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IKE - ein (Kampf-)Hundeleben
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eBook330 Seiten4 Stunden

IKE - ein (Kampf-)Hundeleben

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Über dieses E-Book

Dieses Tagebuch über das Leben mit einem sogenannten "Kampfhund" erzählt von den schönen aber auch den schweren Momenten. Der Hund weiß nicht, dass man ihn Kampfhund schimpft - aber dennoch bestimmt dieses Stigma sein ganzes Leben und das seiner Besitzer. Die Autorin möchte zeigen, dass man jede Rasse aggressiv machen kann, aber kein Hund aggressiv auf die Welt kommt. Ike war das beste Beispiel dafür: er liebte Mensch und Tier und lebte sein Leben in freundlicher, friedlicher Naivität.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum23. Aug. 2017
ISBN9783743953161
IKE - ein (Kampf-)Hundeleben

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    Buchvorschau

    IKE - ein (Kampf-)Hundeleben - W. Lenzke

    Teil I – die ersten Wochen

    20. Januar 2009 - Tiere suchen ein Zuhause

    Eigentlich sollte ich nicht 'Tiere suchen ein Zuhause' schauen. Ich weiß das, aber seit Joey und ich zusammenwohnen, sehen wir es uns trotzdem öfters an. Er zieht mich dann immer auf, weil ich nicht etwa die hübschen, umkomplizierten Hunde nehmen würde, sondern die, die keiner mehr haben will: zu alt, behindert, schwierig oder alles zusammen.

    Aber vorgestern hat er tatsächlich gefragt, ob wir uns nicht einen Hund holen sollen. Natürlich will ich - aber wie soll das gehen? Wir sind beide gut zehn Stunden am Tag nicht zu Hause, wir unternehmen auch in der Freizeit viel, fahren weg, und am Wochenende liegen wir auch gerne länger mal im Bett. Trotzdem, der Gedanke reizt ungemein. Und da war doch so ein netter Dogo Argentino in der Sendung. Der war sogar noch recht jung und fit. Ich schaue einfach mal auf die Internetseite.

    Der Dogo hat so viele Interessenten, dass man in seinem Tierheim meint, der ginge garantiert weg. Noch eine Interessentin mehr brauchen sie nicht. Joey schlägt vor, mal bei unserem Tierheim nachzusehen, und da ist direkt auf der ersten Seite eine neun Jahre alte Hündin mit einem steifen Hinterbein. Ein Notfall, weil sie wegen der Behinderung und des Alters keiner mehr haben will, außerdem ist sie ein American Staffordshire Mischling, also ein sogenannter „Kampfhund". Da ist die Steuer viel teurer und auch sonst ist es wohl mit allerlei Auflagen behaftet. Ein hübscher Hund (ich mag ja auch Bullterrier, obwohl die immer ein bisschen wie kleine Schweinchen aussehen). Die Hündin heißt Tara. Joey meint, wir könnten ja mal hin gehen.

    01. Februar 2009 - Tara

    Im Tierheim gab man mir die Nummer von Fanny, der 'Gassigängerin' von Tara. Toll, dass es Menschen gibt, die so etwas für Tierheimhunde tun. Früher gab es das nicht, da sind die Tiere im Zwinger versauert bis sie irgendwann dort starben. Fanny will sich mit uns treffen, damit wir uns Tara mal ansehen. Bin ganz aufgeregt und kaufe Leckerchen um mich einzuschmeicheln!

    Dann sind wir dort und Tara sieht viel schlechter aus als auf den Internetfotos. Sie leidet sehr im Tierheim, ist auch schon sechs (!) Jahre dort und hat im letzten Jahr einen Zwingerkoller entwickelt, d.h. sie springt die ganze Zeit an den Wänden hoch. Ansonsten ist sie sehr lieb und ruhig, mag Menschen, allerdings keine anderen Hunde. Wir waren mit ihr und Fanny spazieren, und wenn andere Hunde kommen muss man Tara ablenken oder weiterziehen. Das ist zwar anstrengend aber ich denke, damit könnte man klar kommen. Auch mit dem steifen Bein, was sie natürlich an langen Spaziergängen und erst recht an meinen geliebten Wanderungen hindert. Aber für einen Hund würde ich schon zurückstecken, denke ich.

