Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Einer von diesen Tagen
Einer von diesen Tagen
Einer von diesen Tagen
eBook385 Seiten5 Stunden

Einer von diesen Tagen

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Darf ein junger Vater nach einem Urlaubstag mit einem kranken Kind nebst dringenden Erledigungen auch mal die Nerven verlieren?
Was kann man tun, wenn der misstrauische Nachbar die Invasion des Unkrauts hinein in seinen Garten voller Argwohn beobachtet?
Wieviel Schadenfreude darf eine Ehefrau an den Tag legen, wenn sich der absolut orientierungssichere Gatte im Urlaub hoffnungslos verfährt?

Knapp vierzig Kurzgeschichten und Erzählungen sind in diesem Büchlein gesammelt. Geschichten zum Lachen, Schmunzeln und Nachdenken. Geschichten aus dem ganz normalen Alltag, der täglichen Arbeit und dem trauten Familienleben. Aber auch Geschichten über manches andere mehr ...
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum30. Sept. 2021
ISBN9783347396036
Einer von diesen Tagen

Ähnlich wie Einer von diesen Tagen

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Einer von diesen Tagen

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Einer von diesen Tagen - Steffen Brabetz

    Einer von diesen Tagen …

    Ich hatte Urlaub. Einen einzigen, kleinen, winzigen Tag.

    Und es wurde einer von diesen Tagen. Einer von diesen Tagen, an denen man fröhlich aufsteht und anschließend von einer peinlichen Panne in das nächste erreichbare Fettnäpfchen tappt. Nur ahnte ich davon noch nichts beim morgendlichen Anblick des wolkenlosen blauen Himmels und der strahlenden Sonne. Wohlig rekelte ich mich im Bett. Meine Frau musste bereits arbeiten, aber ich genoss meine Urlaubsstimmung.

    Wenig später vernahm ich laute Rufe aus dem Kinderzimmer. Damit begann er … dieser Tag.

    „Papa, ich kann nicht mehr schlafen", rief unser Sohn wieder und wieder. Gemächlich schlenderte ich ins Kinderzimmer.

    Aber was war das denn? Mit leuchtend fiebrigen Augen und rot glühenden Wangen schaute mich unser Nachwuchs an.

    Adieu, du wunderschöner Urlaubstag. Dabei hatte ich vor, einige wichtige Dinge zu erledigen. Mit einem kranken Kind am Bein war aber kaum mit sehr viel Freiraum zu rechnen.

    Nach dem Anziehen gab es Frühstück. Als sich keine fünf Minuten später die Cornflakes auf Küchentisch, Hose und Pullover wiederfanden, suchte ich neue Sachen aus den Schränken heraus. Zeit spielte heute keine Rolle.

    Schließlich hatte ich Urlaub.

    Erst einmal kam der Arztbesuch. Dass der Junge dringend auf die Toilette musste, natürlich nachdem ich ihn komplett von den Winterschuhen über Handschuhe bis zu Schal und Mütze angezogen hatte, ließ mich ärgerlich aufseufzen, aber auch das war immer noch kein Grund sich aufzuregen.

    Die Wartezeit beim Arzt wurde mir auch nicht zu lang, einige von den kranken Gören fuhr mir immer wieder mit einem Polizei- oder einem Feuerwehrauto abwechselnd gegen das rechte oder das linke Schienbein. Ich fand das überhaupt nicht lustig.

    Die Mütter der brutalen Kinder fanden meine verzweifelten Versuche, diese Angriffe zu stoppen, ebenfalls nicht lustig. Streiten Sie sich mal mit jungen Müttern über ihren gottgleichen und hochtalentierten Nachwuchs. Keine Chance.

    Die Kinderärztin entschied sich beim Anblick meines Sohnes für einen Infekt. Übersetzt bedeutete das: Dein Kind ist krank, ich weiß aber auch nicht so wirklich warum.

    Auf dem Heimweg wollte ich noch schnell bei meiner geliebten Sparkasse vorbeischauen.

    „Was wollen wir in dem Haus?", fragte mein Kind neugierig.

    „Ich muss nur noch etwas Geld holen, antwortete ich. „Ich habe nicht mehr genug bei mir.

    „Wollen wir heute noch ganz viel einkaufen?", wurde die Befragung fortgeführt.

    „Nein, sagte ich ruhig. „Heute wollen wir nicht einkaufen. „Warum brauchen wir dann so viel Geld?", fragte er weiter.

    Die verdammte kindliche Logik. Wozu braucht man Geld?

    Man braucht es eben. Ohne Geld geht es nicht. Basta!

