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Seera Collins 2: Im Wald der Sterne
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Seera Collins 2: Im Wald der Sterne
eBook382 Seiten5 Stunden

Seera Collins 2: Im Wald der Sterne

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Über dieses E-Book

Die Landung war ein Fiasko gewesen und ihr Raumschiff, mit dem sie beinahe zwanzig Jahre lang unterwegs gewesen waren, vernichtet. Dennoch hatten die Überlebenden der größten und ehrgeizigsten Expedition der Menschheitsgeschichte sich auf dem fern der Erde gelegenen Planeten, den sie einfach nur die "Neue Welt" nannten, inzwischen notdürftig eingerichtet und Freundschaft mit den einheimischen Völkern geschlossen. Ihre dringlichste Aufgabe besteht nun darin, sich eine dauerhafte Existenzgrundlage zu schaffen. Vor allem aber müssen sie die Erde unbedingt vor einer schrecklichen Gefahr warnen: Von einem Überläufer eines der Menschheit technisch weit überlegenen Volkes wissen sie, dass dieses im Begriff steht, die Erde zu vernichten. Da keinerlei Funkkontakt besteht, bleibt ihnen jetzt nur noch eine letzte gefährliche Möglichkeit, das Unheil abzuwenden. Und so machen sich Seera und ihre Freunde erneut auf eine gefährliche Reise durch Zeit und Raum.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum20. Apr. 2017
ISBN9783743918139
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    Buchvorschau

    Seera Collins 2 - Jan H. Witte

    Teil I.

    TERRA INCOGNITA

    1. Kapitel

    „Guten Morgen, Camp Yellow!", tönten die vor zwei Wochen aufgebauten Lautsprecher um Punkt sieben Uhr morgens über den mit Palmen gesäumten Strand und das dahinter liegende Lager hinweg. Einige tropische Vögel antworteten mit heiserem Gekrächze.

    „Das Frühstück steht in zehn Minuten bereit und wird bis Null-Neunhundert ausgegeben. Der Wachwechsel erfolgt um Null-siebenhundertdreißig. Alle nicht für den Wachdienst eingeteilten Mannschaften finden sich um Null-Achthundert im Stabsgebäude zu einer außerplanmäßigen Dienstbesprechung ein. Ab Null-Neunhundert steht allen Bewohnern der neue Wäschereicontainer zur Verfügung, so dass jetzt jeder auch endlich seine Bekleidung vernünftig reinigen kann. Das Wetter wird heute trocken aber heiß und schwül werden. Die Temperaturen klettern auf bis zu zweiunddreißig Grad", verkündete der Lagersprecher die wichtigsten Tagesinformationen.

    „Dienstbesprechung?, sagte Vici verschlafen und arbeitete sich aus ihrem Schlafsack heraus. „Was denn für eine Dienstbesprechung?, gähnte sie und reckte sich.

    „Ich habe keine Ahnung, aber das war so nicht vereinbart", murmelte Seera von ihrem Feldbett.

    „Ich hasse das Militär, sagte La Tron. „Jetzt müssen wir uns mit dem Waschen und Frühstücken wieder abhetzen, nur um dann stundenlang irgendeinem Unsinn zu lauschen.

    Sie waren nun schon seit vier Wochen im Camp Yellow untergebracht und ihr Tagesrhythmus hatte sich mittlerweile etwas eingespielt. Sie flogen morgens und nachmittags je eine längere Suchpatrouille und ab und zu auch einen zweitägigen Langstreckeneinsatz.

    Bis heute hatten sie allein auf dem Kontinent Atlantis schon knapp einhundert Überlebende der ARGO-Katastrophe eingesammelt und in das Camp geflogen. Dazu hatten sie etliche Container gefunden, die mehrere Vorratslager, Labormodule, eine Wäscherei und zwei komplette Fabrikationsautomaten enthielten.

    Nur den Kontinent Gondwana hatte sie dagegen bislang aus Zeitmangel noch gar nicht abgesucht. Dort hofften sie aber in den nächsten Monaten ebenfalls noch viele weitere Überlebende anzutreffen.

    Gerade erst gestern waren Seera, Vici und La Tron weit im Süden auf einer Langstreckenpatrouille unterwegs gewesen. Sie hatten auf einer kleinen Insel, mitten in einem herrlich klar schimmernden See, übernachtet, auf dem Rückflug eine Laboreinheit gefunden, diese sogleich an den Haken genommen und in das Camp transportiert.

