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No GAra: Syberian Cluster II - Die Verbotene Zone
No GAra: Syberian Cluster II - Die Verbotene Zone
No GAra: Syberian Cluster II - Die Verbotene Zone
eBook489 Seiten6 Stunden

No GAra: Syberian Cluster II - Die Verbotene Zone

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Über dieses E-Book

Nach der erfolgreichen Flucht aus dem Habitat treffen Dor'El und Ragoo auf die Gesellschaft der Überlebenden. Sie freunden sich mit Malin an und erfahren gemeinsam, wie sich diese beiden Gesellschaften voneinander unterscheiden. Bald wird klar, dass Ragoos Reise noch nicht zu Ende ist. Dann überschlagen sich die Ereignisse und da es Dor'El immer schlechter geht, soll sie zurück ins Habitat gebracht werden, da man ihr nur dort helfen kann. Bevor die Freundinnen sich mit ihr auf den Weg machen, lernen Sie weitere Zusammenhänge zwischen der geheimnisvollen Schwesternschaft und den beiden unterschiedlichen Gesellschaften kennen. Die Schwesternschaft gilt als Bewahrer des Wissens und Retter der Menschheit. Doch was steckt wirklich hinter ihren Motiven? Der Weg zum Habitat führt sie durch unterirdische Ruinen. Werden sie hier das Rätsel um Ragoos Herkunft lösen können? Doch dann treffen sie auf die Prätoren der Schwarzen Garde.
Welche Rolle spielt eigentlich die "Verbotene Zone" und warum heißt sie so? Was leben da für "Wilde Menschen" … und was hat Dor'El eigentlich da für ein Ding im Kopf? Und was sind das für Kreaturen, die hier unten lauern?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum27. Okt. 2021
ISBN9783347188587
No GAra: Syberian Cluster II - Die Verbotene Zone
Autor

Rainer Gellrich

Rainer Gellrich, Jahrgang 1964 ■ Begeisterter Science-Fiction-Leser, geprägt durch Werke von Christopher Samuel Youd, Stanislaw Lem, Robert A. Heinlein, Isaac Asimov und Frank Herbert. ■ Unter dem Titel „Syberian Cluster“ begann er ab 2018 damit, eine eigene Erzählreihe zu verfassen. Bisher erschienen: KAOTATU (die Verlorenen), No GAra (die Verbotene Zone), Schwestern der Ewigkeit (eine geheimnisvolle Hinterlassenschaft), Die Tempel von Tululu ■ Als der Elefant den Weihnachtsbaum gefressen hat (Kinderbuch) ■ Hafen ohne Wiederkehr (Birkenbock) ■ Infos unter https://SyberianCluster.de ■

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    Buchvorschau

    No GAra - Rainer Gellrich

    1 – Dunkelheit

    Es zeichnete sich bald ab, dass infolge des Großen Krieges und des darauf folgenden Chaos eine umfassende Zerstörung der bewohnbaren Oberfläche einherging.

    Schon kurz nach Beginn der finalen Kampfhandlungen hatten alle Seiten begonnen, unterirdische Habitate für diejenigen Teile der Bevölkerung anzulegen, die für das Überleben der Menschheit benötigt wurden und dafür die letzten zivilen Reserven aktiviert.

    Nicht in allen Regionen, der an den Kampfhandlungen beteiligten Nationen und Nationsverbände, waren die Errichtung und der Bezug erfolgreich. Diese ‚Habitate‘ genannten Rückzugsgebiete verschlangen die verbliebenen Ressourcen, die somit für die verbleibende Bevölkerung nicht mehr zur Verfügung standen. Dennoch wurde ihre Fertigstellung mit großer Geschwindigkeit vorangetrieben.

    Selbstverständlich wurden dafür hohe Geheimhaltungsvorkehrungen getroffen. Als es dennoch offenbar wurde, wandten sich die Ausgeschlossenen in ihrer Verzweiflung gegen die Erbauer und trugen das Chaos sogar bis unter die Oberfläche, wodurch sie schließlich alles in Gefahr brachten.

    Die Anzahl der sinnlosen Opfer wuchs.

    Rekonstruktion einer Mitteilung, gefunden in HAB6-Ebene3

    Die Prätoren drängten sich in den Rundgang hinein. Der Tunnel hatte sie direkt zu einem der Segmente geführt, in dem eine der dortigen Luken den Zugang zum Inneren des Habitats ermöglichte.

    Dor’El verlor den Jungen, den der andere Trupp mit sich gebrachte hatte, immer wieder aus den Augen, da die Prätoren sich nicht die Mühe machten, das Segment gleichmäßig auszuleuchten, sondern jeder mit seinem Luma dorthin zielte, wo er gerade etwas sehen wollte.

    Einige Lichtstrahlen richteten sich nun auf eine Stelle in der Außenwand des Habitats. Eigentlich waren nur ein Ring in der Wand und zwei Bügel zu erkennen, aber Dor’El wusste, dass sich hier eine der Außenluken zum Habitat befand.

    Neben der Luke gab es eine Vertiefung, in der zwei Lichtpunkte aufblinkten, als einer der Prätoren mit seiner Hand näherkam. Dor’El wusste: Das war ein Zeichen für die Aktivierung der Öffnungs-Steuerung. Hier musste man jetzt einen Öffner oder ein Pad mit der Öffnungs-Codierung einsetzen, dann würde sich die Luke öffnen. Durch so eine Luke war sie mit Ragoo vor einiger Zeit aus dem Habitat entkommen. Jetzt führte ihr Weg wieder durch so eine Luke in das Habitat hinein.

