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Das Dunkle unter dem Schnee: Detektivroman
Das Dunkle unter dem Schnee: Detektivroman
Das Dunkle unter dem Schnee: Detektivroman
eBook249 Seiten3 Stunden

Das Dunkle unter dem Schnee: Detektivroman

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Über dieses E-Book

Das Dunkle unter dem Schnee

In dieser spannenden Detektivgeschichte geht es um Betrug, Testamentsfälschung und Abhängigkeiten. Zwei Generationen später fragt sich der pensionierte Chief Inspector Steve Brennan, was den Pfarrer bewogen hat, in seiner Trauerpredigt den verstorbenen Besitzer von Avon Crest als bekehrten Saulus zu bezeichnen. Brennan beginnt nachzufragen, aber warum halten sich alle so bedeckt, als er an sie nach der Vergangenheit von Douglas Gordon fragt? Brennan wird bedroht, entgeht mehreren Mordanschlägen und sucht trotzdem weiter die Spuren unter dem Schnee. Wird er Licht in das Dunkel dieser Vergangenheit bringen können?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum14. Juni 2023
ISBN9783347959651
Das Dunkle unter dem Schnee: Detektivroman
Autor

Uwe Trostmann

Dr. Uwe Trostmann wurde 1952 im Schwarzwald geboren. Aufgewachsen und gelebt hatte er die meiste Zeit in Freiburg und im Breisgau, bevor es ihn vor wenigen Jahren noch weiter südlich nach Kandern zog. Als Naturwissenschaftler hatte er über 30 Jahre in der pharmazeutischen Industrie gearbeitet. Beruflich und privat bereiste er große Teile der Welt und ist auch heute noch sehr viel unterwegs. Zuhause fühlt er sich aber im Schwarzwald. Auf seinen Reisen lernte Uwe Trostmann viele Länder und unterschiedliche Menschen kennen, deren Lebensweisen, soziale und politische Strukturen sein Interesse für Politik und Geschichte weckten. Mit Beginn der Rente widmete er sich vermehrt diesen Themen und vor allem der neueren deutschen Vergangenheit und der aktuellen Politik. Die Geschichte der Menschen zwischen den Weltkriegen und während des Aufbaus der BRD und auch die aktuellen sozialen und politischen Veränderungen sind Thema seiner ersten Bücher. Angeregt durch die dramatischen sozialen und politischen Veränderungen in unserem Land, schrieb er sein Erstlingswerk »Fake – Der Lügenfaktor«, was seit 2017 als Buch vorliegt. Anfang 2020 wurde die erste Version überarbeitet und mit dem Titel »Fake oder die Wahrheitsmacher« neu herausgegeben. In seinem Werk »Fischhaut« setzt er sich mit dem Leben eines Deutschen auseinander, der zwischen 1930 und im Nachkriegsdeutschland sein persönliches Glück zu finden sucht. »Wie die Nummer 5 zum Halten kam« ist eine Sammlung von autobiografischen Erzählungen aus seiner Jugendzeit in Freiburg Haslach und wurde im Sommer 2020 veröffentlicht. In seinem ersten Kriminalroman „Giftiges Blut“ lässt Uwe Trostmann Chief Inspector Steve Brennan und seine Assistentin Roberta Foster sich mit mysteriösen Fällen von Vergiftungen beschäftigen, die ihren Ursprung vor vielen hundert Jahren in Schottland haben. Im zweiten Kriminalroman "Die 10 Kapitel der Vergeltung" stellt sich Chief Inspector Roberta Foster die Frage, was in Briefen angekündigte Morde, eine Geiselnahme, ein korrupter Polizeiinspektor und Kokain-Dealer miteinander zu tun haben. Im dritten Kriminalroman "Pest Blut" drohen Terroristen mit der Verseuchung des Trinkwassers von Birmingham. Können Chief Inspector Roberta Foster und ihr ehemaliger Chef Steve Brennan weitere Anschläge mit noch mehr Pest-Opfern verhindern? Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit.

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    Buchvorschau

    Das Dunkle unter dem Schnee - Uwe Trostmann

    1

    Es kommt alles an den Tag,

    was unterm Schnee verborgen lag.

