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Der zweite Mann - Leben zwischen Neid und Tod
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Der zweite Mann - Leben zwischen Neid und Tod
eBook311 Seiten4 Stunden

Der zweite Mann - Leben zwischen Neid und Tod

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Über dieses E-Book

Nachdem Elijah Cray nahezu 20 Jahre lang eine blutige Spur des Grauens im Land hinterlassen hat, findet er sich selbst in beinahe derselben Situation wieder, in die er normalerweise seine Opfer bringt. Seine Familie ist verschwunden und er setzt alles daran, sie wiederzufinden, um sie nicht auf dieselbe blutrünstige Art zu verlieren, durch die er seinen Opfern die Familien immer genommen hat.

Um das Verschwinden seiner Frau und seiner Kinder aufzuklären, muss Elijah die Überlebenden seiner Taten aufsuchen und sich noch einmal mit seinem bisherigen Handeln auseinandersetzen. Er muss tief in seiner eigenen Vergangenheit und in der seiner Opfer graben, um Antworten auf seine Fragen zu finden. Dabei begibt er sich in einen Wettlauf mit der Polizei und allen voran Detective Morrigan, die er von sich und seinen Machenschaften fernhalten muss, doch verstrickt er sich immer mehr in Widersprüche und Ungereimtheiten. Wird er den wahren Täter finden? Und wie viel wird ihn das kosten? Und wer ist die mysteriöse Person, die ihm immer wieder Hinweise hinterlässt?

Ein blutiger Thriller, gespickt mit Hinweisen und versteckten Botschaften über Neid, Hass, Verzweiflung und einen Mann, der alles dafür gibt, seine Familie aufzuspüren, doch sich selbst in immer größerer Gefahr und Unwissenheit wiederfindet.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum21. Sept. 2021
ISBN9783347388390
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    Buchvorschau

    Der zweite Mann - Leben zwischen Neid und Tod - Alexander Göttsche

    Kapitel 1 – Die Geister der Vergangenheit

    »Gibt es sonst noch etwas, das Sie mir sagen können?«, fragte Detective Morrigan Elijah. Sie setze noch einmal ihre Tasse an ihre Lippen und trank einen Schluck Kaffee. Elijah wusste, dass der Kaffee mittlerweile schon eiskalt und bitter sein musste. Detective Morrigan hatte die Tasse, zu der Zeit noch heiß und dampfend, mit in ihr Büro genommen, als sie Elijah hineingebeten hatte und seitdem nicht wieder aufgefüllt. Es fühlte sich wie Stunden an, die Elijah und Detective Morrigan in ihrem kleinen Büro saßen, um das Verschwinden von Elijahs Familie genauestens zu erörtern. Der Blick zur kleinen, tickenden Uhr rechts neben dem Fenster zum Innenhof gab ihm Recht. Exakt 09 Stunden, 05 Minuten und 18 Sekunden, als Elijah auf die Uhr schaute. Er war mittlerweile knappe zwei Stunden in dem kleinen Büro, noch immer völlig aufgelöst und den Tränen nahe. »Nein«, antwortete Elijah mit ruhiger, aber dennoch leicht zitternden Stimme. Er wusste nicht, ob seine Stimme zitterte, weil er Angst um seine Familie hatte oder aber, weil er Angst um sich hatte und Angst davor, dass Detective Morrigan durchschauen würde, wer er war und was er getan hatte. Er hatte sich in den letzten siebzehn Jahren ein Leben aufgebaut. Ein Leben, dass er jetzt in Gefahr sah zu verlieren. Und das konnte er nicht zulassen. Elijah wollte nicht, dass sein Leben durch die Taten eines Fremden geändert wird, hatte er doch Angst davor, enttarnt zu werden. Natürlich hatte er auch Angst um seine Familie. Er liebte seine Frau und seine vier Kinder. Er zeigte es zwar selten – und sagen tat er es nie – doch er liebte die fünf. Er war jahrelang einsam gewesen und lebte als gebrochener Mann, doch seine Familie gab ihm einen neuen Lebenswillen. Er hatte dafür kämpfen müssen, was seinen Opfern einfach so zuflog. Diesen Umstand fand Elijah schon immer schmerzend. Er akzeptierte zwar die Ungerechtigkeit der Welt, wollte jedoch seinen Teil dazu beitragen, die Welt in seinen Augen ein wenig gerechter zu machen. Und das konnte er nur, wenn er auf freiem Fuß war und wenn seine Familie da war, um ihm Kraft zu geben. Auch wenn seine Familie natürlich nie etwas von dem erfahren durfte, was er tat.