    Ein größeres Problem ist, dass sie nicht alleine bleiben kann. Wie soll das gehen, wenn wir mal weg müssen, zum Arzt oder so? Zur Arbeit müsste ich sie ohnehin mitnehmen, falls meine Chefs das erlauben. Peter ist da sicherlich kein Problem aber Paul ist ja auf Tierhaare allergisch.

    Weniger problematisch ist für uns die Tatsache, dass es ein Kampfhund ist.

    Obwohl ich bisher gar nicht wusste, was es da alles für Auflagen gibt:

    Wir müssen ein Führungszeugnis beantragen und eine Sachkundeprüfung beim Veterinäramt ablegen. Außerdem kommt jemand vom Ordnungsamt zu uns nach Hause und schaut sich an, in welchen Verhältnissen wir leben, ob die Wohnung für den Hund ausbruchsicher ist, er vernünftig untergebracht ist etc. Der Vermieter muss schriftlich zustimmen und erst wenn all das vorliegt, bekommen wir die offizielle Genehmigung. Die Steuer beträgt dann 600 € im Jahr, es sei denn, der Hund besteht den Wesenstest und bekommt Maulkorbbefreiung, dann zahlen wir wie alle anderen Hundebesitzer auch 98 €.

    In Urlaub darf man nur mit bestimmten Auflagen und auch nicht in jedes Land einreisen. Frankreich und England zum Beispiel fallen dann künftig weg. Aber auch innerhalb Deutschlands gibt es Dinge zu beachten und zu befolgen. Man darf den Hund nicht mal von der Nachbarin oder sonst jemandem ohne entsprechende Zulassung Gassi führen lassen (z.B. weil man krank ist) oder auch nur in deren Wohnung „parken", wenn man mal etwas erledigen muss und der Hund nicht allein zu Hause bleiben soll (z.B. weil er krank ist).

    Man darf ihn nicht vor einem Geschäft anbinden, da man ihn ständig unter Kontrolle haben muss und darf auch nur in nüchternem Zustand mit ihm unter die Leute.

    Alles nicht so einfach! Aber ich trinke kaum Alkohol, vor einem Geschäft würde ich den Hund eh nie allein lassen (dafür werden die zu oft geklaut) und Italien ist mindestens so schön wie Frankreich. Wie England sowieso...

    06. Februar 2009 - Der Chef

    Ich habe meine Chefs gefragt und ein bisschen auf die Tränendrüse gedrückt. Mitleid mit dem Hund haben sie dann doch gehabt und Paul meinte, wenn ich ihn mal mitbringe und er nicht allergisch reagiert, könnten wir darüber reden.

    Fanny und Tara waren daraufhin heute bei mir im Büro. Mit den behinderten Menschen in unserer Werkstatt hat sie überhaupt keine Probleme und obwohl Paul etwas allergisch reagiert (er hat sie allerdings zum Testen extra gestreichelt und sich danach mit den nicht gewaschenen Händen mehrmals ins Gesicht gefasst) meint er, ich könnte den Hund mitbringen. Er würde dann halt die Finger von ihr lassen.

    Die größte Hürde ist geschafft!

    03. März 2009 - Aus der Traum?

    Bin in Hamburg zu einer einwöchigen Schulung. Samstag, wenn ich zurück bin, wollen wir Tara endlich aus dem Tierheim holen. Wir haben zwischenzeitlich unsere Führungszeugnisse beantragt, eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen und beim Veterinäramt die Sachkundeprüfung abgelegt. Das ist ein Test von etwa 52 Fragen, die sich auf das Verhalten von Hunden, übertragbare Krankheiten und rechtliche Dinge beziehen und nachweisen sollen, ob man genug Ahnung von Hunden hat, um mit einem ‚Anlage- bzw. Listenhund‘ (so nennt man Kampfhunde inzwischen politisch korrekt) richtig umzugehen.