    (Schwedisches Sprichwort)

    Mürrisch stapfte Steve Brennan an diesem kalten und windigen Novembertag durch den Schnee vom Parkplatz des Friedhofs zur Aberlour Parish Church. Es waren nur 200 Yards die High Street von Charlestown entlang, Brennan dachte aber mit Widerwillen daran, dass er später diesen Weg wieder zurücklaufen müsste. Nicht überall war der Gehweg vom Schnee befreit worden. Es schneite seit Stunden und immer wieder rutschte ihm Schnee in seine schwarzen Halbschuhe. Trauerfeier hin oder her, er hätte besser die hohen Winterschuhe anziehen sollen. Er fühlte die kalte Nässe, was seine Stimmung nicht besserte. Selten trug er diesen alten schwarzen Hut, jetzt schob er ihn noch weiter ins Gesicht. Neben ihm lief sein Freund Francis Gilmore, der sich mit einem Regenschirm vor den Schneeflocken schützte. Gilmore hatte Brennan angerufen und ihn über den Tod von Douglas Gordon informiert, ihn gefragt, ob er auch zur Beerdigung kommen wolle. Brennan erinnerte sich, dass er über eine verstorbene Tante mit Gordon entfernt verwandt war, er wollte sich irgendwann einmal genauer damit beschäftigen. Sie standen in der langen Reihe der Trauernden vor dem Eingang der Kirche. Nur langsam schoben sich die Menschen durch die schmale Türöffnung, klopften sich den Schnee von den Mänteln, traten mit ihren Schuhen mehrmals auf, es dauerte, bis jeder einen Platz auf den Kirchenbänken fand.

    Dann betraten die beiden die Kirche, Brennan sah sich kurz um und stellte zu seinem Erstaunen fest, dass sich trotz des schlechten Wetters sehr viele Menschen eingefunden hatten. Er nahm seinen Hut ab, schlug ihn gegen seinen Mantel, entfernte so ebenfalls den Schnee, Gilmore stieß seinen zusammengefalteten Schirm leicht auf den Boden. In der dritten Reihe vorne erspähten sie noch zwei freie Plätze und liefen langsam durch den Hauptgang dorthin. Brennan ließ seinen Blick immer wieder ein wenig nach links und rechts schweifen. Er erkannte einige wenige vom Sehen, die er mit einem kurzen Nicken begrüßte. Sie nahmen Platz. Oft war er nicht in eine Kirche gegangen – in den meisten Fällen war das aus beruflichen Gründen gewesen, als Chief Inspector.

    Die Menschen in seiner Bank kannte er nicht. Er grüßte dennoch mit einem leichten Kopfnicken – die anderen grüßten zurück. Die Kirche war nicht beheizt, er konnte nicht nur seinen, sondern ebenso den Atem der anderen Besucher sehen. Offenbar war allen kalt, die meisten hatten ihre Handschuhe anbehalten, registrierte er und ließ seinen langen grauen Wollmantel zugeknöpft. Das Gesangbuch ließ er vor sich liegen, singen war nicht seine Stärke. Zu seiner Zufriedenheit stellte er fest, dass sich der Geistliche, Reverend Everson, mit einem Schal gegen die Kälte gewappnet, bereits in der Nähe des Altars stand. Lange mussten die Trauernden nicht warten, bis die Orgel zu spielen begann. Brennan versank in seinen Gedanken.

    Er hatte vor seiner Pensionierung den alten Douglas Gordon während des einen oder anderen Angel-Urlaubs im The Fiddichside Inn getroffen, sah ihn aber auch immer wieder in seinem schottischen Tweed-Anzug und mit seiner Mütze auf der Straße von Charlestown im Gespräch mit Anwohnern. Gordon war beliebt und war zur Stelle, wenn jemand Hilfe benötigte, wurde Brennan erzählt, aber für den ehemaligen Chief Inspector hatte Gordons Haltung und Gesichtsausdruck auch manchmal etwas Hinterhältiges, Lauerndes. Die wenigen Male, in denen er Gordon traf, redeten sie über das Fischen oder das Wetter, und als er ein Ferienhaus für ein paar Wochen suchte, gab ihm der Alte einen guten Tipp. Gordon kannte sich aus. Als Brennan einmal erwähnte, dass er Chief Inspector war, bemerkte er eine gewisse Zurückhaltung, machte sich allerdings darüber keine Gedanken, da seiner Erfahrung nach viele Menschen zu Polizisten Abstand hielten.