    Heute sollten sie zum Ausgleich für den zweitägigen Einsatz eigentlich einen freien Tag bekommen.

    „Haben wir nach dem langen Dienst nicht einen Anspruch auf Freizeit?", sagte Vici, die heute Vormittag unbedingt Ki Ma besuchen wollte. Auch Seera wäre lieber hinüber in das Lazarett zu Ak Nu gegangen, der, ebenso wie Ki Ma und viele andere Chron, ganz plötzlich erkrankt war.

    Rani hatte ihnen erklärt, dass die Chron an diversen Krankheitserregern der Überlebenden der ARGO litten. Die Menschen hatten zwar daran gedacht, sich selbst gegen alle möglichen Krankheitserreger dieses Planeten zu impfen. Sie hatten aber nach der Kontaktaufnahme mit den Chron nicht daran gedacht, umgekehrt auch diese gegen die menschlichen Bakterien und Viren zu immunisieren. Die Krankheitsverläufe waren zwar bislang nicht wirklich bedrohlich gewesen, aber dennoch waren vor allem die jüngeren Chron inzwischen so krank und geschwächt, dass sie vorsichtshalber in das Lazarett eingeliefert worden waren. Der Bau ihres neuen Dorfes kam dadurch kaum noch voran. Allein Tu Ri war offensichtlich vollkommen immun gegen alle Krankheiten und arbeitete scheinbar überall gleichzeitig.

    „Na, dann lass uns jetzt losschlappen, sonst gibt es nichts mehr zu beißen", sagte Vici und stand auf. Sie zogen sich ihre tarnfarbenen Hosen und grünen Tops über, schnappten sich ihre Kulturtaschen und schlenderten aus ihrem Zelt über den sandigen Hauptweg zu dem aus einem Doppelcontainer bestehenden Waschhaus hinüber.

    Pelikanähnliche Vögel flogen in Richtung des Strandes tief über sie hinweg und die Sonne namens Kepler 391j stand bereits ein gutes Stück weit über dem westlichen Horizont. Seera blieb mitten auf der Straße stehen, wandte ihr Gesicht der Sonne zu, schloss die Augen und spürte die angenehme Wärme auf ihren Wangen. Dazu drang das Zwitschern unzähliger Vögel an ihr Ohr und irgendwo in weiter Ferne war auch das leise Rauschen des Meeres zu vernehmen; es war einfach herrlich, hier in der bereits warmen Morgenluft zu stehen und für einen Moment inne zu halten.

    „Los, komm jetzt, ich habe Hunger!", rief La Tron, die am Eingang des Waschcontainers auf sie wartete.

    Seera öffnete die Augen. „Und schon ist mein kleiner Moment völliger Entspanntheit vorüber, sagte sie zu sich selbst und setzte sich wieder in Bewegung. „Ich komme ja schon, hetzt mich bloß nicht!

    „Wenn du weniger träumen würdest, könnten wir länger duschen und gemütlicher frühstücken", erklärte La Tron, als sie unter der Dusche standen.

    Die warmen Duschen funktionierten erst seit einer Woche und ihre Installation hatte die Lebensqualität im Camp sogleich um ein Vielfaches erhöht. Wenn sie heute auch endlich ihre Uniformen richtig waschen könnten, würde das ihr Wohlbefinden noch einmal erheblich steigern.

    „Als wenn hier jemals etwas „gemütlich gewesen wäre!, sagte Seera und warf La Tron ihr Handtuch an den Kopf.

    Nach dem Frühstück setzten sich Vici, La Tron und Seera in der Stabsbaracke auf die hinterste der dort aufgestellten Bänke, da ohnehin noch alle Plätze frei waren.

    „Seht ihr, wir hätten gar nicht hetzen müssen. Offenbar sind wir eher die Ersten als die Letzten."

    „Klugscheißer", maulte La Tron, woraufhin Seera sie in die Seite knuffte.

    Während die anderen Mannschaften erst nach und nach hereinschlenderten, sah Seera sich in aller Ruhe um. Was für ein Unterschied zu den Besprechungen an Bord der ARGO, dachte sie. Dort waren immer über einhundert Rekruten im mit Holographie-Projektoren perfekt ausgestatteten großen Hörsaal zusammen gekommen. Jetzt war nur noch ein kleiner Teil von ihnen, bestehend aus den Gruppen der Landestellen Gelb und Grün, in dieser Behelfsbaracke übrig, in der es noch nicht einmal eine einfache Schreibtafel gab.