    »Nein, da gibt es nichts«, setze er nach. »Ich wüsste auch nicht, ob ich noch irgendetwas vergessen hätte.«

    »Ist ihnen in den letzten Tagen irgendetwas ungewöhnlich vorgekommen?«, fragte ihn Detective Morrigan, während sie ihn mit ihrem musternden Blick anschaute. Doch auch das verneinte Elijah. Dieses Mal hatte er kein Zittern in der Stimme, denn es war die absolute Wahrheit, die reine Wahrheit. Es gab nichts in den letzten Tagen, was ihn hätte stutzig machen müssen. Er war immer sehr aufmerksam, er bemerkte jede noch so kleine Veränderung. Einmal fragte er seine Nachbarn, ob bei ihnen alles ok sei, weil sie nicht wie gewohnt an jedem zweiten Dienstag das Gras schnitten, sondern erst am Donnerstag.

    »Nein, wir sind nur nicht dazu gekommen, aber wieso fragen sie das? Stalken sie uns?«, blaffte ihn damals nur sein etwas mürrischer, aber eigentlich immer sehr zuvorkommender Nachbar Hank an. Er war ein wenig in Erklärungsnot geraten und flüchtete sich mit der Notlüge, dass er das nur wissen würde, weil er auch an jedem zweiten Dienstag im Restaurant mit seiner Frau war und ihnen jedes Mal auf dem Rückweg der frisch geschnittene Rasen auffiel. Natürlich eine glatte Lüge und zum Glück hatte Hank nicht weiter gefragt, wie er im Dunkeln den Rasen sehen könne, aber das fiel ihm in dem Moment nicht ein und er reichte Elijah die Hand.

    »Ich bin übrigens Hank«, sagte er ihm.

    »Nun Mr. Cray, so leid es mir tut, aber aktuell können wir nicht viel machen. Gehen sie nach Hause und ruhen sie sich aus. Wenn ihnen noch irgendetwas einfällt, melden sie sich«, sagte Detective Morrigan. »Wir haben, falls sich der Täter bezüglich einer Lösegeldforderung oder dergleichen bei Ihnen melden sollte, ein Aufnahmegerät an ihr Telefon angeschlossen, dies zeichnet alle eingehenden und ausgehenden Anrufe auf«, sagte der Detective noch.

    »Können Sie nicht eine Fangschaltung einrichten, um den Täter aufzuspüren?«, fragte Elijah den Detective hoffnungsvoll.

    »Sie sehen zu viele Filme, Mr. Cray. Im echten Leben funktioniert das nicht so einfach. Natürlich können wir Telefonsignale und auch Handysignale zurückverfolgen, aber binnen weniger Sekunden geht das nicht. Außerdem lässt sich so ein Gerät einfach austricksen und würde ohnehin nur funktionieren, wenn der Täter kein Wegwerfhandy benutzt.«

    »Aber sie müssen es doch wenigstens versuchen Detective«, bettelte Elijah schon fast.

    »Keine Sorge, Mr. Cray. Wir wissen, was wir tun«, sagte Detective Morrigan.

    »Außerdem erwarten wir in den nächsten Stunden, maximal in den nächsten Tagen, Unterstützung von der CARD, die werden sich dann der Sache annehmen.«

    »CARD?«, fragte Elijah.