    Von ihrem Standort aus konnte sie genau beobachten, wie mehrere der Prätoren kleinere Geräte, die als „Öffner" bezeichnet wurden, an die Luken-Steuerung hielten. Diese Geräte waren von der Funktion her ihren Pads ähnlich, hatten aber anstelle des Displays nur eine Reihe von blinkenden Anzeigen auf der Vorderseite und konnten nur eine Aufgabe erfüllen.

    Mehrere Prätoren drückten nacheinander so ein Gerät an die Steuerung und versuchten dann, eine Reihe von Kombinationen über das jetzt neben der Vertiefung erschienende Tastenfeld einzugeben.

    Von ihrem Standort aus konnte sie deutlich erkennen, wie die Steuerung darauf reagierte: Mal zeigte sie ein gelbes Muster auf dem kleinen Display an, dann leuchteten einige blaue Symbole auf. Die Luke öffnete sich jedoch nicht.

    Es hatte den Anschein, als ob sich die Prätoren nicht einig waren, wer von ihnen den richtigen Code kannte, um die Luke zu öffnen.

    Je länger es dauerte, desto hektischer wurde an der Luke gedrängelt und geschubst, bis wohl jeder von ihnen, der über so ein Gerät verfügte, die Gelegenheit erhalten hatte, sein Glück zu versuchen.

    Einer kam sogar auf die Idee, mit dem Knauf seines Schwertes auf die Steuerung einzuschlagen, bis er von einem seiner Kameraden unsanft weggerissen wurde.

    Dor’El dachte daran, ob es wieder so eine Auseinandersetzung geben würde, wie die, die sie und Ragoo schon einmal beobachtet hatten. Die, bei der die Prätoren einen der Ihrigen über die Kante einer Spalte gestoßen hatten.

    Ragoo.

    Wie mochte ihr es in der Zwischenzeit wohl ergangen sein?

    Jäh wurde ihr Gedanke an Ragoo jedoch unterbrochen, als sich ein Prätor von weiter hinten im Gang zu denen an der Luke so an ihr vorbei drängelte, dass sie unsanft mit dem Kopf an die Außenwand des Habitats gestoßen wurde.

    Ihren schmerzenden Kopf reibend, sah sie plötzlich neben sich den Jungen wieder. Er hatte sich an der Außenwand des Habitats zu Boden sinken lassen und seine Arme um die Beine geschlungen.

    Als ob er versuchte, sich klein und unscheinbar zu machen, um nicht von den Prätoren herumgeschubst zu werden, dachte Dor’El. Auf jeden Fall war es wohl nicht sein erstes Zusammentreffen mit den Prätoren, denn er zeigte zwar Respekt vor ihren Schlägen, aber keine panische Angst, so wie sie sie empfand. Doch dann wurde ihre Aufmerksamkeit schon wieder auf die Prätoren an der Luke gelenkt: Dort kam plötzlich Unruhe auf.

    Der Neuankömmling hatte wohl den richtigen Code eingegeben und die Steuerung reagierte positiv darauf. An die Wand gedrängt, spürte Dor’El, die Erschütterungen, als die Steuerung die Haltebolzen der Luke in Bewegung setzte.

    Voller Besorgnis, gleich wieder in der fraglichen Obhut des Habitats zurück zu sein, zählte sie die Bolzenbewegungen mit.

    Eins, zwei, drei, … Nach dem sechsten Bolzen hörte sie das zischende Geräusch mit dem sich die Luke entriegelte.

    Alle Luma wurden jetzt auf die Luke gerichtet. Da sich die Gruppe jedoch entlang der Außenwand in einem schmalen Gang aufgereiht hatte, blendeten einige Luma Dor’El somit direkt in die Augen und so sah sie mit einem Mal gar nichts mehr. Schnell schloss sie die Augen wieder und hörte, wie einige Prätoren an der Luke zerrten.

    Als sie ihre Augen wieder vorsichtig öffnete, erspähte sie, dass die Luke einen kleinen Spalt breit offenstand. Zu schmal für einen Menschen. Viel zu schmal für einen Prätoren in seiner Rüstung. Weiter schien sie sich nicht zu öffnen.

    Wieder gab es ein kleines Handgemenge, als einige der vorderen Prätoren versuchten, die Luke etwas weiter aufzuziehen und um den besten Griff rangen, denn Werkzeuge hatten sie nicht dabei.

    Von einem kreischenden Geräusch begleitet, schwang die Luke schließlich auf und schepperte gegen die Wandung. Einige der Prätoren johlten vor Erleichterung, doch dann wurde es wieder ein wenig stiller in der Gruppe.

    Dor’El beobachtete, wie mehrere Prätoren nacheinander an die Luke traten und hineinleuchteten.

    Sie hatten die Luke zwar geöffnet, aber anscheinend gab es dort jetzt ein neues Problem. Dor’Els Lebensmut stieg wieder etwas an. Vielleicht bekam sie noch etwas Aufschub vor der Unvermeidlichkeit eines Verhörs, welches sie bei ihrer Rückkehr ins Habitat erwartete.

    Erneut kam Bewegung in die Truppe der Prätoren: Einige von denen, die eben noch versucht hatten, die Luke zu öffnen, drängelten sich jetzt durch die Menge zum anderen Ende zurück. Andere drängten nach vorn, um ebenfalls einen Blick auf die Luke zu werfen.

    Etwas piepte neben ihr.

    Dor’El erschrak.

    Sie stand so dicht an einen der Prätoren gedrängt, dass sie sein Kom-Signal hören konnte.