    Vorne am Podium saßen bereits Major van Buuren und, zu Seeras Überraschung, auch Korru, den sie seit ihrer Ankunft im Camp Yellow kaum noch zu Gesicht bekommen hatte. Dann sah sie aus dem Fenster, dass Colonel Togo mit Tu Ri heran geschlendert kam. Die beiden verabschiedeten sich erstaunlich langsam voneinander, bevor Colonel Togo dann das Gebäude betrat.

    Als nach weiteren zehn Minuten endlich Ruhe eingetreten und Major van Buuren seine Namensliste abgehakt hatte, trat Colonel Togo an ein kleines Podest und bat um Aufmerksamkeit.

    „Meine Damen und Herren, wir haben wie immer nur wenig Zeit, also fangen wir pünktlich an."

    Das war natürlich ein kleiner Seitenhieb auf die zuletzt angekommenen Mannschaften, denn die Uhr zeigte jetzt bereits zehn nach acht an.

    „Ich darf mich zunächst dafür entschuldigen, dass wir sie, obwohl sie zum Teil eigentlich dienstfrei hätten, so kurzfristig zu diesem Meeting herbeordert haben."

    Sie schaute links und rechts in ihr Publikum und war offenbar froh, dass sie kein Murren hörte.

    „Sie wissen, dass wir zurzeit und wohl auch für die nächsten Jahre noch alle Hände voll damit zu tun haben werden, Überlebende und Ausrüstungsgegenstände der ARGO zu bergen, um dann wenigstens in diesem Camp hier mit dem Aufbau einer richtigen Stadt zu beginnen. Als erstes müssen wir natürlich die Überlebenden retten, weil wir nicht wissen, wie lange sie an ihren Rettungskapseln ohne fremde Hilfe durchhalten werden. Das ist folglich unsere Hauptaufgabe und diese Aufgabe ist bereits mehr als schwierig zu erledigen, da dieser Planet ungeheuer groß ist und wir einfach viel zu wenige GRUNOs zur Verfügung haben, um zeitnah jeden Winkel dieser Neuen Welt abzusuchen."

    „Ist bereits bekannt", sagte Vici halblaut neben Seera, ohne dass Colonel Togo, die diesen Einwurf in diesem kleinen Raum mit Sicherheit gehört hatte, sich davon irritieren ließ.

    „Ist doch wahr, für diese Weisheiten hätten wir ja wohl nicht herkommen müssen", flüsterte Vici.

    „Sekundäre Priorität hat der Transport der restlichen Module in unser Lager sowie die zeitnahe Einrichtung der Stadt, also die planmäßige Verbindung der einzelnen Bauelemente, fuhr Togo fort. „Außerdem müssen wir damit beginnen, uns selbst zu versorgen. Wir haben mithilfe unserer Agrarexperten bereits die ersten Versuchsfelder für den Ackerbau angelegt und müssen nun abwarten, ob unsere Saat aufgeht.

    „Wissen wir auch schon", murmelte jetzt La Tron.

    Mia Togo machte eine kurze Pause und ließ ihren Blick über ihre Mannschaft gleiten, die mäßig interessiert zuhörte. Die Luft war trotz der frühen Tageszeit schon warm und stickig und sie hatten in der Stabsbaracke bislang noch keine Klimaanlagen einbauen können. Egal, sagte sie sich, in einer Minute werden wohl alle hellwach sein.

    „Neben diesen ihnen bereits bekannten Aufgaben macht uns aber noch eine weitere Tatsache, von der sie noch nichts wissen, erhebliche Sorgen."

    „Na, endlich kommt sie zur Sache", sagte Vici.

    „Wir haben mit unserem Gast, Korru, in den letzten Tagen eine Vielzahl von Gesprächen geführt. Er ist davon überzeugt, dass sein Volk, die Paru, in spätestens zehn Jahren, vielleicht auch noch früher, die Erde angreifen wird."

    Das hatte jetzt gesessen. Ein Raunen ging durch den Raum und alle Schüler – Colonel Togo nannte ihre Sicherungskräfte immer noch Schüler, da sie alle noch so jung waren – widmeten ihr jetzt komplett ihre Aufmerksamkeit.

