Den ich ebenso benötigte wie meinen klaren Verstand. Ohne ihn funktionierte gar nichts. Dann würde ich vermutlich in Faeeri enden, einem Land, in dem Menschen eher vegetierten als lebten. Verlorene Seelen nannte man sie, da sie aufgrund einiger Schicksalsschläge keinen Ankerpunkt mehr fanden, an den sie sich klammern konnten, um die Reinheit des Lebens zu genießen. Wie hüllenlose Gestalten wandelten sie in dem dürren Land umher, wie Vagabunden, ohne ein Zuhause. Ihre blassen Augen, die leer in die Ferne starrten, als sähen sie irgendwo dort am Horizont einen Lichtpunkt, der sie magisch anzog, kamen nie dort an. Faeeri war einmal ein großes, ehrenvolles und ruhmreiches Land gewesen, an dessen Namen sich nun kaum jemand erinnern konnte. Als die Menschen anfingen, in Richtung des Enya zu pilgern, da das Wasser in Faeeri zur Neige ging, spaltete sich die Gesellschaft in zwei Lager, deren Grenzen nun deutlich zu erkennen waren. Die Menschen machten aus dem neuen Stück Land des Kontinents einen noch schöneren Ort und nannten das Land Alaeen, was so viel wie Land der Strahlenden bedeutete.

    Prunkvolle Roben, Gold, wohin das Auge blickte und Reichtum, in dessen Licht makellose Menschen mit Haut wie Alabaster durch die Straßen flanierten. Sobald meine Dienste am Dreikönigshof nicht mehr gebraucht wurden, wollte ich mir ein Leben in Alaeen aufbauen. Zumindest bestand dieser Wunsch, denn meine Zeit in Fia würde niemals enden. Erst, wenn mein Leben mit dem Tod bestraft wurde. Keine guten Aussichten.

    Von meinem Aussichtspunkt hoch oben auf der Spitze des maroden Hauses, auf dessen Ziegeln sich das dunkle Moos absetzte, hatte ich einen wunderbaren Blick über ganz Fia. Eine Tréana rauschte gemächlich durch die weiten, besetzten Felder, auf denen sich bald das Getreide dankbar der Sonne entgegenstrecken würde. Der schwarze Rauch des kohlebetriebenen Schienenwagens zog sich wie eine dicke, quellende Wolke über den Himmel. Im Norden befand sich das Land Enyan, aus dessen Erde der Fluss Enya entsprang. Beinahe konnte ich das Rauschen des klaren, fließenden Wassers der unzähligen Bäche und Seen vernehmen, die das ganze Land durchzogen und den Enya versorgten. Der wiederum beschenkte die anderen Länder von Lyria mit sauberem Wasser. Im Süden ragten schwach die Spitzen der grauen Berge von Brent in den Himmel und ich musste meine Augen zusammenkneifen, um sie besser fokussieren zu können. Lyria war riesig, aber Fia lag so gut, dass man von einigen Punkten aus fast den ganzen Kontinent überblicken konnte.

    Doch auch wenn die Sonne jeden Fleck von Fia in herrliches Licht tauchte und der feuchte Tau auf den ersten Blumen des Frühlings glitzerte, zog etwas anderes meine Aufmerksamkeit auf sich.

    Der Dreikönigshof.

    In einiger Entfernung konnte ich das prunkvolle Schloss erkennen, das einem Monument gleich auf einem grünen Hügel thronte. An diesem Tag wirkte der ganze Hof mit seinen dicken Mauern und den spitzen Türmen noch imposanter. Die Sonne sandte einen separaten Strahl genau dorthin aus, wo mein heutiger Auftrag enden sollte. So wie jedes Mal, wenn ich von den drei Königinnen hinausgeschickt wurde, um zu töten.

    Nur an diesem Tag war etwas anders, das spürte ich. Nicht nur das besondere Wetter ließ mich länger auf dem Dach des Hauses verweilen, sondern auch die böse Vorahnung, dass sich irgendetwas in meinem Leben ändern sollte. Was, das konnte ich nicht klar definieren, es war mehr ein Bauchgrummeln als ein klarer, vollständiger Gedanke.

    Der lauwarme Wind ließ die Kapuze von meinem Kopf rutschen, sodass meine schwarzen langen Haare wie ein Schleier in meinen Nacken fielen. Gänsehaut breitete sich auf meinem gesamten Körper aus. Der Frühling war wahrlich meine liebste Zeit innerhalb eines Sonnenjahres, denn er leitete immer wieder ein neues Kapitel ein, auf das die meisten Menschen sich freuten. Unten auf den Straßen und in den Gassen spielte Musik, die mit dem Wind davongetragen wurde. Selbst wenn ich mich hinter den Mauern des Dreikönigshofes aufgehalten hätte, hätte ich die lachenden Kinderstimmen gehört, die die Musik wie eine perfekte Komposition begleiteten.