    Dann kam noch ein Mann vom Ordnungsamt nach Hause und hat unsere Wohnung inspiziert: sind wir Messies und/oder drogensüchtige Trinker? Kann der Hund auf den Balkon des Nachbarn springen oder auf andere Art entkommen? In seinem Beisein mussten wir die Türklinken ausbruchsicher nach oben schrauben, dann war er zufrieden. Ob der Hund artgerecht gehalten werden kann und ein schönes Plätzchen zugewiesen bekommt schien ihm dabei eher zweitrangig.

    Jedenfalls haben wir alles geschafft, und auch wenn wir Tara wegen meiner Schulung noch nicht holen konnten, bin ich jeden möglichen Tag von der Arbeit aus ins Tierheim gefahren und mit ihr Gassi gegangen. Manchmal war sie so schwach, dass wir uns nur auf die nächste Bank im Wald gesetzt haben, ich habe ihr etwas zu fressen gegeben und sie gestreichelt. Das hat sie so genossen, dass sie sich anschließend nur mit Gewalt wieder ins Heim zurückbringen ließ. Es zerreißt mir das Herz!

    Sie wurde von Tag zu Tag dünner, hatte ständig Durchfall und am Mittwoch vor der Schulung durfte ich sie gar nicht herausholen, weil sie blutigen Durchfall und Erbrechen hatte. Wir haben eine Tierarztversicherung abgeschlossen, denn es ist klar, dass dieser Hund alles andere als fit ist.

    Und nun bekomme ich heute den Anruf von Fanny, dass Tara eingeschläfert werden musste: sie hatte eine großen Tumor am Magen, der durchgebrochen ist.

    Ich bin traurig, weil ich mich so auf den Hund gefreut hatte, aber ich habe auch das Gefühl, dass es vielleicht besser so ist. Mit Tara wäre eine Menge auf uns zu gekommen. Klar, ich hatte mich für sie entschieden, und als ich merkte wie schwierig sie war – insbesondere in Bezug auf das Nicht-alleine-bleiben und die Aggressivität Artgenossen gegenüber – wollte ich nicht ‚kneifen‘. Aber sie wäre eine erhebliche Belastung für mich und vermutlich auch für unsere Beziehung geworden, denn ich habe immer gemerkt, dass Joey mehr oder weniger nur mir zuliebe eingewilligt hatte. Einen echten Draht zu ihr hat er nicht bekommen.

    Wir haben dann abends telefoniert, und ich habe ihm die Entscheidung überlassen, ob wir das ‚Projekt Hund‘ nun aufgeben oder uns nach einem anderen umsehen. Sicherheitshalber habe ich schon einmal eine Liste der Dinge gemacht, die ich besorgt habe und ggf. jetzt zurückgeben oder im Internet verkaufen müsste: Näpfe, Halsband, Leine, Maulkorb, Schlafkissen für Hause und für‘s Büro, eine große Tüte Futter etc. Aber Joey möchte auch einen Hund. Er habe schon im Internet nachgesehen und da wären ja noch einige andere nette. Dass wir uns wieder für einen Listenhund entscheiden ist jedenfalls klar, jetzt, wo wir alle Voraussetzungen erfüllen.

    Und es gibt wirklich so viele davon im Heim, weil sie ja keiner haben will: zu teuer, zu schwierig, zu sozial belastet.

    In der Seminarpause laufe ich an den Hotel-PC und schaue mir die anderen Hunde an. Acht drucke ich aus und rufe im Tierheim an, dass wir Samstag kommen und uns umschauen. Spike, ein kleiner dunkelbrauner Stafford, auch schon ein paar Jahre dort und neun Jahre alt, der aber alleine bleiben kann, möglicherweise auch Auto fahren mag und wenig Probleme mit anderen Hunden hat, erscheint mir ganz geeignet.

