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Styrassic Rock
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eBook230 Seiten2 Stunden

Styrassic Rock

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Über dieses E-Book

Gescheiterter oder Überlebender? Held oder Feigling? Freigeist oder Abhängiger?
So fließend - oder auch vielschichtig - zeichnet Walter Amon in seiner Erzählung "Styrassic Rock" die Figur seines Helden Walter A. Kaspar und damit das Leben einer Generation nach, die sich im ausgehenden 20. Jahrhundert auf die Suche nach einem Platz macht, der weiter und bunter sein sollte als die Karriereversprechen, mit denen man noch deren Altvorderen geködert hatte.
Schroffe Ehrlichkeit, zuweilen drastischer Sprachwitz, feine geschliffene Blues- und Rockriffs und liebevoll gezeichnete Charaktere machen die vielen Stärken dieses Buches aus, das sicher nicht nur Musikfans unter die Haut fahren wird.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum23. Okt. 2019
ISBN9783749767700
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    Buchvorschau

    Styrassic Rock - Walter Amon

    Erstes Kapitel

    I'm a rolling thunder, a pouring rain

    I'm coming on like a hurricane

    My lightning's flashing across the sky

    You're only young but you're gonna die

    AC/DC

    Graz – 2006. Es war ein unerträglicher Spätsommertag. Bereits am Vormittag glühte die Stadt wie ein Hochofen in Donawitz.

    Ich war gegen elf von zu Hause los. Die Spakos in der Agentur hatten tatsächlich mittags ein Meeting angesetzt. High noon – das hatte schon Gary Cooper in ärgste Kalamitäten gebracht!

    Gedankenverloren blickte ich am stahlblauen Himmel einem Flugzeug hinterher. »Einfach abhauen«, schoss es mir durch den Kopf.

    Aber dann dachte ich daran, wie unterirdisch in letzter Zeit meine Performance als Head of Event war und verwarf diesen Fluchtgedanken rasch wieder.

    Wann, wo, wie und warum die Sauferei tags davor eskaliert war wie eine Schlägerei zwischen Hells Angels und Bandidos, bekam ich beim besten Willen nicht mehr auf die Reihe. Klar war nur eines: Der Restalkohol hatte die Schnauze von mir voll und trat in Form Tausender Schweißperlen die Flucht aus meinem geschundenen Körper an. Wie eine zweite Haut klebte das klatschnasse T-Shirt an mir. Darunter standen die Brustwarzen ab wie zwei Miniatur-Tipis. Und der penetrante Geruch der mich umgab ließ den Schluss zu, ich hätte in Ermangelung anderer Optionen versucht, in einer Dose Sardinen mit den eingelegten Fischen zu kopulieren. Das muss auch der Grund dafür gewesen sein, warum mich die Leute umschifften, als hätte ich die Krätze im Gesicht.

    ***

    Meinen Lebensmittelpunkt von London nach Graz zu verlegen glich einer Ernährungsumstellung von dry aged Beef auf Tofu – da fehlt einfach was!

    Aber immerhin. Die Zeit bei McErwin & Bell hatte meinen Lebenslauf dermaßen aufpoliert, dass mich eine ganze Meute geschniegelter und gestriegelter Headhunter jagte wie den Anführer eines gefährlichen Wolfsrudels.

    Natürlich. Es war eine Option meinen Schnabel in den abgestandenen Wiener Wassertrog zu stecken und nach dem Motto 'Augen zu und durch' die abgestandene Brühe zu schlürfen, die wie Kylie Minogue nach einem Duschbad riecht, aber wie ein konservierter AC/DC-Fan nach einem Donington-Konzert schmeckt. Werbeluschen wie ich tun so etwas für ein paar zugekokste One-Night-Stands und einen Dachboden im siebten Wiener Gemeinde Bezirk mit Blick auf den Siebensternpark – und zwar ohne mit der Wimper zu zucken!