    »Child Abduction Rapid Deployment, eine Sonderabteilung des FBI«, antwortete ihm Detective Morrigan.

    »FBI?«, fragte Elijah.

    »Ja, FBI. Wenn bei einer Entführung Kinder beteiligt sind, wie in ihrem Fall, wird automatisch das FBI verständigt, dass dann einige Delegierte losschickt, um den ortsansässigen Behörden mit ihrer Infrastruktur und ihrem Know-How zur Seite zu stehen.«

    »Verstehe«, sagte Elijah.

    Er war in der Tat mittlerweile völlig erschöpft, nickte deshalb zustimmend und stand auf. Er drehte sich um, ging drei Schritte nach vorne und öffnete die Tür.

    »Bitte, finden sie sie«, sagte er noch kurz, dieses Mal mit einer überraschend weinerlichen Stimme. Dann ging er durch die Tür und verschwand.

    Zu Hause angekommen, setzte sich Elijah auf die Couch, atmete tief ein, und fing an zu weinen. All der Schmerz, den er die letzten Stunden verstecken musste, viel von ihm ab und er weinte, wie er seit seiner Kindheit nicht mehr geweint hatte. Er brauchte beinahe eine Stunde und etliche Packungen Taschentücher, bis er sich wieder gefangen hatte und einen klaren Gedanken fassen konnte.

    »Denk nach! Denk verdammt noch mal nach! Wer kann dir das angetan haben?«

    Er überlegte. Er überlegte lange und genau, wessen Familien er in der Vergangenheit ausgelöscht hatte und wer ihm das hätte antun können. Es musste jemand sein, den er schon kannte, die Gemeinsamkeiten zu den Morden, die Elijah in den letzten Jahren begangen hatte, von denen aber niemand wusste, und dem Vorgehen des Täters beim Verschwinden seiner Familie hier, waren einfach zu auffällig. Das war auch schon der Polizei aufgefallen. Elijah liebt es, die Familien von Männern, die in seinen Augen unzulänglich waren und eine Familie nicht verdient hatten, zu entführen und umzubringen. Er tötete nur die Frauen und Kinder, die Männer ließ er in ihrem Leid zurück. Manche, so erfuhr er später immer, nahmen sich das Leben, manche heirateten wieder, manchen hing er die Morde an und manche waren für ihr Leben gebrochen. Über die letzten Jahre war er immer routinierter und sicherer geworden, wusste genau, wo er welche Schnitte setzen musste, wann er wie ein Fenster einschlagen musste, damit es niemandem auffallen würde und wie er seine Opfer betäubte, damit er sich, ohne gestört zu werden, an sein Werk machen konnte. Aus den dutzenden, beinahe hunderten Morden, die er verübt hatte, lernte er eine Menge über den menschlichen Körper und darüber, wozu Menschen in der Lage waren. Einmal warf er eine junge Frau, nicht älter als er zu der Zeit, auf den Boden und brach ihr den Oberschenkel, bevor er sich an ihr Neugeborenes machte. Trotz gebrochenem Oberschenkel stand diese dumme Schlampe auf und wagte es ihn anzugreifen. Er hielt es bis dahin immer für unmöglich, mit einem gebrochenen Oberschenkel aus liegender Position aufzustehen. Das, so meinte er, war das, was alle ›gefährliches Halbwissen‹ nannten. Ein anderes Beispiel dafür war, dass es durchaus mehr als nur zwei bis drei Sekunden dauerte, bis jemand von Chloroform Ohnmächtig wird. Dies lernte er direkt bei seinem ersten Opfer nach Thomas. Beinahe fünf Minuten dauerte es, bis sein Opfer, Julius hieß er, ohnmächtig wurde. Seitdem hatte er viele verschiedene Alternativen gesucht. Ketamin war für ihn, nachdem Chloroform ausschied, die erste Alternative, da diese aber ebenso wenig wirksam war wie Diazepam, testete er weiter. Schließlich war er dann bei Gamma-Hydroxy-Butyrat hängen geblieben. Der Vorteil dabei war, dass er verschiedene Getränke präparieren konnte und dann nur warten musste. Außerdem war es schwer nachzuweisen und verhältnismäßig einfach zu besorgen. Er lernte nicht nur viel über fremde Körper, sondern auch über seinen eigenen. Der Kopfschmerz, den er jahrelang immer und immer wieder hatte, sobald jemand die Stimme erhob oder die Lautstärke leicht erhöht war, verschwand von Mord zu Mord mehr, bis er zwischenzeitlich komplett befreit davon war. Zu diesem Zeitpunkt hatte er aber schon zu viel Spaß an seinen Machtspielchen gefunden, um jemals wieder aufzuhören. Dass er, seit er regelmäßiger mordete, immer schlechter schlief, hatte für ihn nichts damit zu tun. Später sollte sich herausstellen, dass dies eine der wenig wahren Annahmen war, die er hatte.