    Ich hatte mich damals für das Leben einer Auftragskillerin entschieden und war zufrieden damit. Ich konnte mich nicht beklagen, denn meine Wohnung in eben dieser Stadt, in der ich vor einer Stunde dem Mann mein Schwert in den Bauch gerammt hatte, war mit jedem erdenklichen Luxus ausgestattet, den unsere Zeit besaß.

    Eine Badewanne, die immer, wenn es mir beliebte, mit warmem, schaumigem Wasser gefüllt war. Ein Bett, dessen Kissen mit fluffigen Federn gefüttert waren und eine Küche, die nicht drohte, jeden Moment in Flammen aufzugehen. Trotz meines Bundes mit dem Dreikönigshof wurde mir gewährt, außerhalb des Schlosses zu wohnen. In meinen eigenen vier Wänden. Ich brauchte den Abstand zwischen meinem privaten Leben und meiner Arbeit. Obwohl ich nicht viel Privatsphäre besaß, denn die meiste Zeit verbrachte ich damit, meine nächsten Opfer ausfindig zu machen, zu jagen und auf die eine Art und Weise zu töten, wie es die drei Königinnen des Hofes befahlen.

    Die Tréana verschwand hinter einem kleinen Tannenwäldchen, bevor sie wieder mit gleicher Kraft hervorschoss und in Richtung der Hauptstadt fuhr. Vermutlich hatte sie Güter aus den anderen Ländern geladen und versorgte nun unser Land. Kohlebetriebene Schienenwagen wie diese gab es in der Tat einige, die durch den ganzen Kontinent reisten, um Handel zu betreiben. Die Länder führten keine Kriege untereinander, was das Zusammenleben erleichterte. Wir profitierten voneinander. Es war ein Geben und Nehmen, das die Herrscher der letzten Jahrhunderte mit Mühe aufgebaut hatten. Niemand wollte diesen stillen Frieden stören, denn alle wussten, was es für jeden Einzelnen bedeutete, in einem Krieg gefangen zu sein. Mehr Tote, die es ohnehin schon aufgrund hohen Alters, Krankheiten oder meiner Wenigkeit gab.

    Ich ließ meinen Blick über die Felder schweifen, bevor ich der Sonne entgegensah, die sich langsam dem Horizont näherte. Die Abenddämmerung würde bald einsetzen und ich sollte mich auf den Weg ins Schloss machen, um meinen Auftrag abzuschließen, sonst würde auch ich für meine Regelverstöße bestraft werden. Da half es auch nicht, die bekannteste Auftragskillerin des Kontinents zu sein.

    Ich zog die Kapuze wieder über meine Haare und stopfte sie darunter, ehe ich meine Maske wieder auf meinem Gesicht platzierte und von Dach zu Dach sprang. Dem Königshof entgegen. Ich hätte wie jeder gewöhnliche Mensch durch die Straßen und Felder schlendern können, doch wozu hatte ich eine exzellente Ausbildung genossen, wenn ich meine Fähigkeiten nicht ausnutzte.

    Als ich zu einem erneuten Sprung ansetzte, hielt ich plötzlich in meiner Bewegung inne. Ein Kribbeln in meinem Nacken spannte meine Muskeln an, sodass ich, kurz bevor meine Schuhe die Kante des Daches verließen, abrupt stehen blieb. Dieses Kribbeln hatte ich schon einmal gespürt, in meinem vergangenen Leben, an das ich nie wieder denken wollte. Nein, nie wieder denken durfte, doch soeben schossen mir die Bilder meines Elternhauses in den Kopf. Ich sah keine Menschen, ich erinnerte mich nicht mehr an ihre Gesichter. Meine Eltern waren schon lange fort. Begraben unter der Erde auf einem abgelegenen Hügel von Fia, doch dieses Kribbeln hatte ich nur bei einer Person meines früheren Lebens gespürt. Es war so vertraut, dass ich für einen kurzen Augenblick meine Konzentration verlor und beinahe nach vorne gekippt wäre, wenn ich nicht zurück zu meinem jetzigen Ich gefunden hätte.

    Ich sah mich um, doch da waren nur die unzähligen schiefen Häuserdächer und der aufsteigende Rauch der Schornsteine.

    Wenn mich nicht alles täuschte, dann wurde ich beobachtet. Bewusst beobachtet. Nicht auf diese Art, wie es die Menschen von Fia taten, wenn sie mich in ihren Gassen oder auf dem Markt sahen. Jemand wusste ganz genau wer ich war und was ich hier tat. Dieser jemand kannte nicht Vika, sondern die versteckte alte Seele, die ich einst gewesen war.