    Togo übertönte das Getuschel, in dem sie mit etwas kräftigerer Stimme unbeirrt fortfuhr.

    „Die Paru wissen, dass wir von der Erde stammen und sie dulden keine fremden, Raumfahrt betreibenden Spezies neben sich. Sie können dank überlegener Antriebssysteme in recht kurzer Zeit zur Erde vordringen und diese mit dem Abschuss mehrerer tausend thermonuklearer Sprengköpfe buchstäblich pulverisieren."

    Diesmal ging eher ein Stöhnen anstelle eines Raunens durch den Saal.

    „Die Erde hat bislang keinerlei Verteidigungssysteme, da dort niemand etwas vom Vorhandensein feindlich gesinnter Außerirdischer ahnt. Wir können die Erde mit den uns hier zur Verfügung stehenden Mittel auch nicht rechtzeitig warnen, da unsere Funksignale „nur mit Lichtgeschwindigkeit laufen und daher langsamer als die Raumschiffe der Paru unterwegs sind. Zudem müssen wir damit rechnen, dass die Paru auch uns hier demnächst noch einmal besuchen werden.

    Colonel Togo machte wieder eine Pause um den Schülern kurz Gelegenheit zu geben, auch diese Informationen zu verdauen.

    „Ich weiß, diese Frucht vom Baum der Erkenntnis schmeckt jetzt bitter schob sie noch nach und hob die Hände, um die Schüler etwas zu besänftigen, „aber es gibt vielleicht doch noch eine vage Hoffnung hinsichtlich einer Möglichkeit, die Erde rechtzeitig zu warnen. Wir, das heißt, Major van Buuren, Korru und ich, haben vor drei Tagen ein Bergwerk besichtigt, das Korru auf dem Weg hierher aufgefallen war.

    Seera erinnerte sich, dass es ihr merkwürdig vorgekommen war, als sie die drei, ohne jede Begleitung und mit dem Major am Steuerknüppel des GRUNO, letztens hatte weg fliegen sehen.

    „Korru hat den Verdacht, dass es sich bei diesem Bergwerk, das weder von den Einheimischen dieses Planeten, noch von den Paru stammt, vielleicht um eine Art Notrufsystem oder eventuell sogar um einen Zugang zu einer anderen Dimension handeln könne."

    Wieder raunten die Zuhörer.

    „Um es gleich vorwegzunehmen, fügte sie mit etwas lauterer Stimme in die deutlich hörbaren Ausrufe des Erstaunens der Schüler noch hinzu, „weder er noch wir wissen, was es damit genau auf sich hat. Es sind bislang nur Spekulationen, da noch niemand diese Anlage gesehen hat.

    Dann erzählte sie die Geschichte, die Korru ihr über die erste Begegnung der Paru mit einem solchen Gegenstand auf einem anderen Planeten mitgeteilt hatte.

    „Wir haben also das Bergwerk besichtigt und einige Anzeichen in Form von Magnetanomalien für die Existenz einer verborgenen Anlage vorgefunden. Gestern haben wir dann beschlossen, der Sache nachzugehen, da sich so vielleicht die Möglichkeit bietet, die Erde doch noch rechtzeitig vor dem Angriff der Paru zu warnen."

    Damit beendete sie ihren Vortrag und Major van Buuren trat nun an das Pult.

    „Wir vermuten, dass es sich um einen Stollen in einem Berg handelt und dass sich hinter dem Eingang, dessen Öffnungsmechanismus wir allerdings erst noch erforschen müssen, eventuell eine uns unbekannte und viel schnellere Funktechnologie befindet. Vielleicht findet sich dort aber auch ein von uns noch nicht verstandener Weltraumzugang oder ein uns in Bezug auf Geschwindigkeit weit überlegenes Raumschiff, das von uns genutzt werden könnte. Eventuell ist aber auch gar nichts dort. Kurz und gut: Wir haben beschlossen, ein Team mit der Erforschung und dem Betreten dieser Anlage zu beauftragen."

    Jetzt ergriff wieder Colonel Togo das Wort. „Korru hatte eigentlich vorgehabt, das Bergwerk selbst zu erforschen. Wir haben ihn aber mittlerweile davon überzeugt, dass es – für den Fall, dass die Mabriulata die Neue Welt doch noch einmal heimsuchen sollte – wichtiger wäre, ihn heile hier zu behalten, damit er uns in einem solchen Fall höchster Bedrohung mit seinem Fachwissen über die Paru beraten kann."

