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Der verlorene Zeitgeist: Ein mystischer Krimi
Der verlorene Zeitgeist: Ein mystischer Krimi
Der verlorene Zeitgeist: Ein mystischer Krimi
eBook330 Seiten4 Stunden

Der verlorene Zeitgeist: Ein mystischer Krimi

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Über dieses E-Book

Es geht um Zeit-Sprünge in das späte Mittelalter während des Ulmer Münsterbaues. Stefan, von Beruf Steinmetz, findet durch Zufall an der Mauer des Ulmer Münsters einen Mauerstein, der ihn in die heutige Zeit transportiert. Im selben Moment stürzt ein Steinmetz vom Gerüst. Der Ulmer Polizei stellen sich viele Fragen, die sich nicht zufriedenstellend beantworten lassen. Sie können nicht begreifen was wirklich geschehen ist. . Stefan findet in der Neuzeit seine im Mittelalter verstorbene Schwester. Eine verzwickte Familien- und Liebesgeschichte nimmt bis nach Wien ihren Lauf, wo sich der Klerus mit den aufkommenden Reformationsgedanken herumschlägt. Auch Sophie, Stefans Angetraute, gerät in eine Wirrnis von Hexenbeschuldigungen. Die Polizei der Neuzeit ist am verzweifeln.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum20. März 2023
ISBN9783347766907
Der verlorene Zeitgeist: Ein mystischer Krimi
Autor

Joachim Schmidt

Der Autor: Joachim Schmidt, Jahrgang 1944, Techniker, Sport- und Werklehrer, staatl. gepr. Masseur, Akupunktmassage Therapeut, Shiatsu- und Atemtherapeut, Er schrieb mehrere mittelalterliche, mystische Liebes-Romane zur Zeit des Ulmer Münsterbaues. Er lebt heute alleine in Wiblingen bei Ulm. Ehemalige Freizeitgestaltung: Kajak fahren, Klettern, Wandern, Reisen und unterrichtete über 20 Jahre eine Mischung aus Yoga, Tai Chi, Qi Gong und herkömmliche Gymnastik. Er ist offen für Gespräche aus dem zwischenmenschlichen Bereich.

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    Buchvorschau

    Der verlorene Zeitgeist - Joachim Schmidt

    Der unsichtbare Zeitgeist

    Steinmetz als Berufsbild mag in jungen Jahren noch als ein Traumberuf betrachtet werden und vielleicht ist er es auch, wenn sich Kraft, Disziplin, Ausdauer und Kreativität vereinen. Doch, wenn man sich, um diesen Beruf zu erlernen, tatsächlich auf den Weg macht, wird man bald eines Besseren belehrt.

    „Wird dieses Münster überhaupt jemals fertiggestellt sein, also frei von Gerüsten?" will ein Besucher wissen.

    Den Ulmer Bürgern fällt es schon lange nicht mehr auf. Sie sind diese immer wieder an anderen Stellen befestigten Stahlteile längst gewöhnt und kümmern sich nicht mehr darum. Sie haben es schon lange aufgegeben, sich das Münster ohne Gerüst vorzustellen.

    Den vielen reiselustigen Kulturbewunderern dagegen, die unbedingt den höchsten Kirchturm der Welt wenigstens einmal in ihrem Leben sehen und betreten wollen, fällt dieses Stahlkorsett zwar auf, hält sie aber nicht davon ab, trotzdem jede Menge an Fotos zu schießen.

    Das Münster kann mit seinem Backstein-Körper bestimmt nicht prahlen. Es sind die gotischen, kunsthistorischen Aufbauten, Kirchenfenster, Portale, Altäre, Inschriften und der Chor mit den mittelalterlichen Schnitzereien, die faszinieren und natürlich ganz besonders der hunderteinundsechzig Meter hohe Turm. Doch es gibt seltene Zeiten, wo das Münster auch von seinen verwöhnten Bürgern wieder wahrgenommen wird. Dann bleiben alle, die sonst immer schnell und geschäftig vorbeieilen, stehen und schauen für einen Augenblick genau zu der Stelle, von wo aus ein tollkühnes Ereignis stattfinden soll oder bereits stattgefunden hat. Entweder sah man dort einen waghalsigen Freeclimber in luftiger Höhe sich selbst verwirklichen oder ein lebensmüder Besucher schwang sich ganz oben über die Absperrung, um im freien Fall die letzten Sekunden seines ach so dramatischen Lebens betrachten zu können.

