Der Riesenschnauzer aus tiermedizinischer Sicht: Rassetypische Krankheiten kennen und vermeiden
Von Anne Arnold
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Über dieses E-Book
Dieses Buch führt alle bekannten Erbkrankheiten des Riesenschnauzers, ihre Symptome sowie die Möglichkeiten ihrer Bekämpfung und Therapie auf. Damit hilft es Hundehaltern, die Erkrankung bei ihrem Tier frühzeitig zu erkennen und entsprechend behandeln zu lassen, sowie Züchtern, durch eine geeignete Zuchtwahl das Risiko ihrer Welpen zu verringern.
Anne Arnold
Dr. med. vet. Anne Arnold studierte Veterinärmedizin in Berlin und Gießen. Nach Abschluss des Studiums promovierte sie am Gießener Institut für Tierzucht und Genetik. Seit vielen Jahren arbeitet sie als praktische Tierärztin in ihrer eigenen Kleintierpraxis. Das Interesse am Thema Genetik, insbesondere an der Vererbung von Krankheiten bei Hunden und Katzen, hat sie nie verloren und die Entwicklung der Forschung auf diesem Gebiet intensiv verfolgt. Sie ist selbst seit vielen Jahren Hundehalterin. Zurzeit gehören ein Großspitz und ein Cavalier King Charles Spaniel zu ihrer Familie.
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Buchvorschau
Der Riesenschnauzer aus tiermedizinischer Sicht - Anne Arnold
Für Lucy
Inhalt
1. Einleitung
2. Erbkrankheiten und Rassedispositionen
3. Grundlagen der Vererbung
Autosomal-dominanter Erbgang
Autosomal-rezessiver Erbgang
X-chromosomal-rezessiver Erbgang
Polygener Erbgang
Penetranz und Expressivität
Der DLA-Komplex
Gentests
Genomweite Assoziationsanalyse (GWAS)
Genetische Vielfalt
4. Zuchtstrategien
Zuchtstrategie bei autosomal-rezessiver Vererbung
Zuchtstrategie bei autosomal-dominanter Vererbung
Zuchtstrategie bei X-chromosomaler Vererbung
Zuchtstrategie bei polygener Vererbung
5. Rassedispositionen des Riesenschnauzers
Cobalamin-Malabsorption (Imerslund-Gräsbeck-Syndrom)
Degenerative Myelopathie (DM)
Dilatative Kardiomyopathie (DCM) vom Schnauzer-Typ
Ellbogendysplasie (ED)
Hüftgelenksdysplasie (HD)
Hyperurikosurie (Blasensteinbildung)
Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
Idiopathische Epilepsie
Magendrehung
Melanom
Osteochondrosis dissecans der Schulter (OCD)
Osteosarkom
Saisonale Flanken-Alopezie
Subunguales Plattenepithelkarzinom („Zehenkrebs")
Symmetrische Lupoide Onychodystrophie (SLO)
7. Stoffwechsel-Besonderheiten
Niedrige Thiopurin-Methyl-Transferase-Aktivität in den roten Blutzellen
8. Fazit
9. Glossar
1. Einleitung
In jeder Hunderasse gibt es Krankheiten, von denen die Rassevertreter häufiger betroffen sind als andere Hunde. Manche dieser Krankheitsdispositionen sind so auffällig, dass die Erkrankung nach der Rasse benannt wurde, in der sie vorkommt. Als Beispiel seien der »Schottenkrampf« des Scottish Terriers oder das »Dancing Dobermann Syndrom« genannt. Beides sind neurologische Erkrankungen.
Der Riesenschnauzer hat eine gesunde genetische Basis. Die Zahl der Erbkrankheiten innerhalb dieser Rasse ist überschaubar, und die meisten dieser Erkrankungen können durch eine sorgfältige Zuchtplanung vermieden werden. Leider gilt dies nicht für das wichtigste gesundheitliche Risiko des schwarzen Riesenschnauzers, die hohe Anfälligkeit für einige Tumoren. Hier helfen bisher nur die Achtsamkeit und das Wissen des Hundehalters, um die Symptome möglichst früh zu erkennen und entsprechend einzugreifen. Da das Auftreten dieser Tumoren mit der speziellen Genetik der schwarzen Fellfarbe des Riesenschnauzers zusammenhängt, kann diese Erkrankung züchterisch nur schwer bekämpft werden. Das Gleiche gilt auch für den schwarzen Mittelschnauzer.
