Felsgeschmack: Geschichten über das Klettern an Felsen
Von Maike Brixendorf
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Über dieses E-Book
Ich hatte Glück.
In diesem Buch finden sich Geschichten über das Felsklettern. Geschichten, wie es wirklich ist, die ersten Male eigenständig zu klettern, in den Kletterurlaub zu fahren und da man am Fels selten allein ist, auch über das Zusammentreffen mit anderen Kletterern.
Ob in Franken, am Ith, im Harz, in den Alpen, im Elbsandsteingebirge, in Südfrankreich, in Toronto oder auf Teneriffa: überall gibt es viel zu entdecken und zu erleben.
Für Kletterneulinge ist am Ende ein Glossar, indem alle wichtigen Kletterbegriffe erläutert werden.
Maike Brixendorf
Klettern ist Leidenschaft, Schreiben auch. Schreiben kann Maike Brixendorf schon viel länger als klettern. Erst mit Mitte 30 begann sie damit. Bis dahin standen Rucksack- und Wanderurlaube im Fokus. Nachdem sich ihr bei einer Wandertour in Australien eine ganz besondere Herausforderung stellte, veränderte sich das. Damals ahnte sie allerdings noch nichts von der für sie weltbewegenden und vor allem lebensstilbeinflussenden Veränderung, die bevorstand. Das Klettern übernahm klammheimlich ihre Lebensplanung. Doch die Geschichte wird an anderer Stelle erzählt. Über zehn Jahre sind seitdem vergangen und sie hat die Entscheidung keine Sekunde bereut.
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Buchvorschau
Felsgeschmack - Maike Brixendorf
Ein Wort vorab
Klettern ist toll! Und draußen in der Natur an echten Felsen ist es besonders toll.
Es gibt Menschen, die nur draußen klettern und es gibt Menschen, die nur in der Halle klettern. Die letzte Gruppe ist deutlich größer als die erste. Dann gibt es noch diejenigen, die am Fels klettern und gelegentlich zu Trainingszwecken in die Kletterhalle gehen. Meine Vermutung ist, dass diese Gruppe größer ist als die der reinen Felskletterer, doch deutlich kleiner als die der reinen Hallenkletterer.
„Maike, der beste Kletterer ist der, der am meisten Spaß hat", sagte mir ein Kletterfreund. Das habe ich mir zu Herzen genommen. Es spiegelt mittlerweile sehr gut meine Einstellung wider. Mir geht es weniger um das Erreichen der kletternden Weltelite als um Erlebnisse an der Wand und vor allem mit mir selbst.
Mein Ziel ist, die eigenen Grenzen auszutesten, unabhängig vom Schwierigkeitsgrad, und das vertrauensvolle Miteinander. Für mich bedeutet Klettern Freiheit, vor allem im Kopf. Wenn ich an der Wand bin, gerät alles andere in den Hintergrund, und nur noch das Hier und Jetzt ist wichtig.
Und natürlich soll jeder Mensch dort klettern, wo sie oder er Spaß hat. Ob Plastik und/oder Fels, das ist eine persönliche Entscheidung.
Den Schritt an den Fels wagen die meisten Hallenkletterer nicht. Warum auch immer das so ist!
Und ehrlich gesagt bin ich ganz froh, wenn es an den Felsen nicht noch voller wird.
Ein vorlauter Mensch könnte jetzt einwenden, es sei dann nicht besonders schlau, ein Buch zum Thema „draußen klettern" zu schreiben. Es könnte damit einem Hallenkletterer schmackhaft gemacht werden. Und wer einmal auf den Felsgeschmack gekommen ist, wird seinem Charme ganz erliegen. Doch wer weiß, vielleicht hat das Buch eher eine abschreckende Wirkung!
Aber ich schweife ab. Sicher ist, dass das Felsklettern etwas ganz anderes ist als das Hallenklettern. Es ist nicht einfach eine Kletterhalle ohne Dach. Und das heißt nicht nur, dass Felskletterer für alle Wetteralternativen ausgestattet sein müssen. Auch die Themen Ernsthaftigkeit und Umgang mit Sicherungsmitteln gewinnen an Bedeutung. Die Gefahr, sich mehr oder weniger schwer zu verletzen, ist gegeben. Letzteres zeigt sich beispielsweise oft genug am Ende eines Klettertages durch blaue Flecken, die zahlreiche logische und unlogische Stellen meines Körpers zieren.
