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Blutige Seedüne. Ostfrieslandkrimi
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eBook205 Seiten2 Stunden

Blutige Seedüne. Ostfrieslandkrimi

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Über dieses E-Book

Ein mysteriöser Leichenfund in den Seedünen schockt die Ostfriesische Insel Juist. Wie sich herausstellt, handelt es sich bei dem Mordopfer um ein Mitglied der »Flammenengel«, die gerade auf Juist die »Feuertage« veranstalten. Das ungewöhnliche Urlaubsangebot steht unter dem Motto der Rückbesinnung auf die Natur und setzt dabei auf die reinigende Kraft des Feuers. Kommissar Joost Kramer begibt sich bei seinen Ermittlungen in ein Labyrinth aus Lügen und Geheimnissen. Die Jagd nach dem Mörder wird umso komplizierter, denn zu allem Überfluss nimmt auch Joosts Freundin Ricarda an den ostfriesischen Feuertagen teil. Sind auch Ricarda und ihre ebenfalls bei den Feuertagen anwesenden Freundinnen Wiebke und Henrike in Gefahr? Gab es Streitigkeiten innerhalb der Flammenengel oder stecken Gegner der Gruppe hinter der Tat? Joost Kramer stößt auf Hintergründe, die selbst den erfahrenen Kommissar erstaunt zurücklassen...

SpracheDeutsch
HerausgeberKlarant
Erscheinungsdatum12. Feb. 2021
ISBN9783965863170
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    Buchvorschau

    Blutige Seedüne. Ostfrieslandkrimi - Dörte Jensen

    Ascheengel

    Hamburg, Juni

    Sie beugte sich über die Wiege. Ihr Sonnenschein lag darin – die Augen geschlossen, den Mund leicht geöffnet. Tränen liefen über ihre Wangen und tropften auf die rosafarbene Bettdecke, als sie mit den Fingern sanft über die kalte Haut des Babys strich.

    Er legte seine Hand auf ihre Schulter. »Das Schicksal ist manchmal eine richtige Bitch.«

    »Danke, dass du sofort gekommen bist. Ich wusste nicht, wen ich sonst anrufen sollte.«

    Sie drehte sich zu ihm um.

    »Was hatten wir uns einst versprochen?« Er sah ihr in die Augen.

    »Dass wir immer füreinander einstehen. Aber damals waren wir noch Kinder«, wandte sie ein.

    »Das ändert nichts an unserem Schwur.«

    Sie nickte bestätigend. »Ich hätte die Kleine nicht aus den Augen lassen dürfen. Aber ich muss doch irgendwie Geld verdienen. Amelie sollte einmal ein sorgenfreies Leben führen.«

    »Das wird sie auch.«

    Sie wischte sich die Tränen mit dem Handrücken aus dem Gesicht. Ihr Körper war von der Sucht gezeichnet. Die schwarzen Haare umrahmten ein blasses Gesicht und fielen strähnig bis auf die Schultern. Die Haut hatte eine gräuliche Farbe, die Augen wirkten in dem totenkopfartigen Schädel riesig.

    Die Adern der Arme, die skelettartig unter dem verdreckten Kleid hervorstachen, sahen aus wie bläuliche Schläuche, die seit vielen Jahren ein tödliches Gift durch den Körper transportierten.

    »Wie meinst du das?«

    »Aus der Asche deiner Vergangenheit wird ein neues Leben erwachsen.«

    »Was soll das denn bedeuten?«

    Mit ihren klauenartigen Fingern, die wie mit Haut überzogene Knochen aussahen, strich sie sich eine Haar­strähne aus dem Gesicht.

    »Als ich heute Morgen nach Hause kam, war Amelie schon tot. Ich habe nichts genommen. Das musst du mir glauben.«

    »Lüg mich nicht an!«

    Seine Stimme war plötzlich kalt wie Eis.

    »Deine Pupillen sind wie schwarze Löcher.«

    Sie blickte schuldbewusst zu Boden. Er legte die Hand unter ihr Kinn und hob den Kopf an.

    »Sieh mir in die Augen. Was würdest du für eine zweite Chance geben?«

    »Alles.« Der ausgemergelte Körper erbebte unter einem Schluchzer. Er nahm sie in den Arm.

