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Mein Leben als Chirurg: Erinnerungen
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eBook102 Seiten1 Stunde

Mein Leben als Chirurg: Erinnerungen

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Über dieses E-Book

Ich habe auf meinem langen Lebensweg viele Menschen kennengelernt, von denen ich allerhand lernen konnte. Ich möchte über sie und die medizinische Entwicklung berichten, die mich auf meinem Weg zum chirurgischen Facharzt begleitet haben. Natürlich auch über die Neuerungen, die ich maßgeblich mit aus der Taufe gehoben habe, oder abenteuerliche Operationen im Ausland. Die tägliche Medizinerroutine ist zwar meistens etwas trocken, dennoch gibt es auch lustige und manchmal auch etwas nachdenkliche Episoden im menschlichen und zwischenmenschlichen Bereich, über die es sich lohnt, zu schreiben.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum5. Feb. 2021
ISBN9783347252981
Mein Leben als Chirurg: Erinnerungen

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    Buchvorschau

    Mein Leben als Chirurg - Dr. Karl B. Otto

    Die Menschwerdung

    An unsere Schulzeit haben wir wohl alle unterschiedliche Erinnerungen – gute und schlechte –, meist überwiegen jedoch die guten Ereignisse. Allerdings sind Erlebnisse, wie sie in der Feuerzangenbowle beschrieben werden, wohl eher selten.

    Zu den schönen Begebenheiten gehörten für mich unsere Klassenreisen nach Sylt, wo wir in den Dünen, die heute leider alle bewachsen sind, herumturnten. Mit unserem Referendar durften wir das erste Mal in Kampen an den FKK-Strand, den man frech Abessinien nannte.

    Zur damaligen Zeit gab es noch keine Discos, sodass die Partys immer zu Hause gefeiert wurden. Wir malten die Glühbirnen mit Wasserfarbe rot und grün an und nahmen die Schallplatten mit unserem ersten Tonbandrekorder auf, damit wir die Platten beim Engtanz nicht immer neu auflegen mussten.

    Ganz stressfrei war diese Zeit natürlich auch nicht, zumal meine Versetzung aufgrund meines suboptimalen Einsatzes zeitweilig gefährdet war. Es kam, wie es kommen musste: Ich wiederholte eine Klasse und befand mich somit in guter Gesellschaft mit Bismarck und Einstein. Meine schlechten Noten in Fremdsprachen konnte ich mit guten Zensuren in Musik, Sport, Chemie und Mathematik ausgleichen, sodass dem Abitur dann nichts mehr im Wege stand.

    Mitte der Fünfzigerjahre wurde eine neue Bundeswehr aufgebaut und 1958 wurden dann die ersten Wehrpflichtigen eingezogen. Junge Männer, die vor 1937 geboren wurden, waren von der Wehrpflicht befreit. Mein Jahrgang gehörte zum ersten, der dieser Wehrpflicht nachkommen sollte. Ein Jahr zuvor war ich gemustert und aufgrund meiner sportlichen Verfassung als tauglich eins eingestuft worden. Dadurch konnte ich den Wunsch äußern, zur Marine zu kommen.

    Nach dem Abitur muss man sich entscheiden, wie man seinen weiteren Lebensweg gestalten wollte. Nun gab es natürlich auch schon in der Unterstufe Mitschüler, die genau wussten, welchen Beruf sie später ergreifen würden. Ich meine natürlich nicht diejenigen, die schon im Kindergarten sagten, sie wollten Kapitän oder Lokomotivführer werden, sondern diejenigen, denen schon früh klar war, dass sie Meeresbiologe, Ingenieur oder Neurochirurg werden würden. Bei mir stand nur fest, dass ich nicht Medizin studieren wollte. Als Kind wurde bei mir eine Blinddarmoperation mit Äthernarkose durchgeführt, die aufgrund des Äthergeruchs einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen hatte. Wie man weiß, können Gerüche ja sehr nachhaltig in der Erinnerung verbleiben. Weil die Berufswahl eine gefühlsmäßige Entscheidung ist, war die Erkenntnis, dass Äther nicht mehr verwendet wurde, dabei also weniger von Bedeutung. Da ich einerseits an vielen Studiengängen interessiert, andererseits aber noch nicht sicher war, beschloss ich also, zunächst meinen Wehrdienst bei der Marine abzuleisten.

    Im Frühjahr 1958 bekam ich meinen Einberufungsbescheid und musste mich am 16. April in Ebkeriege bei Wilhelmshaven einfinden. Die Einkleidung erfolgte in der üblichen militärischen Vorgehensweise nach dem Motto: Wie groß? Passt. Da wir die erste Wehrpflichtigen-Crew nach dem Krieg waren, fehlte es natürlich noch an der nötigen Ausrüstung, sodass wir zunächst mit grauen Heeresuniformen eingekleidet wurden.

