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Eifel-Nacht: Phantastische Geschichten aus der Eifel
Eifel-Nacht: Phantastische Geschichten aus der Eifel
Eifel-Nacht: Phantastische Geschichten aus der Eifel
eBook169 Seiten2 Stunden

Eifel-Nacht: Phantastische Geschichten aus der Eifel

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Über dieses E-Book

Wenn die Nacht über das Eifelland fällt, geschehen schreckliche Dinge. Die Geister streifen umher, die Untoten rächen sich an den Lebenden, und auch der Tod verrichtet sein grausames Handwerk mit kalter Gelassenheit ...
Als Krimiautor und als Verfasser schwarzhumoriger Geschichten ist Ralf Kramp schon lange bekannt, aber manche seiner Erzählungen sind noch finsterer, noch grausiger. In dreizehn haarsträubenden Schauergeschichten nimmt er seine Leser nun mit auf eine gespenstische Reise durch die Eifel.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum31. Juli 2019
ISBN9783954414970
Eifel-Nacht: Phantastische Geschichten aus der Eifel
Autor

Ralf Kramp

Ralf Kramp, geb. 1963 in Euskirchen, lebt in einem alten Bauernhaus in der Eifel. Für sein Debüt »Tief unterm Laub« erhielt er 1996 den Förderpreis des Eifel-­Literatur-Festivals. Seither erschienen zahlreiche Kriminalromane und Kurzgeschichten. In Hillesheim in der Eifel unterhält er zusammen mit seiner Frau Monika das »Kriminalhaus« mit dem »Deutschen Krimi-­Archiv« (30.000 Bände), dem »Café Sherlock«, einem Krimi-Antiquariat und der »Buchhandlung Lesezeichen«. Im Jahr 2023 wurde er mit dem Ehren-­Glauser für »herausragendes Engagement für die deutschsprachige Krimi­szene« ausgezeichnet.

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    Buchvorschau

    Eifel-Nacht - Ralf Kramp

    Anubis

    Es war um die Stunde, als meine Erschöpfung übermächtig wurde, als meine schreckhafte Bewegung das Lenkrad verriss und als das Auto auf dem nassen Asphalt über dem Blätterteppich aus der Spur glitt und quer zur Fahrbahn zum Stillstand kam. Der drohende Schlaf und die Mattigkeit machten mir die Finger taub, pressten mir unsichtbare Fäuste gegen meine Schläfen.

    Seit Stunden fuhr ich ohne Ziel und ohne Gefühl für Zeit und Raum durch die Nacht. Die grauen Silhouetten der entlaubten Bäume wanderten aus dem Dunkel auf mich zu; es sah aus, als fahre ich mitten durch eine Kulisse voller riesenhafter Scherenschnitte hindurch.

    Wenn ich so weiterfuhr, würde es mich endgültig in irgendeinem Hang aus der Kurve tragen. Vielleicht nicht das Schlechteste. Vielleicht würde mir ein ewiger Schlaf geschenkt werden, so dachte ich, während ich den Wagen erneut startete und zurück auf die Spur lenkte.

    Meine Tränen waren schon vor langer Zeit versiegt. Ich fühlte mich verdorrt und geschunden und ließ den Wagen nur noch willenlos rollen, folgte mal dieser, mal jener Abzweigung, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wo mich die Straße hinführen würde.

    Das trübe Glänzen einer Leuchtreklame war das Erste, was ich seit vielen Kilometern am Wegesrand wahrnahm, was sich in mein Bewusstsein drängte und mich reagieren ließ.

    Ein Hotel.

    Die Aussicht auf ein Nachtlager.

    Schlaf.

    Ich lenkte den Wagen auf einen mit Kies bedeckten Parkplatz und stellte ihn neben vier anderen Fahrzeugen ab. Ein Mainzer, drei Holländer – kein außergewöhnlicher Umstand in der Eifel.