    »Ab morgen wirst du Amelie eine gute Mutter sein.«

    »Aber …«

    »Keine Fragen, hast du das verstanden?«

    Sie bewegte den Kopf so ruckartig vor und zurück, dass es wie ein pickender Vogel wirkte.

    »Ich werde dir bei deinem Entzug helfen. Ist das Jugend­amt schon auf dich aufmerksam geworden?«

    »Nein, bisher war noch niemand da.«

    »Was ist mit dem Vater der Kleinen?«

    »Keine Ahnung. Ich weiß nicht einmal, wer das ist.«

    »Dann wird auch niemand Ansprüche stellen.«

    »Amelie ist ein Hurenbalg.« Sie lachte freudlos auf. »Keiner wird auch nur einen müden Cent für das Kind zahlen wollen.«

    »Das ist gut.« Er dachte einen Moment lang nach, bevor er fortfuhr: »Ich werde für eine Weile hier einziehen und mich um dich und das Kind kümmern. Ab sofort wirst du nicht mehr anschaffen gehen. Das Geld für deinen Lebens­unterhalt bekommst du von mir.«

    »Du hast doch selbst kaum etwas.«

    »Das wird sich ändern. Wenn du wieder aufwachst, wird dir alles wie ein schrecklicher Albtraum vorkommen.«

    »Wie willst du denn …«

    »Psst.« Er legte ihr den linken Zeigefinger auf die Lippen. Mit der rechten Hand zog er ein kleines Tütchen aus seiner Hosentasche.

    »Das ist dein Ticket für eine Fahrt ins Land des Vergessens. Es wird dein letzter Trip sein.«

    »Natürlich. Danach werde ich keinen Stoff mehr anrühren.« Sie riss ihm den kleinen Plastikbeutel aus der Hand.

    »Das weiß ich.« Er küsste sie auf die Stirn. »Geh jetzt ins Schlafzimmer.«

    Er sah ihr nach, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. Dann wickelte er die Leiche in die dünne Bettdecke und nahm sie auf den Arm. Wenige Minuten später legte er den leblosen Körper behutsam auf den Rücksitz des gestohlenen Mercedes, startete den Motor und fädelte sich in den laufenden Verkehr ein. Er schaltete das Radio an und sang den Refrain des Schlagers Sonne, Sand und Sehnsucht der Sängerin Madame lauthals mit. Für den Tod der kleinen Amelie würde er der Glücksgöttin Fortuna ewig dankbar sein.

    Feuerkind

    Emden, Juni

    Die kleine Flamme tanzte in einem Lufthauch, der durch das gekippte Fenster in den Raum wehte. Einen Moment lang drohte sie zu erlöschen und das Wohnzimmer wieder in Dunkelheit zu hüllen, doch dann fraß sie sich in die Titelseite der auf dem Couchtisch liegenden Tageszeitung.

    Kurz darauf verwandelte sich die Flamme in ein feuriges Raubtier, das gierig nach weiterer Nahrung suchte – und diese in dem weißen Tischläufer fand. Das Feuer leckte zunächst zaghaft an dem Stoff, als wäre es eine Zunge, die den Geschmack einer neuen Sorte Eiscreme erkunden wollte – und dann gierig über die Leckerei herfiel.

    Eine brennende Zeitungsseite wurde von dem leichten Windzug erfasst und schwebte wie ein tödlicher Schmetter­ling bis zum Vorhang, der sich innerhalb kürzester Zeit in eine Flammensäule verwandelte, die auf das daneben­stehende Bücherregal übergriff. Nachdem sich das Feuer die vielen Tausend Seiten einverleibt hatte, ging es auf den halbhohen Schrank über, in dem neben Spirituosen auch das Feuerzeugbenzin aufbewahrt wurde.

    Bald brannte das Wohnzimmer lichterloh. Fünf Minuten später hatte sich das Untergeschoss des renovierungs­bedürftigen Einfamilienhauses in eine Feuerhölle verwan­delt, deren Flammen über die Stufen der Holztreppe zum Kinderzimmer der kleinen Anna krochen.