    Nun waren seine Frau Michelle und seine Söhne Conner und Jonah, sowie seine beiden Zwillingstöchter Emily und Jessica, spurlos verschwunden. Die Polizei glaubte, es war derselbe Täter, der seit nunmehr 19 Jahren mordete, doch Elijah wusste, dies konnte nicht sein. Und er wusste, dass es nur einen einzigen Menschen auf der Welt geben konnte, der ebenso wusste, dass Elijah hier nicht der Täter war, wie er selbst es wusste. Irgendjemand aus Elijahs Vergangenheit musste das geschafft haben, was die hiesigen Polizeibehörden nie zu schaffen vermochten: Ihm auf die Schliche zu kommen! Doch wer konnte es sein? Er waren so viele in den letzten beinahe zwei Jahrzehnten gewesen. Doch warum jetzt? Warum heute? Hatte er so lange gebraucht, um herauszufinden, wer Elijah war? Oder war es jemand, dessen Leben er erst vor Kurzem mit seinen Spielzeugen beeinflusst hatte? Er wusste, wenn er seine Familie finden und, sofern sie noch lebten, sie retten wollte, musste er jeden einzelnen Mord in seiner Vergangenheit noch einmal durchgehen. Er brauchte hierfür keine Notizen, Andenken oder sonst etwas. Sein, wie er von sich selbst dachte, perfektes Gehirn und seine Detailverliebtheit besorgten dies schon. Er merkte sich alles. Jeder andere hätte sicherlich ein Buch mit perfiden Erinnerungen, abgeschnittenen Ohren, Füßen oder sonst irgendwelche widerlichen Andenken. Sinnloses Morden fand er immer abstoßend. Einmal hörte er sogar von einem Mörder, der seine Mutter und eine ihrer Freundinnen tötete, vergewaltigte und den Kopf seiner Mutter abschnitt, nur um sich dann selbst mit ihrem Mund befriedigen zu können. Doch Elijah war anders. Er tötete nur, um Männer, die er für wertlos erachtete, dem zuzuführen, was sie verdienten – Leid! Er selbst hatte viel zu viel Negatives im Leben erlebt und so wuchs von Tag zu Tag mehr der Hass und die Eifersucht auf seine Mitmenschen. Ob ihn das zu einem schlechten Menschen machte? Darüber dachte er nie nach. Und selbst wenn, dann wäre es auch egal gewesen. Über die Jahre hatte er zu viel Freude an dem gefunden, was er tat. Es war ein perfekter Ausgleich zu seinem täglichen, monotonen Leben, auch wenn er die Monotonie auf seine verschrobene Art sehr schätzte. Sie hatte etwas Beständiges und sehr Genaues. Er liebte Genauigkeit.