    Kein Krankentransport von ganz Ulm hatte es danach besonders eilig, die Unfallstelle zu erreichen. Selbst die Polizei hetzte sich nicht ab, wenn es passiert war. Alles schien von Anfang an geklärt. Ein selbstverschuldeter Tod. Die Hintergründe waren da zunächst immer zweitrangig. Keine Spurenermittlung, nur der Tote musste abtransportiert werden, um die Schaulustigen wieder zu beruhigen und zu verteilen.

    Doch dieses eine Mal verlief alles etwas anders.

    Das Risiko eines Absturzes vom Gerüst während der Bautätigkeiten der Steinmetzen am Ulmer Münster ist so gering, dass Lebensversicherungen durchaus gewillt sind, eine Police für Arbeiter abzuschließen. Selbstverschuldung durch Unachtsamkeit kam so gut wie gar nicht vor, vorausgesetzt die Sicherheitsstandards waren eingehalten worden.

    Es gab hier auch keinerlei Anhaltspunkte, warum dieser Kerl, bekannt als aufgeweckter, gut arbeitender Steinmetz, einfach so in die Tiefe stürzte. Die Polizei sowie die Unfallbegutachter der Versicherung konnten sich das Geschehen einfach nicht erklären. Keinerlei Schadensnachweis am Gerüst, keine fehlerhafte Montage, keine nachweislichen selbstmordbedingten Absichten seitens des Arbeiters und kein offensichtlicher Verbrechenshintergrund, denn niemand anders hatte sich zur fraglichen Zeit in der Nähe des Arbeiters aufgehalten. Völlig alleine sollte und wollte dieser vom Baumeister Beauftragte seine Arbeit wie immer dort verrichten.

    „Nein, Herr Kommissar, er arbeitete ganz allein und sollte Sicherungshaken an einer Stelle anbringen, die völlig ungefährlich und an keiner ausgesetzten Stelle eingeschlagen werden mussten. Alle Haken befanden sich ca. zwei Meter über dem Laufsteg des Gerüstes. Ich verstehe es selbst nicht. „Vielleicht wurde es ihm übel oder schwindlig? War er in letzter Zeit krank oder ist bei ihm etwas Familiäres vorgefallen? „Nichts, wovon ich oder noch sonst jemand wüsste, teilte der Baumeister mit. „Ich habe alle bereits befragt. Er war einer meiner angenehmsten und besten Arbeiter. Es gab so gut wie keinen Tag, an dem er schlecht drauf gewesen wäre. „Nun gut, trotzdem kann es natürlich sein, dass er… aber das muss die Gerichtsmedizin in Erfahrung bringen. Führen Sie uns doch zur Unfallstelle."

    Alte Zeit

    Es geschah im Jahre 1492. Christoph Columbus entdeckte gerade irrtümlicherweise „Amerika". Die Gier reicher Länder nach Macht, Besitz, Gold, fremden Gütern, feinem Gewebe, Kleidung, Früchten und seltenen Gewürzen schien unersättlich. Die gestalterischen Momente in und an Gebäuden, Gemälden und Skulpturen erfuhren einen kreativen Höchststand. Das Denken befreite sich langsam aus den Fesseln des engen, blinden Glaubens, den der Klerus durch Kirchenbauten und Unterdrückung der Gläubigen auf ein unerträgliches Maß getrieben hatte. Genau zu jener Zeit geschah in Ulm, am Ulmer Münster etwas Unglaubliches. Im Prinzip ein Wunder. Hätten die Kirchenmänner davon erfahren, ihre Gedankenwelt wäre überfordert und ihre höllischen Phantasien noch mehr zu bösen Gedankengebilden mutiert, als dies bereits geschehen war.

    Neue Zeit

    Stefan, ein gestandener, dreißigjähriger Steinmetzgesell, war gerade am frisch errichteten Holzgerüst des Ulmer Münsters emporgeklettert, um einen Platz für seinen in Bälde fertiggehauenen Wasserspeier auszumessen. Dazu musste er einen Schritt nach hinten auf das Mauerwerk zumachen. Kurze Zeit später stand er total verwirrt auf einem glänzenden Gerüstbau, starrte völlig fassungslos auf eine ihm fremde Welt. Dreißig Meter unter ihm bewegten sich skurril gekleidete Menschen und gegenüber erblickte er Gebäude mit riesigen Fenstern und glatten Wänden. Erfolglos versuchte er, das Geschehen zu begreifen.