    Offenbar wurden neue Befehle an die Truppe ausgegeben, denn kurz darauf wurde sie gepackt und umgedreht.

    Es ging wieder zurück?

    Der Junge war darauf nicht so gut vorbereitet gewesen. Zwei Prätoren rissen ihn vom Boden hoch und als er nicht schnell genug reagierte, bekam er einige Schläge mit den Schockstäben.

    Dann verschwand er wieder zwischen den behelmten Prätoren und sie verlor ihn aus den Augen.

    Durch diese Luke ging es jedenfalls nicht weiter. Die Truppe formierte sich um und bewegte sich wieder auf den Weg zurück, den sie zuvor hergekommen waren.

    Dor’El vermutete, dass die Prätoren einen anderen Eingang – in einem anderen Segment – aufsuchen wollten. Sie erinnerte sich an die Scans auf ihrer Flucht. Der äußere Bereich des Habitats war in einzelne Segmente eingeteilt. Jedes Segment verfügte über eine eigene Luke und vermutlich auch über eine dazugehörige Schleuse.

    Wenn diese Luke für einen Einstieg in das Habitat nicht zu verwenden war, dann mussten sie zum nächsten Segment gelangen. Sie erinnerte sich in diesem Zusammenhang an den Hinweis „Einsturzgebiet", den ihr Pad seinerzeit angezeigt hatte. Hatte es in diesem Segment etwa einen solchen Einsturz gegeben und den Raum hinter der Luke verschüttet?

    So musste es sein. Das Segment hinter der Luke war nicht zu betreten. Daher waren sie jetzt vermutlich dabei, einen neuen Weg zu einer anderen Luke zu suchen. Genau gesehen hatte sie es nicht, aber alles deutete darauf hin. Das gab ihr die Hoffnung zurück, ihr Schicksal wäre doch noch nicht endgültig besiegelt.

    Dor’El versuchte, sich das Schema vorzustellen, welches ihr Pad zuletzt angezeigt hatte: Zurück in den Rundgang, dann einen neuen Zugang nehmen, der sie wieder an die Außenwand führte. Dort müssten sie ein anderes Segment finden. Danach würden sie erneut versuchen, eine Luke zu öffnen und dann vermutlich Erfolg haben.

    Wie lange würde es dann noch dauern, bis man sie vor den Rat der Älteren brachte? Sie stolperte und einer der Prätoren griff ihr unter den Arm.

    Der Weg war uneben und sie stolperte mehrmals. Die Prätoren machten viel Lärm in ihren Rüstungen und die nur sporadisch erkennbaren Details in der Dunkelheit ermöglichten Dor’El nicht, viel von der Umgebung zu erkennen. Die Prätoren leuchteten wild mit ihren Luma umher, was die Dunkelheit außerhalb der Lichtkegel nur umso undurchdringlicher machte.

    So war sie dann doch überrascht, als die Prätoren um sie herum plötzlich zur Seite etwas mehr Raum gaben und dann so schnell vor ihr stehen blieben, dass sie nicht mehr rechtzeitig anhalten konnte.

    Der Prätor, auf den sie aufgelaufen war, gab keine Regung von sich. Dor’El hatte schon auf einen Schlag gewartet, aber war natürlich froh darüber, dass der nicht kam.

    Die Strahlen der Luma offenbarten ihr, warum die Truppe stehen geblieben war: Sie hatten den Tunnel verlassen und standen jetzt am Rand einer der großen Kammern.

    Weiter vorn wurden Projektionen an die Wand der Kammer geworfen. Dor’El wunderte sich über die Orientierungslosigkeit der Prätoren hinsichtlich des weiteren Wegs. Andererseits hatte sie seinerzeit auch keinen konkreten Plan gehabt, als sie mit Ragoo zusammen den Weg zur Oberfläche gesucht hatte.

    Ach ja, Ragoo.

    Wie viel Zeit war wohl seit ihrem Sturz in die Spalte vergangen?

    Dor’El senkte den Kopf und wartete bis eine Träne der Verzweiflung ihren Weg über die Nase genommen hatte und in der Dunkelheit vor ihren Füßen verschwand.

    Ihr letzter Blick war damals voller Angst und Überraschung gewesen, als sie über die Kante gezogen wurde.

    Ragoo hatte es zwar noch einmal geschafft, kurz nach ihr zu greifen, aber der Zug am Bein hatte schließlich doch dazu geführt, dass sie sie nicht hatte halten können.

    Wie lange war das jetzt her?

    Dor’El war sich nicht ganz sicher.

    Tage?

    KLICK.

    Sie hob den Kopf.

    Schnell blickte sie sich um.

    Um sie herum nur Helme.

    Ein Versuch, sich auf die Zehenspitzen zu stellen, schlug fehl. Sie kippelte und stieß an einen der Prätoren.

    Der schubste sie gleich wieder von sich weg und sie kollidierte mit dem nächsten, der sich umdrehte und gerade zum Schlag ausholen wollte, als sie sich schnell in die Dunkelheit zwischen seine Kameraden ducken konnte.

    KLICK.

    Das Geräusch wiederholte sich, aber die Prätoren schienen es nicht bemerkt zu haben.

    Der Junge offenbar schon. Er hockte nicht weit weg von ihr. Dor’El erhaschte einen Blick auf ihn zwischen den Beinen der Prätoren hindurch. Nicht alle hatten ihren Schild abgestellt, sodass sie im zuckenden Schein einiger Luma seine Zähne blitzen sah.

    KLICK.