    Der Geldautomat verschluckte meine Karte. Ich tippte Geheimzahl sowie Wunschbetrag ein und wartete auf Karte und Geld. Aber nichts geschah. Weder das eine noch das andere wurde ausgespuckt. Ich solle mich doch an das Personal wenden, war schließlich auf dem Terminal zu lesen.

    „Sie können jetzt nichts abheben, sagte ich zu den hinter mir Wartenden. „Meine Karte steckt fest.

    Einer der Männer lachte laut auf.

    „Konto überzogen?, fragte er grinsend. „Geld ist wohl alle. Langsam reichte es mir.

    Warum kam mir heute einer nach dem anderen dumm?

    „Papa?, fragte mein Sohn. „Ist dein Geld wirklich alle? Ringsherum lachten die Leute.

    „Nein, sagte ich laut und bestimmt. „Unser Geld ist nicht alle, der Automat ist einfach nur kaputt.

    „Aber klar doch, lästerte der Nächste. „Bestimmt ist das Ding kaputt. Wir alle hier wollen nur bei der Reparatur zuschauen. Wenig später stellte sich doch tatsächlich heraus, dass der Geldautomat zu Unrecht meine Karte einbehalten hatte. Die Blicke der Wartenden straften mich dennoch weiter mit Verachtung. Genervt schlich ich hinaus aus meinem Kreditinstitut.

    Mein Sohn trottete mir hinterher.

    Den Tratsch der Tompeliner Klatschtanten, dass wir vollkommen pleite wären, konnte ich schon jetzt in meinem Kopf hören.

    „Ich muss pullern", rief der Kleine plötzlich.

    Das fehlte mir gerade noch.

    Ich schaute mich um, weit und breit war keine Toilette in Sicht, nur die Stadtmauer mit ihren kleinen versteckten Buchten. Verstohlen schaute ich mich um. Niemand schien uns zu bemerken, als wir schnell in einer Bucht verschwanden.

    „Das Puller kommt nicht raus, flüsterte er kurze Zeit später. Knurrend zog ich ihn wieder an und begab mich auf den Weg in die Stadtverwaltung. Über die kurze Wartezeit war ich hellauf begeistert, über das lange Gesicht der Sachbearbeiterin weniger. Zaghaft reichte ich meine Formulare über den Tisch. Währenddessen rannte mein Sohnemann kreuz und quer durch den Raum, auch ein Kind mit Fieber braucht ein wenig Auslauf. „Sie haben den Antrag unvollständig ausgefüllt, sagte die Frau. Ich nickte wissend.

    „Das weiß ich ja, antwortete ich unterwürfig. „Aber ich habe nicht alle Fragen verstanden.

    „Ich muss wieder pullern", rief mein Sohn plötzlich.

    Missbilligend blickte die Dame erst auf ihn und dann auf mich. „Das ist doch ein ganz einfaches Formular, sagte sie leicht gelangweilt. „Sie müssen doch nur die notwendigen Angaben ausfüllen, nach dem Kita-Gesetz des Landes Brannenburg und dem Einkommenssteuergesetz. Das kann doch nicht wirklich ein Problem sein. Oder können Sie etwa nicht richtig lesen?

    Das war doch die Höhe! Was hatten diese unverständlichen Gesetze denn mit meiner Fähigkeit zum Lesen zu tun? Ohne auf mein wütendes Gesicht zu achten, fuhr sie wenig später fort.

    „Als meine eigenen Kinder klein waren, haben wir sie zu Hause noch mal auf die Toilette gesetzt, bevor wir aus dem Haus gegangen sind. Aber woher sollen das die modernen Väter von heute auch wissen."

    Die absolut überflüssige Belehrung gab mir endgültig den Rest. Nach dem Rausschmiss aus dem amtlichen Zimmer war meine Urlaubsstimmung vollkommen dahin. Niedergeschlagen schlich ich nach Hause. Zu allem Überfluss begann es auch noch heftig zu regnen. Einen Regenschirm hatte ich nicht dabei.

    An einem Tag wie diesem hat man keinen Regenschirm dabei.

    An der Haustür wartete die nächste Überraschung: Zeitung und Post hingen tropfnass aus dem Briefkasten. Verärgert schnappte ich mir den nassen Papierstapel, ging die Treppe hinauf und schob den Schlüssel in das Türschloss. Nach einem lauten Knirschen wurde mir bewusst, dass es wohl der falsche Schlüssel gewesen sein musste. Er bewegte sich weder vorwärts noch rückwärts, nach oben nicht und nach unten auch nicht.