    Plötzlich wurden Stefans Gedanken durch eine kleine Stützbewegung an der Mauer unterbrochen. Hilfesuchend hatte er sich wieder umgedreht und an den bunten Stein gefasst. Daraufhin verflüchtigten sich diese merkwürdigen Eindrücke wieder und er vernahm die Stimme eines seiner Gehilfen, der von unten hochschrie: „He, Stefan! Sollst noch, bevor Du den ersten Speier an seinen Platz setzt, zum Abt kommen! Er möchte Dich eines Besseren belehren!"

    Immer noch ganz in Gedanken, kletterte Stefan die Leiter hinab. Der Abt empfing ihn mit gekrümmtem Rücken und vorgehaltener Hand und flüsterte ihm eine geheime Belehrung ins Ohr. „Diese Wasserspeier besitzen nicht nur die Aufgabe, das Regenwasser vom Dach des Münsters im hohen Bogen über den Rand zu befördern, um damit das Mauerwerk zu schützen, sondern…"

    Stefan hatte große Mühe, dem Gesagten zu folgen, deshalb beugte er sich jetzt weit zu dessen Ohr und vergaß dabei völlig sein kurz zuvor erlebtes Geschehen.

    „Du weißt sicherlich von der geistigen Reinheit unserer Kirche. Stefan nickte beipflichtend, ohne wirklich darüber Bescheid zu wissen. „Diese Wasserspeier dienen mit ihrem grässlichen Aussehen der Reinheit der Kirche. Sie vertreiben die bösen Geister und halten sie davon ab, unsere Predigten zu stören und unsere Altäre zu besetzen, vor welchen täglich Zwiegespräche unserer Bürger mit Gott stattfinden. „So, rutschte es über Stefans Lippen, „das wusste ich dann doch nicht so genau. „Sei nicht so einfältig, Gsell, die Stimme des Abtes hob jetzt zur normalen Lautstärke an. „Weißt Du nicht, dass uns des Nachts überall die Seelen der Verstorbenen besuchen können? Es geschehen oft Dinge, die sich ein normaler Erdenmensch nicht erklären kann. Sie klammern sich an Menschen und ganz besonders an Kirchen, wo sie tröstende Gottesworte vernehmen wollen. Das müssen sie so lange machen, bis sie erlöst ins Himmelreichfahren dürfen. Der Abt atmete tief durch, um seinen Untergebenen weiter zu beeindrucken.

    „Das wäre alles nicht so schlimm, wenn es unter diesen Geistern nicht viele Böse und Verwirrte gäbe, die nicht glauben können, dass sie gestorben sind und deshalb Menschen und ganz besonders Geistliche während ihrer Arbeit stören. Begreifst Du das? „Ja, doch, das habe ich auch schon gehört. „Also, deshalb sollen diese Wasserspeier ein Aussehen bekommen, das die Geister vor dem Eintritt in die Kirche abhält. Ihre furchteinflößenden Gesichter müssen ihnen Angst einjagen. „Wie sollen die Speier aussehen, damit sich die Geister fürchten? Die haben doch bestimmt selbst Angst? fragte Stefan mit unschuldiger Miene. „Tölpel! Natürlich haben die Geister Angst. Sie sind oft irre vor Angst und besetzen gerade deshalb die Seelen der Ungläubigen. Ich sage es Dir noch einmal, sie dürfen sich nicht in der Kirche einnisten. Du traust Dir doch zu, grässliche Gesichter zu hauen, oder muss ich jemand anderen beauftragen? „Nein! Nein! Scheußliche Gesichter kann ich perfekt aus dem Gestein schlagen, aber… „Nichts aber, schau her! Der Abt zog eine Papierrolle aus seinem Talar. „Ich habe mit Hilfe unseres allmächtigen Vaters Gesichter gezeichnet, die große Angst einflößen. Der Abt wickelte das Papier auf und Stefan hätte beinahe laut losgelacht. „Die sehen ja wirklich schrecklich aus", stotterte er und hatte dabei Mühe, sein Lachen zu unterdrücken, denn derartige Gesichter sah er zu Hauf bei Narren und Possenreitern. Stefan kannte den Klerus, jetzt musste er klug verhandeln.