    Wenn Dor’El dieses Geräusch mit der Anwesenheit eines dieser riesenhaften Kreaturen verband, warum schien der Junge dann so breit zu grinsen, dass sie seine Zähne schimmern sehen konnte?

    Er freute sich über die Gefahr, die Dor’El in diesem Klicken zu erkennen glaubte?

    KLICK. KLICK.

    Sie richtete sich vorsichtig wieder auf und drehte den Kopf. Das waren jetzt zwei Geräuschquellen gewesen, aber sie kamen aus unterschiedlichen Richtungen. Wenn doch die Prätoren nicht so dicht um sie herumstehen würden.

    In die Prätoren kam plötzlich Bewegung: Sie schienen sich mittlerweile für eine Richtung entschieden zu haben und schoben sie mit sich.

    Dor’El war schnell wieder aufgesprungen und bemühte sich, nicht umgerannt oder zu sehr von ihnen herumgeschubst zu werden. Ihre Kleidung hatte schon genug gelitten und sie wollte die Reste um jeden Preis erhalten. Sie fühlte sich jetzt schon schutzlos genug.

    Ein Kreischen hallte durch die Kammer.

    War Dor’El eben noch mit dem Strom der Prätoren mitgeschoben worden, so prallte sie jetzt wieder auf die unvermittelt vor ihr stehenden Rüstungen auf, doch niemand schlug nach ihr.

    Der Trupp war zum Halten gekommen und sie vernahm die Geräusche der internen Kommunikation der Prätoren, ohne natürlich genau verstehen zu können, was da gesendet wurde.

    Kurz darauf kreischte es wieder und die Prätoren drängten sich mit ihren Gefangenen an die Hallenwand zurück. Dor’El fand sich plötzlich neben dem Jungen wieder, der sich wirklich freute. Er grinste über das ganze Gesicht.

    Oota!", flüsterte er ihr zu. „Seealgaab varsti."

    Dor’El verstand zwar die Worte nicht, aber aus seinem Gesichtsausdruck entnahm sie, dass er das Auftauchen der Kreaturen für eine positive Wendung ihres Geschicks hielt. Es sah so aus, als ob er auf eine Bestätigung seiner freudigen Aussage wartete.

    Sie blickte ihn wohl recht ratlos an, denn er schüttelte kurz den Kopf und deutete dann mit beiden Händen in Richtung der Hallenmitte.

    Was mochte er nur damit meinen?

    Hoffentlich zieht er den Tod durch eine dieser Kreaturen dem Verhör durch die Älteren nicht einfach vor – durchfuhr es sie.

    Sehen konnte sie jedoch nichts. Die Prätoren standen ihr im Weg. Einige hatten jetzt sogar ihre Schilde aufeinandergeschichtet, um dahinter in Deckung zu gehen.

    Wo immer es eine Lücke gab, war sie auf den Schein eines Luma angewiesen, um etwas sehen zu können, denn um sich an das schwache Leuchten der Wände zu gewöhnen, hätten alle anderen Lichtquellen ausgeschaltet sein müssen.

    KLICK.

    Hinter den Prätoren an die Wand gedrückt, versuchte Dor’El dennoch irgendetwas zu erkennen, aber das erwies sich als einfach unmöglich.

    Doch dann zuckte sie plötzlich zusammen. Unvermittelt kreischte es wieder sehr laut, diesmal direkt in ihrer Nähe und eines dieser silbernen Beine erschien im Licht der wild umherzuckenden Luma, nur wenige Armlängen von ihr entfernt. Dor’El duckte sich hinter die Wand aus Rüstungen, die sich zwischen ihr und dem Inneren der Halle befand.

    Die vorderen Prätoren hielten sich hinter ihren Schilden in Deckung, während die Reihe dahinter versuchte, mit ihren Schockstäben erste Erfolge in der Abwehr der Kreaturen zu erzielen. Die Blitze zuckten durch die Halle und spiegelten sich in den silbrigen Beinen der Kreatur. Ob sie etwas bewirkten, konnte Dor’El jedoch nicht erkennen.

    Sie erhaschte einen kurzen Blick auf den Jungen. Der hockte recht entspannt am Boden und hielt sich eine Hand an sein rechtes Ohr.

    Dor’El wunderte sich: Der Lärm in der Halle war erheblich und sie bezweifelte, dass man sich anstrengen sollte, irgendetwas Bestimmtes herauszuhören, aber anscheinend hatte der Junge gehört, was er wollte, denn er nahm die Hand vom Ohr und grinste in ihre Richtung.

    So versuchte auch Dor’El, sich auf besondere Geräusche zu konzentrieren, die nichts mit dem Kreischen, dem Klicken und den übrigen Kampfgeräuschen zu tun hatten – und dann nahm sie es plötzlich auch wahr: ab und zu hörte sie ein kurzes Pfeifen.

    Immer wieder kurze Pfiffe, bevor eine der Kreaturen kreischte.

    Sie blickte zu dem Jungen.

    Er zog eine Augenbraue hoch und sah sie prüfend an.

    Dor’El nahm eine Hand hinter ihr linkes Ohr und nickte.

    Er nickte auch.

    Was mochte das für ein Geräusch sein? Immerhin schien der Junge es erwartet zu haben.

    KLING.

    Das war jetzt ein neues Geräusch.

    Einer der Prätoren, der zwischen Dor’El und dem Jungen stand, sackte zu Boden.

    Die anderen versuchten, die Reihe geschlossen zu halten, aber sie stolperten dabei immer wieder über seine Beine.

    Zongg. Dann ein Zischen und erneut dieses „Kling".