    Anschließend blickte Colonel Togo fragend in ihr Publikum und bedeutete damit, dass nunmehr Fragen gestellt werden durften.

    „Das klingt ja irgendwie wenig überzeugend!, meldete sich Jason als erster zu Wort. „Woher wollen wir denn wissen, dass es sich bei dieser gesuchten Anlage nicht nur um ein Grabmal oder ein Proviantlager handelt? Wie kommen sie darauf, dass hier ein Zugang zu einer anderen Dimension versteckt wurde?

    „Die Paru haben vor vielen Jahren dieselbe Überlegung angestellt und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich höchstwahrscheinlich um etwas anderes als ein Grabmal oder ein Depot handelt. Aber wenn sie andere nützliche Vorschläge haben, so bin ich ganz Ohr, Mansfield", sagte Major van Buuren.

    Da Jason nichts erwiderte, fuhr der Major fort.

    „Ich weiß so wenig wie alle anderen hier, ob unser Vorschlag sich am Ende als Erfolg oder als Fiasko erweisen wird. Wir wissen halt nicht, was uns erwartet. Aber wir sollten keine Gelegenheit außer Acht lassen, um die drohende Katastrophe noch abzuwenden."

    Die Schüler tuschelten erneut aufgeregt miteinander.

    Dann stand Vici auf und wartete, bis die anderen leise wurden.

    „Also wenn ich das einmal zugespitzt formulieren darf, werden Korrus Freunde demnächst die Erde angreifen und entweder komplett zerstören oder zumindest alle Menschen versklaven. Und wir sind die einzigen, die die Erde vor einem solchen Angriff warnen können. Wir haben aber keine eigene Möglichkeit dazu. Die einzige kleine Hoffnung ist dieses Tor zur x-ten Dimension, von dem aber niemand weiß, ob es existiert und wie es funktioniert, wohin es führt und ob es nicht am Ende eine tödliche Falle für uns darstellt?"

    „So in etwa ist es, ja, Suhren", bestätigte Major van Buuren.

    „Schön, sagte Vici. „Dann bin ich dabei.

    „Danke, gut dass sie das zur Sprache bringen, sagte Colonel Togo. „Der Major und ich haben die uns notwendig erscheinenden Fähigkeiten und erforderlichen Kriterien unserer Leute zusammengetragen und dann überlegt, welche Größe das Team haben sollte und wer als Teammitglied in Betracht zu ziehen ist. Erforderlich ist nach unserem Dafürhalten eine Gruppe von drei Leuten. Darunter sollten tunlichst zwei Mitglieder mit Flugerfahrung sein. Also ist der Kreis der möglichen Kandidaten bereits stark eingeschränkt.

    Togo ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, um registrieren zu können, ob die Anwesenden ihr bis hierhin zustimmten.

    „Da Liwei Yang die mit Abstand meisten Flugstunden aufweist und die Geographie des Planeten am besten kennt, möchten wir ihn unbedingt für die Ausbildung weiterer Piloten und die fortgesetzte Bergung der Rettungskapseln und Versorgungsmodule hier behalten. Uribe Cartes, Lorenzo di Pietro und Jean-Loup Fontaine sind bislang Co-Piloten und werden zunächst weiter geschult. Wir beide, und damit deutete Togo auf sich und den Major, „sind hier unabkömmlich. Folglich kommen für die Mission wohl nur die beiden Piloten des Transport-GRU-NO Gelb-3, Sewe Hu und Jo Tucker, sowie Seera Collins und Victoria Suhren, von der Landestelle Grün in Betracht. Da Suhren und Collins bereits bewiesen haben, dass sie sich auch unter schwierigsten Umständen durchzuschlagen verstehen, also mit der Lösung vertrackter Aufgaben die meiste Erfahrung besitzen, ist unsere Wahl auf sie gefallen.

    „Sage ich doch", sagte Vici.

    Seera sah sie und Colonel Togo mit hochgezogenen Augenbrauen überrascht an.

    „Und wer soll dann der Dritte sein?", hakte sie sofort nach.

    „Jason Mansfield", sagte der Major.

    Das war ja irgendwie klar gewesen, dachte sich Seera bei dieser Antwort. Sie waren dem Major, den sie ja immerhin aus seiner Gefangenschaft befreit hatten, auf ihrer gemeinsamen Reise wohl als sich gut ergänzendes Team aufgefallen.