    „Nicht einfach, diese Gesichter herauszumeißeln, ohne dass zu viel vom guten Gestein absplittert, Vater. Bedenkt nur diese tiefen Hinterschneidungen. „Das ist nicht mein Problem, Du bist der Steinmetz und der Baumeister hat mich an Dich verwiesen. Erledige also Deine Arbeit nach meinem Wunsch, damit wir Kirchenväter sicher und geschützt vor diesen ekligen Geistern sein können.

    *

    „Anna! Stefan lachte so laut wie nie zuvor. „Anna, ich muss Dir er-zählen, was ich heute beim Abt erlebt habe. Anna schmunzelte: „Mein Bruder, immer obenauf und zum Scherzen aufgelegt. „Welche lustige Geschichte bringst Du heute mit?

    Stefan rollte das Papier vor Anna auf. „Solche Kopf- und Körperskulpturen soll ich fertigen. Die lassen sich zwar zeichnen, doch wie soll ich diese Hohlräume herausarbeiten? Ist doch fast nicht ohne Absplitterungen des Gesteins möglich, das stehen bleiben muss. „Du kennst sie doch, diese Wichtigtuer, Stefan. Du machst diese Speier eben nur so gut es geht. Bedenke doch, Du hast immerhin für eine lange Zeit Arbeit. „Nur, wenn sie auch mit mir zufrieden sind, diese aufdringlichen Schwarzkittel. Ob das Gott überhaupt so wollte, dass seine Anhänger in Schwarz herumlaufen müssen, wie Tote oder wie, wie, … Geister!, Anna! Jetzt lachten beide. „Vater hätte sie eines Besseren belehrt. „Du musst Dich zuerst hocharbeiten, bevor Du sie kritisierst. „Ja, ja, ich weiß, trotzdem denke ich, Vater hätte diese Fratzen auch nicht anfertigen können. „Er hatte es auch nicht nötig, den Kirchenmännern gefällig zu sein, hatte immer genug anderes zu tun. Ich muss mich mit Gerd bereden. „Ja, tu das Bruderherz.

    *

    In jener Zeit traf es die Familie Einsinger schwer, als die Mutter von Anna und Stefan, wie vom Blitz getroffen, einfach umfiel und verstarb. Kurz danach stürzte der Vater vom Dach des Münsters. Er hatte vergessen, das Sicherheitsseil anzulegen. So etwas war ihm noch nie passiert. Vermutlich hatte er zu diesem Zeitpunkt gerade an den Tod seiner über alles geliebten Frau nachgedacht.

    Neue Zeit

    „Schauens, Herr Kommissar, was doch sehr merkwürdig ist. Baumeister Bofinger hielt dem Kommissar ein Eisenteil unter die Nase. „Solche Haken verwendet man bei uns schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Er ist uralt und stammt, wenn ihn nicht ein Hobbyschmied nachgearbeitet hat, wahrscheinlich aus dem 15. Jahrhundert. „Wie kommt der hierher? „Vielleicht steckte er schon immer hier und wurde seither übersehen. „Und wieso soll er aus dem 15. Jahrhundert stammen, Herr Baumeister? „Wenn Sie genau schauen, sehen Sie noch die vom Eisenschmied eingeschlagenen Dellen. So etwas gibt es heute nicht mehr. Die werden alle gegossen. Leider muss ich jetzt nach unten und weiterarbeiten, entschuldigen Sie, Herr Kommissar. „In Ordnung, Herr Bofinger, gehen Sie ruhig Ihrer Arbeit nach, ich melde mich, wenn ich Sie wieder brauche und noch Fragen aufkommen sollten."