    Ich kann das Ende des Seminars gar nicht abwarten: ich will nach Hause und (m)einen Hund holen!

    07. März 2009 - SpIke

    Gleich nach dem Frühstück ins Tierheim. Die zuständige Pflegerin führt uns zu einer Box in der zwei Spikes sitzen, aber irgendwie sieht keiner von denen wie der aus dem Internet aus. Der dicke Spike ist ein Chinesischer Faltenhund, der andere immerhin ein Stafford, also wird der es wohl sein. Im Gegensatz zu den meisten anderen Hunden, die sofort ans Gitter laufen, ignoriert er uns. Erst als die Pflegerin nach ihm ruft, kommt er, dreht uns aber gleich wieder den Rücken zu und setzt erst einmal ein ziemlich dünnflüssiges, unglaublich 'wohlriechendes' Häufchen direkt vor unsere Nase. Dann trollt er sich.

    Die Pflegerin schaut bestürzt, schlägt dann aber schlau vor, ihn aus dem Zwinger auf die Auslaufwiese zu holen. Wir wollen sie nicht enttäuschen, aber auf dem Weg dorthin sind wir uns einig: dieser lethargische Hund ist nicht das, was wir uns vorgestellt haben. Wir raunen uns zu: Der ist es wohl eher nicht, oder? Nö, glaub' ich auch, aber jetzt hat sie ihn rausgeholt, dann schauen wir ihn mal an.

    Es dauert, bis sie ihn dazu gebracht hat den Zwinger zu verlassen (klar, wenn sie gerufen hat kam immer der falsche Spike), und so setzen wir uns schon mal an der Wiese auf eine Bank. Eine Gassigängerin spricht uns an: sie hat Spike am Wochenende bei sich zu Hause gehabt und ist absolut begeistert von dem Hund. So ein fröhlicher, freundlicher Geselle, der sich wunderbar mit ihren eigenen Hunden verstanden habe und ein ganz wunderbarer 'Anfängerhund' sei. Ach ja ?

    Dann kommt „unser" Spike endlich um die Ecke und ist plötzlich wie ausgewechselt. Er wedelt uns an, findet sofort die Leckerlis in meiner Jackentasche und steckt schnaubend seine dicke Nase in die Tüte.

    Er ist lebhaft und lässt sich mit Begeisterung streicheln, stützt sich dabei auf meine Knie und will seine Schnauze unbedingt in mein Gesicht stupsen.

    Ich merke, wie Joey seine Meinung über den Hund revidiert - und ehrlich gesagt, gefällt er mir auch richtig gut. Wir nehmen seine Leine und drehen ein paar Runden auf dem Gelände. Dabei ist er an allem interessiert, aber weder bei den anderen Hunden, noch bei den Hängebauchschweinen oder Schafen und Ziegen in irgendeiner Weise aggressiv.

    Bevor wir zu der erwartungsvollen Pflegerin zurückkommen frage ich: Und? Wie findest Du den Hund?

    Ja also, meint Joey, was mich angeht, können wir ihn nehmen.

    Die Gassigängerin jubelt mit der Pflegerin um die Wette, und als wir fragen, wann wir ihn haben könnten meint sie wir könnten ihn sofort schon mitnehmen. Lediglich ein paar Formalitäten noch und am Montag sollte ich noch mal zur Tierärztin kommen, weil an seinem rechten Hinterlauf eine Schwellung sei für die er eine Spritze bekommen soll.

    Als wir für die Formalitäten ins Büro gehen schaue ich mir dort den Katalog an, weil ich noch mal die näheren Angaben zu Spike nachschauen möchte. Ich erinnere mich nicht mehr an alles, was da im Internet stand.

    Ich finde den Hund im Katalog nicht, und es stellt sich heraus, dass man ganz vergessen hat „unseren" Spike zu fotografieren und ins Internet zu stellen. Der den ich dort gesehen habe ist also tatsächlich ein anderer, als dieser hier. Schicksal?