    Brennans Gedanken wurden unterbrochen, als die Orgel aufhörte zu spielen und der Reverend die Trauergemeinde bat, sich zu erheben. Der Geistliche sprach den Namen des Toten aus, Brennans Gedanken wanderten zu seinen Vorfahren. Eine Tante von ihm war die Cousine der Mutter von Douglas Gordon, hatte er herausgefunden. Er konnte sich im Moment allerdings weder an die Tante noch an deren Cousine erinnern. War er zu Lebzeiten seiner Tante noch so klein gewesen? Er würde dahinterkommen, eines Tages.

    Everson beendete das Gebet, die Trauenden nahmen wieder Platz und der Geistliche begann mit der Predigt. Brennan hörte nur mit halbem Ohr erst die Bibelzitate und dann die Zusammenfassung von Gordons Leben an. Er dachte in diesem Moment vielmehr an seine kalten Füße und dass er zu Hause versäumt hatte, ein paar Scheite in den Kamin zu legen. Das meiste, was der Reverend sagte, kannte Brennan schon, alles andere war für ihn weniger wichtig. Er hätte jetzt lieber ein paar Fragen zum Angeln an Gilmore gestellt. Abrupt wurde er durch ein Zitat in die Realität geholt.

    „So hören wir auch aus der Bibel, wie Saulus zu Paulus wurde und lernte, Gutes zu tun. Wir kennen aus vielen Geschichten, wie Menschen zeit ihres Lebens mit ihren früheren Taten haderten, viel Gutes taten, um ihr Gewissen zu erleichtern."

    Brennan vernahm diese Worte, sie hallten in ihm nach. Er hoffte, mehr darüber zu hören, aber Everson ging nicht weiter auf Einzelheiten ein. Es waren aber diese zwei Sätze, die den pensionierten Chief Inspector aufhorchen ließen. Er lugte zu Gilmore, sah bei ihm aber keine Reaktion. Er blickte in die Runde der Trauenden, sah auch dort keine Bewegung in den Gesichtern. Angestrengt versuchte er, sich an etwas zu erinnern – gab es irgendwelche Dinge, die er überhört hatte? Er wohnte noch nicht lange hier, er kannte den Verstorbenen zu wenig. Er hatte hier bislang wenige Menschen kennengelernt. Brennans Neugierde war geweckt.

    Ungeduldig wartete die frierende Trauergemeinde auf das Ende des Gottesdienstes, endlich wurde der Sarg nach draußen getragen, gefolgt von Menschen, die in den ersten beiden Reihen gesessen hatten. Brennan kannte keinen von ihnen. Er wollte seine Frage loswerden.

    „Hast du den Hinweis des Reverends verstanden?", fragte er Gilmore.

    „Welchen Hinweis meinst du? Wir sind dran. Gehst du?"

    Brennan wollte die Bankreihe verlassen, als der Menschenzug zum Stehen kam. Eine alte kleine Frau stand direkt neben ihm und guckte ihn an. Sie ist äußerst klein, dachte er, und sehr alt. Aus ihrem schrumpeligen Gesicht schaute eine dicke Nase, blickten ihn zwei winzige blaugraue Augen an. Die schmalen Lippen öffneten sich ein wenig und sie sagte mit krächzender Stimme: „Sie werden alles finden." Sie drehte sich weg, der Trauerzug bewegte sich weiter, mittendrin die alte Frau, deren Gestalt bald vollständig von den anderen Menschen verdeckt wurde. Brennan fragte sich, wem diese Worte gegolten hatten, was das alte Mütterchen gemeint hatte. Gilmore bat ihn noch einmal, die Bankreihe zu verlassen, sie seien an der Reihe. Sie folgten den anderen aus der Kirche. Schnell wurden Regenschirme aufgespannt, Brennan setzte seinen Hut auf. Er hatte das Gefühl, dass es noch heftiger schneite.

    „Was wolltest du wissen", fragte Gilmore, als sie dem Trauerzug folgten.