    „Ist die Tür kaputt?", fragte mein Kind.

    „Die Tür nicht, stellte ich deprimiert fest. „Nur der Schlüssel. Ich kann die Tür nicht aufschließen.

    „Warum ist denn heute alles kaputt?", fragte er weiter.

    Ja, warum eigentlich? Wenn ich darauf nur eine Antwort wüsste. Aber an solchen Tagen gab es ohnehin nur viele Fragen und kaum Antworten. Ich hatte die Nummer vom Schlüsseldienst und das Handy dabei. Mein Glück war geradezu unerklärlich.

    Eine halbe Stunde später und um fünfzig Euro ärmer, befanden wir uns endlich wieder in unserem heimischen Domizil.

    Tief durchatmend schloss ich die Wohnungstür hinter mir. „Papa, rief mein Kind. „Papa, ich habe Hunger.

    „Musst du denn nicht ganz nötig pullern?", fragte ich zurück.

    „Nein, nein", antwortete er kopfschüttelnd.

    Vollkommen umsonst, die ganze Aufregung. Sie hatte mich ein paar Nerven und einige neue graue Haare gekostet. Mehr nicht. „Was möchtest du denn essen?", fragte ich zurück.

    „Pommes", antwortete der Kleine sofort.

    Die Pommes lagen in der Tiefkühltruhe. Als der Backofen klingelte und die goldbraunen Kartoffelstäbchen auf dem Teller lagen, schaute mich mein Sohn vorwurfsvoll an.

    „Aber ich habe doch Nudeln gesagt, sprudelte es mir entgegen. „Nein, widersprach ich vehement. „Du hast Pommes gesagt." Das Kind schaute mich finster an und schüttelte den Kopf.

    „Nein, sagte er bestimmt. „Pommes mag ich aber nicht mehr. Zähneknirschend warf ich die Pommes in den Abfall, kramte bunte Tortellini hervor und stellte einen Porzellantopf auf den Herd. Leider vergaß ich, wenigstens den Boden mit etwas Wasser zu bedecken. Zehn Minuten später hörte ich einen lauten Knall. Die meisten Scherben lagen zum Glück auf dem Herd oder ganz in seiner Nähe. Aufregen konnte ich mich nicht mehr.

    Als es wenig später einen weiteren lauten Knall gab und eine der Herdplatten das Zeitliche gesegnet hatte, schob ich in aller Ruhe den Topf eine Platte weiter. Selbst heute würden nicht alle Herdplatten unsere Welt verlassen.

    Abgesehen davon, dass die Nudeln nicht schmeckten, brachten mich wenig später die Rufe aus dem Kinderzimmer auf die Palme. Aber nur beinahe, denn ich hatte ja immer noch Urlaub. Leider war das schon fast in Vergessenheit geraten.

    „Ich kann nicht mehr schlafen", hörte ich aus der oberen Etage, kaum dass ich versucht hatte, den Nachwuchs zu einem kleinen verspäteten Mittagsschlaf zu bewegen. Nachdem der erste, zweite und dritte Versuch trotz Versprechungen und Drohungen gescheitert war, nahm ich ihn wieder mit in die Wohnstube.

    Nach vier Mensch-ärgere-dich-nicht-Spielen, von denen ich, wie überraschend, natürlich alle vier verloren hatte sowie nach dem

    Bau von drei oder noch mehr Lego-Häusern, sehnte ich den Abend herbei. Das war zu viel für mich.

    Ich konnte einfach nicht mehr.

    Als es wenig später klingelte, seufzte ich auf. Eine Ablenkung konnte ich jetzt gut gebrauchen. Vor der Tür stand ein lächelnder Postbote und überreichte mir zwei Pakete. So schnell hatten wir mit den Lieferungen gar nicht gerechnet. Eine positive Überraschung in der Vorweihnachtszeit. Oder alles nur purer Zufall? Das erste Paket enthielt schöne Dinge, leider hatten wir nichts davon bestellt. Und der schlichte Schwibbogen aus dem zweiten Paket war ebenfalls wunderschön, hatte aber einen kaum zu verbergenden Makel: Er funktionierte nicht.

    Ich schloss die Augen. War das vielleicht nur ein Albtraum?

    Als ich die Augen wieder öffnete, war der Schwibbogen immer noch defekt, die Sachen hatten wir immer noch nicht bestellt und mein Sohn schaute mich verwundert an.

    „Ich will Milch trinken", sagte er. Warum war es keine Überraschung, dass ich im Kühlschrank keine Milch finden konnte? Das lag sicher daran, dass ich den Zettel auf dem Küchentisch übersehen hatte: Milch und Brot kaufen.

