oft manchmal nie
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Über dieses E-Book
In Momentaufnahmen und Gedächtnisbildern beschreibt Cornelia Hülmbauer eine Kindheit und Jugend auf dem Land. Eine Autowerkstätte, eine vierköpfige Familie bilden den Hintergrund des Aufwachsens, intime Augenblicke stehen neben eindringlichen, mit feinem Humor geschilderten Szenen. So dicht ist ihr Textgewebe und so präzise ihre Beschreibungen, dass Geschmäcker und Gerüche, Gefühle und Sehnsüchte geradezu körperlich spürbar werden. Vor unseren Augen entsteht ein "Bildnis der Autorin als junges Mädchen". Mühelos gelingt es Cornelia Hülmbauer, in kurzen Passagen sowohl die Vergangenheit selbst als auch das Erinnern und die Geburt einer schriftstellerischen Sensibilität sichtbar zu machen.
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Buchvorschau
oft manchmal nie - Cornelia Hülmbauer
der vater baute mir einen drachen. er bespannte einen holzrahmen mit dickem papier und sprühte rote und blaue punkte darauf. an einem windigen tag fuhren wir mit dem auto zur großen wiese. der vater lief und brachte den drachen in die luft. dann durfte ich ihn halten. ich hielt ihn. er war schön. dann ließ ich los.
sei’s wie’s sei, stirbt d’kuah, bleibt’s hei, sagte der vater und zitierte den ältesten mechaniker. die richtigen bauernregeln kannte aber die mutter.
manchmal durfte ich mit dem vater zum modellflugplatz fahren. dort war es langweilig, aber danach fuhren wir meist in ein gasthaus, und ich durfte pommes frites essen. einer der männer erzählte jedes mal von einer frau namens angélique aus dem fernsehen, woraufhin alle lachten. ich sah auf meinen teller. wenn die pommes weniger wurden, kam eine märchenfigur zum vorschein.
im kindergarten waren ein anderes mädchen und ich einmal zur selben zeit im waschraum. wir wollten nicht gleich wieder zurück zur gruppe und dachten uns ein spiel aus. wir kletterten über den heizkörper hinauf zum fenstersims, setzten uns nebeneinander und spielten raumschiff. wir waren pilotinnen, wir flogen, immer wilder, schaukelten hin und her, bis das mädchen plötzlich den halt verlor und hinunterfiel. sie schrammte sich am heizkörper den oberschenkel auf. sie weinte und sagte zur tante, ich hätte sie gestoßen. die tante sah mich an und sagte kein wort. später bekam das mädchen ein eis. mit mir sprach die tante den ganzen tag nicht mehr.
ich fragte das mädchen manchmal nach der verletzung. es dauerte lange, bis der bluterguss ganz weg war. sie erzählte mir, dass sie viel badete, weil das gut sei bei blutergüssen, und welche farben er gerade hatte. eigentlich interessierte es mich nicht, es war ja nur ein großer blauer oder violetter oder grünlich gelber fleck, aber alle dachten, ich sei daran schuld, also fragte ich weiter.
als die mutter einen großen babybauch hatte, sprang sie sehr oft, sehr fest die treppen unseres hauses hinunter. sie wollte, dass der bruder endlich kam, damit sie und er nicht am selben tag geburtstag haben würden. am tag vor ihrem geburtstag trug sie gerade einen marmorguglhupf zum vorfeiern durch den hof zum auto, als sie bemerkte, dass sie ins krankenhaus musste. als der vater und sie weg waren, fuhren die großeltern mit mir zu den anderen großeltern. wir aßen den kuchen ohne die eltern und warteten darauf, dass das telefon läutete.
der bruder trank kindertee aus instantpulver. er tobte und schrie viel, der tee vermochte ihn für eine weile zu beruhigen. kleiner stier, sagte die mutter zu ihm, wenn er, die augen noch nass vom weinen, kurz innehielt und heftig an der schnullerflasche saugte.
ich sammelte indessen die blechdeckel der kinderteedosen. sie hatten kräftige farben und waren mit lustigen motiven versehen. am rand wölbten sie sich nach oben wie kleine teller. mittags ging ich über den hof zum aufenthaltsraum der mechaniker. ich platzierte die blechdeckel auf dem tisch, für jeden der männer einen, und legte jeweils eine kleine süßigkeit hinein.
einer der mechaniker konnte radfahren, ohne die hände zu benutzen. ein anderer aß drei wurstsemmeln hintereinander. sein auto hatte scheiben, durch die man nur von innen nach außen sehen konnte, nicht umgekehrt. nach der gesellenprüfung gingen beide fort.
ich hatte dickeres papier zu einem buch zusammengeklammert und mit uhu fotos hineingeklebt, von unserem haus, von den eltern, den großeltern und vom bruder. vorne schrieb ich in großbuchstaben MEINE HEIMAT darauf. die mutter mochte nicht, dass die schönen fotos so fest in dem buch klebten. heimat heißt aber etwas anderes, sagte sie.
wenn man einen rauchfangkehrer sah, brachte das glück, aber nur, wenn man danach möglichst schnell auch einen briefkasten und einen mann mit brille sah und währenddessen außerdem einen knopf irgendwo an der eigenen kleidung drehte.
jetzt schmetterst du aber, sagte die großmutter, wenn ich etwas erzählte, das nicht stimmte. schmähtandler nannten einen die mechaniker, wenn man sich geschichten nur ausgedacht hatte.
wenn ich im haus den mittagstisch deckte, achtete ich darauf, dass die muster aller teller genau aufeinander ausgerichtet waren. ich glaubte beobachtet zu haben, dass es dadurch beim essen weniger streit gab. wenn der vater den tisch deckte, stimmte immer etwas nicht. dann rückte ich die teller in einem unbemerkten moment weiter zurecht.
urschel du, sagte die mutter und tätschelte meinen kopf. hiasl du, sagte die mutter und streichelte dem bruder über die locken.
einmal hatte der bruder zu schnell einen apfel gegessen. ein apfelstück steckte in seinem hals fest, er bekam keine luft. der vater sah die mutter an, packte den bruder, drehte ihn und hielt ihn an den beinen mit dem kopf nach unten. die mutter schlug dem bruder auf den rücken.