    „Diese Stelle in der Predigt über die Verwandlung vom Saulus zum Paulus, und die Verbindung zu Gordons Leben."

    „Dazu fällt mir nichts ein."

    „Kanntest du Douglas Gordon?"

    „Selber habe ich nie mit ihm zu tun gehabt. Ich habe immer nur seinen Namen gehört."

    „In welchem Zusammenhang?"

    „Geldspenden, Hilfsbereitschaft. Sag mal, bist du als Chief Inspector unterwegs?"

    Brennan lachte leise. „Ich habe nicht die Absicht." Noch nicht, gingen seine Gedanken weiter.

    „Kennst du die alte Frau, die neben mir stehen geblieben ist?"

    „Welche alte Frau?"

    „Hast du sie nicht gesehen, als der Trauerzug in der Kirche auf einmal stockte?"

    „Sorry, nein, ich habe zum Ausgang geguckt."

    „Schade", meinte Brennan.

    „Wieso? Wolltest du sie kennenlernen?"

    „Sie sagte zu mir «Sie werden alles finden»."

    „Sagte sie das zu dir oder war das nur so allgemein gesagt?"

    „Sie schaute mich dabei an."

    „Hm, seltsam."

    Der Trauerzug folgte dem Sarg auf den Friedhof, vor dem ausgehobenen Grab blieb die Gemeinde stehen, nur wenige direkt davor, viele hinter der ersten Reihe, Brennan und Gilmore irgendwo in der Menge. Brennan sah sich um und entdeckte weitere Menschen auf den Friedhofswegen, die alte Frau sah er nicht mehr.

    Ein heftiger Wind trieb Schneeflocken vor sich her. Brennan hielt seinen Hut fest. Der Geistliche sprach segnende Worte, der Sarg wurde hinabgelassen, die Trauenden verabschiedeten sich und bewegten sich langsam dem Ausgang zu. Brennan stand die ganze Zeit neben seinem Freund, auch sie wandten sich zum Ausgang und liefen schweigend auf die Straße.

    „Darf ich dich noch einmal etwas zu der Rede vom Reverend fragen? Diese Bemerkung schien mir sehr auf den Verstorbenen bezogen: «Wie Saulus zu Paulus wurde und Gutes tat. Wir kennen aus vielen Geschichten, wie Menschen zeit ihres Lebens mit ihren Taten haderten, viel Gutes taten, um ihr Gewissen zu erleichtern»?"

    „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das auf Gordon gemünzt war. Was soll der Schlechtes getan haben? Ich habe immer nur Gutes gehört."

    „Das ist genau meine Frage. Warum hat der Reverend das gesagt? Fällt dir gar nichts ein?"

    „Hm. Ich versuche, mich zu erinnern."

    „Woran?"

    „Was vielleicht früher erzählt wurde?"

    „Und was wäre das?"

    „Weißt du, Steve, es gibt immer wieder Gerüchte, besonders hier in Schottland."

    „Zum Beispiel?"

    „Meine Eltern erzählten, dass die Gordons früher einmal arme Leute waren, aber irgendwann gehörte ihnen das Anwesen Avon Crest. Solch ein Aufstieg bringt immer Neider hervor."

    Brennan blickte auf die fortgehenden Menschen. Er war in Gedanken versunken.

    „Was überlegst du?"

    Doch Brennan wollte jetzt nicht weiter darüber sprechen. Es war ihm kalt hier im Schneetreiben. Er sah seinen Freund an. „Ich ruf dich morgen an, wenn das für dich in Ordnung ist."

    „Ich denke nicht, dass ich dir viel erzählen kann."

    „Vielleicht reicht schon das wenige", murmelte Brennan.

    „Du hast doch bestimmt schon wieder eine Vermutung, Mr Inspector."

    „Dann bis morgen." Brennan lief zum Parkplatz.

    „Kommst du nicht mit zur Trauerfeier?", rief ihm Gilmore hinterher.

    „Bin nicht eingeladen", rief Brennan, ohne sich noch einmal umzudrehen. Hätte man ihn vorher gefragt, so hätte er abgelehnt. Aber jetzt würde er gerne dabei sein und ein paar Fragen stellen.