    Das Haus war klein, schmutzfarben, hatte eine winzige Terrasse zum Hang hin, an deren Pergola eine Lichterkette baumelte. Sie leuchtete nicht, und die bauchigen Glühbirnen sahen aus wie schwarze Früchte. Alte Bäume beugten sich über das Dach des Gebäudes, mehr um es zu bedrohen, als es zu beschützen, so schien es. Struppige Tujabüsche lehnten sich gegen die Fassade und verdeckten Teile der Fenster im Erdgeschoss.

    Ein trauriger Anblick.

    Eine traurige Unterkunft für einen traurigen Mann …

    Die Eingangstür war abgeschlossen, doch als ich zurücktrat, um im Schein der Leuchtreklame das Zifferblatt meiner Uhr zu erkennen, glomm hinter dem gelben Milchglas ein Licht auf.

    Eine alte Frau öffnete. Ihr kleiner rundlicher Körper steckte in einem Morgenmantel von undefinierbarer Farbe, und ihre weißen Haare wurden von einem Haarnetz an den kleinen Kopf gepresst. Durch ihre dicken Brillengläser hindurch musterte sie mich sorgenvoll.

    »Haben Sie eine Panne?« Ihre Stimme klang sanft und verständnisvoll.

    »Nein, ich …« Meine Uhr zeigte Null Uhr zwanzig an. Keine Zeit, zu der man an fremde Türen klopfen sollte.

    »Verfahren? Haben Sie sich verfahren?« Sie öffnete die Tür ein Stück weiter und deutete mit einer kleinen Hand ins Innere des Flurs. »Kommen Sie erstmal rein.«

    »Ich möchte schlafen«, sagte ich matt. »Nur schlafen.«

    Sie lächelte gütig. »Ich habe noch drei Zimmer frei. Ich gebe Ihnen die Nummer 8. Die geht zum Hof raus, da haben Sie morgen früh nicht soviel Verkehrslärm, und Sie können ausschlafen. Sie sehen furchtbar müde aus.«

    Das Zimmer war genau das, was man erwarten konnte, wenn man das Hotel zum ersten Mal von außen gesehen hatte. Die letzten Jahrzehnte schienen nahezu spurlos an dem Raum vorbeigezogen zu sein. Auf dem grauen Linoleumboden dämmerte ein ehemals bunter Wollteppich seiner endgültigen Auflösung entgegen, es gab Möbel aus glänzend lackiertem honigfarbenem Holz, eine flache, kleine Kommode mit dreiteiligem Spiegel, den großformatigen Druck eines Landschaftsgemäldes, das nahezu nur noch aus bläulichen Schattierungen bestand. Ein Wandschmuck aus verstaubten Trockenblumen, ein Radiowecker mit schwarzweißen Klappzahlen, eine Deckenlampe mit großer Glasschale, in der die Schatten toter Fliegen zu erkennen waren.

    »Kein Gepäck, junger Mann?«, fragte meine Gastgeberin und schob mich in das Zimmer. »Es ist gut, dass Sie eine Pause machen. Ruhen Sie sich aus, das Bett ist frisch bezogen.«

    Das Plumeau war enorm, die Bettwäsche hatte ein zartes Muster aus braunen und ockerfarbenen Rauten. Mir wurde erneut das Herz schwer.

    Ein trauriges Zimmer für einen traurigen Mann.

    »Das Formelle erledigen wir morgen früh. Wann möchten Sie frühstücken?«

    »Gegen neun?«, fragte ich. »Wenn es möglich wäre …«

    »Sicher, sicher. Gute Nacht.« Ihr Kopf war das letzte, was im Türspalt verschwand, bevor sich die Tür schloss.

    Ich setzte mich ein paar Augenblicke auf die Bettkante und sog die abgestandene Luft des Zimmers ein, bevor ich den Schlüssel im Türschloss drehte.

    Beim Badezimmer handelte es sich ebenfalls um ein trostloses Zeugnis vergangener Tage: grünblaue Kacheln mit gelb angelaufenen Fugen, ein quadratischer Spiegel mit abgerundeten Ecken über einem klobigen weißen Becken, in dem sich bräunliche Schatten um die Abflussöffnung für immer in die Porzellanfläche gefressen hatten.

    Eine Badewanne.