    Nur fünf Minuten entfernt befand sich ein Supermarkt. Bei all dem heutigen Pech hoffte ich inständig, dass sich der Laden auch jetzt noch dort befinden würde.

    Es dauerte erneut eine geraume Zeit, bis ich unseren Sohn eingekleidet hatte, aber die angeforderte Milch war nun mal nicht im Kühlschrank, sondern im Kühlregal eines Discounters. Schnell huschten wir durch den Nieselregen in den Supermarkt. Zurück mit Milch und Brot waren wir fast ebenso schnell.

    Der Regen hatte die Treppenstufen nass und rutschig gemacht. Dass ich mir kein Bein gebrochen hatte, empfand ich als ausgesprochen positiv. Die Tasche war weiß eingefärbt, die Milch tropfte heraus und den Rest hatte das frische Brot aufgesogen. Schimpfend humpelte ich die Treppe im Haus hinauf.

    Mein Sohn versuchte, mich zu überholen, rutschte aus und hielt sich brüllend sein rechtes Knie. Der Tag war noch nicht zu Ende, aber ich schwor mir, nicht einen einzigen weiteren Schritt vor die Tür zu setzen, keinerlei Geräte einzuschalten oder das Telefon abzunehmen.

    Am Abend erschien meine Frau.

    „Hast du den Zettel gesehen?, fragte sie gutgelaunt. „Milch und Brot sind alle. Du warst doch einkaufen?

    „Das Zeug liegt im Mülleimer, knurrte ich genervt. „Alles gut gemischt und in ganz vielen kleinen Scherben.

    „Ganz ruhig bleiben, sagte meine Frau schmunzelnd, „Das ist doch überhaupt kein Grund zur Panik.

    „Ich bin vollkommen ruhig, rief ich erregt und sprang auf. „Ich kann und will mich gar nicht aufregen. Ich habe ja Urlaub.

    Meine Frau wich erschrocken einige Schritte zurück.

    „Ich bin absolut ruhig", schrie ich und ergriff wütend die Vase neben dem Fernseher. Danach die Vase auf dem Couchtisch, dann den Couchtisch, dann den Fernseher und dann … leider kann ich mich nicht mehr an alle weiteren Details meiner nachfolgenden Verwüstungen erinnern.

    Zehn Minuten später sah ich mich nur vor einer einzigen Frage: Wie sollte ich das meiner Versicherung erklären?

    Glauben Sie mir. Es gibt sie einfach … diese Tage!

    Von einem, der auszog, das Forschen zu lernen!

    Ein modernes Märchen aus der bitteren Realität

    Es war einmal ein junger, dynamischer Wissenschaftler namens Albert in einer alten, ehrwürdigen Universität. Dort saß er nun und strebte mehr oder weniger fleißig nach wissenschaftlichen Erkenntnissen. Eines Tages nun musste Albert sich an seinen Schreibtisch setzen und ein kleines Buch schreiben, welches er Projektantrag nannte. In diesem Buch standen viele gute Ideen, die den Leuten im fernen Ministerium so gut gefallen mussten, dass sie bereit waren, Geld für junge, dynamische Wissenschaftler und hochtechnische Gerätschaften auszugeben. Mit Elan saß er nun Tag für Tag, grübelte und zermarterte sich sein Gehirn und dabei wuchs sein Buch unmerklich Seite um Seite. Nach langen sechs Wochen war es endlich soweit, das Buch war fertig. Jedes einzelne Goldstückchen war wohl geordnet und wahrlich gut begründet.

    Kurze Zeit später (etwa nach einem halben Jahr) begab es sich, dass aus dem fernen Ministerium, aus der Hauptstadt des neuen großen Reiches, ein Mann kam, der den wohlklingenden Titel eines Projektbearbeiters trug. Der Mann war sehr freundlich, trieb aber mit seinen Fragen unseren armen Albert an den Rand des Wahnsinns. Denn noch nie hatte er sich mit den wirklich wichtigen Fragen des Projekts gründlich auseinandergesetzt. Wie viele Bleistifte, Folien und Blätter Papier brauchte ein Wissenschaftler pro Woche? Gab es eigentlich Umrechnungstabellen für die verschiedenen Härtegrade von Bleistiften? War gar der Abrieb beim Schreiben gleich? Auch die Vielfalt an den unterschiedlichsten Papiersorten verwirrte den jungen und nicht mehr ganz so dynamischen Wissenschaftler Albert. Zum ersten Mal bekam er eine dumpfe Ahnung von dem, was da in der Zukunft auf ihn zukommen würde.