    Der ehemalige Chief Inspector des Kommissariats in Birmingham Steve Brennan war vor vier Jahren in Pension gegangen. Trotz seines Alters von siebzig Jahren und seiner inzwischen leicht gebeugten Haltung, die den schlaksigen Eindruck noch betonte, flößte er mit seiner Größe von beinahe 6 Feet und einem Gewicht von 200 Pound Respekt ein. Die inzwischen weißen Haare akkurat nach hinten gekämmt, den Bart immer gepflegt – mit seinen grauen Augen erkannte er vieles, was andere Menschen nicht sahen. Sein grauer Anzug hing in seinem Kleiderschrank jederzeit bereit für den Fall, dass seine Erfahrung als ehemaliger Chief Inspector gefragt würde.

    Er liebte sein Hobby Fischen, hatte sich vor einem Jahr ein Haus in Beauly bei Inverness gekauft, kam aber nicht aus seiner Haut heraus. Mit seinem besonderen kriminalistischen Gespür hatte er sich früher einen guten Namen gemacht. Und obwohl er im wohlverdienten Ruhestand war, rutschte er wiederholt in die Aufklärung von Kriminalfällen hinein. Oder er wurde von seiner ehemaligen Mitarbeiterin Roberta Foster, die nach seiner Pensionierung seine Position als Chief Inspector in Birmingham angetreten hatte, gebeten, bei der Aufklärung zu helfen. Es war noch gar nicht so lange her – etwa eineinhalb Jahre –, dass seine Nachfolgerin ihn wieder um seine Unterstützung gebeten hatte. Es war ein Fall, der das gesamte Land betraf. Bei der Verfolgung der Terroristen waren sie beide an ihre Grenzen gekommen. Aber sie hatten es geschafft. Auch wenn er es nicht gerne zeigte, er war stolz auf sich.

    Er konnte und wollte auch nicht seine Finger von der kriminalistischen Arbeit lassen. Es war sein Naturell und es waren diese speziellen Situationen, die Brennan Kriminalfälle sehen ließen und den Wunsch, diese aufzuklären. Und genau das war vor einer halben Stunde wieder passiert. Es waren diese Worte von Reverend Everson.

    Brennan fegte mit einer Hand den Schnee von Windschutz- und Heckscheibe, setzte sich in seinen Wagen, machte den Motor an und fuhr nach Beauly zurück. Der Wind trieb den Schnee über die Straße, es bildeten sich Schneewehen am Fahrbahnrand, selbst jetzt um die Mittagszeit war es recht dunkel und die Sicht schlecht. Er fuhr vorsichtig, er merkte in jeder Kurve, wie glatt die Straße war. Seine Füße steckten in den nassen Schuhen, er schaltete die Heizung höher und musste die Fahrbahn bei diesem heftigen Schneetreiben immer wieder suchen. Er brauchte doppelt so lang wie sonst – erst nach mehr als zwei Stunden kam er zu Hause an. Die Zufahrt zu seiner Garage war zugeschneit, er stellte seinen Wagen davor ab. Jetzt wollte er sie nicht freischaufeln. Er fror noch immer, trat in sein Haus, warf sofort neue Holzscheite in den Kamin und wechselte die Kleidung. Warum hatte er bei diesem Wetter unbedingt die schwarzen Halbschuhe anziehen müssen? Im Vorratsschrank entdeckte er eine Dose Gulaschsuppe, goss sie in einen Topf, erwärmte sie auf dem Herd und setzte sich mit Suppenteller, einem Bier und einem Notizblock an den Tisch. Nachdenklich begann er die Suppe zu löffeln.

    Es war nach dem letzten Fall gewesen, dass er dieses für ihn geräumige Haus mit großem Wohnzimmer und Küche im

    Erdgeschoss sowie Bad und zwei Schlafzimmern im Obergeschoss entdeckt und seine Wohnung in Birmingham aufgegeben hatte. Er hatte es gekauft, renovieren lassen, nach seinem Geschmack eingerichtet. Erst wollte er sein Reihenhaus in Birmingham nicht verkaufen, aber das Geld für seine neue Heimstatt hätte sonst nicht gereicht.