    Ein anderer Prätor hob schnell seinen Schild hoch und Dor’El hörte, wie etwas davon abprallte und in die Wand hinter ihr einschlug.

    Dann schrie ein Prätor in ihrer Nähe laut auf und im zuckenden Licht der Luma sah Dor’El, wie ihm Blut unter dem Helm hervorquoll.

    Die Reihen gerieten in Bewegung.

    Schnell sprang sie auf die Beine, da wurden sie und der Junge auch schon gepackt und hochgerissen.

    Die Truppe bewegte sich – immer noch halbwegs in Verteidigungshaltung – hektisch und dabei stetig, zur Seite an der Wand entlang und Dor’El nahm an, man wollte im nächsten Tunnel Deckung suchen.

    Dann kam wieder alles zum Halt.

    Wieder drängten sich die Prätoren zusammen und formierten sich erneut zum Kampf.

    Direkt vor Dor’El wurden zwei Prätoren von einer Kreatur ergriffen und verschwanden in der Dunkelheit. Andere schlossen die Reihe und stellten ihre Schilde auf.

    Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrem Kopf.

    Sie erschrak heftig, doch es war nur der Junge.

    Er versuchte ihr anzudeuten, sich noch tiefer auf den Boden zu ducken.

    Dor’El bewunderte ihm um seine ruhige Haltung und folgte seiner Aufforderung.

    Dicht am Boden geduckt, erhaschte sie immer wieder Einzelheiten des Kampfgeschehens zwischen den sich nun beängstigend lichtenden Reihen der Prätoren: Diese hieben mit ihren Schockstäben und Schwertern auf die silbernen Beine der Kreaturen ein, verteidigten sich gegen die nach unten greifenden Kieferzangen der Kreaturen und feuerten immer wieder Schockblitze ab.

    Was Dor’El jedoch verwunderte: Auch wenn gerade keine der Kreaturen direkt einen Angriff auf die Prätoren vornahm, ging immer wieder einer von ihnen zu Boden.

    Und auch immer wieder vernahm sie dieses „Kling" von Einschlägen in die Wand hinter ihr und in die Rüstungen, dann aber gefolgt von Schmerzensschreien der Prätoren.

    Gerade wieder sackte einer von ihnen zu Boden. Dor’El wich zur Seite und der Prätor blieb über seinem Schild hängen.

    Konnten die Kreaturen Projektile auf die Prätoren werfen oder gab es noch einen weiteren Angreifer, den sie noch nicht gesehen hatte?

    Als erneut einer der Prätoren direkt vor Dor’El zu Boden ging, verwendete sie ihn als Sichtschutz. Ihre Neugier war einfach zu groß, als dass sie ganz in Deckung bleiben mochte.

    Ein Pfiff ertönte, nicht weit von ihr entfernt.

    Sie drehte den Kopf, konnte aber nichts erkennen. Die wenigen verbliebenen Luma verstärkten die Dunkelheit mehr, als dass sie sie erhellten.

    Dann sah sie plötzlich, wie sich zwei der Prätoren rückwärts drängten und sich scheinbar gegen einen unsichtbaren Feind verteidigten: Immer wieder rissen sie die Schilde hoch, um dann wieder Hiebe mit ihren Schwertern auszuteilen.

    Ob sie etwas trafen?

    Die silbrigen Beine waren nicht zu sehen.

    Ein neuer Gegner?

    Es war zu dunkel und die Kampfgeräusche ringsumher waren zu laut, als dass Dor’El eine akustische Bestätigung für ihre Vermutung erhielt.

    Zwei weitere Prätoren kamen ihnen zu Hilfe, und erneut ging wieder einer von ihnen zu Boden.

    Eine skurrile Szene.

    Dor’El reckte den Kopf etwas weiter über ihre Deckung. In der Dunkelheit war einfach nichts zu sehen. Prätoren waren kaum noch um sie herum. Wie viele es insgesamt noch sein mochten, war nur schwer zu schätzen.

    In einiger Entfernung sah sie eine kleine Gruppe von ihnen. Die hatten die Luma weggelegt und kämpften verzweifelt in der Dunkelheit gegen diesen unsichtbaren Gegner.

    Die dunklen Helme waren jetzt bestimmt sehr hinderlich, dachte sich Dor’El.

    Sie selbst sah keinen Feind.

    Wenn nicht gerade eine der Kreaturen kreischte und damit einen Hinweis auf seine Position verriet, war kein Gegner zu erkennen. Bei den restlichen Prätoren konnte von einer gezielten Verteidigungs- oder Angriffstaktik keine Rede mehr sein: Wer noch stehen konnte, hieb blindlings mit seinem Schwert um sich.

    Dor’El richtete sich vorsichtig auf. Der Junge stand bereits neben ihr an der Hallenwand und streckte sich genüsslich.

    Der Kampf war praktisch vorbei.

    Eine Handvoll Prätoren bildete noch einen kleinen Verteidigungsring. Niemand kümmerte sich mehr um sie oder den Jungen und auch das Kreischen der Kreaturen hatte aufgehört.

    Ein paar Luma lagen in der Nähe verstreut und gaben etwas Licht ab, aber viel konnte Dor’El deshalb auch nicht erkennen.

    Neben ihr stöhnte ein verletzter Prätor auf und Dor’El sprang schnell zur Seite, als der Junge, der sich bisher immer nur schützend geduckt hatte, plötzlich aufsprang und mit einem erbeuteten Schwert in der Hand vor ihr stand.

    Er holte aus und stach mit dem Schwert von unten in den Helm des Prätors neben ihr.