    „Ich hoffe, ihr beide habt auch Lust, mit mir zu verreisen?", fragte Vici in Seeras und Jasons Richtung gewandt.

    „Ansonsten müssten wir nach anderen Freiwilligen suchen. Es ist unbedingt wichtig, diese Mission durchzuführen. Wenn es mithilfe dieser Anlage auch nur die kleinste Chance gibt, die Erde zu warnen, so müssen wir sie konsequent nutzen", sagte Colonel Togo.

    „Die Paru werden die Erde gnadenlos vernichten und sie werden auch uns hier jagen und umbringen, dass muss ihnen allen klar sein! Wir kämpfen also um nichts weniger, als um unser aller Überleben. Und damit meine ich nicht nur uns paar Überlebende der ARGO, sondern unsere gesamte Rasse von zwanzig Milliarden Menschen!", fügte der Major noch hinzu, als Seera und Jason nicht sogleich begeistert aufsprangen.

    „Hört ihr? Es winken uns schon wieder Ruhm und Ehre", machte sich Vici über diese ihr etwas zu pathetisch klingen Worte lustig, was Major van Buuren aber offenbar überhörte.

    Seera drehte den Kopf und suchte Jasons Blick. Er sah sie nachdenklich an und nickte schließlich.

    Seera stand auf. „Also gut, dann machen wir es; ich hätte aber schon gerne noch gewusst, welche Sicherheitsmaßnahmen sie für uns zu treffen gedenken. Außerdem möchte ich wissen, ob wir selbst die abschließenden Planungsentscheidungen treffen dürfen."

    „Ich danke ihnen sehr, sagte Colonel Togo erleichtert. „Unser Freund Korru wird ihnen dreien noch einmal selbst genau mitteilen, was er bislang über dieses Tor in Erfahrung gebracht hat. Das sind dann aber leider auch schon die einzigen Hilfestellungen, die wir ihnen geben können. Wie bereits gesagt, es ist ein Himmelfahrtskommando und niemand wird ihnen sagen können, was sie erwartet.

    2. Kapitel

    Luigi Udine streckte sich auf seinem unbequemen Bürostuhl, schüttelte den Kopf und gähnte.

    Er sah auf die Zeitanzeige der Kontrollgeräte. Es war bereits nach Mitternacht. Jetzt war also schon der sechste April 2016 angebrochen.

    Dann legte er das Buch, das in seinem Schoß lag, auf den Schreibtisch und markierte die Seite, die er gerade dreimal gelesen, aber nicht wirklich verstanden hatte, mit einem Papierstreifen.

    Luigi war zweiundzwanzig Jahre alt und studierte im sechsten Semester Jura an der alt-ehrwürdigen Universität von Bologna. In dieser Nacht aber saß er in gut eintausend Meter Tiefe in einem Labor im Gran-Sasso-Massiv in den italienischen Abruzzen. Alles was er hier zu tun hatte, war, die komplizierten Messanlagen des Labors während seiner achtstündigen Arbeitsschicht zu kontrollieren und im Störfall die erforderlichen Notmaßnahmen einzuleiten. Dazu war allerdings nicht viel Aufwand erforderlich, weshalb es sich bei dieser Überwachungstätigkeit um einen äußerst beliebten und gut bezahlten Studentenjob handelte.

    In dem großen Raum hinter ihm befanden sich zwanzig riesige Apparaturen, in denen mehrere tausend Tonnen flüssiges Xenon in kabelummantelten Speichern lagerten. Das waren die Detektoren, mit deren Hilfe die seit Jahren postulierte, bislang aber niemals eindeutig festgestellte „Dunkle Materie" nachgewiesen werden sollte.

    Da Luigi hier bereits seit zwei Jahren in seinen Semesterferien immer wieder arbeitete, wusste er – obwohl er ansonsten nur wenig Interesse für Physik aufbrachte – inzwischen relativ gut über die Funktionsweise der Anlage Bescheid. Und so wusste er auch, dass bislang reinweg gar nichts passiert war. Die hier bereits seit über zwanzig Jahren betriebene Suche nach der Dunklen Materie war offensichtlich eine Sackgasse. Die Detektoren waren zwar alle paar Jahre vergrößert und verbessert worden, eindeutige Signale irgendwelcher Partikel der Dunklen Materie, die von den Forschern als WIMPs bezeichnet wurden, waren aber bislang trotz aller Bemühungen nicht zu finden gewesen. Da die Forschungsanlage tief im Inneren eines Berges stand, wurden sämtliche Radiowellen und alle Teilchen der „bekannten" Materie von den Felsmassen um die Anlage herum abgeschirmt. Falls also ein kosmisches Teilchen mit einem der Xenon-Atome in den Detektoren kollidieren sollte, müsste es sich um die gesuchte Dunkle Materie handeln. Bislang hatte es aber eben noch nie eine solche Kollision gegeben.