    Flammenengel

    Juist, Mai

    Vier Jahre später legte der Philosoph seinen Pinsel zur Seite und rieb sich über den rechten Daumen. Dann trat er einen Schritt zurück und betrachtete das Gemälde, an dem er in den letzten Tagen gearbeitet hatte. Auf den ersten Blick wirkten die Flammen so lebendig, als würde die Leinwand brennen. Der weiblichen Gestalt, die mit einem Kind auf dem Arm aus dem Feuer trat, schienen die Flammen nichts anhaben zu können.

    »Gefällt es dir?«

    Diese Frage richtete er an die zierliche Melanie Rickert, die ihre haselnussbraunen Locken mit einem Pferdeschwanz gebändigt hatte. Trotz des sonnigen Inselsommers war ihre Haut so blass wie die einer Kranken, die das Bett seit Jahren nicht mehr verlassen hatte. Sie nickte stumm.

    »Das freut mich. Kümmerst du dich gleich um die abschließenden Vorbereitungen für die heutige Feuer­taufe?« Der Philosoph nahm seine Lebensgefährtin in den Arm und küsste sie. Dann fuhr er mit den Fingerspitzen über das ein Zentimeter große Brandmal in Form einer Flamme, das ihren Unterarm zierte. Das Zeichen wurde den neuen Mitgliedern der Flammenengel in einer feierlichen Zeremonie in die Haut gebrannt und machte sie zu seinen Feuerkindern.

    »Selbstverständlich.« Melanie ging zur Tür.

    Nachdem sie diese hinter sich geschlossen hatte, warf er einen erneuten Blick auf sein Meisterwerk, das die Kunstkritiker sicherlich wieder verreißen würden.

    Der Philosoph erinnerte sich noch genau an den Moment, in dem er nach einem vernichtenden Artikel in einer renommierten Kunstzeitschrift ein Gemälde, an dem er sieben Monate lang gearbeitet hatte, mit Benzin übergossen und angesteckt hatte. In dem Feuer war nicht nur das Bild verbrannt, sondern auch die Existenz von Alexander Jeschke, wie er mit bürgerlichem Namen hieß.

    Aus der Asche hatte sich der Philosoph erhoben.

    Das Grundprinzip seiner Flammenengel, über die er als Gründer in Seminaren und Vorträgen referierte, basierte auf der Annahme, dass jeder seine Vergangenheit hinter sich lassen und ein neues Leben beginnen konnte. Heute malte er seine Visionen nicht mehr mit Farbe auf eine Leinwand, sondern erschuf mit seinen Worten eine neue Welt, in der seine Zuhörer als Feuerkinder eine sorgenfreie Existenz finden würden.

    Natürlich gab es Ungläubige und Nörgler, die in ihm einen Scharlatan sahen, der den Leuten in seiner Sekte eine Gehirnwäsche verpasste und ihnen das Geld aus der Tasche zog.

    Dabei waren die Flammenengel keine Sekte, sondern lediglich eine Gruppe von Menschen, die sich aus der Sklaverei des Konsums befreit hatten und gegen die Verlockungen der digitalen Welt immun waren.

    Der Philosoph ging ins Badezimmer. Nach einer schnellen Dusche rasierte er sich die Bartstoppeln aus dem Gesicht und die sprießenden Haaransätze von der Kopfhaut. In dem weißen Gewand mit den aufgestickten Flammen, das er bei jeder Feuertaufe trug, kam sein markanter Glatzkopf besonders gut zur Geltung. Im Gegensatz zu seinen Mitgliedern trug er sein Brandzeichen nicht auf dem Unterarm, sondern auf der Stirn, wo es jeder sehen konnte.

    Das Kleidungsstück verlieh ihm die würdevolle Aura eines Priesters, den seine Anhänger in ihm sahen.

    Rückblickend betrachtet war der Philosoph seinen Kritikern dankbar, denn ohne ihre Verrisse wäre er sicherlich noch immer einer jener Künstler, die für etwas Applaus in der Manege des Kunstbetriebes viele Demütigungen erduldeten. Statt weiterhin in einem heruntergekommenen Appartement zu hausen und durch den Verkauf seiner Bilder von der Hand in den Mund zu leben, verdiente er nun mehr Geld als jemals zuvor und konnte Melanie das Leben bieten, das er ihr einst versprochen hatte.