    Erst jetzt spürte ich die Kälte, die mich gemeinsam mit der Müdigkeit so lange in unerbittlicher Umklammerung gehalten hatte. Sie hatte meine Finger taub gemacht, meine Füße schmerzen lassen.

    Ich ließ Wasser ein, heißes Wasser. Dass ich damit meine möglichen Zimmernachbarn in ihrer Nachtruhe stören könnte, kam mir in diesem Moment nicht in den Sinn.

    Ich dachte daran, dass ich keinerlei Kosmetiksachen mit mir führte. Keine Zahnbürste, kein Rasierzeug, nichts.

    Auf dem weißen Porzellanbord am unteren Rand des Spiegels lag ein Stückchen verpackter Seife neben einem Wasserglas.

    Das heiße Wasser biss mir in meine steif gefrorenen Zehen. Es dauerte eine Weile, bis ich meinen Körper an die Temperatur gewöhnt hatte und mich in der Wanne ausstrecken konnte. Die Wärme hüllte mich ein. Ich schloss die Augen, alles würde gut werden. Ich atmete den leicht metallischen Geruch des Wassers ein und spürte, wie eine betörend schöne Ruhe in meinem Körper einzog.

    Ich weiß nicht, wie lange ich so gelegen hatte, als sich plötzlich ein leise flüsterndes Geräusch in mein Ohr stahl. Ohne die Augen zu öffnen interpretierte ich es als das leise Wispern des grau gemusterten Kunststoffvorhangs, der am Wannenrand vorbeistrich.

    Aber es war eine leise Stimme.

    »Es wäre schade, wenn Sie jetzt einschliefen.«

    Sofort war ich hellwach, schrak zusammen. Das Wasser plätscherte, als ich die Arme mit einem Ruck nach vorne bewegte.

    Durch den Nebel, der in blassen Wirbeln über der Badewanne tanzte, erkannte ich eine Gestalt, die zwischen Tür und Waschbecken an der Wand lehnte. Eine Frau. Sie hatte ihre Arme auf dem Rücken verschränkt. Rotes Haar fiel ihr über die Schultern. Zwei hellblaue Augen fixierten mich neugierig.

    »Bitte schlafen Sie nicht ein. Sie sind doch gerade erst angekommen.«

    Ich bäumte mich auf, versuchte meine Blöße zu bedecken.

    »Wie sind Sie hereingekommen?«

    Sie starrte mich unverhohlen an. Ihre schwarz umrandeten Augen leuchteten geradezu vor Neugier und Freude, so schien es.

    »Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir?«

    »Mit Ihnen reden. Nur reden.« Sie trat näher. Ein cremefarbener Morgenmantel aus Satin floss um ihren schlanken Körper. Die Hände behielt sie auf dem Rücken verschränkt. Ihre Gesten waren die eines scheuen, unsicheren Mädchens.

    »Ich warte schon so lange auf jemanden, der mit mir reden kann.«

    Sie deutete mit dem Kinn auf den Wannenrand, und als ich keinen Laut des Protestes hervorbrachte, ließ sie sich nieder. »Haben Sie bitte keine Sorge, dass es mir etwas ausmachen könnte, Sie so zu sehen. Und es sollte Ihnen auch überhaupt nicht unangenehm sein, mich so zu sehen.«

    Stumm schnappte ich nach Luft und presste meine angewinkelten Knie gegen die Brust.

    »Bitte«, sagte ich kraftlos. »Verlassen Sie das Zimmer. Ich bin wirklich nicht in der Stimmung, um …«

    »Das geht nicht.« Sie lächelte entwaffnend. »Ich wollte, ich könnte es. Glauben Sie mir, ich wollte, ich könnte nur ein einziges Mal hier heraus. Sagen Sie mir Ihren Namen?«

    »Ich bitte Sie. Ich möchte wirklich jetzt alleine …«

    Als sie bedauernd den Kopf schüttelte, wogte das rote Haar hin und her. »Glauben Sie mir. Es geht nicht. Mein Name ist Lene. Es hätte unser zehnter Hochzeitstag werden sollen, den wir hier in diesem Zimmer verbrachten, mein Mann und ich. Das ist einunddreißig Jahre her.«

    »Einunddreißig …?« Ich rechnete. In den Siebzigern.