    Der schrie kurz auf und krampfte sich zusammen. Er griff nach der Klinge und hob mit der anderen Hand seinen Schockstab hoch, den er fallen gelassen hatte.

    Mit letzter Kraft drückte der Prätor auf den Auslöser. Er wollte den Jungen treffen, der sich jedoch mit einem Sprung zur Seite und damit aus der Reichweite katapultierte. Der Prätor bekam den Schockstab nicht mehr ganz vom Boden hoch, als dieser auslöste.

    Dor’El stand jetzt dummerweise genau zwischen dem Jungen und dem Prätor.

    Der Schockblitz traf sie auf Brusthöhe und sie spürte, wie ihr Körper sich versteifte, als der Schmerz der Entladung alle ihre Nerven lähmte.

    Ohne noch einen Schrei der Überraschung ausstoßen zu können, wurde die Welt dunkel und sie spürte nicht mehr, wie sie auf dem Boden aufschlug.

    2 – Licht

    Und während die Überlebenden noch damit beschäftigt waren, die vorbereiteten Habitate einzurichten und sich darin gegen die Auswirkungen des Krieges zu schützen, hörten die Verfemten nicht auf, den verlorenen Kampf fortzusetzen.

    Das Überleben der Menschheit stand auf Messers Schneide.

    Nach den Seuchen und der Zerstörung der Oberfläche durch das ausgebrochene Chaos, gab es dort bald nur noch eine lebensfeindliche Trümmerwüste. Durch die rücksichtslosen Taten der Verfemten drang das Unheil bald auch in die wenigen Rückzugsgebiete ein, die zuvor mühsam errichtet worden waren.

    Die Schwesternschaft musste aus dem Schatten treten, um das Schicksal der Menschheit zu wenden.

    Die Menschheit war zwar noch nicht bereit für die Botschaft der Schwesternschaft, aber die Umstände erforderten es, vorzeitig zu handeln.

    Abschrift einer Gravur auf einer Metallplatte, HAB6-Ebene14

    Dor’El öffnete die Augen.

    Sie lag auf einem Bett und war mit einer dünnen Decke zugedeckt. Über ihr hing ebenfalls eine Decke, die sich in einem sanften Luftzug leicht bewegte.

    Vorsichtig drehte sie den Kopf, da schaltete sich ihr MTech-Wissen ein: Das war eine Klinik.

    Schnell blickte sie sich weiter um.

    Hier gab es zwar nicht diese blinkenden Instrumente, die sie so gut kannte und sie war auch nicht an Kabeln und Schläuchen angebunden, aber die entfernten Geräusche im Hintergrund und die Tatsache, dass sie hier jetzt aufwachte, deuteten doch sehr darauf hin.

    Auf einem kleinen Tisch neben ihrem Bett standen einige Tiegel und Schalen und auch Tücher hatte man dort abgelegt. Neben dem Tisch stand ein Hocker.

    Nicht ganz so, wie sie es aus der Klinik kannte, aber doch ziemlich ähnlich. Sie lag in einer Klinik, doch es war nicht die, in der sie tätig gewesen war.

    Vorsichtig richtete sie sich ein wenig auf. Ihr Kopf brummte. Sie stützte sich auf ihre Ellenbogen und atmete mehrfach tief ein und aus.

    Sie bewegte kurz die Finger und ihre Zehen: alles gut. Alles noch da. Der Kopf. Vorsichtig drehte sie den Kopf und beinahe wurde ihr schwindelig davon. Kurz schloss sie die Augen. Davon wurde es allerdings noch schlimmer und so öffnete sie sie wieder, um einen Punkt an der Raumdecke zu fixieren. Das ging jedoch nicht so gut, denn dort hing diese Decke, die sich leicht bewegte.

    Beinahe hätte sie laut aufgelacht.

    Eine MTech blieb halt eine MTech.

    Obwohl ihr Nacken schmerzte, versuchte sie dennoch, sich weiter vorsichtig im Raum umzuschauen.

    Neben ihrem Bett war also dieser kleine Tisch. Daneben ein Hocker aus einem dunklen Material. Alles schien sehr filigran gearbeitet zu sein. Woraus hatte man diese Dinge wohl angefertigt?

    Das war definitiv nicht ihre Klinik.

    An der Wand des Raumes lagen einige Kissen aus einem leicht schimmernden Material. Kissen? In einer Klinik? Nun, vielleicht war das doch keine Klinik. Kissen, das wusste sie als MTech ganz genau, gehörten nicht in eine Medi-Umgebung.

    Neben dem Kissenstapel hing etwas, das ein Vorhang sein konnte. Keine Tür, sondern nur eine weitere Decke, die man an die Wand gehängt hatte. So sah kein Raum einer Klinik aus, den sie kannte. So sah auch kein anderer Raum aus, den sie jemals gesehen hatte.

    Keine Technik, keine Geräte. Keine Anzeigen an den Wänden. Sie war etwas verwirrt. Das hier war so ganz und gar nicht die Umgebung, die sie mit einer Klinik verbinden würde.

    Dor’El wunderte sich auch über das sanfte Licht, welches den Raum erhellte. Es kam nicht von Leuchtplatten – es kam noch nicht einmal von der Decke, sondern von …?

    Sie blinzelte, als sich ihre Augen mit Tränen füllten.

    Was war das da hinten?

    Ein Fenster. Ein kleines Fenster? Natürlich. Ein Beobachtungsfenster – was sonst? Doch dieses Fenster war klein und … irgendwie seltsam.

    Sie ignorierte die Schmerzen und reckte vorsichtig den Kopf.

