Hausmittel: Geschichten des Frühlings 2020
Von Nina Naster
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Über dieses E-Book
Die einen müssen sich zu Hause neu aneinander gewöhnen, andere sind einsam. Auch in so einem Frühling wird die erste Liebe erlebt oder die letzte, werden Menschen versorgt oder beerdigt.
Dazu gibt es Kaffee ohne Milch, Reste vom Vorabend, Dosensuppen, Pralinen und Milchreis. In einer Erzählung wird ein Virus-Weg nachverfolgt, in einer anderen die Flucht aus einem Seniorenheim. Geflohen wird in weiteren Geschichten auch aus der Zeit, vor Vernunft oder aus "häuslicher Absonderung". Fluchtziele sind menschlicher Kontakt, die Liebe und natürlich das Meer.
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Buchvorschau
Hausmittel - Nina Naster
innen leben
Frühling schwebt durch die von Ruhe und Vernunft weich gezeichneten Straßen, als hätte ein seine Güte hinter reichlich Zynismus versteckender Gott seine Pinsel geschwungen. Ein März, der die Großstadt mit etwas eincremt, das sie bremst oder glättet oder jedenfalls verwandelt. Wie eine dieser Wärmesalben, nach deren Auftragen eine Weile schwer zu erfühlen ist, ob die Haut nach dieser Betäubung gekühlt oder verbrannt sein wird. Und doch wirken weder die Amseln und Meisen, noch die Tulpen und Kirschblüten außer Takt mit den kitschigen Frühlingsliedern jedes anderen Märzes. Sonnenschein, blauer Himmel, frühe Vorgärten voller Frieden.
Beim Bäcker stehen zwei alte Frauen, loben das Wetter und lachen sich aus zwei Meter Abstand zu. Der Geruch von frisch gebackenem Brot keimt in meinen Nasenlöchern, um sich von da aus in meinem ganzen Körper zu verbreiten. Ich kann nicht wissen, ob er dort auch auf die Erreger trifft, um die sich gerade alles dreht. Ob ich zu den Menschen zähle, die diese in die morgendliche Frühlingsluft dieser Stadt pusten, wo sie unentdeckt von den anderen wieder eingeatmet werden. Um weitere Gründe zu liefern für Absagen, Verbote, Schließungen und Angst.
Natürlich bedeutet es etwas für diese Stadt, wenn sich auch heute die Tür zu „Astrid’s Haarsalon nicht öffnen wird, nicht die zum „Schokostübchen
oder dem „Restaurant Zeus". Keine Boutique, keine Bar, kaum ein Büro.
Wo sonst dutzende auf einmal fahren, brummt jetzt nur ein einziges Auto an mir vorbei, deren Lautsprecher das Viertel mit einem Lied beschallen, das ich nicht kenne. Der Mann vom Paketshop winkt mir durch sein Schaufenster zu und ich winke zurück. Das Vertraute beruhigt, die Gemeinschaft tröstet. Wir alle stecken in der gleichen Premiere. In der niemand einsam sein sollte, in der niemand durchdrehen sollte. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite rast mir eine Rennradfahrerin entgegen, mit dunkler Brille gegen die Frühlingssonne, mit Beinlingen und Sturmmaske gegen den Frost. Alle suchen Bewegung. Und Chance auf Triumph über sich selbst.
Mein Erfolgsgefühl rührt von einer frühen Runde zum noch fast menschenleeren Supermarkt, von der ich nun mit für meinen und den Haushalt meiner Nachbarin Frau Neubert gefüllten Taschen zurückkehre. Ich fühle Stolz darauf, Lösungen gefunden zu haben für die Rätsel, vor die mich ihre Handschrift auf dem per Foto verschickten Einkaufszettel gestellt haben. Vielleicht nicht immer die richtigen Lösungen, aber Lösungen.
Von diesem Ausflug belebt, steige ich die Stufen hinauf und stelle Frau Neubert die Einkaufstasche vor die Tür. Das mit dem Geld regeln wir später, habe ich ihr geschrieben und dass ich sowieso einkaufen gegangen wäre. Ohne dringenden Notfall würde ich ihre Wohnung jetzt nicht betreten. Dabei war ich immer so gern darin zu Besuch, immer wieder davon fasziniert, dass es meine eigene Wohnung auch spiegelverkehrt gibt und voller Möbel, die so anders sind als meine.
Als meine Wohnungstür ins Schloss fällt, höre ich es in meinen Ohren rauschen. Ich wasche mir die Hände, räume die Taschen aus und wasche mir noch einmal die Hände. Mobile Daten aus, Teewasser an, Haare zum Zopf und Jogginghose. Dann krieche ich unter die Bettdecke, die Michael warmgehalten hat. Da bist du ja endlich wieder, murmelt er an die Haut an meinem Hals und döst weg.
Am Fußende unseres