    Luigis Aufgabe bestand während der Nachtschicht lediglich darin, die Kühlung und Stromversorgung der Detektoren zu überwachen, ab und an Rundgänge zu machen, auf eventuell auslaufendes Xenon zu achten und für den unwahrscheinlichen Fall eines Signals sofort Alarm zu schlagen. Kurz gesagt hatte er also nichts zu tun, außer anwesend zu sein.

    Die achtstündige Schicht eignete sich, da man hier von nichts und niemandem gestört wurde, bestens, um zu lernen. Aber jetzt hatte er sich bereits seit vier Stunden mit hochkomplexen Problemen des Sachenrechts, dem gut- und bösgläubigen Erwerb von Mobilien, beschäftigt, so dass es jetzt höchste Zeit für eine Pause war.

    Er schaltete sein privates Notebook, dass er freundlicherweise über den Server der Forschungseinrichtung mit dem Internet verbinden konnte, an und studierte seine neuesten Meldungen. Auf Facebook sah er, dass seine Mitstudentin Amalia Visconte online war. Er schickte ihr eine Nachricht und zwei Minuten später war sie über Skyp auf seinem Bildschirm zu sehen.

    „Hallo Amalia, so spät noch wach?", begrüßte er sie mit einem Lächeln.

    „Hi, Luigi, natürlich bin ich noch wach, ich komme gerade von der Arbeit und hier unten in Kalabrien machen wir doch ohnehin die Nacht zum Tag", antwortete sie gut gelaunt.

    „Du wolltest doch wissen, wie mein Ferienjob aussieht", sagte Luigi.

    „Klar! Schön dass du daran gedacht hast", sagte Amalia, die ihn im letzten Monat auf einer Studentenfete in Bologna gebeten hatte, ihr doch einmal das Innere des Berges, in dem er in den Semesterferien arbeitete, zu zeigen.

    „Jetzt kannst du dir die Sache einmal live ansehen." Er hob sein Laptop etwas in die Höhe, so dass die Kamera in Richtung der Detektoren zeigte.

    „Josef und Maria!, sagte Amalia. „Was sind denn das für gewaltige Apparaturen? Habt ihr da unten ein Kernkraftwerk am Laufen?

    Luigi erhob sich von seinem Stuhl und wanderte immer in Sichtweite des Laptops gemächlich zwischen den am nächsten stehenden gewaltigen, tonnenförmigen Detektoren umher. Währenddessen erklärte er Amalia, wozu das Experiment diente.

    „Dunkle Materie, flötete Luigi in Richtung der gewaltigen Zylinder. „Zeig dich doch! Amalia möchte dich gerne sehen.

    „Was genau soll das denn sein, diese Dunkle Materie?", fragte sie schließlich, während Luigi wieder zum Tisch zurückkehrte.

    „Ach, es ist nur eine Theorie, vielleicht gibt es so etwas wie die Dunkle Materie überhaupt nicht, sagte er. „Also pass auf, die Wissenschaftler sind sich weitgehend darin einig, dass man bislang eigentlich nur fünf Prozent der Materie des Universums, die ja gleichzeitig als Energie angesehen werden kann, kennt. Diese fünf Prozent sind die „normalen Atome, aus denen du und ich, Planeten, Sterne und sogar Schwarze Löcher aufgebaut sind. Aufgrund von Beobachtungen der Eigenbewegung der Galaxien ist aber auch bewiesen, dass es wesentlich mehr Materie im Weltall geben muss", erklärte er ihr.

    „Aha, sagte sie. „Und diese fehlende Menge sollst du in deinem Berg finden?

    „So in etwa", lachte Luigi und stellte sein Laptop zurück auf den Schreibtisch.

    „Los, erzähl weiter."