    Aber in meinem Fall sprachen schwerwiegende Gründe gegen eine solche Entscheidung. Einer hieß Emma. Emmi (ihr ganzes Leben lang hatte sie nie auch nur eine Menschenseele Emma gerufen) hatte mich vor sechsundvierzig Jahren zur Welt gebracht und war zeitlebens so stolz auf ihren Sohn, dass es mir manchmal selbst zu viel war. Niemals würde ich behaupten, meine Mutter hätte erwartet, von dem übervollen Füllhorn an Liebe, mit dem sie mich beschenkt hat, etwas zurück zu bekommen.

    Ich möchte aus einer holistischen Sicht der Dinge aber auch nicht ausschließen, dass sie intuitiv ahnte, was sich in den Genen eines Menschen abspielt, der bedingungslos geliebt wird. Riss mich also wieder einmal das Telefon aus dem Tiefschlaf, hätte ich am liebsten gleich wieder aufgelegt, oder besser gesagt, erst gar nicht abgehoben.

    Aber die genetischen Marker in meinem Rückenmark brüllten wie dieser Drill-Sergeant in Full Metal Jacket: »Ich bin Gunnery Sargent Hartmann und zuständig für deine Mutter! Von nun an wirst du nur reden wenn du angesprochen bist, und das erste und letzte Wort aus deinem dreckigen Maul wird Sir sein, hast du Made das verstanden!«

    »Sir, jawoll, Sir!«

    »Dann raus aus den Federn und rein in die Klamotten! Oder willst du deine Mutter auf dem Schlachtfeld des Lebens liegen lassen wie das letzte Stück Scheiße?«

    »Sir, jawoll, Sir!«

    »Was?«

    »Sir, nein, Sir!«

    Da ich nicht enden wollte wie dieser arme Kerl in Kubriks Film, der am Ende aus purer Verzweiflung sein Hirn mit einer Knarre an der Wand verteilt, machte ich mich regelmäßig daran, Emmi auf der Polizeistation in der Nähe ihrer Wohnung aufzugabeln.

    Dort nervte sie die Beamten mit der immer gleichen Geschichte: »Officer … (Ehrenwort! Sie sagte Officer! Zu den Bullen! Zu ihrer Entschuldigung kann ich anführen, dass sie amerikanische Krimiserien über alles liebte: Miami Vice. Die Straßen von San Francisco. Kojak. Sie hatte alle Folgen davon auf DVD, oh Mann!) … ich bin auf der Suche nach der Parkbank, auf der mir Richard seinen ersten Heiratsantrag gemacht hat. Den ich selbstverständlich abgelehnt habe. Schließlich bin ich gut erzogen! Aber wollen sie die Wahrheit wissen, Officer? Damals, auf dieser Bank, da war ich der glücklichste Mensch der ganzen Welt. Aber jetzt, jetzt ist alles so anders. Richard ist tot, die Stadt nicht wiederzuerkennen. Ich kann sie einfach nicht mehr finden, diese Bank. Wären sie wohl so freundlich und möchten mir bei der Suche helfen?«

    Ich habe nachgerechnet.

    2006 hätte die Schlacht meiner Eltern um Ehedünkirchen bereits sechsundfünfzig Jahre getobt. Ich war noch nicht am Leben. Aber aus verlässlicher Quelle – meiner Schwester Doro – wusste ich, unsere Eltern haben geheiratet, weil Emmi zu ihr schwanger war. Und ob die beiden jemals glücklich miteinander waren? Nun ja, vielleicht bin ich ob des Erlebten in dieser Sache ein wenig voreingenommen. Aber Vater war zu diesem Zeitpunkt tatsächlich bereits fünf Jahre tot. Also Schwamm drüber!

    Ein anderer war das hochheilige Versprechen, das ich mir in London gegeben hatte: »Begib dich unter keinen auch noch so dramatischen Umständen in den filialen Wurmfortsatz einer internationalen Agentur!«

    War eine Option. Büro Wien. Mariahilfer Straße. Geschäftsführung. Bah! Nicht ums Verrecken! Von da hat jeder kreative Furz seinen Weg in das Headquarter anzutreten, von wo dich fünf Minuten später der Assi des Account Managers anruft und ausrichtet, dass dem deine Duftnote nicht konveniert.