    Begriffe wie Pünktlichkeit, Sauberkeit, Ordnung, Geschwindigkeit und Ausdauer waren mir im Elternhaus, beim Sport und in der Schule leidlich näher gebracht worden – mal mehr, mal weniger, aber immerhin. Dies sollte sich nun ändern, sodass diese Eigenschaften in ihrer Bedeutung neu belegt werden mussten.

    Laufen und stillstehen ist ja als Single eine der kleinsten Übung. Soll eine ganze Kompanie dies aber gleichzeitig tun, ist das schon mit einer gewissen Schwierigkeit verbunden. Kommentar des Zugführers: »Das klingt ja, als ob eine Ziege aufs Trommelfell scheißt.«

    Nachdem wir laufen, marschieren und grüßen gelernt hatten, nahte der erste Ausgang: Wir mussten um 24 Uhr wieder in der Kaserne sein. Ich fuhr mit meinem Motorrad in die Stadt, um mir einen Film anzusehen. Der endete so früh, dass ich genügend Zeit gehabt hätte, rechtzeitig zurück zu sein. Leider sprang mein Motorrad auf dem Rückweg aber nicht an, sodass ich erst sechs Minuten nach der Ausgangssperre wieder in der Kaserne war. Am nächsten Morgen wurde ich zum Kompaniechef zitiert, der wohl vor den neuen Wehrpflichtigen ein Exempel statuieren wollte. Zur Bestrafung bekam ich eine Ausgangssperre von vier Wochen. Ich hatte jetzt gelernt, dass das akademische Viertel bei der Pünktlichkeit nicht mehr in Anspruch genommen werden konnte.

    Auch die Begriffe Ordnung und Sauberkeit mussten neu belegt werden. Wer macht schon sein Bett nach dem Schlafen absolut faltenfrei und wer richtet seine Unterhosen im Spind mit einem Lineal aus? Vor dem Wochenendurlaub wurde am Freitagvormittag überall rein Schiff gemacht. Wir hatten uns redlich Mühe gegeben, die Bude auf Vordermann zu bringen. Der Spieß kam dann zum Stubenappell, blickte sich kurz um und schien zunächst zufrieden zu sein. Dann fuhr er aber mit dem Zeigefinger über den oberen Rand der Tür, bekam einen verzweifelten Blick und pustete in Richtung meines Gesichts gegen seinen Finger und fragte: »Sehen Sie mich noch?«

    Als Langstreckenruderer war mir der Begriff Ausdauer schon geläufig, sollte aber nun durch eine neue Erfahrung ergänzt werden. Vorgesehen war ein Langstreckenmarsch in voller Kampfausrüstung – Stahlhelm, Karabiner und 20 Kilo Gepäck. Der Marsch sollte sich über 30 Kilometer erstrecken. Die Besonderheit dieses Tages war allerdings, dass die Temperatur auf über 29 Grad stieg, sodass die Belastung fast unerträglich wurde. Die Kleinsten in unserer Kompanie im vierten Zug fielen nach zehn Kilometern reihenweise mit Hitzschlag um und wurden mit dem Krankenwagen abtransportiert. Wir Langen vorne im ersten Glied kamen zwar etwas besser zurecht, hatten aber auch erhebliche Probleme. Unser mit 1,90 Metern längster Mann drohte zu kollabieren. Er guckte etwas glasig und hatte schon aufgesprungene Lippen. Mein Nebenmann nahm ihm sein Gepäck ab und ich seinen Karabiner, sodass er etwas Erleichterung hatte. Der Marsch wurde dann aufgrund der vielen Ausfälle vorzeitig abgebrochen. Das böse Erwachen zeigte sich dann aber unter der Dusche. Keiner unserer Füße hatte die Exkursion unbeschadet überstanden. Die Glücklichsten hatten nur wenige Blasen, bei den schlimmen Fällen hatte sich die Haut abgelöst, was kleine blutige Rinnsale zum Abfluss der Dusche verursachte. Nun, wir haben es alle überlebt – der eine in der Koje, der andere im Krankenrevier.

    Nach einem Vierteljahr nahte das Ende unserer Grundausbildung. Wir hatten gelernt, wie man mit einem Karabiner und einer Pistole schießt und dass man vor langen Märschen die ältesten Socken anziehen sollte, um die Strapazen unbeschadet zu überstehen. Wir waren schnell und konnten in wenigen Sekunden vom Sportdress in den Kampfanzug wechseln. Beim Exerzieren musste die Ziege mit dem Trommelfell nicht mehr herhalten. Wir hatten gelernt, dass Ordnung und Sauberkeit mit normalen zivilen Maßstäben nicht mehr im Einklang standen und wir

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