    Noch immer auf der Couch sitzend fasste Elijah einen detaillierten Plan, um herauszufinden, welches widerliche Subjekt ihm das angetan hatte. Er fasste auch bereits einen Plan, wie er diesen menschlichen Abfall mit seinen Spielzeugen das größtmögliche Leid zufügen könnte. Er hatte nie vorausgeplant, er ließ sich immer von der Situation und der Reaktion seiner Opfer beeinflussen. Wobei, er fand immer ›Opfer‹ sei das falsche Wort, Spielkameraden würde besser passen. Doch bei diesem Stück Scheiße, diesem Abfall, diesem unnötigen Luftverschwender würde ‚Opfer‘ passen. Und er brauchte einen Plan. Einen Plan, der alles übertreffen würde, was er jemals getan hatte. Wo die ersten Punkte seines Plans, nämlich das Auffinden des Subjekts, schnell gefasst waren, nahm er sich für das Ausmahlen des Todes seines Opfers mehr als genug Zeit. Um herauszufinden, welcher genetische Abfall ihm das angetan hatte, würde er erst sein Haus von oben bis unten nach Hinweisen durchsuchen. Die Polizei hatte dies zwar schon getan, doch er wusste, worauf er achten muss. Wer auch immer das war, wird Elijah zu verstehen geben wollen, wer er ist. Es musste Hinweise geben. Als nächstes würde er, nachdem er alle Hinweise und Beweise zusammengetragen hatte, alle seine ehemaligen Spielkameraden durchgehen, um herauszufinden, wer in Frage kommt. Danach ist alles einfach. Er würde seine gedankliche Liste nach und nach abarbeiten und jeden so lange mit seinen Spielzeugen bearbeiten, bis einer endlich einknicken und er seine Familie wiederhaben würde. Und wer auch immer dies getan hatte, er würde ihn verstümmeln und foltern. Tage- vielleicht sogar wochenlang. Er würde ihm jeden Finger und Zeh einzeln und langsam mit seiner alten, rostigen Säge abtrennen. Er würde ihm, beinahe schon obligatorisch, die Augenlider abschneiden und die Zähne einzeln mit einer Rohrzange ziehen. Er würde die Ohren abtrennen, Autobatterien an die Brustwarzen klemmen, Nägel durch seine Gelenke schlagen und seine Genitalien langsam mit einem Teppichmesser entfernen. Seinen Schwanz würde er ihm in den Mund stopfen und seine Eier vor ihm an die Wand nageln, damit er sie sehen konnte, bevor er ihm die Kehle durchschneiden würde.

    Elijah erwischte sich dabei, wie er, noch mit Tränen auf der Wange, auf der Couch saß und anfing zu lachen. Er freute sich mehr auf dieses Opfer, als auf alle anderen zuvor. Er redete sich ein, dass dies daran lag, dass er dann auch endlich wieder seine Familie wiederhaben würde, doch tief in seinem Inneren wusste auch er, dass dies gelogen war. Er freute sich darauf, eine neue Grenze zu überschreiten. Mittlerweile war es 12 Uhr am Nachtmittag, 05 Minuten und 0 Sekunden, beinahe Zeit für das Mittagessen. Elijah aß immer um genau fünf vor zwei. An jedem Tag. Unter der Woche ließ sich dies immer gut mit seiner Arbeit verbinden, am Wochenende war es einfach Bequemlichkeit. Elijah stand von der Couch auf, vollführte eine Vierteldrehung nach rechts, ging ein paar Schritte aus dem offenen Wohnzimmer heraus und steuerte direkt auf die Vorratskammer zu. Als er so vor der Kammer stand, überlegte er noch, er müsste etwas essen, dass in etwa 20 Minuten fertig sein würde. Später essen, nur weil seine Familie entführt wurde, kam nicht in Frage. Elijah griff mit der rechten Hand an die alte, leicht verroste Türklinke der massiven Eichentür, drückte sie runter und öffnete selbige. Von der Decke hing eine alte Glühbirne mit einem Seilzug, um diese anzuschalten. Elijah mochte das Aussehen, es erinnerte ihn immer an die Horrorfilme, die er gerne sah. Er zog einmal an dem Seilzug und die Glühbirne flackerte kurz auf, bis sie ihr konstantes, gelbliches Licht abgab. Elijah trat in die Kammer und blickte sich um. Die Vorratskammer war immer gut gefüllt. Seine Frau Michelle war immer der Meinung, man müsse genug Essen im Haus haben, um ohne Probleme ein bis zwei Monate überleben zu können.