    Auf Selbstdarsteller dieser Art reagierte ich in letzter Zeit immer unkontrollierbarer. Um das halbwegs in den Griff zu bekommen, führte mich die Suche nach Beruhigungsmittel immer öfter zu Personen, die keinen Kassenvertrag hatten. Aber das verdrängte ich ebenso geflissentlich, wie die ersten Anzeichen von Emmis Demenz.

    Dass die Kugel letztlich auf die trostlose Agenturwüste in Graz fiel, lag aber ganz entschieden an einem anderen Grund.

    Ein internationaler Handelskonzern hatte die gesamte Wiener Agenturmischpoke auf ein Hadmar Bio Bier in das Sofa Jazzcafé geschickt und den Etat für eine österreichweite Street-Promotion der Grazer Agentur 'Radio Active' anvertraut. Damit hatten die Provinzler erstmals richtig fettes Budget an der Angel und mussten sich gegenüber der beleidigten Meute aus Wien ordentlich beweisen.

    Exakt an diesem Punkt im Spiel wechselte ich mich ein und zirkelte den Ball wie Lionel Messi über die Mauer: Vier Jahre in einer internationalen Agentur. Davor fünf Jahre Privatradio in Österreich. Der Ball rasierte dem Verteidiger einen makellosen Mittelscheitel und senkte sich exakt ins Kreuzeck.

    Aber schon bald merkte ich, wie heillos überfordert wir mit dem kapriziösen Kunden und seinen gierigen Großsponsoren waren.

    Ich putzte mich als David Copperfield heraus, aber das half nur sehr bedingt. Denn schon bald durchschauten alle Beteiligten die Maskerade und entlarvten uns als marktschreierische Taschenspieler, denen bei den billigsten Tricks die Karten aus der Hand fielen. Und spätestens ab dem Zeitpunkt, als mich die Agenturchefin aufforderte, die Blow-Ups des Kunden in Ermangelung an genügend Personal bitteschön selbst aufzustellen, wurde ich zu einem Abziehbild jener milchgesichtigen Agenturlollis, vor denen ich in Wahrheit auf der Flucht war, wie Harrison Ford vor Tommy Lee Jones im gleichnamigen Film.

    ***

    'Lizzy's Irish Pub – Toast Hawaii & kleines Bier Euro 6,20'. Das stand da! Ehrlich! Ich meine, so einen Bullshit schmierst du dir doch nur auf die Fensterscheibe deines Lokals, wenn ein russischer Mafiosi mit einer Flasche Wodka in der Hand eine Knarre an deine Schläfe drückt und 'nastrovje' nuschelt! Nicht genug, dass der Laden so wenig mit Irland zu tun hatte, wie Rosamunde Pilcher mit James Joyce, dudelte auch noch 'Can’t fight this feeling' von REO Speedwagon aus den Lautsprechern.

    'HEY LIZZY, DU HAST EIN IRISH-PUB, VERDAMMT NOCH MAL!

    Van Morrison. Rory Gallagher. Gary Moore. U2. Stiff Little Fingers. My Bloody Valentine. The Answer. Alles, aber bitte nicht diese abgekochte amerikanische Poplatsche! Von Toast Hawaii mal ganz zu schweigen!'

    Und dafür musste auch noch der Meki sterben! Ich versuchte gerade krampfhaft, mich an das grün-schwarze Logo dieses Plattenladens zu erinnern, dem ich meine fulminante Plattensammlung zu verdanken hatte, da stolperte ich über die ausgestreckten Beine eines Gastes, der im Schatten der schmalen Gasse seinen Kaffee schlürfte. Ich wollte schon drauflosfluchen, da realisierte ich, um wen es sich dabei handelte.

    Das Erste, was mir an Robert W. Lichter auffiel, war sein top trainierter, braungebrannter Oberkörper. Der steckte in einem weißen, an den Schultern ausgefransten T-Shirt, auf dem das Motiv der Eagles-LP 'Long road out of Eden' prangte. Das war ötzimäßig! Die Eagles hätten es lassen sollen, als sie 1980 zum ersten Mal das Handtuch warfen. Danach war doch alles nur noch eine Kopie ihrer selbst und vom schnöden Mammon getrieben. Aber Robby war schon immer der kommerziellste in der Band. Und zugegeben. Es brachte seine modellierten Muckis und den flachen Waschbrettbauch voll genial zur Geltung. Mit seinen kurz geschorenen Haaren, den silbergrauen Schläfen und einer Ray Ban auf der Nase sah er aus wie ein Rockstar mit Drogenproblemen, der nach einem sechswöchigen Aufenthalt in Kalksburg von seinem Management wieder von der Leine gelassen wurde – echt cool!