    Nachdem der Meister abgeklettert war, setzte Kommissar Steinle das Gespräch mit seinem Assistenten fort: „Enderle, überlegen Sie doch, dieser sechshundert Jahre alte Eisenhaken soll hier gesteckt haben, ohne Rost anzusetzen. Den muss doch einer nachgebaut haben. Enderle wurde zuerst blass, dann rot im Gesicht. „Da haben Sie natürlich Recht, Herr Kommissar. „Auch dieser Widerhaken hier hinten, damit er nicht so leicht aus dem Gestein brechen kann, so schlau waren diese alten Schmiede bestimmt nicht, oder was denken Sie? „Der Baumeister ist aber anderer Ansicht, entgegnete Enderle etwas trotzig und ergänzte: „Solche Haken hätten sie damals mit Leichtigkeit gefertigt und hätten bestimmt besser gehalten, als unsere heutigen, konisch zulaufenden Verspannungshaken. „Lassen wir es gut sein, Enderle, auf jeden Fall fehlt der Rost. „Was ich auch gehört habe und mich sehr stutzig gemacht hat, Herr Kommissar. „Ich bin ganz Ohr. „Dieser Hans, so heißt doch der Abgestürzte, hätte schon immer sehr alte Steinmetzklamotten getragen, die aussahen, als würden sie aus jener Zeit stammen. „Wo wohnte er? „Er hatte keinen festen Wohnsitz. Er übernachtet mal hier, mal dort. „Vielleicht hat ihm diese Art zu leben gefallen und er ist einer dieser mittelalterlichen Gilden zugehörig. Sind die hier wirklich alle sicher, dass es sich bei diesem Herabgestürzten auch um jenen Hans handelt und nicht um irgendeinen Stadtstreicher? „Da sind sich alle von der Bauhütte völlig sicher."

    *

    „Was haben wir also an Brauchbarem, Enderle? Einen alten oder besser, einen auf alt gemachten Haken, sowie uralte oder ebenso auf alt gemachte Klamotten. Also…, eins und eins gibt…, Enderle? „Zwei, Herr Kommissar. „Genau, also was soll das? Dieser Bursche scheint tatsächlich aus einer dieser mittelalterlichen Gilden zu stammen, wo wir vermutlich auch das Mordmotiv und den Täter finden werden. Oder, da sich derartige Typen oft auch in den ganz unteren Schichten herumtreiben, suchen Sie auch unter den Obdachlosen. „Ich weiß nicht, Herr Kommissar, das scheint mir doch weit… „Morgen berichten Sie mir über Ihre Ermittlungen, Enderle.

    Alte Zeit

    „Und, was meinst Du, Gerd? Wie soll ich, oder wenn Du mitmachen willst, wie sollen wir derartige Hinterschneidungen herausarbeiten? Gerd grübelte, dann meinte er plötzlich: „Pass auf, Stefan, vielleicht kann es gelingen, wenn wir uns zwei Werkzeuge schmieden lassen. Ich zeichne es Dir auf Papier. Dieser Meißel benötigt eine starke Krümmung, während das zweite Eisen nur eine Stützfunktion des Meißels besitzen darf. Wenn man vorsichtig schlägt, kann der Stützmeißel die Kraft genau dorthin leiten, wo das Gestein weggesprengt werden muss. „Ich verstehe, Gerd, Du bist meine Rettung. Lass uns gleich zum Schmied aufbrechen. „Langsam, langsam, zuerst beantwortest Du mir eine Frage, Stefan. „Hä? „Wie geht es Deiner Schwester, Anna? „Was geht Dich das an, Gerd? Die bekommt mal einen ganz von oben, keinen Hungerleider. „Dir bei der Arbeit helfen, das darf ich, sobald es aber … „Das ist was ganz anderes, Gerd. Meine Schwester soll es einmal besser haben als wir. Geknickt schaute Gerd zu Boden: „Hast ja Recht, Stefan, sie ist zu gut für mich. „Schön, wenn Du es einsiehst! Wenn wir zwei unseren Meister machen, dann suchen wir uns eine entsprechende Maid."

    „Ach, jetzt fällt es mir wieder ein, ich muss Dir was erzählen, Gerd, was mir heute auf dem Gerüst widerfahren ist. Du kennst doch die Stelle, wo sich dieser merkwürdig helle Stein befindet, dort, wo ich meinen Wasserspeier anbringen werde. „Ja, warum? „Dort wollte ich einen Haken reinschlagen, um mich an ihm abzusichern. Plötzlich verschwand alles vor meinen Augen und ich stand außen an der Mauer auf einem wunderschönen Gerüst aus glänzendem Metall und unter mir bewegten sich viele seltsam gekleidete Menschen. „Das hast Du geträumt? „Nein, wenn ich es Dir doch sage.