    »Man weiß ja nie, wann die Schlitzaugen kommen und wir nicht mehr einkaufen können«, sagte sie einmal zu Elijah. Elijah, der selbst schwarze Vorfahren hatte, sah es ähnlich. Zwar waren weder er noch seine Frau Rassisten, aber es gab bestimmte Rassen, die sie einfach nicht mochten. Italiener, Polen, Chinesen & Japaner, die ja quasi dasselbe sind, Mexikaner und Australier waren halt einfach genetisch nicht so gut entwickelt in ihren Augen. Elijah ließ seinen Blick durch die ganze Kammer schweifen, vorbei an dutzenden Gurkengläsern, Mehl, Nudeln, Toilettenpapier, Konservendosen, Wasserkanistern und einem ganzen Fach voller Werkzeuge. Keine Werkzeuge, wie Elijah sie verwendete, richtiges Werkzeug. Elijah entschied sich für eine Konservendose Ravioli mit Fleisch. Fleisch war wichtig und Menschen müssen Fleisch essen. Veganer und diese ganzen dummen Hippies waren in Elijahs Augen beinahe genauso schlimm wie die dämlichen Bohnenfresser. Aber die Bohnenfresser aßen wenigstens noch Fleisch. Veganer - so ein widerliches Pack. Immer krank, mit verfilzten Haaren und leben nur vom Staat. Elijah hasste diese Hippies. Die Konservendose unter den Arm geklemmt schloss Elijah die Tür zur Vorratskammer hinter sich und ging geradewegs in die Küche. Glänzender Edelstahl, die neuesten Geräte und etliche Schränke voller polierter Edelstahltöpfe und Pfannen. Elijah hatte alles. Zwar kochte meist seine Frau, Michelle war ihr Name, doch auch Elijah hatte hier und da Spaß am Kochen. Er hielt sich für sehr modern und aufgeschlossen und hielt nichts von dem typischen Bild der Frau in der Küche. Er war schlauer als der Rest, er wusste, dass Frauen nicht in die Küche gehörten. Seine Frau durfte auch arbeiten und Geld heranschaffen, damit sie sich so viel leisten konnten. Elijah nahm sich einen kleinen Edelstahltopf aus einem Schrank, öffnete die Konservendose und schüttete den Inhalt in den Topf. Den Topf drapierte er auf der kleinen Platte des Cerankochfelds und stellte den Herd an. Während seine Ravioli auf dem Herd langsam warm wurden, brachte Elijah die leere Konservendose in den Müll in der Garage. Er und seine Frau hielten es für unhygienisch, Müll in der Küche in einem Eimer aufzubewahren, daher stand ihr Mülleimer in der Garage. Elijah öffnete die Tür zur Garage, die direkt von der Waschküche aus zu erreichen war, stieg die zwei Stufen, die den erhöhten Teil des Hauses mit der ebenen Fläche der Garage verbanden, hinab und öffnete die Mülltonne. Es gab nur eine Mülltonne, Mülltrennung war etwas für Veganer. Als er den Deckel der Mülltonne öffnete, fiel ihm vor Schreck beinahe die leere Konservendose aus der Hand. Was machte seine ledergebundene Ausgabe von Dante Alighieris Die Göttliche Komödie in der Mülltonne? Was zum Teufel machte sie dort? Er hatte sie definitiv nicht weggeworfen und auch seine Familie nicht, wie auch, waren sie doch verschwunden. Die Polizei? Nun, dass ergäbe keinen Sinn. Wieso sollte die Polizei seine Bücher wegwerfen. Es gab eigentlich nur eine logische Möglichkeit: Es war der künftig schwanzlose Bastard, den Elijah noch aufspüren

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