    »Hey Robby, Mann, bist du das? Siehst voll Scheiße aus! Muss ich mir Sorgen um dich machen?«, krächzte ich ihm mit einem Grinsen ins Gesicht.

    »Kaaaspaaar«, zog er meinen Namen gekünstelt in die Länge und erhob sich dabei umständlich aus dem Sessel: »Du muffelst nach all den Jahren immer noch nach dem vollgekotzten Proberaum von damals.«

    »Klar. Passt bestens zum vermoderten Bukett deines grindigen Musikgeschmacks.«

    Dabei tippte ich auf die vom oftmaligen Waschen langsam verblassenden Buchstaben des T-Shirts. Die anschließende Umarmung fiel so sperrig aus wie von zwei Holzlatten die versuchen Dancing Stars zu werden.

    »Sieht aus, als wäre dein Vormittag nur mit einem Reparatur-Seidel zu retten«, sagte Robby. »Ich bezweifle, dass eines reicht.« Ich kramte in der Hosentasche nach den Pfefferminz-Bonbons. Dann pflanzte ich mich in den Sessel und bestellte ein Guinness.

    Nach dem was zwischen uns vorgefallen war, schauten wir anfangs so verzweifelt aus der Wäsche wie zwei Nacktschnecken in einem Garten ohne Grünzeug und wussten nicht was reden.

    Robby und ich hatten in den Achtzigern die Rock Band Black Hawk Down. Er sang. Ich spielte Gitarre. Wir waren ziemlich beste Freunde. Aber alles zerbrach, als ich ihn wegen eines anderen Sängers aus der Band warf. Jim, so hieß der Typ, stellte sich aber schon bald als die Reinkarnation des Racheengels Azrael heraus, der mich dafür büßen ließ, was ich Robby angetan hatte.

    Er war Schotte mit ein paar eigenen Songs im Gepäck und ein gnadenloser Egoist. Ich nudelte gerade mal eines meiner Soli zu Ende, da hießen wir schon Fallen Angels und waren zu einer Top-Forty-Coverband mutiert, die 'Wonderful Tonight' als Zugabe spielte. Ich schlug vor, Claptons Nudelwalker-Solo durch etwas Phil Campbell-Mäßigeres zu ersetzen. Das war zugegeben nicht die allerbeste musikalische Idee die mir jemals in den Sinn gekommen war. Daraufhin musste ich mir anhören, den Vorschlag nur unterbreitet zu haben, weil ich mit Claptons Gitarrentechnik nicht klar kam. Es folgte eine kurze, aber heftige Debatte, dass er mit seiner Vermutung hundertprozentig richtig lag, aber nicht einmal ein Geistesgestörter mit dem IQ eines Kantholzes bei einer Hardrock Band eine Nummer mit einer in den Schmalztiegel gefallenen Hookline als Zugabe erwartet.

    Wenig überraschend fand ich mich kurze Zeit später mit meinem gesamten Krempel auf der Straße wieder. Als Nachfolger engagierte er einen klassisch ausgebildeten Gitarristen der 'Doctor Doctor' spielte, als hätte Michael Schenker einen fahren lassen. Es hörte sich an wie das verdammte Nockalm Quintett auf Speed.

    Das Guinness tat gut. Meine Lebensgeister erwachten aus dem Koma, und ich freute mich ehrlich, den alten Knaben nach so vielen Jahren wieder getroffen zu haben.

    »Schreibst du dir immer noch den Arsch ab?«, fragte ich, um das Gespräch in Schwung zu bringen.

    Robby war ein Schreibtalent. Er haute geile Songtexte genauso raus wie Schmuddeltexte für Pornofilme. Die hatte er neben seinem Job als Elektriker für einen drittklassigen Verlag unter dem Pseudonym R.W. Lighter aufs Papier gekritzelt, um Miete zu zahlen und hungrige Mäuler zu stopfen – er war verheiratet und hatte zwei Kinder. Ich musste kichern.