Bei anderen Erbkrankheiten der Rasse sieht es zum Glück besser aus. Viele von ihnen können dank des zunehmenden Wissens über ihre genetische Grundlage und Dank der Entwicklung von Gentests zuverlässig vermieden werden. Alle seriösen Zuchtverbände verlangen vor der Zuchtzulassung genetische oder standardisierte medizinische Untersuchungen der Elterntiere, um gesunde Welpen zu erhalten. Viele Züchter gehen freiwillig über die Vorgaben der Vereine hinaus und lassen zusätzliche Gentests oder Untersuchungen ihrer Hunde durchführen, bevor sie sie zur Zucht einsetzen. Genetische Erkrankungen mit einem einfachen Erbgang lassen sich auf diese Weise verhindern. Der Käufer eines solchen Welpen kann sicher sein, dass sein Hund nicht an einer dieser Krankheiten leiden wird.
Bei Erkrankungen mit einem komplexen Erbgang, wie er bei vielen orthopädischen Problemen oder immunologischen Störungen vorliegt, ist die Bekämpfung schwieriger. Auch in diesen Fällen kann aber durch ein breit angelegtes medizinisches Screening möglichst vieler Hunde, nicht nur der zur Zucht eingesetzten Tiere, das Risiko für die Nachkommen reduziert werden. So hat sich in allen Rassen, bei denen seit vielen Jahren Röntgenuntersuchungen der Hüften auf Hüftgelenksdysplasie (HD) vorgeschrieben sind, die Situation in Bezug auf diese Erkrankung verbessert. Bei Riesenschnauzern aus einer kontrollierten Zucht tritt HD heute nur noch selten und so gut wie nie in einer schweren Form auf. Bei der Ellbogendysplasie (ED) sieht es sogar noch besser aus.
Auch bei diesen komplex vererbten Erkrankungen macht die genetische Forschung große Fortschritte. Vermutlich wird es in naher Zukunft möglich sein, mit Hilfe der genomweiten Assoziationsanalyse das genetische Risiko einzelner Hunde schon früh und zuverlässig zu erkennen. Die züchterische Bekämpfung dieser Krankheiten wird dann einen großen Schritt vorankommen.
Warum aber entsteht trotz dieser Fortschritte der Eindruck, dass unsere Hunde immer kränker werden? Vor allem immunologische und Tumorerkrankungen, die eine genetische Grundlage haben, scheinen deutlich zuzunehmen.
Zum einen liegt das daran, dass die genetische Basis vieler dieser Erkrankungen erst vor kurzem erkannt wurde. Die Mechanismen ihrer Vererbung sind kompliziert und häufig noch unbekannt, was eine gezielte züchterische Bekämpfung erschwert.
Zum anderen hat sich die Produktion von Hundewelpen längst als lukratives Geschäft erwiesen. Etwa zwei Drittel aller Rassewelpen werden außerhalb der seriösen Zuchtverbände und somit meist ohne Kontrolle gezüchtet. Im besten Fall erblicken sie bei einem Liebhaber der Rasse das Licht der Welt, der gelegentlich einen Wurf junger Hunde großziehen möchte, jedoch den Aufwand und die Kosten einer kontrollierten Zucht scheut. Wenn beide Elterntiere von verantwortungsvollen Züchtern stammen, ist das Risiko für die Nachkommen noch überschaubar.
Kann aber bereits die Herkunft der Eltern nicht nachvollzogen werden, ist der Kauf eines solchen Welpen riskant. Niemand, der mit der Produktion von Hunden Geld verdienen möchte, lässt bei seinen Tieren teure genetische oder medizinische Untersuchungen durchführen. Ob die auf diese Weise entstandenen Welpen gesund sind oder ein Leben lang unter vermeidbaren Krankheiten leiden, interessiert kaum. Nur wenige der Welpenkäufer leiten juristischen Schritten gegen den Züchter ein, wenn ihr Welpe an einer Krankheit leidet, die ein Gentest bei den Eltern vorhergesagt hätte. Oft ist den betroffenen Hundehaltern auch nicht bewusst, dass die Erkrankung ihres Tieres durch eine verantwortungsvolle Zuchtplanung verhindert worden wäre. In Internetforen und im Bekanntenkreis berichten sie über die Leidensgeschichte ihres Hundes und sehen die Schuld bei der vermeintlich kranken Rasse. Über die Herkunft des Hundes wird oft geschwiegen.
