Das Portugal-Lesebuch: Impressionen und Rezepte aus dem Land der Seefahrer
Von Almut Irmscher
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Über dieses E-Book
Begleiten Sie Almut Irmscher auf ihrer faszinierenden Reise durch Portugal. Erkunden Sie Landschaften und Städte, Kurioses und Alltägliches. Lernen Sie Menschen von heute und aus der spannenden Vergangenheit Portugals kennen – das Land in Europas Westen, von dem aus Entdeckungsfahrer einst das Tor zur großen weiten Welt geöffnet haben.
Almut Irmscher präsentiert beeindruckende Bilder und mehr als 20 authentische Rezepte, die dazu einladen, die landestypischen Spezialitäten selbst nachzukochen!
Almut Irmscher
Almut Irmscher wurde in Wuppertal geboren und wuchs im niederbergischen Velbert, später im steingrauen Mönchengladbach der Siebzigerjahre auf. Mit 18 Jahren floh sie zum Studium ins lebenslustige Köln und verbrachte danach viele Jahre an so unterschiedlichen Orten wie Liverpool oder einem einsam gelegenen Bauernhof in der norddeutschen Tiefebene, um endlich auf einem Hügel im Bergischen Land anzukommen. Hier lebt sie nun mit ihrem Mann, einem Marineoffizier. Sie hat drei Kinder und leitet seit mehr als 20 Jahren eine kleine Reiseagentur. Ihre Leidenschaften sind das Reisen und das Schreiben, außerdem ist sie passionierte Fotografin und Köchin. Das inspirierte sie dazu, alles miteinander zu verbinden und die Vielfalt der bereisten Länder, Regionen und Städte mit lebendigen Geschichten, Fotos und Rezepten zu dokumentieren.
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Buchvorschau
Das Portugal-Lesebuch - Almut Irmscher
Almut Irmscher
Das Portugal-Lesebuch
Impressionen und Rezepte
aus dem Land der Seefahrer
Einführung
Am Anfang war ein Hafen – Porto
Caldo verde – Kartoffel-Kohl-Suppe
Von ausgedörrt bis zuckersüß – die Küche Portugals
Broa de milho – portugiesisches Maisbrot
Gazpacho português – portugiesische Kaltschale
Vögel, Wind und Macchia – die Natur der Algarve
Salame de chocolate – „Schokoladensalami"
Ginjinha – portugiesischer Sauerkirschlikör
Everybody‘s gone surfin’ – surfin’ Portugal
Sardinhas fritas com arroz de tomate – gebratene Sardinen mit Tomatenreis
Rauch und Flüstern – das Geheimnis der Morisken
Fios de ovos – Eierfäden
Bolo de nozes, amêndoas e figos – Walnuss-Mandel-Feigen-Kuchen
Die drei Reiter der Apokalypse – ein Novembermorgen in Lissabon
Carne de porco à alentejana – Muscheln mit Schweinefleisch
Ovos recheados – gefüllte Eier
Lieder, Bauten, Eierkuchen – ein Spaziergang durch Lissabon
Pastéis de Nata – portugiesische Eierküchlein
To boldly go where no man has gone before – Heinrich der Seefahrer
Frango piri piri – scharfes Hähnchen auf portugiesische Art
Tief im Westen – die Ponta de Sagres und das Cabo de São Vicente
Arroz de marisco – Reis mit Meeresfrüchten
Toucinho do cèu – „Himmelsspeck"
Der alte Mann und der Baum – Weltmarktführer im Eichenhain
Peixinhos da horta – „Fischlein aus dem Garten"
Märchenschlösser und Traumgespinste – die fantastische Welt von Sintra
Queijadas de Sintra – Käseküchlein aus Sintra
Bife à Marrare – Steak auf Lissaboner Art
Aufbruch der Entdecker – das Ringen um den Weg nach Indien
Pastéis de bacalhau – Stockfischfrikadellen
Bacalhau à brás – Stockfisch-Kartoffel-Pfanne
Land der Leidenschaft – erster Teil: Maria
Bolo Rei – Königskuchen
Pudim flan – Karamellpudding
Land der Leidenschaft – zweiter Teil: Pedro und Inês
Cozido à portuguesa – portugiesischer Eintopf
Sopa de abóbora com gengibre e coentro – Kürbissuppe mit Ingwer und Koriander
Der Wanderer und der Esel – Entschleunigung auf sechs Beinen
Açorda – portugiesische Brotsuppe
Pão de ló – Biskuitkuchen
Wie gewonnen, so zerronnen – Aufstieg und Fall der Kolonialmacht
Feijoada à portuguesa – Bohneneintopf auf portugiesische Art
Ein Sommertag im Herbst – Geschichten aus Lagos
Bifana no pão – Schweineschnitzel im Brot
Sangria portuguesa – portugiesische Sangria
Flower-Power auf Portugiesisch – die Nelkenrevolution
Caldeirada de peixe – portugiesische Fischsuppe
Torta de Laranja – portugiesische Orangenrolle
Das letzte Wort
Danksagung
Einführung
Mit machtvollen Wogen rollt der Atlantik gegen das Land, das in zerklüfteten Klippen jählings hin zu ihm abbricht. Gierig und unbeirrbar nagt er an der Küste, drängend fluten seine Wellen den schmalen Streifen des Strandes, sie schlagen hoch gegen die Felsen und brechen sich zu Myriaden von Tropfen im erbitterten Kampf der Elemente. Trotzig ragt ein geschundener Stein aus den Fluten, Bastion des Widerstands gegen die Allgewalt des Ozeans, und doch nichts als ein verlorener Außenposten im ewigen Tanz der Gezeiten. Denn in der Kraft der Beharrlichkeit liegt die Macht des Atlantiks. Unaufhaltsam arbeitet er sich voran, und tosend modelliert er die Küste nach seiner Fasson.