Auf jeden Fall war Achim, der mein liebster Kletterpartner ist, und mir nach den ersten Hallenerfahrungen in Hamburg schnell klar, dass wir an den Fels wollten. Kurz darauf fuhren wir deswegen nach Franken und besuchten dort einen Felskletterkurs. Danach war ich mir sicher: Das ist genau das, was ich will.
Glücklicherweise ist Achim genauso auf den Felsgeschmack gekommen, und seitdem nennen wir uns Felskletterer.
Von der Halle an den Fels ging es bei uns, besonders in Anbetracht des nicht von Felsen vor der Haustür geprägten Wohnorts Hamburg, sehr zügig. Es musste auch schnell gehen, denn ich war bereits Mitte 30, als das Klettern in meinem Leben Einzug hielt und klammheimlich meine Lebensplanung übernahm. Es folgten sogleich zwei einschneidende Veränderungen:
1. Wir entschieden uns, unseren Lebensmittelpunkt nach, von uns aus gesehen, „Süd"-Deutschland zu verlegen, dichter an die Felsen zu ziehen. Es folgte ein Umzug nach Hannover, und plötzlich waren die Felsen am Ith und im Harz ganz nah.
Dieser Wohnortswechsel war eine Selbstverständlichkeit. Wir mussten nicht lange darüber verhandeln. Auch wenn das Meer mit seinen rauschenden Wellen jetzt verdammt weit weg ist.
2. Auch unsere Urlaubskultur wandelte sich. Früher standen Wanderurlaube und Reisen als Backpacker auf schönen Eilanden auf dem Programm. Heute beherrschen Routenauswahl und klimatische Bedingungen unser Denken. Bei „Eiland" fällt uns mittlerweile sofort eine Kletterregion in Tschechien ein.
Trotz der Nähe zu den Felsen ging es uns wie so vielen Stadtbewohnern. Unter der Woche fuhren wir abends regelmäßig in die Kletterhalle. Im Urlaub und an warmen, sonnigen Wochenenden ging es an den Fels. Der Winter war, wenn nicht durch einen Urlaub in sonnigen Gefilden unterbrochen, ein reines Hallenvergnügen.
Dann kam Corona und die Hallen schlossen, und auch meine Motivation, mich nach deren Wiedereröffnung mit anderen stark atmenden Menschen in Innenräumen zu bewegen, sank merklich.
Was für ein Glück, dass wir die Felsen vor der Haustür hatten! Unsere norddeutschen Klettergebiete besuchten wir dank Teilzeitjobs, Homeoffice und flexiblen Arbeitszeiten schon bald regelmäßig.
Zu Beginn der coronabedingten Draußen-Saison war das Klettern an den heimischen Felsen fast normal für uns. Es war Frühling und wir nutzten die sonnigen Tage. Nicht gänzlich unerwartet stellten wir fest, dass wir nicht die Einzigen waren, die sich in Zeiten geschlossener Kletterhallen an den norddeutschen Felsen erfreuten. Es ist kein Geheimnis, wo die sich befinden.
Am Fels trafen wir viele alte Bekannte. Doch wir trafen auch Menschen, die genau jetzt ihre ersten Schritte von der Halle an den Fels wagten.
Der Sommer kam und einige Kletterer wechselten zurück in die wiedereröffnenden Hallen. Der Herbst brachte wieder schöne Tage, und ganz überraschend stand der Winter vor der Tür.
Wir hatten uns so sehr an den Fels gewöhnt, dass wir nicht von ihm lassen wollten und das erste Mal den kompletten Winter draußen durchgeklettert sind.
Aus meinen Erlebnissen ist „Felsgeschmack entstanden. Hier finden sich Geschichten über das Klettern am Fels, wie man Klettermöglichkeiten findet und über die Besonderheiten des Kletterns in dieser verrückten Zeit. Der Name des Buches entstand bei unserem ersten Ausflug in die Alpen. In „Green Mile - Alpen für Anfänger
folgt die Auflösung dazu.
Ein Glossar, in dem Grundbegriffe des Kletterns erklärt werden, bildet den Abschluss. Diejenigen, die in dieser Begriffswelt noch nicht ganz sicher sind, sollen dadurch unterstützt werden, die Geschichten zu verstehen. Grundsätzlich richtet das Glossar sich an Hallenkletter und alle anderen Menschen, die am Felsklettern interessiert sind.