    Und genau das machte mir nicht unbedingt Angst, so etwas wie Angst kannte ich nicht mehr, aber es ließ mich misstrauisch erschaudern. Niemand konnte wissen, welches Leben ich vor diesem geführt hatte. Außer ...

    Ich atmete einmal tief durch und verwarf den Gedanken sogleich, der sich langsam in mein Gedächtnis schlich, sodass ich mich wieder allein auf meine Aufgabe konzentrieren konnte, die vor mir lag: der Abschluss meines Auftrages. Und die dazugehörige Belohnung fand ich nicht auf diesem Dach, sondern hinter den Mauern des Schlosses, das nur noch wenige Katzensprünge entfernt auf seinem Hügel thronte.

    Ich konnte mir ein anderes Mal Gedanken darüber machen, was soeben geschehen war. Wenn ich mir überhaupt jemals wieder den Kopf darüber zerbrechen wollte und sprang auf das nächste Dach, um von dort aus an der Häuserwand hinunterzuklettern.

    Mal sehen, in welcher Verfassung die drei Grazien waren, in deren Pflichten ich stand.

    Kapitel 3

    An das höfliche Verbeugen der Wachen am Tor des Hofes würde ich mich wohl nie gewöhnen. Die gesenkten Blicke, wenn ich eintraf oder die Tatsache, dass sich das Tor bereits öffnete, auch wenn ich noch in weiter Ferne den breiten, gepflasterten Weg den Hügel hinauflief, wirkten auch nach fünf Jahren noch völlig absurd.

    So lange war es her, dass ich die Ausbildung zur Auftragskillerin an der Akademie abgeschlossen hatte. Ein Tag, der mein Leben für immer veränderte. Mein ganzes Dasein veränderte. Auch wenn ich die Tage an der Akademie gezählt hatte, war es doch etwas ganz anderes, keine Schülerin mehr zu sein, sondern ein vollwertiges Mitglied des Königshofs. Oder Angestellte. Man konnte es nennen, wie man wollte. Die Zeit meiner Ausbildung hatte ich trotz der Brutalität, der Strafen und des harten Trainings genossen. Hinter den schützenden Mauern der Akademie schien ich sicher zu sein. Meine Euphorie und der Drang danach so sauber und effizient zu töten wie nur möglich, ließen mich jeden Morgen aufs Neue voller Eifer aufstehen. Aber als der Tag des Abschieds näher rückte, hatte ich mich mehr und mehr einsam gefühlt.

    Denn genau das zeichnete das Leben eines Auftragskillers aus. Wir hatten keine Freunde, eher flüchtige Bekannte. Auch meine Mitschüler zogen über den ganzen Kontinent, um sich einem anderen Land und Königshof anzuschließen. Dass ausgerechnet ich von den drei Königinnen Fias auserwählt wurde, hatte man mir zwar schon in den ersten Monaten der Ausbildung prophezeit, doch Glauben schenken konnte ich dem bis zuletzt nicht.

    Ich wusste nicht, was die anderen Männer und Frauen taten, um zu überleben. Wohin es sie verschlagen hatte, ob sie ebenfalls in Reichtum badeten, wie ich, oder ob sie überhaupt noch am Leben waren.

    Sobald die Tore der Akademie sich hinter uns geschlossen hatten, wurden wir zu Fremden. Ausnahmslos. Wenn ich ehrlich war, verspürte ich auch nicht das Bedürfnis, Kontakt mit einem meiner ehemaligen Mitschüler aufzunehmen. Ich war schon immer ein Eigenbrötler, eine Einzelgängerin gewesen, die sich auch in ihrem alten Leben immer gerne zurückgezogen hatte.

    Das Einzige, an das ich mich noch erinnern konnte, und das, obwohl meine Lehrmeister ganze Arbeit geleistet hatten, jede Erinnerung an mein altes Ich auszulöschen, waren die traurigen Blicke meiner Eltern, die sie mir immer wieder zugeworfen hatten. Wenn ich nicht mit den anderen Kindern auf der Straße spielen wollte. Sie einfach ignorierte. Leider war es die einzige klare Erinnerung, die ich besaß. Es gab wenige gute, die schlechten überwiegten. Aber genau diese schlummerten tief in meinem Herzen und hatten sich dort festgekrallt wie die Klauen einer gefährlichen Kreatur.

    Je näher ich dem Tor des Dreikönigshofs kam, desto langsamer wurden meine Schritte. Es war immer wieder ein unheimliches Gefühl, wie eine der Königinnen selbst durch dieses Tor zu schreiten, ohne dass man mir wie den anderen Bewohnern den Zugang verwehrte. Niemand, wirklich niemand durfte den Hof betreten, außer die Königinnen luden zu einer

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