Doch muss er ein großer Künstler sein, denn seine Skulpturen sind wahrlich einzigartig. Die Klippen formen ein monumentales Bollwerk, wie die Wehrmauern eines Reichs von Giganten. Lang gestreckte Riffe und bizarre Felsen schmücken sie mit geheimnisvollen Gebilden, die wirken, als seien sie der fremdartigen Fantasie des beseelten Atlantiks entsprungen. Fast möchte man glauben, er sei ein lebendiges Wesen voll Wünsche und Träume.
Er hat die schuppigen Rückenkämme wilder Meeresungeheuer erschaffen und prachtvolle Tore, hinter denen sich die farbenfrohen Fassaden seiner Märchenpaläste verbergen. In den hohen Festhallen gefluteter Höhlen lässt er magische Lichter tanzen, und seine friedlichen Strände liegen wie verborgene Paradiese zwischen den uneinnehmbaren Burgmauern steil aufragender Klippen oder zieren die weitläufigen Ufer mit ihrem goldenen Band.
Hoch über der Küste habe ich einen Platz gefunden, und fasziniert blicke ich hinab auf das Schauspiel der Ewigkeit, das sich zu meinen Füßen darbietet. Licht und Intensität des Spektakels folgen der großartigen Dramaturgie dieser fantastischen Inszenierung der Natur. Mal türmen sich wütende Wellen zu haushohen Wänden, dann wieder wogen sie ruhig und in friedlichem Rhythmus, als seien sie der sanfte Odem des schlafenden Meeres. Erstrahlten sie eben noch im gleißenden Licht der Mittagssonne überschwänglich blau und türkis, so hüllen sie sich am Abend in zartrosa schillernde Seide, um später unter dem sternenglitzernden Nachthimmel ein Festgewand aus tiefblauem Samt anzulegen.
Dieser Darbietung zusehen zu dürfen, empfinde ich als Geschenk ohnegleichen. Was braucht es mehr, als die Schönheit und Großartigkeit der Natur? Welch ein beneidenswertes Land, das mit dieser Erhabenheit gesegnet ist.
Der Ozean ist Portugals allergrößter Schatz. Seit jeher nährt er die Menschen. Er brachte aber auch Fremde an die Küsten, Griechen, Römer und Mauren, die das Land verändert und geprägt haben. Auf seinen Fluten trug er später die Portugiesen selbst zu neuen Ufern. So hat er ihnen die Augen geöffnet und gezeigt, dass ihr eigener Horizont gewiss nicht das Ende der Welt ist. Die ersten europäischen Entdecker stachen von Portugals Küsten aus in See, vom äußersten Westen des Festlands, wo sich der raue Atlantik in endloser Ferne zu verlieren scheint. Mit ihrem Aufbruch ins Ungewisse endete die stumpfe Dogmatik des Mittelalters. Portugals Seefahrer machten ihr Land zur reichen und wichtigen Kolonialmacht, sie ebneten aber auch für ganz Europa den Weg in die neue Epoche der Aufklärung.
Der Glanz des Kolonialreichs ist im Schatten von Ausbeutung und Unterdrückung gebrochen, und schließlich haben die Strömungen der neuen Zeit auch die einstmals geknechteten Kolonien erfasst und befreit. Doch das Füllhorn des Meeres ist unerschöpflich und sein Reichtum wandelbar. Jetzt schenkt es den Menschen in Portugal neue Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen: Reisende kommen, um die Schönheit des Ozeans zu bestaunen und seine Offerten zu nutzen. Neben Portugals Kunst- und Kulturschätzen sind es vor allem seine herrlichen Küsten, die das Land mit alljährlich rund siebzehn Millionen Gästen zu einem der meistbesuchten der Welt gemacht haben. Deshalb ist der Tourismus heute eine der wichtigsten Einnahmequellen der Portugiesen.