    'Unser' Spike ist erst sechs Jahre alt und seit Oktober im Heim, weil sein früherer Besitzer die Auflagen nicht erfüllt hat. Ob er kinderlieb ist oder gerne Auto fährt weiß niemand. Sollte das nicht gehen, müssten wir ihn tatsächlich zurückbringen - denn wenn ich ihn nicht mit zur Arbeit nehmen kann geht es einfach nicht.

    Aber nun nehmen wir ihn erst mal mit und schauen, wie es so klappt mit ihm.

    Auf dem Heimweg sind wir uns jedenfalls schon einmal einig, dass er nicht einer von zig tausend 'Spikes' bleiben soll: wir kürzen ab und nennen ihn kurz „Ike". So wie Ike Eisenhower oder – etwas poppiger – Ike von Ike & Tina Turner.

    Im Laufe der Zeit bekommt er sowieso jede Menge Spitznamen. Specki, Grunze, Schnarche... Auf die hört er genauso gut, oder genauso wenig, wenn sein Terrierdickschädel mal wieder auf Durchzug schaltet.

    08. März 2009 - Gourmet oder Gourmand?

    Nassfutter verträgt er offenbar nicht gut; daher auch die dünnflüssige Begrüßung im Tierheim. Um etwas dagegen zu tun versuche ich es mit Banane, aber die frisst er nicht. Harte nicht und weiche auch nicht. Da schafft er es sogar, sein Futter drumherum weg zu lecken bis die Schlüssel glänzt, aber die Bananenscheiben unangetastet darin übrig bleiben. Also gibt es ein paar Kräcker. Die findet er toll und durch das Salz ist der Durchfall schnell gestoppt.

    Aber was frisst er sonst wohl?

    Tomaten, Zwiebeln, Trauben, dementsprechend auch Rosinen, Avocado und Schokolade sind bekanntlich Gift, auch wenn es meist auf die Menge ankommt. Dicker werden soll er auch nicht, aber satt werden natürlich schon. Also erst mal ausprobieren, was er mag. Das ist schnell geschehen: außer den Bananen ist es nur Rucola den er verschmäht.

    Neben Schokolade, Caramel und Keksen liebt Ike leidenschaftlich Milchprodukte aller Art. Wenn ich die Milchtüte aus dem Kühlschrank nehme springt er voller Vorfreude im Kreis. Allerdings bekommt er immer nur ein paar Schlucke, weil Kuhmilch eine etwas unangenehme Nebenwirkung hat: er schlabbert sie weg, schaut glücklich und rülpst dann, wie ein alter Bergbauer. Macht mir zwar nichts aus, aber es könnte ja auch mal Besuch dabei sein...

    Ziegenmilch verträgt er besser und Joghurt auch in größeren Mengen. Für sich selbst bekommt er nur Naturjoghurt, aber wenn wir eine unserer Sorten essen hypnotisiert er den Becher und weiß genau: er darf nachher auslecken. Das macht er ganz akribisch, mit gerader Körperhaltung und oft auch angehobener Vorderpfote, bis wirklich auch absolut kein Rest Joghurt mehr im Becher ist. Bei großen Bechern, in die die Nase passt, brauche ich nicht mal festhalten.

    Natürlich ist er begeistert von Wurst, Fleisch und Innereien, aber auch Fisch und sogar Gemüse wie Möhren, Zucchini, Fenchel etc. Von mir aus, soll er haben. Morgens gibt es eine Möhre nach dem Aufstehen, dann zum Frühstück einen Naturjoghurt mit Trockenfutter. Für den späteren Nachmittag stelle ich mich alle paar Tage kurz an den Herd, schneide Putenbrust, -leber oder -herz klein, manchmal gibt es auch Hack, dazu kleingeschnittenes Gemüse, alles in einer Pfanne gut durchgegart und in einer Plastikdose im Kühlschrank für die nächsten zwei bis drei Tage aufbewahrt. Manchmal ein rohes Eigelb dazu, auch Nudeln oder Reis lassen sich prima vorkochen und können mit dem Fleisch oder mal einer Dose Thunfisch oder Ölsardinen schnell gemischt werden.