Es wäre jedoch falsch, die Verantwortung für die zunehmende Zahl von Erbkrankheiten unter unseren Hunden nur bei profitorientierten Welpenproduzenten zu sehen. Auch jeder Welpenkäufer entscheidet darüber, welche Art von Zucht er mit dem Kauf seines Hundes unterstützt. Und darüber, welche Risiken er mitkauft.
Im Tierschutz gibt es nur selten reinrassige Welpen. Und falls doch, stammen diese niemals aus einer seriösen Zucht. Die meisten dieser Hunde wurden vom Veterinäramt beschlagnahmt, weil sie entweder illegal nach Deutschland gebracht oder hier im Land unter tierschutzwidrigen Bedingungen gezüchtet wurden. Auch diese Welpen brauchen ein Zuhause, und Tierschutzorganisationen sind eine gute Quelle für den Erwerb eines Hundes. Aber auch bei Welpen aus dem Tierschutz besteht ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Probleme und Verhaltensauffälligkeiten. Der Unterschied liegt darin, dass man mit dem Erwerb eines solchen Hundes eine gute Sache unterstützt und nicht einen verantwortungslosen Welpenproduzenten.
Mit meinem Buch richte ich mich an Züchter und Liebhaber des Riesenschnauzers, denen die Gesundheit ihrer Rasse am Herzen liegt.
Meine Informationen zu den rassetypischen Krankheiten habe ich in erster Linie aus wissenschaftlichen Studien bezogen, in denen eine Rassedisposition für eine bestimmte Erkrankung beim Riesenschnauzer bestätigt wurde.
Leser, die sich für die ausgewerteten Original-Studien interessieren, finden unter den jeweiligen Kapiteln die Literaturangaben.
2. Erbkrankheiten und Rassedispositionen
Alle Erkrankungen, die eine genetische Grundlage haben, werden als Erbkrankheiten bezeichnet. In den zurückliegenden Jahren hat unser Wissen über die molekularen Mechanismen der Vererbung enorm zugenommen und es zeigt sich, dass wesentlich mehr Krankheiten eine genetische Grundlage haben, als wir ursprünglich dachten. Zurzeit stehen wir noch am Anfang einer Forschung, die in kurzen Abständen immer neue, faszinierende Erkenntnisse liefert.
Krankheiten, die in einer bestimmten Rasse wesentlich häufiger auftreten als im Durchschnitt aller Hunde, werden als Rassedispositionen (oder Rasseprädispositionen) bezeichnet. Eine besondere Gruppe dieser Erkrankungen sind solche, die direkt mit dem Rassestandard zusammenhängen und als Rassedisposition im eigentlichen Sinn gelten. Beim schwarzen Riesenschnauzer können das Plattenepithelkarzinom und das Maligne Melanom im Krallenbereich zu dieser Gruppe gezählt werden, da sie durch eine in der Rasse fixierten Variante der schwarzen Fellfärbung begünstigt werden.
Woran aber erkennt man, dass eine Erkrankung eine genetische Ursache hat? Nicht immer zeigen sich Erbkrankheiten schon gleich nach der Geburt. Und umgekehrt können angeborene Erkrankungen auch erworben und nicht vererbt worden sein, zum Beispiel durch eine Infektion oder Vergiftung der Welpen im Mutterleib. Darum ist es nicht immer leicht, zwischen einer erblich bedingten und einer erworbenen Krankheit zu unterscheiden.
Verdächtig ist es, wenn eine Erkrankung unter verwandten Tieren häufiger auftritt als im Durchschnitt der gesamten Population. Die meisten Erbkrankheiten zeigen sich schon bei jungen Tieren. Wenn sie nicht bereits bei der Geburt erkennbar sind, treten die ersten Symptome oft in einem bestimmten Alter auf, wie es zum Beispiel bei der Dilatativen Kardiomyopathie (DCM) des Riesenschnauzers der Fall ist.
3. Grundlagen der Vererbung
Der genetische Code wird bei allen Säugetieren auf einem langen Molekül mit dem Namen Desoxyribonukleinsäure (DNS, oder auch DNA nach der englischen Bezeichnung deoxyribonucleic acid) gespeichert, das sich zu einer