    Und so geschah es also, dass es ihm zum ersten Mal heiß und kalt den Rücken herunterlief. Da es der Wunder ungezählte gibt, geschah es eines schönen Sommertages, dass der Projektantrag mit Wohlwollen im fernen Ministerium aufgenommen wurde. Der junge, jetzt wieder etwas dynamischere Wissenschaftler hatte, nun froh gelaunt, die Absicht, all die schönen und teuren Geräte zu kaufen, die er so dringend brauchte (so stand es jedenfalls in seinem Antrag). Da ahnte er noch nichts von den Wirbeln, die ihn bald ergreifen würden und vom verwaltungstechnischen Perfektionismus, der das Reich an allen Ecken und Enden fest im Griff hatte. Die Dynamik des Wissenschaftlers Albert drohte zum Stillstand zu kommen. Die nächsten Wochen bestätigten seine schlimmsten verwaltungstechnischen, gespenstischen Vorstellungen von Gutachtern und Sachbearbeitern, welche im Volksmund stark verharmlosend einfach nur Bürokraten genannt wurden.

    Die bisherige, geradezu sträflich naive Auffassung Alberts vom Einkauf war folgende: Wenn man einen Schreibtisch von Projektgoldstückchen kaufen will, dann gehe man zu drei Tischlern, nenne ihnen die Größe des Tisches, die Art der Maserung und die Zahl der Schubkästen und schreibe sich dann auf, wie viele Goldtaler jeder der drei Tischler haben will. Die Niederschrift schicke man dann an das ferne Ministerium, wo streng blickende und seriös handelnde Menschen prüfend einen Blick in jene Schriftnotiz werfen. Bei einem positiven Bescheid gehe man dann zu einem der drei Tischler und kaufe einen Schreibtisch mit vielen großen Schubkästen. Armer Albert! Diese Naivität wurde nur noch übertroffen von der Größe des antarktischen Inlandeises. Es kam alles ganz anders und viel schlimmer. Als der junge, dynamische Wissenschaftler freudestrahlend die vielen Goldstückchen sah, bemerkte er mit Befremden die vielen, ihm bisher unbekannten Hände der Verwaltung, die auf einmal seinen nicht allzu großen Projekttopf umdrehten und seine schönen Goldtaler nachzählten.

    Trotzdem ging nun unser Albert, mit einer ministeriellen Genehmigung in der Tasche, freudestrahlend zu einem Tischler und wollte einen Tisch kaufen. Mit stolzgeschwellter Brust wählte er einen wunderschönen Schreibtisch mit fünf Schubkästen aus und insgeheim malte er sich aus, wie schön es sich an und auf diesem Tisch Anträge und Projektberichte schreiben lassen würde. In der Folge aber durchschritt Albert einen verwaltungstechnischen Irrgarten, der ihn an die Bewältigung der Sturmbahn während seiner Armeezeit zu Zeiten des alten Reiches erinnerte. Der Chef schickte seinen jungen Wissenschaftler zuerst einmal auf Erkundung in das Dezernat Besorgung. Dort wurde ihm freundlich mitgeteilt, dass eine Bestellung überhaupt kein Problem sei, man müsse doch nur ein einfaches Formblatt ausfüllen, drei Angebote dazugeben und schon geht alles seinen Lauf. So machte sich nun also Albert auf den Weg und besorgte sich drei Angebote. Dann füllte er gewissenhaft das ihm teilweise völlig unverständliche Formblatt aus und schickte es an das Dezernat Besorgung. Dort kam es prompt zurück, mit der Bemerkung, man müsse natürlich doch erst zum Tischler der Universität, um die Angebote prüfen zu lassen. Also machte sich Albert erneut auf den Weg und versuchte in der folgenden Woche, den Tischler zu erreichen. Nachdem ihm das irgendwann gelungen war, sandte er in einem glückseligen Taumel die Bestellung zurück an das Dezernat Besorgung. Von dort wurde ihm am nächsten Tag mitgeteilt, dass Schreibtische mit mehr als zwei Schubkästen der persönlichen Zustimmung des Universitätskardinals unterliegen. Die Anordnung sei zwar irgendwann nur mündlich gegeben worden, aber sie müsse doch überall an der Universität bekannt sein. Und wenn sie nicht bekannt sein sollte, dann habe man sich dennoch danach zu richten. Trotz aller frustrierenden Nachforschungen, selbst im Sekretariat des Kardinals, gelang es unserem jungen und nun überhaupt nicht mehr dynamischen

    Wissenschaftler nicht, einen einzigen Grund für diese Anordnung zu erfahren. So also setzte sich unser armer Albert an seinen alten, wackligen Schreibtisch und verfasste eine Bittschrift an den Kardinal der altehrwürdigen Universität, die er Antrag zum Kauf eines Schreibtisches mit mehr als zwei Schubkästen nannte. Diesen schickte er auf den unergründlichen Dienstweg durch einige bekannte und viele unbekannte Instanzen der großen und weitläufigen Universität.