    So was schmeckt besonders gut, aber auch über einen Zwieback freut er sich und schleppt seine Beute gleich zum Zerkrümeln auf seine Decke.

    Der Renner sind natürlich getrocknete Schweine- bzw. Rinderohren und Pansen. Stinkt wie die Pest, aber alle -wirklich alle - Hunde, sehen das völlig anders und stellen sich an, als sei das der Gipfel aller Genüsse. Damit probiere ich auch gleich aus wie er reagiert wenn ich ihm etwas zu Fressen wegnehmen will: Er liegt begeistert auf dem Rinderohr kauend in seinem Körbchen, ich setze mich daneben, greife nach dem durchgekauten Rest und sage ‚Aus‘. Ich ruckele ein bisschen daran, und er macht tatsächlich das Maul auf und lässt mich ohne Knurren oder Murren sein kulinarisches Highlight wegnehmen. Natürlich schaut er dabei demonstrativ entgeistert und verfolgt meine Hand mit der Nase, aber er widersetzt sich kein bisschen.

    Dafür gibt es ein ganz, ganz dickes Lob und dann auch gleich das olle Ohr zurück damit er merkt, dass es ja gar keine schlimmen Konsequenzen hat wenn ich ihm mal etwas wegnehme. Guter Hund, mein Kampfhund!

    Irgendwo lese ich, dass man den Hunden keine Knochen geben soll. Wie bitte? Das ist doch eigentlich das, was man so fressmäßig als erstes mit Hunden verbindet. Selbst mein Dackel hat immer den Knochen, aus dem Mutti die Markklößchensuppe gemacht hat, bekommen. Leider steht keine Erklärung bei dem Hinweis und so müssen wir die Erfahrung, dass der Tipp nicht ganz falsch ist, leider selbst machen: nach einem Grillabend gibt Joey Ike zwei Kotelettknochen, die der ratzfatz verputzt. Was wir dabei nicht sehen ist, dass er mit seinem kräftigen Gebiss den Knochen zwar klein beißt, aber nicht richtig zerkaut und daher große Stücke komplett geschluckt hat.

    In der Nacht werde ich wach, weil er erbricht. Ein bisschen Schleim, ein paar Stückchen von seinem Betthupferl, mehr nicht. Ich putze es weg und denke, dass trotz Abspülens wohl doch noch zu viel knoblauchhaltige Marinade an den Knochen war und ihm die jetzt nicht so bekommt. Weit gefehlt.

    Kurz nach dem Aufstehen am nächsten Morgen, bricht er wieder, und diesmal liegen in dem Schleim zwei unglaublich große, mit spitzen Enden versehene Knochenstücke. Sie sind bestimmt 3 – 4 cm lang und 2 cm breit; wie kann so etwas nur unbeschadet durch die Speiseröhre? Zum Glück ist kein Blut in dem Schleim, und er macht auch einen recht fitten Eindruck. Trotzdem rufe ich den Tierarzt an.

    Wir vereinbaren, sofort zu kommen, falls blutiges Erbrechen, Verstopfung oder deutliche Krankheitszeichen auftreten, ansonsten rät er aber erst einmal abzuwarten, zu beobachten und Ikey 24 Stunden lang nichts zu geben außer Wasser.

    Also wird Ike an dem Tag geschont (was er natürlich anders sieht, weil er nichts zu Fressen bekommt und einen auf ‚unglücklicher Hund‘ macht, sobald wir etwas essen), und es geht ihm glücklicherweise nach und nach wieder besser, so dass er am nächsten Tag auch wieder mit lauter feinen Sachen verwöhnt wird.

    Nein, das mit den Knochen machen wir definitiv nicht mehr!