    »Nein, halt, zweiunddreißig! Ich verliere den Überblick.«

    »Sie und Ihr Mann …«

    Sie nickte, und ein bitterer Zug grub sich um ihren Mund herum in die blasse Haut. Ihre Hände nestelten am Knoten ihres Stoffgürtels herum. Was tat sie?

    »Wirklich, hören Sie, ich möchte Sie noch einmal bitten, augenblicklich …«

    Unbeirrt schob sie in der Höhe ihres Herzens die Revers des Mantels auseinander, gerade soweit, dass es noch schicklich war. Was ich erkennen konnte, war unglaublich, entsetzlich. Ich musste träumen! Mitten zwischen den Ansätzen ihrer beiden Brüste klaffte eine tiefe, schwarze Öffnung mit bizarr verkrusteten Rändern in ihrem Brustkorb. »Ein Messer hat er in mich hineingestoßen, der Wahnsinnige. Gestochen und herumgedreht, gerissen und gefetzt. So ein Verrückter«, plauderte sie und betrachtete die abscheuliche Wunde. »So ein grässlicher Kerl. Wieder und wieder das Messer. Ich habe auch Verletzungen am Bauch, in der Seite. Wir kennen uns noch nicht gut genug, mein Herr, sonst … Er war so schrecklich eifersüchtig. Völlig ohne Grund, das müssen Sie mir glauben.« Sie raffte ihren Bademantel wieder zusammen und legte die Stirn in Falten. Ihre schwarz getuschten Wimpern flatterten wie kleine Schmetterlinge. »Einunddreißig plus dreiundvierzig … Ob er noch lebt? Ob sie ihn wohl mittlerweile freigelassen haben, was meinen Sie?«

    In den Siebzigern … Ihre Frisur … Diese grauenhafte, durch und durch tödliche Verletzung … Was geschah hier mit mir?

    »Es ist so schön, dass Sie da sind, mein Herr«, sagte sie leise. »Ihren Namen werde ich schon noch erraten. Sagen Sie bitte Lene zu mir. Bitte, sagen Sie es nur ein einziges Mal … Lene …« Ein flehentlicher Blick, bebende Lippen.

    »Lene«, flüsterte ich zaghaft.

    Ihre Mundwinkel kräuselten sich, und langsam streckte sie eine weiße Hand aus, um mich an der Wange zu berühren. Ich spürte nichts als einen eisigen Lufthauch.

    »Danke. Sie sind sehr freundlich. Nicht so wie der andere …«

    »Der andere?«

    Sie machte einen erklärenden Wink mit dem Kopf hinter sich. »Na, er. Die alte Nervensäge.«

    »Machen Sie sich nicht lächerlich, Sie schamlose Person!« Eine polternde, dunkle Stimme kam von der Tür. »Sich so an den fremden Herrn ranzumachen. Dass Sie sich nicht schämen!« Im Türrahmen war ein bulliger Mann mit grauem, militärisch kurz geschnittenem Haar und buschigem Schnurrbart erschienen. Noch bevor ich einen Protestruf ausstoßen konnte, war er eingetreten und baute sich breitbeinig am Fußende der Badewanne auf. »Sie gestatten, Oberstleutnant Drews. Bin überaus erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.«

    Ratlos suchte ich den Blick aus den strahlend blauen Augen zu meiner Rechten. Lene zog einen Schmollmund und zupfte ihren Morgenmantel zurecht. »Ich dachte mir, dass wir nicht lange alleine sind«, seufzte sie. »Der Herr Leutnant glaubt immer noch, herumkommandieren zu können, wie bei der Armee. Ich glaube, sein Unfall hat ihm nicht besonders gut getan.« Sie tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn, ohne dass der Andere es sehen konnte.

    Ich spürte, wie mir im heißen Badewasser kalt wurde. Das alles war ein Albtraum, eine Halluzination, hervorgerufen durch …

    Die Stimme

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