    Über allem, ganz oben, irgendwo in den unendlichen Weiten der Institution, thronte der Kardinal und entschied über alle wichtigen und unwichtigen Kleinigkeiten, die jeden Mitarbeiter und alle jungen, dynamischen Wissenschaftler betrafen.

    Und wenn das Projekt noch nicht beendet ist, dann sitzt der nicht mehr ganz so junge und überhaupt nicht mehr dynamische, nun eher depressive und leicht ergraute Wissenschaftler auf einem alten Stuhl, hält einen Stift in seinen zittrigen Händen und wartet geduldig und still vor sich hinlächelnd auf seinen Schreibtisch mit mehr als zwei Schubkästen.

    Der Adventskalender

    Advent, Advent, ein Lichtlein brennt.

    Erst eins, dann zwei, dann drei.

    Schließlich ist es endlich soweit.

    Weihnachten ist am 24. Dezember.

    Wenn man aber den Geschäften, Märkten oder Versandhäusern glauben mag, beginnt Weihnachten bereits Anfang September, allerspätestens aber im Oktober.

    Gerade, als ich die noch vom Mittelmeer-Urlaub feuchtklamme Badehose in die immer noch kräftige Spätsommersonne hängte, blätterte meine Frau bereits interessiert die ersten Weihnachtskataloge durch, voll mit Tannenzweigen, ökologischen Kränzen, Nürnberger Lebkuchen, geschnitzten Engeln und Schwibbögen aus dem Erzgebirge, Salzwedeler Baumkuchen, Strohsternen, Baumspitzen, diversen Geschenkideen und bunt schillernden Weihnachtsbaumkugeln. Aber es waren nicht nur die Kataloge.

    Es war das simple Problem, beim Einkaufen an den vielen, schräg und sperrig in die Gänge gestellten, mehrstöckigen Schokoladenregalen vorbeizukommen, ohne, dass unser vierjähriger Nachwuchs die bunten Verpackungen in Griffweite bekam.

    Haben Sie schon einmal versucht, einem Kleinkind den mühsam ergrapschten Schoko-Weihnachtsmann wieder zu entreißen? Oder ein zermatschtes weiß-rotes Überraschungsei?

    Glauben Sie mir: Ein Schraubstock ist ein Spielzeug dagegen.

    Der nächste Adventskalender musste es sein. Der da aber auch. Warum nicht noch einen dritten? Oh, der ist doch auch so schön. Die sich im trauten Heim stapelnde Schokolade reichte wohl noch nicht aus. Durfte es noch ein wenig mehr sein? Bereits nach wenigen Tagen reagierte ich auf Adventskalender wie ein gereizter bösartiger Stier.

    Im Getränkemarkt fühlte ich mich bisher sicher. Schnell füllte sich mein Einkaufswagen: Ein Kasten Bier, ein Kasten Apfelsaft und ein Kasten Wasser mit halber Kohlensäure.

    Ich wollte das Geschäft gerade verlassen, als ich die Stimme des Verkäufers hinter mir vernahm.

    Möchten Sie vielleicht einen Adventskalender?

    Als ich ihm nur mit einem dumpfen Knurren antwortete, mich langsam umdrehte und er in mein hochrotes Gesicht sah, wich er erschrocken einige Schritte zurück.

    Haben Sie auch nur einen einzigen von diesen schwachsinnigen schokoladigen Kalendern, den mein Sohn noch nicht hat?

    Meine Frage hatte einen sehr drohenden Unterton.

    Seine Antwort machte mich aber schlagartig ruhig und neugierig. Keine Schokolade! Der Adventskalender für den modernen Herrn! Wow. Ein Kalender für mich? Meine sehr reservierte Erwartungshaltung wurde um Größenordnungen übertroffen.

    Der Verkäufer hielt mir einen bunten Pappkasten entgegen. Hinter jedem bunten Türchen steckte eine 0,33er Büchse. Misstrauisch schaute ich auf den Verkäufer.

    Dann wieder auf den bunten Pappkasten.