    12. März 2009 - Eingewöhnung

    Das erste Wochenende habe ich mich wie eine junge Mutter mit ihrem ersten Kind gefühlt. Sein Plätzchen im Wohnzimmer hat Ike direkt angenommen, die ganze Wohnung beschnüffelt und sich dann auf seine Decke zurückgezogen. Nachts habe ich wenig geschlafen, weil ich mit einem Ohr immer gelauscht habe, ob wohl alles in Ordnung mit ihm ist. Er hat ein bisschen diese Art Zwingerhusten, unter dem mein Dackel seinerzeit auch litt. Das ist wie Asthma, die Hunde keuchen erbärmlich und versuchen verzweifelt Luft zu bekommen. Bei meinem Dackel dauerte das anfangs bis zu einer Stunde, bei Ike hört es zum Glück rasch wieder auf. Ich streichle ihn, rede beruhigend auf ihn ein, dann geht es wieder.

    Wie bei den meisten Hunden ist es psychosomatisch und kommt bei Angst verstärkt vor. Nach einigen Wochen, als er sich sicher ist, dass er wieder ein richtiges Zuhause hat, tritt das Keuchen nicht mehr auf.

    Morgens stehen wir ungewohnt früh auf, da wir nicht wissen wie lange Ike aushält und laufen mit ihm durch den Wald. Dann nach dem Frühstück noch mal, am frühen und am späten Nachmittag und kurz vor dem Schlafen gehen. So viel bin ich noch nie draußen herumgelaufen - schon gar nicht bei dem miesen Wetter, was wir zurzeit haben. Trotzdem macht es Spaß.

    Wenig Spaß macht es, als ich direkt am ersten Morgen mit ihm Brötchen holen möchte. Ich mache ihn an der Halterung vor dem Laden fest und gehe hinein. Wie üblich stehen schon so einige Leute Schlange. Das Dumme ist, dass die Leine genau so lang ist, dass er jedes Mal, wenn sich die Tür öffnet, halb in den Laden kann, und genau das tut er auch.

    Ich gehe also hinaus, schiebe ihn wieder in Richtung Halterung, gehe hinein, stelle ich mich wieder in die Schlange... und mache das insgesamt etwa 15 mal, bis ich endlich an der Reihe bin und mit meinen Brötchen und dem Hund wieder abziehen kann. Das hat nicht nur genervt, es ist auch ein bisschen peinlich wenn man merkt, dass die Leute denken, man habe seinen Hund nicht im Griff. So ein ungezogenes Tier! Schließlich weiß ja keiner, dass wir uns gerade mal seit weniger als 24 Stunden kennen und erst noch zusammenraufen müssen.

    Sonntag früh fahren wir mit ihm Auto. Leider hat unser Wagen eine recht hohe Ladekante und jetzt müssen wir Ike beibringen, in den Kofferraum zu springen. Zur Unterstützung stelle ich eine umgedrehte Curverbox vor das Auto, lotse ihn erst dort hinauf und dann von dort in den Kofferraum. Er scheint sehr ungeübt im Springen, aber da er ein Geschirr trägt (weil ich das besser finde, als ein Halsband das die Kehle einschnürt) können wir ihn daran ein bisschen hoch ziehen, und er versteht rasch, was von ihm erwartet wird.

    Das Auto ist noch keine drei Wochen alt, aber jetzt hat es Kratzer auf der Stoßstange, wo er sich mit seinen Krallen beim Springen aufstützt. Meine Blödheit! Ich lerne, künftig ein Handtuch oder etwas Ähnliches unterzulegen.

    Das Autofahren an sich macht ihm offenbar Spaß. Er schaut interessiert aus dem Fenster und verhält sich ruhig. Was das angeht, müssen wir ihn also wohl doch nicht wieder zurückgeben!

    Für den Nachmittag haben wir Freunde zum Kaffee eingeladen. Die Verdauungsstörungen sind allerdings noch immer aktuell. Er hat zwar keinen Durchfall mehr, aber ganz schön Blähungen. Zum Glück ist es warm genug, dass wir die meiste Zeit die Fenster aufmachen können ohne unseren Besuch auszukühlen, und so lüften wir vehement, damit unseren Freunden nicht der Appetit vergeht. Vielleicht ist es aber trotzdem

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