    Der Philosoph verließ seine Wohnung und ging durch den Flur bis zur Empore des alten Gebäudes, das er vor wenigen Monaten gekauft hatte. Nach der Renovierung würde er die ersten Gäste in seinem neuen Feriendomizil auf Juist begrüßen.

    Während der sogenannten Feuertage konnten die Urlauber ihrem Alltag entfliehen und in seiner Welt neben körperlicher auch geistige Entspannung finden. Mit diesem Angebot schlug der Philosoph zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen spülten die Touristen viel Geld in seine Kassen, zum anderen waren sie nicht nur potentielle Mitglieder, sondern auch Werbeträger, die seine Botschaft in der Welt verbreiteten.

    Der Philosoph ging über die Holztreppe nach unten, durchquerte die große Diele und trat auf die Feuerinsel, wie die Terrasse genannt wurde, auf der er von den zwölf Anhängern bereits erwartet wurde. Sie saßen in einem Halbkreis um eine Feuerschale, in der die Flammen gierig an den Holzscheiten leckten. Dazwischen lag das Brand­eisen mit dem Zeichen des Flammenengels.

    Melanie stand hinter der Feuerschale und nickte ihm zu.

    Demnach hatte sie alle Formalitäten erledigt. Da das Brandzeichen juristisch als Körperverletzung galt, musste er die Einverständniserklärung des zukünftigen Mitgliedes einholen. Zudem mussten beim Übergang des Vermögens auf die Flammenengel viele Papiere unterzeichnet werden. Um die Rechtswirksamkeit der Dokumente kümmerte sich Melanie ebenfalls. Da er als Einziger wusste, was sie zu verlieren hatte, würde sie sich dabei keinen Fehler erlauben.

    Er trat zu ihr und küsste sie auf die Stirn. Dann wandte er sich an seine Zuhörer, die ihn anstarrten, als wollten sie die Worte wie Honig von seinen Lippen saugen.

    »Heute wollen wir ein neues Feuerkind in unserer Mitte begrüßen. Martin, würdest du bitte zu mir kommen?«

    Der Angesprochene stand auf und ging mit staksigen Schritten zur Feuerschale.

    »Du hast deine Vorbereitung nun abgeschlossen und deinen weltlichen Besitz in die Hände der Flammenengel übergeben.« Der Philosoph hob in einer theatralischen Geste die Arme, als wollte er ihn segnen. »Willst du deine Vergangenheit verbrennen, um als Feuerkind aus der Asche deines Lebens aufzuerstehen?«

    »Ich bin bereit.« Ein freudiges Lächeln ließ das Gesicht des ehemaligen Versicherungskaufmanns erstrahlen, als hätte jemand in seinem Innern eine Lampe angeschaltet.

    »Komm zu mir.« Der Philosoph winkte ihn zu sich.

    Der Mann zögerte einen Moment. Dann trat er einen Schritt vor.

    »Empfange nun das Zeichen unserer Verbundenheit.«

    Der Versicherungskaufmann streckte den rechten Arm vor. Melanie ergriff seine Hand und hielt sie fest.

    »Der Schmerz wird dein altes Leben auslöschen, damit du als Feuerkind wiedergeboren werden kannst.«

    Der Philosoph nahm das Brandeisen aus den Flammen und reckte es wie eine Trophäe in die Höhe. Dann senkte er das glühende Eisen langsam hinab. Wenige Zentimeter über dem Arm hielt er einen Augenblick inne. Dann drückte er das heiße Eisen in die Haut. Obwohl der Versicherungs­kaufmann die Zähne aufeinanderbiss, konnte er einen Schrei nicht unterdrücken. Schweiß lief über sein Gesicht und er zitterte am ganzen Körper.

    »Wollt ihr das neue Feuerkind in eurer Mitte begrüßen?«

    Diese Frage richtete der Philosoph nach der Zeremonie an die elf Zuschauer, die nun aufstanden und lauthals jubelten. Nachdem ein ehemaliger Arzt die Brandwunde fach­männisch versorgt und einen Verband angelegt hatte, begannen die Feierlichkeiten, die bis tief in die Nacht andauerten. Am frühen Morgen fielen die Feuerkinder in ihrem Schlafsaal erschöpft

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