    Garantiert kein billiges Büchsenbier, Qualität aus deutschen Landen. Gebraut nach dem deutschen Reinheitsgebot von 1516. Sie wissen schon.

    24 Büchsen mit 24 mal 330 Milliliter braufrischem Bier für 24 Mal Hochgenuss an ganzen 24 Tagen. Das bedeutete garantierte 24 Mal einen erlabenden Trunk, 24 Mal eine köstliche Erquickung. Und das Ganze für nur Euro 13,99. Fast geschenkt.

    Daheim angekommen, schaute ich auf den Kalender.

    War heute wirklich erst der 28. November?

    Aber das erste Türchen rief: Öffne mich. Öffne mich sofort. Verdammt, es war noch nicht Dezember. Ich drehte mich um, aber in meinem Rücken vernahm ich ein leichtes Klappern. War das die Büchse hinter dem ersten Türchen? Suchend schaute ich mich um. Weder meine Frau noch der Nachwuchs waren in der Nähe. Warum sollte ich päpstlicher sein als der Papst?

    Nach der langen Einkaufstour schmeckte die erste Büchse vorzüglich, sie verdampfte geradezu in meiner Kehle. Die zweite konnte den Durst schon fast löschen. Allerdings nicht ganz, aber die dritte erreichte schließlich den Magen. Und nach der vierten kam ich auf den Geschmack. Es handelte sich wirklich um richtig gute Braukunst nach dem deutschen Reinheitsgebot von 1516, stellte ich nach der fünften Büchse fest. Als meine Frau in die Küche kam, drehte ich den Kalender schnell um.

    Niemand durfte die vielen geöffneten Türen entdecken.

    Zur Ablenkung hielt ich meiner Frau den neunten, oder war es doch schon der zehnte, Schoko-Adventskalender vor die Augen. Aber ihre Freude darüber war etwas getrübt.

    Wo wollen wir den noch hinstellen? Am Bett steht ein Kalender, der nächste an der Tür, der nächste oben an der Treppe, der nächste unten an der Treppe ....

    Ich zuckte mit den Schultern, außerdem waren mir die blöden Schokokalender nach der sechsten gar wohlschmeckenden Büchse auch vollkommen egal.

    Ich könnte ein paar im Kindergarten abgeben, sagte ich schnell, denn in meinem Rücken klapperte bereits die siebente Büchse ungeduldig in ihrem bunten Papp-Gefängnis. Überraschenderweise fand meine Frau diese spontane Idee ausgezeichnet und so beglückwünschte ich mich wenig später mit ein oder zwei weiteren Büchsen Adventsbier.

    Endlich konnte auch ich der nahenden Adventszeit viel Positives abgewinnen – multipliziert mit nullkommadreiunddreißig Liter. Am nächsten Tag, dem Morgen des 29. Novembers, musste ich allerdings mit Erschrecken feststellen, dass ich bei meinem Adventskalender bereits den 15. Dezember erreicht hatte. Bei meiner Geschwindigkeit war morgen früh Heiligabend.

    Was tun?, fragte sich Lenin schon vor sehr vielen Jahren. Womöglich stand er damals vor ähnlich schwierigen Problemen. Laut dem allgemein akzeptierten Kalender war noch fast ein

    Monat Zeit, laut meinem Adventskalender rückte das Fest aber deutlich schneller heran. Nur würde meine Zeitrechnung wahrscheinlich nicht die entsprechende gesellschaftliche Anerkennung finden. Ich musste eine Lösung finden. Wenn nur meine verdammten Kopfschmerzen nicht wären. Ich bräuchte einige Vorwände, um weitere Adventskalender für den modernen Herrn erwerben zu können, ohne dass meine neuartige Zeitrechnung Aufsehen erregen würde.

    Nach etlichen Stunden mühseliger Grübelei hatte ich eine Idee. Heimlich schlich ich in das Kinderzimmer, griff mir einen Kalender, öffnete alle Türchen und stopfte mir die Schokolade hastig in den Mund. Nachdem ich im Bad alle verdächtigen Spuren von Mund und Fingern entfernt hatte, schritt ich laut polternd in das Wohnzimmer, in dem unser Sohn tief versunken mit seinem Lieblings-Teletubbie spielte und hielt den gähnend leeren Adventskalender in die Höhe. Sein unschuldiger Blick bescherte mir sofort ein ziemlich schlechtes Gewissen.

    Aber jetzt gab es kein Zurück mehr.

    Warum hast du die ganze Schokolade gegessen? schimpfte ich laut. Aber meine Frau schien mich noch nicht gehört zu haben.

    Ich war noch nicht laut genug gewesen.