Die neue Felsenheimat erkunden
Wir erhielten von Hamburger Kletterfreunden als Abschiedsgeschenk deren Uraltauflage des Kletterführers „Hoch im Norden". Darin fände sich viel Lohnenswertes zum Klettern nur wenige Kilometer südlich von Hannover, informierten sie uns.
Achim hatte sich ebenfalls gut auf unseren Umzug in den Süden vorbereitet. Ganz uneigennützig hatte er mir den Kletterführer „Paules Kletterbibel" für den Westharz zu Weihnachten geschenkt. Ein motiviertes Ziel, denn seinerzeit – 2009 – waren wir gerade im zweiten Jahr unserer Kletterkarriere.
Allein der Gedanke an das Klettern im Harz klang verheißungsvoll, als würde mich ein kühler Windzug streifen. Und das, obwohl ich noch nichts darüber gehört hatte. Vielleicht auch gerade deshalb.
Doch erst einmal wollten wir am Ith klettern. Davon hatten unsere Freunde so viel berichtet, da mussten wir hin! Wir blätterten im Kletterführer, der sich durch künstlerisch wertvolle Zufahrts- und Zustiegsskizzen auszeichnet. Die sind bestimmt hilfreich, wenn man sich in der Gegend auskennt. Gefühlt werden alle Zustiege vom Ith-Campingplatz aus beschrieben. Dessen Lage bleibt hingegen vage, ein gut gehütetes Geheimnis, wie wir schnell feststellten. Zumindest gut vor uns gehütet.
Die aktuelle Auflage des Kletterführers, die vielleicht Licht ins Dunkel hätte bringen können, war vergriffen. Die zweite Alternative, das Kennenlernen von erfahrenen Ith-Kletterern auf Hannovers Straßen, stellte eine echte Herausforderung dar.
Internet sei Dank bekamen wir immerhin zügig eine Beschreibung der Zufahrt nach Holzen (oder den Holzener Klippen, wie sie in eingeweihten Kreisen genannt werden). Schon bald waren wir dort häufiger anzutreffen.
Achims erklärtes Ziel war es trotzdem, mit mir ebenfalls den Harz klettertechnisch zu erobern. Immer wieder versuchte er, mir einen Ausflug an den Harzer Granit schmackhaft zu machen. Wohl auch, weil irgendwann der Zeitpunkt kam, an dem uns das Klettern in Holzen zu eintönig wurde. Obwohl, und das möchte ich betonen, es zweifelsohne eines der schönsten Ith-Klettergebiete ist.
In Paules Kletterbibel sind viele Routen in moderaten Schwierigkeitsgraden zu finden, was für uns damaligen Kletterneulinge mit wenig Felserfahrung großartig war. Die Art und Weise der im Harz üblichen Absicherung hatte ich allerdings nicht beachtet. Und so machten wir uns eines Tages frohgemut auf den Weg, um die Harzer Gipfel zu erklimmen.
Das Internet hatte uns auf der Suche nach für Einsteiger geeigneten Wänden die Marienwand, den Schlafenden Löwen und die Studentenklippen angeboten.
„Maike, das klingt doch super!, hatte Achim dazu gesagt. „Da werden wir sich sicherlich was zum Klettern finden.
Ich war ebenfalls guter Dinge. „Das ist uns doch bisher überall gelungen. Wir werden auch dieses Mal etwas Schönes zum Klettern finden. („Überall
bezog sich vor allem auf einen Kletterurlaub in Südfrankreich. Dort erfreuten wir uns an gut gesicherten Routen. Und irgendwo muss der Begriff der französischen Absicherung herkommen.)
Wer weiß, vielleicht hätte es geklappt, wenn wir drei Stunden früher am Fels gewesen wären. Sowohl an Marienwand als auch am Schlafenden Löwen hingen bereits Kletterer wie Spinnen in der Wand. An den Studentenklippen tobte sich ein Kletterkurs aus.
„Jetzt sind wir hier, jetzt wird auch geklettert", sagte Achim, der bereits beim Vorbeifahren auf den Felsgeschmack gekommen war.
Ich schaute mir den runden, griff- und