    Das Fenster war offen. Kein Glas.

    Man konnte hindurchsehen. Doch was war dahinter zu erkennen? Das hinter dem Fenster war kein anderer Raum. Aber was?

    Sie kniff ihre Augen etwas zusammen. Hinter dem Fenster war ganz viel. Da waren … Häuser?

    Wie konnte das sein? Wo war sie hier nur?

    So etwas hatte sie noch nie gesehen. Oder doch?

    Ein kurzer Gedanke blitzte in ihrem Kopf auf: Häuser. Eine Siedlung – ein Dorf – eine Stadt.

    Doch, so etwas hatte sie schon einmal gesehen. Irgendwie kam ihr der Anblick sogar ein wenig vertraut vor. Aber das war schon alles. Sie kannte diesen Raum nicht und wusste auch nicht, wie sie hierhergekommen war.

    Träumte sie? Nein, die Schmerzen waren leider echt. Ihr trockener Hals auch. Sie hustete.

    Auf dem Tisch standen ein Becher und zwei kleine Schalen. Vorsichtig angelte sie nach dem Becher. Vielleicht gab es etwas Wasser. Das würde ihr jetzt helfen.

    Leider war sie etwas zu ungeschickt oder es war ihr Zustand, der sie daran hinderte, den Becher zu greifen: Ihr stützender Arm knickte ein und ihre ausgestreckte Hand wischte eine der Schalen vom Tisch.

    Mit einem Scheppern landete die Schale auf dem Boden.

    Das Geräusch war kaum verklungen, da wurde die Decke zur Seite geschoben und eine Person betrat den Raum.

    Sie war in Tücher gekleidet, die sie am Körper durch Gürtel gebunden hatte. An den Armen und Beinen schwangen diese Tücher durch die Bewegung und den Luftzug so, dass man ihre Körperform nicht genau erkennen konnte.

    An den Beinen trug sie halblange Stiefel, aber das Auffälligste an ihr waren die schulterlangen, tiefschwarzen Haare, die Dor’El bewundernd betrachtete.

    „Ah, du wach", sprach die Person mit sanfter Stimme und trat einen Schritt in den Raum.

    Dor’El wollte antworten, brachte aber nur ein Krächzen heraus.

    „Warte, ich hole Wasser."

    Die Frau drehte sich wieder um und trat durch die Wandöffnung, die Dor’El hinter der Decke vermutete.

    Wieder tränten ihre Augen und Dor’El kniff sie zusammen, damit die Tränenflüssigkeit ablaufen konnte.

    Es klatschte. Dor’El drehte den Kopf, konnte aber die Augen nicht öffnen, weil der Schmerz sie zwang, sie erneut zu schließen.

    Es klatschte wieder.

    Dor’El ließ sich zurück auf das Kissen fallen und hoffte, der Schmerz möge abklingen.

    Sie hörte, wie jemand leise den Raum betrat.

    Vorsichtig öffnete sie die Augen wieder.

    Ein Mann und eine Frau standen neben ihrem Bett.

    Die beiden trugen auch diese weite Kleidung in verschiedenen Brauntönen. Dor’El blickte sie fasziniert an. Wenn sie sich in einer Klinik befand, waren das hier Besucher oder sah so das Personal aus?

    In der Klinik, die Dor’El kannte, trugen alle MTech lange, weiße Kittel mit aufgesetzten Taschen und IDs im Brustbereich. Diese Leute hier wirkten keinesfalls, als ob sie zum klinischen Personal gehörten.

    Die beiden Besucher sprachen miteinander.

    Dor’El konnte leider nichts verstehen.

    „Wieder so eine andere Sprache, dachte sie bei sich. „Vielleicht waren das die Leute, die die Sprache von Ragoo sprachen? Dann wäre sie vielleicht am Ziel angekommen. Vielleicht war Ragoo ja auch schon hier?

    Noch während sie überlegte und versuchte, einzelne Worte zu verstehen, kam die andere Frau wieder in den Raum. Sie brachte einen Krug mit, aus dem sie etwas Wasser für Dor’El in den Becher goss.

    Dann hielt sie ihn Dor’El hin. Die versuchte, danach zu greifen, konnte ihn aber nicht halten und ließ sich wieder auf das Bett zurücksinken.

    Die Frau mit den dunklen Haaren hob ihren Kopf vorsichtig an und half ihr, etwas aus dem Becher zu trinken.

    Dankbar ließ sich Dor’El zurücksinken.

    Die Frau sprach etwas zu den beiden und lächelte dann Dor’El an: „Das Honscha und Ann-Karlinn." Sie deutete auf die beiden, die neben Dor’Els Bett standen.

    „Sie werden helfen, aber sprechen nicht so gut deine Sprache."

    „Honscha. Der Mann nickte. „Ich dir geben, damit Haut besser. Er fasste sich selbst an seinen Unterarm und hielt ihn hoch.

    Dor’El spürte, wie ihre Haut brannte.

    „Ann-Karlinn, er deutete auf die Frau neben sich, „schon … öfter geholfen, wenn wir bekommen … Es folgten einige Worte, die Dor’El nicht verstand.

    „Das einige Tage, dann gut."

    Jetzt meldete sich die Frau neben ihm: „Wir warten, bis salv wirkt. Sie sprach sehr langsam. „Wenn du brauchst, dann du melden.

    Die andere Frau hatte inzwischen etwas geholt und stellte es neben den Becher auf den kleinen Tisch. Es war eine Schale, in der ein kurzer Stab lag.