    Manche Leute fuhren auf einem Gestell mit zwei Rädern ohne Pferde und manche Menschen sah ich in einer verrückt aussehenden, farbigen Kutsche. Sie bewegten sich ebenso ohne Pferde und jetzt pass auf: Direkt unter mir lag ein Mensch, als ob er genau von der Stelle, an der ich stand, herabgefallen wäre. Es verging nur ein kurzer Augenblick, dann machte ich vor Schreck einen Schritt zurück und plötzlich stand ich wieder innen auf unserem Holzgerüst, wo mir zugerufen wurde, dass der Abt mich sprechen wolle. Jetzt warf Gerd seinem Freund einen zweifelnden Blick zu. „Willst mich verarschen? Lass das bloß niemand anderen wissen, sonst bin ich der Freund eines Übergeschnappten. Vielleicht war es auch nur eine kurze Tagträumerei, so etwas soll es ja geben. „Es hat sich aber echt angefühlt. „Komm, lass uns nun beim Schmied vorbeischauen.

    Neue Zeit

    „Irgendeinen Anhaltspunkt muss es geben, Enderle, egal ob unverschuldeter Tod, Selbstmord oder Verbrechen. Niemand wandert durch die Welt ohne Spuren zu hinterlassen, ergo, wir haben was übersehen. „Auch über die Bekannten und Verwandten war nichts Neues zu erfahren. Anscheinend war dieser Kerl ein extremer Einzelgänger. Er hatte nur wenige Freunde, die ihn allerdings angeblich alle mochten. Das einzig Auffallende an ihm war, dass er sich immer sehr gerne und sehr früh aus allen Begegnungen zurückzog. Er lebte gerne in seiner eigenen Welt. „In was für einer Welt, Enderle, das müssen wir herausbekommen. „Man sah ihn oft in der städtischen Bibliothek und wenn man von ihm was Geschichtliches über das Münster fragte, schien er ein wandelndes Lexikon zu sein. Über das späte Mittelalter wusste er alles. „Na ja, kann ja sein, hilft uns aber nicht weiter. „Vielleicht doch, Herr Kommissar, denken Sie an den alten Haken, und seine Arbeitsklamotten bestanden zum Teil aus Flachs, wie die im Mittelalter, wo man diese Pflanze zu Tüchern verarbeitet hat. „Ich höre immer Mittelalter, Enderle, wir leben doch nicht in der Vergangenheit und haben Sie etwas bei den Pennern erfahren können? „Ergebnislos, keiner von denen hatte ihn je gesehen. Nur ein kleines Mädchen, das am Tatort aufgetaucht war, hat fürchterlich geweint und behauptet, er sei ihr Bruder gewesen. „Und haben Sie die Eltern der Kleinen konsultiert? „Ich war bei der Mutter, die uns mitteilte, dass es nie einen Bruder gab. Das Kind hätte sich das alles nur ausgedacht, weil sie immer in der Nähe des Münsters spielt, während sie in der Gastronomie arbeitet. Oft spräche sie auch mit diesen Wasserspeiern. Seltsam, oder nicht, Herr Kommissar? „Mein Gott, was für eine irre Geschichte. Ich möchte auf jeden Fall noch einmal mit ihren Eltern sprechen. „Es gibt nur eine Mutter. Der Vater war nicht anwesend. Ist anscheinend irgendwann abgehauen. „Ich werde alles in die Wege leiten, Herr Kommissar."

    *

    „Klara, wieso behauptest Du, der verunglückte Mann sei Dein Bruder gewesen, wo Du doch laut Deiner Mutter gar keinen Bruder hast? Die Mutter schüttelte den Kopf: „Das dürfen Sie nicht ernst nehmen, sie ist doch noch ein Kind. „Bitte lassen Sie Klara antworten. „Er hat mir gesagt, er sei mein Bruder und ich wäre seine Martha. Kommissar Steinle und sein Assistent schauten sich verzweifelt an. „Er hat mit Dir gesprochen? „Ja, und ab und zu gab er mir eine Butterbrezel und hat gesagt, ich dürfe die Schule nicht versäumen. „Sonst nichts? „Er nannte mich halt immer Martha, obwohl er ganz genau wusste, dass ich Klara heiße, aber jetzt ist er tot. Klara weinte wieder bitterlich.