Von meinem privilegierten Aussichtsplatz hoch über der Westküste der Algarve möchte ich aufbrechen, um mehr über Portugal zu erfahren, und ich lade Sie dazu ein, mich auf dieser Reise zu begleiten. Für Ihren visuellen Eindruck finden Sie ergänzend zum Buch viele Fotos aus Portugal auf meiner Website www.almutirmscher.de.
Willkommen in Portugal! – Bem-vindo a Portugal!
Am Anfang war ein Hafen – Porto
Portugal ist seit unvorstellbar langer Zeit von menschlichen Wesen besiedelt, vielleicht sogar schon seit einer halben Million Jahren. Damals herrschten noch Urmenschen über das wilde Land am Atlantik. Erst vor vergleichsweise kurzer Zeit, vielleicht vor rund 40.000 Jahren, wanderte der Homo sapiens ein und mit ihm die rasante Entwicklung, mit der er bedingt durch sein Vormachtstreben die Welt in Atem hält. Schon bald betrieben die Neuankömmlinge Handel untereinander, ihre Routen erstreckten sich quer durch Europa bis in die Levante und nach Nordafrika.
Als sie dann die Seefahrt für sich entdeckten, dauerte es nicht lange, bis sich manche von ihnen aufmachten, um in neue Regionen vorzudringen und sich dort niederzulassen. Die Phönizier waren die ersten, die einen Handelsstützpunkt an der Küste der Algarve errichteten. Im 6. Jahrhundert v. Chr. gründeten die expansionsfreudigen Griechen einige Kolonien an der Westküste des heutigen Portugals, und schließlich besetzten Karthager den Süden der Iberischen Halbinsel.
Doch erst die Römer legten den Grundstein zu dem, was wir heute als Portugal kennen. Die Großmacht der Antike vertrieb sowohl Griechen als auch Karthager und nahm um 200 v. Chr. die Iberische Halbinsel ein. Allerdings setzte im Norden des heutigen Portugals ein kleines Volk den römischen Legionen heftigen Widerstand entgegen und wehrte sich ganze 200 Jahre lang standhaft gegen die Invasoren. Diese Menschen, deren Geschichte an Asterix und seine tapferen Gallier erinnert, gehörten der sogenannten Castrokultur an. Sie lebten als Jäger und Bauern, außerdem verarbeiteten sie Metall. Seit dem Ende der Bronzezeit wohnten sie in befestigten Siedlungen im Nordwesten der Iberischen Halbinsel.
Als es den Römern schließlich doch gelang, die wehrhaften Castros zu unterjochen, da betrachteten sie die in deren Land vorhandene Infrastruktur und überlegten, wie sich diese dem römischen System am besten einverleiben ließe. Kurz vor der Mündung des Flusses Douro existierte ein kleiner Handelshafen, den die Griechen einst angelegt hatten. Weil die Gegend so idyllisch und hübsch anzuschauen war, trug dieser Hafen den griechischen Namen „Kalos, das heißt „schön
. Die Römer beschlossen, den Hafen von Kalos auszubauen und für ihre Zwecke zu nutzen. Dazu siedelten sie unterworfene Kelten aus anderen Teilen des Reichs hier an, romanisierten den griechischen Namen zu „Cale und setzten diesem zum besseren Verständnis noch das lateinische Wort für „Hafen
voran: „Portus". So entstand die Hafenstadt Portus Cale.
Um sie leichter verwalten zu können, teilten die Römer die Iberische Halbinsel zunächst in eine östliche und in eine westliche Provinz, das diesseitige und das jenseitige Hispanien. Erst in der Kaiserzeit veränderten sie die Grenzen und schufen die neue Provinz Lusitania mit einem Territorium, das im Wesentlichen das heutige Portugal umfasste, dazu noch einen kleinen Teil im Herzen der Halbinsel, der heute zu Spanien gehört. Sie gründeten Städte, bauten Straßen und sorgten für ein Gesellschaftssystem im römischen Stil. Römische Siedler brachten die lateinische Sprache mit, aus der sich später sowohl das Portugiesische als auch das Spanische entwickeln sollten.
Doch von Portugal war noch keine Rede. Das änderte sich auch nach dem Fall des römischen Imperiums nicht, als während der Epoche der Völkerwanderung die verschiedensten Stämme in das Gebiet vordrangen und für eine Weile in rascher Abfolge immer wieder wechselnde Reiche gründeten.