    Immer wieder hatte es ihn in den Norden zum Angeln gezogen. Schon länger war er auf der Suche nach einem ruhigen Ort in Schottland gewesen, wo er seinem Hobby nachgehen konnte. Jetzt wohnte er schon beinahe ein Jahr in Beauly. Er hatte sich eingelebt, aber so richtig näher war er den Einheimischen nicht gekommen, eine Freundschaft hatte sich bis jetzt nicht ergeben. Brennan hatte nie viele echte Freunde gehabt.

    Steve Brennan kannte in seinem Leben nur zwei Menschen, die er als seine Freunde bezeichnete: George aus Birmingham und Francis aus Schottland. Mit beiden verband ihn das Angeln. Francis Gilmore war zehn Jahre jünger als er, war Bankkaufmann, lebte mit seiner Frau in Inverness und kannte viele Menschen aus der Gegend. Brennan schätzte Gilmores ruhige, introvertierte Art, darin waren sie sich ähnlich. Stundenlang konnten sie im Wasser stehen und die Angeln halten. Zu erzählen gab es am Abend immer noch genug.

    Brennan hatte sich noch nicht viele Notizen gemacht. Er wechselte seinen Platz, machte es sich im Sessel bequem, hielt seine Füße in Richtung Kamin und beobachtete die Flammen. Je länger er über die Worte von Everson nachdachte, desto weniger konnte er damit anfangen, sie machten ihn aber umso neugieriger. Er sah keinen Mord, keinen Diebstahl, nichts, was ihn zum sofortigen Handeln hätte treiben können. Später setzte er sich an seinen PC – eine erste Recherche zu Douglas Gordon im Internet brachte nichts zutage. Aber irgendetwas Größeres war hinter Eversons Bemerkung über Gordon verborgen. Davon war Brennan überzeugt. Etwas, das er noch nicht kannte; etwas, das ihn herausforderte. Ganz langsam ergaben sich Ansätze für einen Plan, wie er vorzugehen dachte.

    Wie war ich mit Gordon verwandt, wechselte Brennan seinen Gedankengang. Er kramte in seinem Wohnzimmerschrank, fand eine Sammlung alter Unterlagen in einem kleinen Karton und begann darin zu wühlen. Es waren zwei Briefe seiner Mutter, erinnerte er sich, in denen etwas darüberstand. Nach längerem Suchen fand er sie. Sie waren von einer Tante, die bereits vor mehr als 60 Jahren verstorben war. Sie war die Cousine der Mutter von Douglas Gordon. Es mussten einfache Bauern gewesen sein, entnahm er den beiden Briefen. Die Tante arbeitete außerdem als Wäscherin.

    Es war nach 23 Uhr, als Brennan beschloss, sich in den nächsten Tagen weiter mit Gordon zu beschäftigen.

    Brennan sah am nächsten Morgen im Badezimmer in den Spiegel. Er schaute sein Gesicht an, sah die Falten, die grauen Haare, die entschlossenen blaugrauen Augen.

    „Douglas Gordon, deine Vergangenheit werde ich auch noch herausbekommen", murmelte er leise, aber entschieden seinem Spiegelbild entgegen. Er stockte. «Sie werden alles finden» waren die Worte der alten Dame in der Kirche gewesen. Waren diese Worte an ihn gerichtet? Meinte sie ihn, weil sie um seine Vergangenheit als Chief Inspector wusste oder gab es einen Zusammenhang mit den Worten des Reverends? Brennan verließ das Badezimmer und zog sich an.

    Als er aus dem Küchenfenster sah, hatte sich beinahe ein halbes ard Schnee auf den Rasen und den Vorplatz vor seinem Haus gelegt. Er machte sich einen Kaffee, zog seine Winterstiefel, einen dicken Mantel und eine Pudelmütze an und begann, die Einfahrt freizuschaufeln. Seinen Wagen befreite er auch schon einmal von der weißen Last, für den Fall, dass er wegfahren sollte. Da der Wetterdienst weiteren Schneefall voraussagte, fuhr er den Wagen in die Garage.

    Er schaute in den Briefkasten, fand keine Tageszeitung vor und begann, Neuigkeiten im Internet zu lesen. Gelegentlich blickte er zum Fenster hinaus, stellte fest, dass sich das Wetter nicht besserte, und

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