    „Ein Pädophiler verhält sich ähnlich, Herr Kommissar, oder? „Ich weiß nicht, das mit den Namen, vielleicht war er traumatisiert und hat selbst eine Schwester verloren, die er sehr geliebt hat. Wir müssen weiter in seiner Vergangenheit graben, Enderle. „Ich glaube, das wird ein mysteriöser Fall. „Ist es doch schon, Herr Kollege. Der Eisenhaken, die Klamotten, das mittelalterliche Interesse des Verstorbenen, das sind doch offensichtliche Zusammenhänge. „Und dieser Name, Martha, ist doch auch ein alter Name aus jener Zeit, oder Herr Kommissar? „Schon irgendwie, versteh den Kerl aber nicht. „Vielleicht ein Spinner aus einer anderen Zeit? „Ha, ha, könnte man fast meinen. Wahrscheinlich wollte er das Gerüst an einem mittelalterlichen Haken befestigen und seine Haltbarkeit testen. „Ist doch verrückt, auf welche Gedanken man stößt, wenn keine Lösung in Sicht ist. Seine Arbeitsklamotten, woher hatte er sie gleich wieder?"

    „Die trugen früher die Burschen auf Wanderschaft, doch gehe ihn das nichts an, meinte der Meister. Manche von den Steinmetzen würden sich noch wie im Mittelalter fühlen. Sie bezeichnen dies als Ethos ihres Berufsstandes, meinte Bofinger. „Die leben in ihrer eigenen Welt, Enderle, diese Steinklopfer, obwohl sie es mit ihren modernen, elektronischen Meißeln lange nicht mehr so schwer haben dürften, wie früher.

    Alte Zeit

    „Gerd, der Haken, den ich gestern hier eingeschlagen habe, ist weg! „Ach nein, hab ich mich in Dir getäuscht? Vielleicht brauchst Du eine Auszeit?, oder eine Braut, die Dich auf neue Gedanken bringt, Stefan? Ich hätte eine im Sinn. „Wen meinst Du? „Die Sophie von der Sammlung, ein hübsches, aufgewecktes Weib. Es gibt Besseres, als wegen eines verschwundenen Hakens zu jammern. Komm, lass uns jetzt in der Werkstatt Deines Vaters nach einem Stein für einen neuen Speier suchen. „Hilf mir zuerst, meinen letzten noch zu befestigen, der macht mir Schwierigkeiten. „Sollten wir ihn nicht vorher mit dem neuen Werkzeug des Schmiedes nach den Zeichnungen des Abtes noch hässlicher meißeln? „Klar, hatte es schon vergessen."

    Gerd und Stefan schleppten den eigentlich schon fertig behauenen Speier auf einer Karre wieder in Stefans Werkstätte zurück.

    Unterwegs äußerte sich Stefan: „Du hast Recht, Gerd, die Sophie ist ein tolles Weib. Ich konnte sie einmal an der Donau beim Baden beobachten, wie sie mit ihren Frauen im Wasser plantschte. Eine göttliche Gestalt, mit diesen kastanienroten Haaren, das kann ich Dir sagen. „Na siehst Du, endlich hast Du wieder vernünftige Gedanken im Kopf und Deine Schwester Anna wäre doch was für mich. Sie lächelt mich immer so vielversprechend an. „Bilde Dir darauf nichts ein, sie lächelt oft, sie ist ein fröhlicher Mensch. „Haha, das glaubst Du doch selbst nicht.

    Dann wechselte Gerd das Thema:

    „Das Gesicht Deines Speiers besitzt zwar eine ungewöhnlich lange Nase, doch als teuflisch könnte ich sie trotzdem nicht bezeichnen. Sie schaut eher dem Gesicht eines Harlekins ähnlich. Die Nasenlöcher müssen vergrößert werden, auch die Falten in der hervorstehenden Stirn sollten tiefer gearbeitet werden. Die Augen müssen viel mehr in den Vordergrund treten. Sie müssen rund und groß sein und schielen. „Ja, das stimmt, Gerd. Nimm Du Dir das Kinn vor und ich vertiefe die Falten. Für die Hinterschneidungen im Innenohr, den Nasenlöchern und dem offenstehenden Mund benötigen wir dann die vom Schmied gefertigten Hilfsmeißel.