    Du kannst doch nicht einfach alle Türchen aufmachen. Verwundert erschien meine Frau in der Tür.

    Wann soll der Kleine das alles gegessen haben, fragte sie, mehr zu sich selbst, er war heute Nachmittag noch gar nicht oben. Woher soll ich das wissen, rief ich aufbrausend. Da ich die anderen Kalender in der Kita abgegeben habe, muss ich wohl für unseren Sohnemann einen neuen besorgen.

    Meine Frau tröstete inzwischen den heulenden Nachwuchs und ich schlich mich schnell davon.

    Die geniale List hatte bestens funktioniert.

    Am späten Abend wanderte die leere Papphülle des ersten Adventskalenders für den modernen Herrn in den Papiercontainer. Mit einem Prosit auf den/die/das Umweltminister*in. Entsetzt stellte ich fest, dass ich bis zum allgemein anerkannten Weihnachtsfest noch mehrere gute Tricks bräuchte, jedenfalls bei meinem derzeitigen Arbeitstempo. Wie aber sollte ich es schaffen, meinem Sohn wieder und wieder den Schwarzen Peter in seine kleinen Schuhe zu schieben? Ein solches Maß an Ungehorsam würde selbst meine Gattin schnell misstrauisch machen. Alle zwei Tage einen prall gefüllten Adventskalender zu vernaschen, wäre meiner Figur allerdings kaum zuträglich und auch viel zu auffällig.

    Ich musste neue Wege finden. Vorerst hatte ich zwei Tage Aufschub. Zwei kurze Tage, um einen perfekten Plan bis zum Heiligabend zu entwickeln. Nach zwei Tagen war ich auf fast alles vorbereitet, jetzt musste ich nur in aller Ruhe die Gelegenheiten abpassen. Allerdings fiel es mir sehr schwer, angesichts meiner schnell fortschreitenden 0,33er-Adventszeit, immer die Ruhe zu bewahren. Dann waren sie da – all die guten Gelegenheiten.

    Ein Schokokalender verschwand spurlos. Wer weiß, wo unser Sohn den untergewühlt hatte? Kinder kennen die allerbesten Verstecke. Ein weiterer wurde bei einem überraschenden Schneeregen völlig durchnässt. Wie konnte ich auch nur vergessen, das Fenster rechtzeitig zu schließen? Der nächste rutschte unglücklicherweise vom Tisch, ich konnte nicht mehr ausweichen. Die sieben Fußabdrücke, meine Frau schaute mich skeptisch an, konnte ich auch nicht erklären. Passiert ist passiert. Ein Kalender, kaum gekauft, wurde von einem aggressiven Dackel zerfetzt. Immer wieder diese Kampfhunde. Irgendein Bösewicht hatte die Leine einfach zerschnitten.

    An das Weihnachtsfest konnte ich mich irgendwie nicht mehr erinnern. Möglicherweise hatte ich die ganze Bescherung verschlafen. Die vielen Geschenke meines Kindes jedenfalls waren mir alle vollkommen unbekannt. Ich hatte entweder keine bekommen oder sie waren bereits wieder verschwunden.

    Ich wusste es einfach nicht mehr.

    Eine Sache steht aber fest: Im nächsten Jahr kaufe ich nur einen Adventskalender mit Flaschenbier.

    Büchsenbier schmeckt einfach nicht!

    Buy one – get one free

    Wir waren im Urlaub. In England. Ganz unten im Süden dieses eigenartigen Landes. Vielleicht erinnern Sie sich dunkel: England, das ist die Insel, auf der die meisten Dinge irgendwie anders sind als im restlichen Europa. Die Autos dort haben das Lenkrad auf der falschen, also der rechten Seite. Passend dazu fahren die Engländer allerdings auch auf der falschen, also der linken Straßenseite. Damit aber nicht genug: Zum Frühstück gibt es Schinken, Eier, Würstchen, Tomaten. Gebraten, gekocht, heiß bis lauwarm und schön fetttriefend. Panierter und frittierter Fisch, serviert in fettaufsaugendem Zeitungspapier mit mehr oder weniger knackig-pappigen Pommes, in aller Welt bekannt als Fish and Chips, sind nun wirklich nicht jedermanns Geschmack. Vieles ist anders – dort in England. Ein wesentliches Problem kannten wir allerdings auch aus Deutschland: Alles war teuer, wirklich viel zu teuer. Aber schließlich waren wir im Urlaub.

    Da schaut man nicht auf das schnöde Geld.

    Man hat es oder sollte gar nicht erst in den Urlaub fahren.

    Ein schöner neuer

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1