    „Diese fehlende Materie-Masse ist und bleibt bislang einfach unbekannt und unbekannt ist eben auch, wie diese unbekannte Materie beschaffen ist. Die meisten Wissenschaftler gehen jedenfalls davon aus, dass etwa fünfundzwanzig Prozent der Masse des Universums aus dieser „Dunklen Materie besteht.

    Luigi wusste auch zu berichten, dass schließlich neben dieser Dunklen Materie noch weitere siebzig Prozent Masse im Universum fehlten. Das war die sogenannte „Dunkle Energie", die aus ungeklärten Gründen dafür sorgte, dass sich die Galaxien – die sich aufgrund ihres Gewichts gegenseitig anziehen sollten - immer weiter voneinander entfernten.

    „So, und wie kommen die Physiker nun auf diese Annahme?", fragte Amalia, während sie sich, wie Luigi sehen konnte, ein Glas Rotwein einschenkte und eine Dose mit Erdnüssen aufmachte.

    Luigi packte sich seinerseits ein Sandwich aus und biss herzhaft hinein.

    „Das hier ist jedenfalls die leckere sichtbare Materie, sagte er und hielt das Sandwich in die Kamera, „aber Rotwein ist hier unten leider verboten, ich darf nur Tee mitnehmen.

    „Du Armer", sagte Amalia und lachte.

    „Also, die Forscher im Gran-Sasso haben mir genau erklärt, weshalb es die hier von ihnen gesuchte Dunkle Materie geben muss. Die vielen Millionen im Weltraum zu sehenden Spiral-Galaxien besitzen nämlich viel zu wenig „sichtbare Masse, um die in ihnen gebundenen Milliarden von Sternen beieinander zu halten, erklärte Luigi und formte mit beiden Händen eine Kugel. Amalia nickte.

    „Die berechnete Gravitationskraft der aus Sternen und Planeten - einschließlich aller denkbaren „Sternleichen - bestehenden bekannten Masse reicht nämlich nicht einmal ansatzweise aus, um die Sterne dauerhaft um die Mitte einer Galaxie rotieren zu lassen; sie hätten längst in alle Richtungen davon fliegen müssen. Da sie sich aber dennoch immer im Kreis um das Zentrum ihrer Galaxie drehen, muss es irgendeine Art von unbekannter Materie geben, die die Gravitationskraft in den Galaxien um das sechsfache verstärkt, führte er weiter aus.

    „Verstanden?", fragte er vorsichtig.

    Amalia nickte wieder. „Man hat also alle Sterne in einer Galaxie gezählt und ihr Gewicht berechnet und es ist einfach zu wenig. Alle Sterne der Galaxie müssten eigentlich auseinanderstieben", sagte sie und nahm einen Schluck aus ihrem Glas, während Luigi den Rest seines Sandwiches aufaß. Er kaute rasch und schluckte einmal kräftig.

    „Genau. Das Problem mit der Erforschung der Dunklen Materie besteht halt darin, dass man sie weder sehen noch sonst irgendwie erkennen kann. Also hat man sich verschiedene Experimente ersonnen, um denkbare Teilchen dieser Dunklen Materie dennoch sichtbar machen zu können. Dazu gehört unter anderem das hier tief im Gran-Sasso aufgebaute Xenon-Experiment. Falls die Dunkle Materie aus schwach interagierenden massiven Partikeln bestehen sollte, so müsste wenigstens ab und zu ein solches WIMP-Partikel mit den Xenon-Atomen in den Detektoren kollidieren und eine schwache Leuchtspur hinterlassen."

    „Und warum muss das tief unten im Berg stattfinden?", fragte Amalia.

    „Um Störungen durch normale bekannte Teilchen wie Protonen, Elektronen und Neutronen auszuschließen. Deshalb ist das Experiment in tausend Meter Tiefe aufgebaut worden, da der die hier unten lagernden Detektoren umgebende Berg sämtliche andere normale Strahlung absorbiert. Wenn hier in den Detektoren also überhaupt noch etwas ankommt, muss es etwas bislang Unbekanntes sein", erklärte er ihr.

    „Es sei denn, du machst da unten dein Handy an und strahlst Funkwellen aus."

    „Ja, das ist strengstens verboten, nur ein Laptop über Kabel ist erlaubt. Das Handy hätte hier aber auch keinen Empfang, da man kein Funknetz erreichen kann."

    „Und? Kommt denn nicht wenigstens ab und zu so ein fremdes Teilchen bei dir

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