    „Oh, Gerd, Du auch hier? „Ja, Dein Bruder benötigt meine Hilfe. „Könnte es auch alleine. Mit ihm geht es schneller, Anna, die Schwarzröcke machen mir Druck. „Denen eilt es immer, nur nicht beim Bezahlen der Arbeit. Ist doch immer so oder nicht, Stefan? „He, Anna! Du kennst Dich mit den Geschäften aus, alle Achtung! „Natürlich, wer soll sie auch sonst führen? Du hast wenigstens noch Deinen Vater. „Dafür keine so hübsche Schwester, wie Stefan. „Schmeichler. „Nein, Sprücheklopfer! Arbeite lieber, sonst bildet sich die Maid noch was drauf ein. Anna drehte sich schnell zur Seite. Sie wollte verhindern, dass die Burschen ihre sich rasch rötenden Wangen entdeckten. „Mach Dich nützlich, Anna und bring uns ein paar Schnitten mit Ei und Wurst. „Könnte euch noch was vom Apfelwein anbieten. Ist etwas sauer, löscht dafür den Durst. „Das lehnen wir bestimmt nicht ab, Anna, wir danken Dir.

    *

    „Und was meinst Du jetzt zu den Falten, Stefan? Da kannst Du Deinen Finger reinlegen. „Auch Dein Kinn macht Fortschritte, Gerd. Spitz und nach vorne gebogen, wie bei einer Hexe, gut, wirklich gut. „Hier, eure Brote, meine Herren Steinmetze. „Anna, leiste uns etwas Gesellschaft, auch wenn es Stefan nicht so gerne sieht. „Sie ist noch zu jung, Gerd, lass sie in Ruhe. „Langsam, langsam Bruderherz, immerhin bin ich schon 18 Lenze alt. In meinem Alter sind schon viele Maid verheiratet und haben Kinder. Außerdem, was geht Dich das überhaupt an? „Anna, Du weißt ich brauche Dich hier! „Und wenn schon? „Man kann das eine mit dem anderen ja schließlich verbinden, Anna, oder? „Halt Dich da raus, Gerd, Du stehst nicht in der engeren Wahl, antwortete Anna schnell.

    Neue Zeit

    „Herr Kommissar, bisher führt keine Ermittlung zu irgendeinem brauchbaren Ergebnis. Wie soll ich weiter vorgehen? Gibt es hier in Ulm vielleicht einen Hellseher? „Bitte nicht Enderle, diese Typen kommen wirklich erst ganz zum Schluss dran, wenn gar nichts mehr geht. Schauen wir uns nochmals genau die Stelle an, wo der Haken steckt. „Müssen wir hochsteigen? „Nein, wir nehmen den Aufzug, wenn es schon einen gibt, sonst bekommen wir noch einen Herzkasper, bis wir da oben sind. „Das viele Bürositzen macht auch nicht fit. „Da haben Sie Recht, Enderle, nehmen wir die Leitern und unterstützen wir unsere Fitness.

    Alte Zeit

    „Hier, Gerd, hatte ich den Haken eingeschlagen. Sieh doch, er steckt extrem tief, den bekommst Du auch mit einem Eisen nicht mehr raus. „Wie kannst Du den nur so weit reinhauen? „Das muss am Stein liegen. Der besitzt auch eine ganz andere Färbung als alle anderen. „Ist er weich? Gerd hämmerte auf den Stein ein. „Ne, fast genauso hart, nur fühlt er sich anders an. „Schlag doch noch einen Haken rein, mal sehen, wie sich dieser verhält." Gerd holte wie immer aus und der Haken saß plötzlich genauso tief wie der andere.

    Neue Zeit

    „Herr Kommissar, spinne ich oder täusche ich mich, schauen Sie doch. Hier in diesem Loch stecken schon wieder zwei Haken. Ich glaube, uns will jemand verarschen. „Enderle, wir müssen in der Kirche und von innen nachschauen. Vielleicht finden wir dort des Pudels Kern. „Steigen wir wieder ab, Herr Kommissar? Ich bin immer noch ganz verschwitzt. „Nein, jetzt fahren wir, absteigen kann jeder, auch ohne Training.

    „Herr Baumeister! Wird im Augenblick auch innen gearbeitet? Vielleicht sogar genau an der Stelle, wo außen, Sie wissen ja, dort wo der Mann abstürzte? „Da steht ein Gerüst aufgebaut, ist aber seit Tagen niemand drauf.

    „Sehens, Herr Kollege,

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