Auch zur Zeit der maurischen Herrschaft ab dem 8. Jahrhundert war an das Portugal, wie wir es heute kennen, noch nicht zu denken. Die Mauren brachten ihre eigene Kultur und vor allem ihr überragendes Wissen in Bezug auf Landwirtschaft, Technik und Medizin ins Land. Ihre arabische Sprache vermischte sich mit dem Alltagslatein der Einheimischen und prägte so das spätere Portugiesisch ganz maßgeblich mit.
Nur der Nordteil der Iberischen Halbinsel interessierte die maurischen Eroberer nicht. Mag sein, dass den sonnenverwöhnten Arabern das dortige Klima zu kühl und feucht erschien, jedenfalls begingen sie einen großen Fehler, indem sie diese Region als belanglos abtaten. Denn hier sammelte sich im Königreich Asturien der Widerstand gegen die muslimischen Besatzer. Asturien wurde zur Keimzelle der Reconquista, der christlichen Rückeroberung der Iberischen Halbinsel. Schon im Jahr 868 gelang es asturischen Truppen, die alte Römerstadt Portus Cale einzunehmen, die inzwischen den Namen Portucale trug. So entstand die Grafschaft Portucale, aus der wiederum im 12. Jahrhundert das unabhängige Königreich Portugal hervorging. Die Stadt Portucale bezeichnete man der Einfachheit halber inzwischen nur noch schlicht als Porto.
So ist denn das heutige Porto zur Namensgeberin des ganzen Landes geworden. Verständlicherweise hat diese Tatsache den Bewohnern der Stadt stets ein hohes Selbstbewusstsein geschenkt. Die stolzen Portuenser wussten, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Und als Portugal während der europäischen Expansion zum Kolonialreich aufstieg, da explodierten in Porto Wohlstand und Reichtum dank des florierenden Handels bis ins Unermessliche. Im Hafen der Stadt wurden Nahrungsmittel und Rohstoffe wie Tropenholz, Farbstoffe, Edelmetalle und Edelsteine umgeschlagen, außerdem betrieb man Sklavenhandel. Vor allem aber ging es um kostbare Gewürze aus Indien. Ab dem 16. Jahrhundert lag der größte europäische Gewürzmarkt in portugiesischer Hand.
Der ehemalige Reichtum manifestiert sich bis heute in den zahlreichen barocken Kirchen und den bürgerlichen Steinhäusern der Altstadt von Porto. Trotzdem präsentiert sich die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählende Ribiera inzwischen eher wie ein buntes und chaotisches Piratennest denn wie eine würdevolle Handelsstadt.
Sie ist der älteste Teil von Porto, der sich vom Ufer des Douro in engen, verwinkelten Gassen steil am Hang emporzieht. Einerseits stellt sie mit ihrem reizvollen Ambiente und den zahllosen Geschäften, Souvenirläden, Kneipen und Restaurants zwar einen wahren Touristenmagneten dar. Andererseits will kaum noch ein Einheimischer in den düsteren und aufgrund der schmalen Wege schwer zugänglichen Altbauten leben. Deshalb stehen die Etagen oberhalb der Ladenlokale meist leer, und weil nur wenige Gebäude saniert werden, sind die meisten in schlechtem baulichen Zustand.
Doch viele Besucher nehmen diese Probleme angesichts der farbigen Fassaden und des nicht minder bunten Treibens kaum wahr. Das mag auch daran liegen, dass die von der markanten eisernen Bogenbrücke Ponte Dom Luís I überspannte Uferpromenade noch einen weiteren Anziehungspunkt zu bieten hat. Denn vor ihr dümpeln die historischen Boote der Portweinkellereien verträumt auf dem Wasser des Flusses. Wen kümmert es angesichts dieses malerischen Anblicks, dass die Boote heute nur noch den Touristen zuliebe hier liegen?
Der Süßwein ist Portos berühmtester Exportschlager, und auch für ihn fungiert die Stadt als Namensgeberin. Schon in der Antike genoss der Wein, der im Hinterland von Porto kultiviert wird, einen grandiosen Ruhm. Sein Anbaugebiet Alto Douro zieht sich entlang der Täler des Flusses Douro und ist die älteste Weinbauregion der Welt mit geschützter Herkunftsbezeichnung. Ausgebaut, gelagert und vertrieben wird dieser Wein seit jeher in Porto, wohin er früher flussabwärts mit kleinen Booten transportiert wurde, ganz wie sie hier noch heute am Ufer liegen. Inzwischen haben aber längst Lastwagen die