    »Ich weiß genau, warum du so dämlich grinst«, sagte er.

    »Is' das geil! Oh ja, mach' weiter! Steck ihn mir rein. Tief. Tiefer. Ganz tief«, gab ich zurück.

    »Verdamp lang her, verdamp lang«, sagte er und zitierte damit den Klassiker von BAP, den wir in einer Art Punkrock-Version im Programm hatten. »Was geht ab?«

    »Ach«, sagte ich, und unterstützte die beiläufig hingeworfene Antwort mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Wie immer. Dumme Sprüche klopfen. Inzwischen in der Werbung.«

    »Geiz ist geil?«

    »Nicht so dumm, aber so ähnlich. Bei dir?«

    »Ich betreibe ein Studio«, antwortete er.

    »Noch eins?« Die Kellnerin wischte mit ihrem Lappen über den Tisch. Ich nickte.

    »Schreib-, Fitness-, Design-, Küche?«, fragte ich abgelenkt von Lizzy, die sich der Macht ihrer knackigen Möpse mehr als bewusst war.

    »Ton.«

    »Ton?«

    »Ton.«

    »Kein Scheiß?«

    »Kein Scheiß.«

    Meine Augenbrauen schossen in die Höhe wie ein Space Shuttle das von Cap Canaveral abhebt. Ich stieß ein »Oho« hervor und versuchte so zu tun, als wäre es Lizzys sensationellem Busen geschuldet. »Na ja, vielleicht ergibt sich da mal was«, sagte ich beiläufig, konnte aber die Überraschung nicht aus meiner Stimme färben. »Wir buchen immer wieder Studios für die Vertonung von Radio- und Fernsehspots. Wie viele SprecherInnen stehen auf deiner Payroll?«

    »Äh, Payroll? Nein! Ich produziere Bands. Auf meinem eigenen Label. Komm doch vorbei. Eine passable Axt wird sich finden.« Damit schob er mir seine Visitenkarte über den Tisch.

    »Den Teufel werde ich tun! Ewigkeiten nicht mehr gespielt.«

    Mogelpackungen auflegen war schon immer eine Stärke von mir. Ich hatte seit geraumer Zeit Zeug zu Hause, woran in den finanziell ausgetrockneten Sümpfen unserer Jugend nicht zu denken war: eine Gibson Artisan, einen Mesa Boogie und ein paar Bodentreter vom Feinsten. Damit haute ich dezibelmäßig immer dann auf die Pauke, wenn Rosie es erlaubte. Also immer, wenn sie nicht zu Hause war.

    »Ach komm' schon, »Mississippi Queen«, Standard, erste, vierte, fünfte Stufe. Den alten Leslie bringst du sicher immer noch.« Und dann grölte er los, als wollte er Rick Rubin einen überzeugenden Grund liefern, mit ihm einen Produktionsvertrag zu machen: »Mississippi Queen, if you know what i mean, Mississippi Queen, she taught me everything. Way down around Vicksburg, around Louisiana way, lives a Cajun lady, aboard the Mississippi Queen«.

    Es war ein schattiges Plätzchen in der engen Gasse, und bei der Affenhitze waren alle Tische besetzt. Die Leute glotzten, als hätten wir uns unerlaubt aus der Sigmund Freud Klinik entfernt.

    »Schon gut, Mann, schon gut. Ich hab's kapiert! Bist immer noch der geilste Shouter seit Bon Scott den Löffel abgegeben hat.«

    Tausend Gedanken schossen kreuz und quer durch meinen Kopfsalat. Gymnasium geschmissen. Drückender Geldmangel. Nörgelnde Eltern. Der Mief der Kleinstadt. Schwer zu sagen, was uns mehr auf den Arsch ging. Dafür war Rock 'n' Roll King, und wir krallten uns was zu kriegen war. Leider war das nicht viel.

    Graz beherbergte damals außer abgebrannten Studenten nur noch einen Haufen gelbgesichtiger Pensionisten. Das hatte sich bis zu den Booking-Agenturen herum gesprochen,

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