    „Wenn du willst rufen, dann du hier", sprach sie und nahm den Stab aus der Schale. Sie schlug mit dem Stab leicht an die Schale und ein heller Ton erschallte, der nur langsam abschwoll.

    Dor’El war überrascht.

    Sie kannte Handmelder, die man Patienten gab, die nicht aufstehen sollten oder konnten und die nicht ständig überwacht wurden: Ein kleines Gerät, welches bei Betätigung ein Signal an die diensthabende MTech übermittelte.

    Hier funktionierte das über diese kleine Schale, die sie anschlagen sollte?

    Keine medizinisch-technischen Geräte, noch nicht einmal für den Ruf nach einer MTech? Das war eine seltsame Klinik, in der sie sich hier befand.

    Immerhin wusste man wohl um die Heilung ihrer Haut. Bei ihrem Aufenthalt im Kokon war nicht nur ihre Kleidung aufgelöst, sondern auch ihre Haut übel angegriffen worden.

    Kurz huschte ein Begriff durch ihren Kopf: „Extraintestinale Verdauung".

    Überrascht blinzelte sie mit den Augen.

    Was war das?

    Doch sogleich war der Gedanke schon wieder verschwunden.

    Beinahe hätte sie den Kopf geschüttelt, aber da meldete sich der Schmerz schon wieder. Dennoch war ihr schmerzhaftes Zucken wohl nicht unbeobachtet geblieben.

    „Das bald besser." Ann-Karlinn beugte sich über sie und hielt eine Hand auf ihre Stirn.

    „Du wohl hart gestoßen. Zwei Tage, dann Schmerz weg."

    Na, wenn das mal keine klare Ansage war. Dor’El bezweifelte, wie eine so präzise Aussage ohne Auswertung von Logs möglich sein könnte. Wenn sie sich Prellungen zugezogen hatte, dann könnte es unter Umständen bis zu zwei Wochen dauern, bis sie ihre volle Beweglichkeit wiedererlangt hätte. Bei einer Gehirnerschütterung, … Wissen wie dieses gehörte zu den Grundlagen einer MTech.

    Als sie ihre Augen schloss, sah sie plötzlich ein Schema vor sich entstehen: Das Schema eines liegenden Menschen. Es war beinahe so, als wäre sie in der Lib und hätte sich über ein Headset mit einem der Kartenleser verbunden.

    Dor’El stellte sich vor, sie wäre dieser Mensch. Ausgestreckt. Die Arme neben dem Körper.

    Sie hörte, wie Ann-Karlinn mit Honscha sprach, aber sie verstand die Worte dieser Unterhaltung nicht.

    Stattdessen sah sie, wie das Schema sich weiter aufbaute. Sie sah das Skelett, dann die Muskeln, bis schließlich die Haut den Körper umhüllte.

    Dann veränderte sich das Schema: Sie sah, wie viele Bereiche rot aufleuchteten. Es waren genau die Bereiche, in denen sie Schmerzen spürte. Überrascht schlug sie die Augen wieder auf und holte tief Luft.

    Honscha und Ann-Karlinn brachen ihr Gespräch ab und traten zu ihr heran.

    „Was passiert?", fragte Ann-Karlinn. Sie beugte sich zu Dor’El.

    Dor’El räusperte sich. „Schmerz … Sie wollte ihr sagen, dass sie den Schmerz habe sehen können, aber ihre Gedanken überschlugen sich: War es gut, wenn sie zu berichten versuchte, was sie gerade erlebt oder „gesehen hatte?

    Honscha nahm ein rundes Instrument aus einer Tasche, die er umhängen hatte und Dor’El sah, dass es eine große Linse war. Damit betrachtete er ihre Augen.

    „Du hart gestoßen, aber nicht iiveldus?", fragte er sie.

    Dor’El blickte ihn durch die Linse an. „Ich … was?", fragte sie zurück.

    Honscha nahm die Linse wieder zurück und blickte zu Ann-Karlinn. Diese lächelte und meinte dann: „Du getrunken, aber alles weg?"

    Dor’El verstand zunächst immer noch nicht.

    Ann-Karlinn versuchte es anders: „Getrunken … zurück?" Dazu machte sie eine begleitende Handbewegung. Ein Rollen vor der Brust.

    Jetzt dämmerte es Dor’El: Das war die Frage, ob sie Übelkeit verspürte, nachdem sie etwas getrunken hatte.

    Damit sie nicht nicken oder den Kopf schütteln musste, sagte sie langsam: „Geht ganz gut."

    Honscha nickte bestätigend.

    „Dann das so gut." Er sprach zu Ann-Karlinn und blickte immer wieder zu Dor‘El: „Einige Tage. Wir sehen, wie Haut reageeri von salv, dann wieder gut. Wir sehen."

    Dor’El hatte ihn als CMTech eingestuft. Er schien hier die Entscheidungen zu treffen. Insofern gab es doch viele Parallelen zu der Klinik, die sie kannte.

    Sie verstand, dass man sie hierbehalten wollte, bis ihre Haut sich erholt hatte.

    Honscha gab Ann-Karlinn noch einige Anweisungen und verabschiedete sich dann.

    Ann-Karlinn und die andere Frau im Raum berieten sich noch eine Weile. Da Dor’El nichts von dem verstand, was gesprochen wurde, streckte sie sich wieder auf ihrem Bett aus und studierte die Decke.

    Dann schloss sie die Augen.

    Es dauerte nicht lange und schon erschien ihr wieder das Schema eines liegenden Menschen. Sie nahm sich die Zeit zu warten, bis wieder die farbigen Markierungen diejenigen Hautstellen anzeigten, die unter

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